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BFH 25.02.2015 - XI R 14/13
BFH 25.02.2015 - XI R 14/13 - Kindergeldanspruch für ein Kind, das mit dem anderen Elternteil seines nichtehelichen Kindes in einem gemeinsamen Haushalt lebt
Normen
§ 1615l BGB, § 32 Abs 4 S 1 Nr 2 EStG 2002, § 32 Abs 4 S 2 EStG 2002, EStG VZ 2006
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 7. März 2013, Az: 10 K 10353/08, Urteil
nachgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 3. Dezember 2015, Az: 14 K 14073/15, Beschluss
Leitsatz
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1. NV: Lebt ein Kind mit dem anderen Elternteil seines nichtehelichen Kindes in einem gemeinsamen Haushalt, sind in die Berechnung der nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in der für 2006 bis 2008 geltenden Fassung (a.F.) zu berücksichtigenden Einkünfte und Bezüge nur die im Anspruchszeitraum tatsächlich zugeflossenen Unterhaltsleistungen des anderen Elternteils oder Dritter einzubeziehen, sofern das Kind nicht i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 9 EStG a.F. auf die Geltendmachung seines Unterhaltsanspruchs verzichtet hat .
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2. NV: Leben die Elternteile eines nichtehelichen Kindes in einem gemeinsamen Haushalt, kann bei einer im Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. notwendigen Schätzung von gegenüber dem betreuenden Elternteil erbrachten Unterhaltsleistungen des anderen Elternteils nicht von dem Erfahrungssatz ausgegangen werden, dass sich die Elternteile das Einkommen des alleinverdienenden Elternteils oder ihr gemeinsames verfügbares Einkommen hälftig teilen .
Tenor
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Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. März 2013 10 K 10353/08 aufgehoben.
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Die Sache wird an das Finanzgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.
Tatbestand
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I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) die Kindergeldfestsetzung für die Tochter der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) für das Jahr 2006 (Streitzeitraum) zu Recht aufgehoben hat.
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Die Klägerin ist die Mutter des Kindes A, geboren am 7. Juli 1981. A ist die Mutter der am 5. November 2004 geborenen B und lebt mit dem Vater ihres Kindes in einem gemeinsamen Haushalt.
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Mit Bescheid vom 28. April 2005 setzte die Familienkasse gegenüber der Klägerin für A für den Zeitraum April 2005 bis März 2007 Kindergeld fest.
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Ausweislich vorgelegter Studienbescheinigungen war A vom Wintersemester 2005/2006 bis Wintersemester 2006/2007 an der Universität X immatrikuliert und nicht beurlaubt. Laut einer entsprechenden Lohnsteuerbescheinigung für 2006 bezog A in diesem Jahr einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 2.939,50 €. Ein Bescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 3. April 2006 weist für April 2006 bis einschließlich September 2006 eine monatliche Rente in Höhe von 150,07 € aus.
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Mit Bescheid vom 12. Juni 2008 hob die Familienkasse gegenüber der Klägerin die Kindergeldfestsetzung für A für die Monate Januar bis Dezember 2006 auf und verlangte die Rückzahlung des für diesen Zeitraum gezahlten Kindergeldes in Höhe von 1.848 €. A lebe mit dem Vater ihres Kindes B in einem gemeinsamen Haushalt. Da dieser im Streitzeitraum ein hohes Einkommen gehabt habe, sei zu unterstellen, dass er und A das zur Verfügung stehende Einkommen geteilt hätten. Deshalb seien A als Unterhaltsleistungen des Vaters von B 17.757,39 € zuzurechnen. Zudem habe A im Jahr 2006 über (eigene) Einkünfte und Bezüge verfügt, die den für die Zahlung von Kindergeld maßgeblichen Grenzbetrag bei weitem überschritten hätten. Daher entfalle die Unterhaltspflicht der Klägerin gegenüber A und damit auch deren Kindergeldanspruch. Die Familienkasse wies den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück.
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Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen erhobenen Klage statt. Der Klägerin habe für den streitbefangenen Zeitraum Kindergeld zugestanden, so dass die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung und die Rückforderung des Kindergeldes rechtswidrig gewesen seien. Entgegen der Auffassung der Familienkasse hätten die Einkünfte und Bezüge von A nicht den nach § 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der im Streitjahr geltenden Fassung maßgeblichen Grenzbetrag von 7.680 € überschritten. Denn der von der Familienkasse insoweit als Bezug angesetzte Unterhaltsanspruch von A gegenüber dem Kindsvater von B nach § 1615l des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung habe nicht bestanden. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 947 veröffentlicht.
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Zur Begründung ihrer Revision rügt die Familienkasse die Verletzung materiellen Rechts. Sie führt aus, das FG habe zu Unrecht im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte und Bezüge von A nicht deren Unterhaltsanspruch gegenüber dem Vater des gemeinsamen Kindes in Höhe von 14.133,14 € als Bezug berücksichtigt. Entgegen der Auffassung des FG hätten die entsprechenden Voraussetzungen nach § 1615l Abs. 2 Sätze 2 und 3 BGB vorgelegen. Die hilfsweise vom FG vorgenommene Grenzbetragsberechnung sei ebenfalls rechtswidrig.
