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BFH 24.09.2014 - VII B 101/13
BFH 24.09.2014 - VII B 101/13 - Zur Versagung der (Wieder)Bestellung eines Steuerberaters wegen Besorgnis künftiger Berufspflichtverletzungen
Normen
§ 40 Abs 2 S 2 Nr 4 StBerG, § 48 Abs 2 StBerG, § 96 Abs 2 FGO, Art 12 Abs 1 GG, Art 103 Abs 1 GG
Vorinstanz
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 18. April 2013, Az: 6 K 381/12, Urteil
Leitsatz
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NV: Für die Versagung einer (Wieder)Bestellung als Steuerberater gemäß § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 StBerG ist nicht die tatsächliche Verletzung von Berufspflichten maßgeblich, sondern ein allgemeines Verhalten des Bewerbers bzw. Wiederbewerbers, welches Rückschlüsse auf dessen künftige Einstellung zu den Berufspflichten eines Steuerberaters zulässt.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wurde 1988 als Steuerberater bestellt. Diese Bestellung wurde mit Bescheid vom … Mai 1998 wegen Vermögensverfalls des Klägers gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) widerrufen. Seit der Rechtskraft des den Widerruf bestätigenden Urteils im Jahre 2000 ist der Kläger als Unternehmensberater tätig. Das im Jahr 2005 über das Vermögen des Klägers eröffnete Insolvenzverfahren wurde im November 2006 abgeschlossen; mit Beschluss vom … Juli 2011 erteilte das Amtsgericht dem Kläger Restschuldbefreiung.
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Die 2006 seitens des Klägers beantragte Wiederbestellung als Steuerberater lehnte die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Steuerberaterkammer) ab. Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen erhobene Klage mit Urteil vom 6. März 2008 ab und stützte die Entscheidung auf die Besorgnis, der Kläger werde den Berufspflichten als Steuerberater nicht genügen. Nach den Feststellungen des Gerichts hatte der Kläger trotz des Widerrufs der Bestellung als Steuerberater weiterhin --unbefugt-- Hilfe in Steuersachen geleistet und war rechtskräftig wegen Steuerhinterziehung und Insolvenzverfahrensverschleppung sowie zur Unterlassung des Führens der Bezeichnung "Steuerberater" und zur Unterlassung der Erbringung steuerberatender Leistungen verurteilt worden.
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Mit Schreiben vom 11. Oktober 2011 beantragte der Kläger erneut seine Wiederbestellung als Steuerberater mit der Begründung, die im Urteil vom 6. März 2008 angeführten Ablehnungsgründe bestünden nicht mehr. Wegen geschäftsmäßiger unbefugter Hilfeleistung in Steuersachen erging am … Juni 2012 ein Buß-geldbescheid wegen 23 Ordnungswidrigkeiten gegen den Kläger; das zuständige Finanzamt (FA) setzte Geldbußen in Höhe von … € fest. Nach Anhörung des Klägers lehnte die Steuerberaterkammer mit Bescheid vom 19. September 2012 den Antrag auf Wiederbestellung als Steuerberater wegen der anhaltenden Besorgnis künftiger Berufspflichtverletzungen (§ 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 StBerG) ab.
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Die hiergegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das FG urteilte, der Kläger habe in der Vergangenheit regelmäßig und erheblich gegen berufsrechtliche Bestimmungen verstoßen, habe wiederholt Vermögensdelikte begangen und sei wegen Steuerhinterziehung, Insolvenzverfahrensverschleppung und Missbrauchs der Berufsbezeichnung "Steuerberater" mehrfach rechtskräftig verurteilt worden, wodurch die Gefahr der Wiederholung von Verfehlungen gegen die Berufspflichten als Steuerberater für die Zukunft begründet werde. Durch sein früheres Verhalten bringe der Kläger eine mit den Standesgrundsätzen unvereinbare Einstellung zum Ausdruck. Die Versagung der Wiederbestellung als Steuerberater sei demnach trotz des Eingriffs in die Freiheit der Berufswahl nach Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verhältnismäßig. Der Versagung der Wiederbestellung als Steuerberater stehe auch weder der Zeitablauf seit der letzten Verfehlung des Klägers noch der Gesichtspunkt seiner Resozialisierung entgegen. Durch den Bußgeldbescheid vom … Juni 2012 werde in jüngerer Vergangenheit erneut deutlich, dass der Kläger nicht gewillt sei, die berufsrechtlichen Bestimmungen zu beachten. Nach einer Gesamtwürdigung seines Verhaltens stünden das Interesse der Allgemeinheit an einer funktionstüchtigen Steuerrechtspflege und das Vertrauen in die Integrität des Berufsstands seiner Wiederbestellung als Steuerberater entgegen.
