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BFH 10.04.2014 - VI R 62/11
BFH 10.04.2014 - VI R 62/11 - Arbeitslohn Dritter; Rabatte beim Abschluss von Versicherungsverträgen
Normen
§ 19 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2002, § 8 Abs 1 EStG 2002
Vorinstanz
vorgehend FG München, 28. Oktober 2011, Az: 8 K 3176/08, Urteil
Leitsatz
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Werden Rabatte beim Abschluss von Versicherungsverträgen sowohl Arbeitnehmern von Geschäftspartnern als auch einem weiteren Personenkreis (Angehörige der gesamten Versicherungsbranche, Arbeitnehmer weiterer Unternehmen) eingeräumt, so liegt hierin kein Arbeitslohn .
Tatbestand
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I. Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Aktiengesellschaft (AG), für Lohnsteuer auf Rabatte haftet, die ihren Mitarbeitern von Dritten beim Abschluss von Versicherungsverträgen eingeräumt wurden.
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Die Klägerin war im Streitjahr 2004 zu rund 9 % an der X AG und zu über 90 % an der Y AG (Y) beteiligt. Die Y war zu 25,5344 % an der Z AG (Z) beteiligt.
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Die Arbeitnehmer der Klägerin erhielten Produkte von Versicherungsunternehmen der X sowie der Z zu verbilligten Tarifen. Auf dieses Angebot wurden sie unter Punkt 9 "Soziale Leistungen" im Personalhandbuch der Klägerin hingewiesen, auf das in den verwendeten Arbeitsverträgen unter Tz. 7 "Betriebliche Zusatzleistungen" Bezug genommen war. Die Klägerin unterwarf die gewährten Rabatte nicht dem Lohnsteuerabzug. Sie hat ihre Arbeitnehmer auch nicht darauf hingewiesen, dass von einem Dritten gewährte Bezüge dem Arbeitgeber anzugeben sind.
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Bezüglich der streitgegenständlichen Rabatte bestanden keine Vereinbarungen oder Absprachen zwischen der Klägerin und den Versicherungsunternehmen. Die von der Z gewährten Rabatte standen sämtlichen Innen- und Außendienstmitarbeitern aller deutschen Versicherungsunternehmen offen; außer an die Zugehörigkeit zur Versicherungsbranche waren sie an keine weiteren Bedingungen geknüpft. Die von der X gewährten Rabatte wurden nicht nur aktiven Mitarbeitern und Pensionären der inländischen X-Gesellschaften, sondern auch Beschäftigten anderer Unternehmen gewährt. Einzige Voraussetzung war insoweit die Betriebszugehörigkeit zu einem dieser Unternehmen.
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Zur Absatzförderung stellte die Klägerin eigene Räumlichkeiten zur Verfügung, in denen entsprechende Verträge abgeschlossen werden konnten.
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Im Zeitraum von Juli bis November 2005 fand bei der Klägerin eine Lohnsteuer-Außenprüfung für den Zeitraum Januar 2001 bis Dezember 2004 statt. Der Prüfer vertrat die Auffassung, es handele sich bei den gewährten Rabatten um Lohnzahlungen durch Dritte. Da die konkreten Beträge nicht mehr zu ermitteln waren, schätzte er die Bemessungsgrundlage für den Lohnsteuerabzug und errechnete die Lohnsteuer anhand eines in Anlehnung an § 40 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelten pauschalen Bruttosteuersatzes.
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Für das Streitjahr 2004 ergaben sich folgende Beträge:
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X
Y
Zu versteuernder Betrag
388.412,00 €
1.460,00 €
Bruttosteuersatz
40,90 %
40,50 %
Lohnsteuer
158.860,50 €
591,30 €
Kirchensteuer evangelisch
2.058,83 €
7,66 €
Kirchensteuer römisch-katholisch
4.803,93 €
17,87 €
Solidaritätszuschlag
8.737,32 €
32,52 €
Gesamt
174.460,58 €
649,35 €
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte der Auffassung des Prüfers und nahm die Klägerin mit Bescheid vom 23. November 2005 für Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und für Kirchensteuer für die Jahre 2001 bis 2004 in Haftung. Dem Einspruch der Klägerin gab das FA für die Jahre 2001 bis 2003 statt. Mit Einspruchsentscheidung vom 19. August 2008 wies es den Einspruch für das Streitjahr 2004 als unbegründet zurück. Die hiergegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 456 veröffentlichten Gründen ab.
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Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts und Verfahrensmängel.
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Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG München vom 26. Oktober 2011 8 K 3176/08 aufzuheben und den Haftungsbescheid vom 23. November 2005 dahingehend abzuändern, dass die Lohnsteuer auf 362 €, der Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer auf 19,91 €, die evangelische Kirchensteuer auf 28,96 € und die römisch-katholische Kirchensteuer auf 0 € herabgesetzt wird.
