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BFH 06.11.2014 - VI R 4/14
BFH 06.11.2014 - VI R 4/14 - (Werbungskostenabzug bei häuslichem Arbeitszimmer eines Richters - Dienstzimmer als "anderer Arbeitsplatz" i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG)
Normen
§ 4 Abs 5 S 1 Nr 6b S 2 EStG 2009 vom 08.12.2010, § 9 Abs 5 EStG 2002, EStG VZ 2007, EStG VZ 2009, § 4 Abs 5 S 1 Nr 6b S 3 EStG 2009 vom 08.12.2010, § 9 Abs 5 EStG 2009
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 16. Mai 2013, Az: 5 K 5253/11, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Ein Raum ist nicht zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet, wenn die arbeitsschutzrechtlich zu beachtenden Vorgaben nicht eingehalten werden .
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2. NV: Der Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit eines Richters liegt im Gericht und nicht im häuslichen Arbeitszimmer .
Tatbestand
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I. Streitig ist, ob Aufwendungen einer Richterin für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen sind.
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Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erzielt als Richterin am Landgericht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Ihr steht im Dienstgebäude ein Dienstzimmer zur Verfügung. Dieses Zimmer nutzte die Klägerin in den Streitjahren 2007 und 2009 auch für ihre richterliche Tätigkeit.
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In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre machte die Klägerin bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit u.a. Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in Höhe von 1.250 € als Werbungskosten geltend und brachte vor, ihr stehe für ihre berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung. Sie sei gezwungen, ihr häusliches Arbeitszimmer zu nutzen, weil sie die dienstlich erforderlichen Arbeiten in ihrem Dienstzimmer aufgrund der erheblichen Lärmbelästigung durch eine Bahntrasse nicht erledigen könne. Außerdem entspreche das Dienstzimmer insbesondere wegen seiner geringen Größe nicht den Vorgaben der Arbeitsstättenverordnung. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die Aufwendungen nicht als Werbungskosten. Die u.a. hiergegen gerichteten Einsprüche der Klägerin hatten keinen Erfolg, soweit es die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer betraf.
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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, der Mittelpunkt der beruflichen Betätigung der Klägerin liege nicht im häuslichen Arbeitszimmer. Denn die eigentliche richterliche Tätigkeit werde im Gericht ausgeübt und manifestiere sich in Sitzungen und mündlichen Verhandlungen. Der Klägerin stehe im Gericht auch ein Arbeitsplatz zur Verfügung, an dem sie ihre Tätigkeit ausüben könne. Es müsse sich nicht um einen "ruhigen" anderen Arbeitsplatz handeln. Vielmehr stehe ein "anderer Arbeitsplatz" auch zur Verfügung, wenn der Steuerpflichtige sich durch die konkreten Arbeitsbedingungen gestört fühle.
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Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts und Verfahrensmängel.
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Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 16. Mai 2013 5 K 5253/11 aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide für 2007 vom 18. Januar 2011 und für 2009 vom 10. Februar 2011 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 3. Juni 2011 dahingehend zu ändern, dass die in den Steuererklärungen für 2007 und 2009 erklärten Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt werden; hilfsweise, das Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
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Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Feststellungen des FG tragen nicht dessen Würdigung, es habe der Klägerin für ihre berufliche Tätigkeit ein anderer Arbeitsplatz i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zur Verfügung gestanden.
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1. Gemäß § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG usw. kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht als Werbungskosten abziehen. Dies gilt nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG). In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 € begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG). Die genannte Regelung kommt auch für die Streitjahre zur Anwendung. Denn nach § 52 Abs. 12 Satz 9 EStG gilt sie für alle offenen Fälle ab dem Veranlagungszeitraum 2007.
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a) "Anderer Arbeitsplatz" i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG ist grundsätzlich jeder Arbeitsplatz, der zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet ist (Senatsurteil vom 26. Februar 2014 VI R 37/13, BFHE 245, 22, BStBl II 2014, 570). Entsprechend hat das FG das von der Klägerin genutzte Dienstzimmer zu Recht als "anderen Arbeitsplatz" i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG angesehen.