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Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), da das FG bei seiner --höchstrichterlich noch nicht geklärten-- Auslegung des § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 StBerG die Bedeutung und die Reichweite des Grundrechts auf freie Berufswahl und Berufsausübung verkannt habe. Durch seine Entscheidung habe das FG unverhältnismäßig in die Berufswahlfreiheit eingegriffen und ihn in seinem Grundrecht gemäß Art. 12 Abs. 1 GG verletzt. Eine umfassende Abwägung aller Umstände des Einzelfalls sei seitens des FG nicht vorgenommen worden. Zu Unrecht habe das FG die Gefahr gesehen, er (der Kläger) werde künftig nicht den Berufspflichten eines Steuerberaters genügen. Insbesondere habe das FG den Zeitablauf seit der letzten strafrechtlich relevanten Handlung unzureichend berücksichtigt. Dabei sei zu beachten, dass die im Jahr 2010 verletzten Pflichten, die Berufsbezeichnung als "Steuerberater" zu unterlassen und keine unbefugte Hilfe in Steuersachen zu leisten, keine besonderen Berufspflichten i.S. des § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 StBerG seien, sondern allgemein geltende Pflichten. Im Fall einer Wiederbestellung als Steuerberater sei eine künftige Verletzung dieser Pflichten ausgeschlossen, so dass das FG durch seine Schlussfolgerung auch gegen Denkgesetze verstoßen habe.
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Darüber hinaus sei die Revision wegen eines Verfahrensmangels gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zuzulassen, da das FG durch Beiziehung und Verwendung einer Ermittlungsakte des FA ohne sein (des Klägers) Wissen seinen Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verletzt habe.
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Die Steuerberaterkammer ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe z.T. nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, jedenfalls aber nicht vorliegen.
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1. Für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) muss schlüssig und substantiiert dargetan werden, weshalb eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage im Interesse der Allgemeinheit klärungsbedürftig und im Streitfall klärungsfähig ist. Diesbezüglich ist eine konkrete Rechtsfrage zu formulieren sowie auf ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung für die Allgemeinheit, mithin ihre Klärungsbedürftigkeit, einzugehen. Es ist substantiiert darzulegen, inwieweit die Beurteilung der aufgeworfenen Frage zweifelhaft und umstritten ist und warum deren Klärung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 27. Oktober 2003 VII B 196/03, BFH/NV 2004, 232; vom 2. Dezember 2002 VII B 203/02, BFH/NV 2003, 527, 528, m.w.N., und vom 12. Juni 2008 VII B 61/08, BFH/NV 2008, 1708, 1709). Hierzu muss sich der Beschwerdeführer mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) und den Äußerungen im Schrifttum auseinandersetzen. Insbesondere sind Ausführungen erforderlich, aus denen sich ergibt, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und umstritten ist (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 116 Rz 32). Bei Streitfragen, die maßgeblich von der Beurteilung des Einzelfalls abhängen, bedarf es substantiierter Darlegungen, weshalb der Rechtsfrage ausnahmsweise eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommen soll (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2008 VIII B 253/05, BFH/NV 2008, 740, 741, m.w.N.).
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Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Insbesondere fehlt die Formulierung einer konkreten klärungsbedürftigen Rechtsfrage. Der Hinweis des Klägers, zur (verfassungskonformen) Auslegung des § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 StBerG sei noch keine Entscheidung des BFH ergangen, reicht hierfür nicht aus. Insbesondere bleibt unklar, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen diese Auslegung zweifelhaft und umstritten sein soll. Vielmehr hat der Kläger selbst auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts zur vergleichbaren Regelung des § 7 Nr. 5 der Bundesrechtsanwaltsordnung hingewiesen, der für die Zulassung von Rechtsanwälten gilt.
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Darüber hinaus hat das FG unter Berücksichtigung des Art. 12 Abs. 1 GG eine umfassende Gesamtabwägung vorgenommen. Dabei hat es insbesondere die Verfehlungen des Klägers in der Vergangenheit nicht als geringfügig angesehen und überdies begründet, weshalb es dem Gesichtspunkt des Zeitablaufs seit Begehen der Verfehlungen kein entscheidendes Gewicht beigemessen hat. Eine solche Abwägung der im konkreten Streitfall relevanten Interessen und Umstände ist dem Tatrichter vorbehalten. Im Ergebnis legt der Kläger mit seiner Beschwerdebegründung lediglich dar, zu welchem Ergebnis die Abwägung nach seiner Auffassung im Streitfall kommen muss. Rechtsfragen grundsätzlicher Art ergeben sich aus dieser abweichenden Tatsachenwürdigung nicht. Auch kann der Beschwerde nicht darin gefolgt werden, allein ihre die Voraussetzungen einer Wiederbestellung bejahende Tatsachenwürdigung trage dem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG Rechnung.