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Die Familienkasse beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Sie hält die Entscheidung der Vorinstanz für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision der Familienkasse ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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Ausgehend von dem bisher festgestellten Sachverhalt hat das FG zu Unrecht entschieden, dass der Klägerin der begehrte Kindergeldanspruch zusteht. Die Feststellungen des FG lassen keine Entscheidung darüber zu, ob zu berücksichtigende Bezüge ihres Kindes A vorlagen, die zu einer Überschreitung des im Jahr 2006 nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG maßgebenden Grenzbetrages von 7.680 € führten, und deshalb ein Kindergeldanspruch der Klägerin ausgeschlossen ist.
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1. Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass A im Streitzeitraum Januar bis Dezember 2006 grundsätzlich nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG kindergeldrechtlich zu berücksichtigen ist, da sie in dieser Zeit nach den Feststellungen des FG für einen Beruf ausgebildet wurde.
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2. Das FG hat auf der Grundlage seiner bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen unzutreffend angenommen, dass die Einkünfte und Bezüge von A den im Streitjahr 2006 nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG maßgebenden Grenzbetrag von 7.680 € unterschritten haben.
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a) Zu den in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG genannten Bezügen gehören Geldzuflüsse und Naturalleistungen, die bei der einkommensteuerrechtlichen Einkünfteermittlung nicht erfasst werden, somit auch die Unterhaltsleistungen des Kindsvaters an die Kindsmutter, für die Kindergeld beansprucht wird. Wegen des auch für Bezüge geltenden Zuflussprinzips führt ein Unterhaltsanspruch --auf den der Unterhaltsberechtigte nicht i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 9 EStG ganz oder teilweise verzichtet hat-- nur dann zu Bezügen, wenn er tatsächlich erfüllt wird (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. Dezember 2011 III R 8/08, BFHE 236, 155, BStBl II 2012, 340; BFH-Urteile vom 12. September 2013 III R 55/12, BFH/NV 2014, 36, Rz 12; vom 8. Mai 2014 III R 50/13, BFH/NV 2014, 1536, Rz 15).
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Bezogen auf den Streitfall bedeutet dies, dass die (abstrakte) Frage eines Unterhaltsanspruchs der A gegenüber dem Kindsvater nach § 1615l BGB nicht entscheidungserheblich ist.
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b) Wird Kindergeld für ein verheiratetes Kind begehrt, das mit seinem Ehegatten in einem gemeinsamen Haushalt lebt, kann bei der Schätzung der als Bezüge anzusetzenden Unterhaltsleistungen zwar davon ausgegangen werden, dass sich die --kinderlosen-- Ehegatten das gemeinsame verfügbare Einkommen hälftig teilen, sofern dem unterhaltsverpflichteten Ehegatten ein verfügbares Einkommen in Höhe des steuerrechtlichen Existenzminimums verbleibt (BFH-Urteile vom 23. November 2011 III R 76/09, BFHE 236, 79, BStBl II 2012, 413, und in BFH/NV 2014, 36, Rz 13). Dieser Grundsatz lässt sich aber auf nicht verheiratete, zusammen lebende Eltern mit Kind schon deshalb nicht übertragen, weil beim Unterhaltsanspruch nach § 1615l BGB, anders als beim Unterhalt zwischen zusammen lebenden, getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten, die wirtschaftlichen Verhältnisse des unterhaltspflichtigen Kindsvaters nicht maßgebend sind (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2008 XII ZR 109/05, BGHZ 177, 272; BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 36, Rz 13). Wegen der Geltung des Zuflussprinzips ist daher in den Fällen, in denen --wie hier-- unverheiratete Eltern mit ihrem Kind in einem gemeinsamen Haushalt leben, im Einzelnen zu ermitteln, ob und ggf. in welchem Umfang gegenüber dem betreuenden Elternteil oder durch einen Dritten Naturalleistungen erbracht wurden (BFH-Urteile vom 11. April 2013 III R 24/12, BFHE 241, 255, BStBl II 2013, 866; in BFH/NV 2014, 36, Rz 13, und in BFH/NV 2014, 1536, Rz 15).
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c) Das angefochtene Urteil beruht auf anderen Rechtsgrundsätzen. Die Entscheidung ist daher aufzuheben. Aufgrund der bislang getroffenen Feststellungen des FG kann der Senat nicht beurteilen, in welcher Höhe A im Jahr 2006 Einkünfte und Bezüge zugeflossen sind. Das FG wird im zweiten Rechtsgang die Höhe der Unterhaltsleistungen, die A vom Kindsvater im Jahr 2006 (tatsächlich) erhalten hat, zu ermitteln haben. Dabei bestehen keine Bedenken, Naturalleistungen in Anlehnung an die Sozialversicherungsentgeltverordnung zu schätzen (BFH-Urteile in BFHE 241, 255, BStBl II 2013, 866; in BFH/NV 2014, 36, Rz 14, und in BFH/NV 2014, 1536, Rz 18).
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3. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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4. Der Senat erkennt mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2, § 121 Satz 1 FGO).
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