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b) Weitere Voraussetzung für das Eingreifen der Abzugsbeschränkung ist, dass der andere Arbeitsplatz für die betriebliche oder berufliche Betätigung des Steuerpflichtigen zur Verfügung steht. Ein anderer Arbeitsplatz steht nur dann für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen zur Verfügung, wenn ihn der Steuerpflichtige in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Weise tatsächlich nutzen kann. Denn nur dann ist er nicht auf das häusliche Arbeitszimmer angewiesen. Muss der Steuerpflichtige hingegen einen nicht unerheblichen Teil seiner beruflichen Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer erledigen, weil er seinen Arbeitsplatz nur eingeschränkt nutzen kann, kommt das Abzugsverbot nicht zum Tragen. Denn in einem solchen Fall ist das Arbeitszimmer notwendig, so dass sich der Steuerpflichtige den Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer nicht entziehen kann (Senatsurteile vom 26. Februar 2014 VI R 40/12, BFHE 245, 14, BStBl II 2014, 568; in BFHE 245, 22, BStBl II 2014, 570). Entscheidend ist, ob gewährleistet ist, dass der Arbeitnehmer seine berufliche Tätigkeit in dem konkret erforderlichen Umfang an dem "anderen Arbeitsplatz" erledigen kann (Senatsurteile in BFHE 245, 22, BStBl II 2014, 570; vom 26. Februar 2014 VI R 11/12, BFHE 245, 150, BStBl II 2004, 674).
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Ein Arbeitsplatz ist nicht geeignet für die Erledigung der konkret erforderlichen beruflichen Tätigkeiten, wenn die zulässigen Grenzwerte für Lärmbelästigungen überschritten werden. Aufgrund drohender Gesundheitsbeeinträchtigung ist ein Dienstzimmer dann objektiv ungeeignet, die erforderlichen Büroarbeiten darin zu verrichten. Dies ist dann der Fall, wenn arbeitsschutzrechtlich zu beachtende Vorgaben (z.B. § 6 der der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz dienenden Arbeitsstättenverordnung zur Größe der Dienstzimmer oder die Grenzwerte der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung) nicht eingehalten werden.
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Ob die erforderliche Eignung vorliegt, hat das FG unter Berücksichtigung der objektiven Umstände des konkreten Einzelfalls festzustellen (§ 118 Abs. 2 FGO; Senatsentscheidungen vom 5. Oktober 2011 VI R 91/10, BFHE 235, 372, BStBl II 2012, 127; in BFHE 245, 150, BStBl II 2014, 674).
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c) Die Feststellungen des FG lassen nicht den Schluss zu, dass der Klägerin nach diesen Grundsätzen ein "anderer Arbeitsplatz" zur Verfügung gestanden hat. Die Sache ist nicht spruchreif. Es fehlt an Feststellungen zu der Frage, ob das Dienstzimmer den arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen hinsichtlich seiner Beschaffenheit (insbesondere Größe und Lärmbelästigung) entspricht. Das FG wird entsprechende Feststellungen, ggf. unter Einholung eines Sachverständigengutachtens, nachholen.
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2. Da die Revision bereits aus anderen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung führt, muss der Senat nicht entscheiden, ob die Klägerin auch infolge eines Verfahrensfehlers in ihren Rechten verletzt ist.
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Es muss auch nicht darüber entschieden werden, ob das FG seine Hinweispflicht verletzt hat, weil es nicht angeregt hat, den Klagantrag dahingehend zu stellen, dass der Abzug der gesamten für das Arbeitszimmer angefallenen Aufwendungen als Werbungskosten begehrt wird. Sollte das FG nämlich im zweiten Rechtsgang zu dem Ergebnis kommen, dass der Klägerin kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand, so kommt ein über 1.250 € hinausgehender Abzug von Werbungskosten schon deshalb nicht in Betracht, weil sich der Mittelpunkt der beruflichen Betätigung der Klägerin nicht im häuslichen Arbeitszimmer befand. Den Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit eines Richters bildet das Gericht (z.B. Senatsurteil vom 8. Dezember 2011 VI R 13/11, BFHE 236, 92, BStBl II 2012, 236). Dies gilt unabhängig davon, in welchem Umfang dort neben der den eigentlichen qualitativen Schwerpunkt bildenden Tätigkeit, die sich in Sitzungen und in mündlichen Verhandlungen manifestiert, Entscheidungen schriftlich vorbereitet und abgefasst werden.
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3. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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