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2. Auch soweit der Kläger einen Verstoß des FG gegen Denkgesetze bei der Tatsachenwürdigung rügt, werden Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung nicht darlegt.
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Verstöße gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze können allenfalls nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ein Grund für die Zulassung der Revision sein. Die Voraussetzungen dieses Zulassungsgrunds sind allerdings nur dann erfüllt, wenn das angefochtene Urteil derart schwerwiegende Fehler bei der Auslegung des revisiblen Rechts aufweist, dass die Entscheidung des FG objektiv willkürlich erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (z.B. BFH-Beschluss vom 14. Dezember 2011 X B 85/11, BFH/NV 2012, 749, 750). Hiervon ist vorliegend nicht auszugehen.
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Der Hinweis des Klägers, es sei denklogisch ausgeschlossen, dass er nach seiner Wiederbestellung als Steuerberater noch einmal die Pflichten verletze, die Berufsbezeichnung als "Steuerberater" zu unterlassen und keine unbefugte Hilfe in Steuersachen zu leisten, verkennt, dass § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 StBerG keine tatsächliche Verletzung von Berufspflichten verlangt, die vor einer (Wieder-)Bestellung als Steuerberater auch gar nicht möglich wäre, sondern sich nach dem eindeutigen Wortlaut auf ein allgemeines Verhalten des Bewerbers bzw. Wiederbewerbers bezieht, welches Rückschlüsse auf dessen künftige Einstellung zu den Berufspflichten eines Steuerberaters zulässt. Damit ist entscheidend, ob durch ein früheres Verhalten eine mit den Standesgrundsätzen unvereinbare Einstellung des Bewerbers bzw. Wiederbewerbers zum Ausdruck kommt, aus der sich die Gefahr des (künftigen) Verstoßes gegen die Berufspflichten eines Steuerberaters ergibt. Dazu kann --wie vom FG zutreffend angenommen-- auch ein Verhalten gehören, das im Fall der (Wieder-)Bestellung nicht mehr gesetzwidrig wäre.
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3. Schließlich scheidet auch die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensfehlers (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) aus.
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Wird --wie im Streitfall-- die Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO) nur in Bezug auf einzelne Feststellungen bzw. rechtliche Gesichtspunkte gerügt, sind Darlegungen erforderlich, welcher Sachvortrag durch das angeblich verfahrensfehlerhafte Verhalten abgeschnitten wurde, was der Beteiligte bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte und inwieweit bei Berücksichtigung des versagten Vorbringens das angefochtene Urteil hätte anders ausfallen können, d.h. inwieweit dieses Vorbringen entscheidungserheblich gewesen wäre (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 16. Dezember 2002 IX B 104/02, BFH/NV 2003, 499; vom 1. Juli 2003 III B 94/02, BFH/NV 2003, 1591, 1592; vom 9. April 2008 I R 43/07, BFH/NV 2008, 1848, m.w.N.). Die unwiderlegliche Vermutung der Ursächlichkeit einer Verletzung des rechtlichen Gehörs für die getroffene Entscheidung (§ 119 Nr. 3 FGO) gilt dagegen nur, wenn sich der Gehörverstoß --wie z.B. bei rechtswidriger Ablehnung eines Vertagungsantrags-- auf das Gesamtergebnis des Verfahrens bezieht (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 3. September 2001 GrS 3/98, BFHE 196, 39, BStBl II 2001, 802).
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Trotz der nachträglich gewährten Einsicht in die Ermittlungsakte des FA und der Ankündigung, sich zu dem Inhalt der Ermittlungsakte äußern zu wollen, fehlen aber bis heute jegliche Darlegungen, was der Kläger zusätzlich vorgetragen hätte, wenn er bereits im FG-Verfahren Gelegenheit zur Einsichtnahme in die Ermittlungsakte gehabt hätte, und inwieweit bei Berücksichtigung des angeblich versagten Vorbringens das angefochtene Urteil hätte anders ausfallen können. Vielmehr geht es ihm allein um eine abweichende Würdigung der Tatsachen, zu denen er im FG-Verfahren auch ohne Kenntnis der Ermittlungsakte Stellung genommen hatte. Insbesondere waren die im Jahr 2010 begangenen Ordnungswidrigkeiten, auf die sich das FG in seiner Entscheidung bezog, nach dem Sitzungsprotokoll des FG Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 18. April 2013.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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