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Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die den Arbeitnehmern der Klägerin von Dritten eingeräumten Rabatte stellen keinen Arbeitslohn dar.
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1. Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 1 Sätze 1 und 3, Abs. 3 Satz 1 EStG vom Arbeitslohn einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat.
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a) Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG --neben Gehältern und Löhnen-- auch andere Bezüge und Vorteile, die "für" eine Beschäftigung im öffentlichen und privaten Dienst gewährt werden, unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG). Diese Bezüge gelten dann als für eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst sind, ohne dass ihnen eine Gegenleistung für eine konkrete (einzelne) Dienstleistung des Arbeitnehmers zugrunde liegen muss. Eine Veranlassung durch das individuelle Dienstverhältnis ist vielmehr zu bejahen, wenn die Einnahmen dem Empfänger mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zufließen und sich als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit darstellen, sich die Leistung des Arbeitgebers also im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. Urteile des Bundesfinanzhof --BFH-- vom 28. Februar 2013 VI R 58/11, BFHE 240, 345, BStBl II 2013, 642; vom 7. Mai 2014 VI R 73/12, BFHE 245, 230).
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b) Arbeitslohn kann nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteile in BFHE 240, 345, BStBl II 2013, 642; vom 18. Oktober 2012 VI R 64/11, BFHE 239, 270, BFH/NV 2013, 131; vom 20. Mai 2010 VI R 41/09, BFHE 229, 346, BStBl II 2010, 1022; vom 7. Mai 2014 VI R 73/12, 245, 230) ausnahmsweise auch bei der Zuwendung eines Dritten anzunehmen sein, wenn sie ein Entgelt "für" eine Leistung darstellt, die der Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses für seinen Arbeitgeber erbringt, erbracht hat oder erbringen soll. Voraussetzung ist, dass sich die Leistung des Dritten für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit für den Arbeitgeber darstellt und im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht. Dagegen liegt dann kein Arbeitslohn vor, wenn die Zuwendung wegen anderer Rechtsbeziehungen oder wegen sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird. Entsprechendes gilt, wenn die Zuwendung auf anderen Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitnehmer und Drittem gründet.
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aa) Rabatte, die der Arbeitgeber nicht nur seinen Arbeitnehmern, sondern auch fremden Dritten üblicherweise einräumt, begründen bei den Arbeitnehmern keinen Arbeitslohn. Soweit und in der Höhe, als Preisnachlässe auch im normalen Geschäftsverkehr unter fremden Dritten erzielt werden können, spricht nichts dafür, dass diese Rabatte, wenn sie auch Arbeitnehmern eingeräumt werden, als Vorteil für deren Beschäftigung gewährt werden. Denn es fehlt an einem aus dem Arbeitsverhältnis stammenden Vorteil als Grundvoraussetzung für Einkünfte i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 EStG (vgl. Senatsurteile vom 2. Februar 1990 VI R 15/86, BFHE 159, 513, BStBl II 1990, 472; vom 4. Mai 2006 VI R 28/05, BFHE 213, 484, BStBl II 2006, 781; vom 26. Juli 2012 VI R 27/11, BFHE 238, 376, BStBl II 2013, 402).
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bb) Dies gilt erst recht, wenn es um von Dritten gewährte Preisvorteile geht (vgl. auch Senatsurteil in BFHE 229, 346, BStBl II 2010, 1022, zum Verzicht auf Abschlussgebühren durch Dritte). Denn bei Leistungen Dritter liegt Arbeitslohn nur vor, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass die von Dritten eingeräumten Vorteile nicht auf deren eigenwirtschaftlichen Interessen gründen, sondern die für den Arbeitgeber erbrachte Arbeitsleistung entgelten sollen.
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c) Ob eine Zuwendung durch das Dienstverhältnis veranlasst und damit als Arbeitslohn zu beurteilen ist, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung durch das FG; dies gilt auch für die Zuwendung durch einen Dritten. Denn es ist aufgrund einer grundsätzlich der Tatsacheninstanz vorbehaltenen Würdigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, ob der entsprechende Leistungsaustausch den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, einer anderen Einkunftsart oder dem nicht einkommensteuerbaren Bereich zuzurechnen ist. Entscheidend ist insoweit nicht die persönliche Einschätzung der an der Zuwendung Beteiligten, sondern die von der Tatsacheninstanz zu würdigenden objektiven Umstände des Einzelfalls (vgl. z.B. Senatsurteile in BFHE 240, 345, BStBl II 2013, 642; vom 7. Mai 2014 VI R 73/12, BFHE 245, 230). In die tatrichterliche Würdigung sind --entsprechend ihrer Bedeutung-- alle wesentlichen Umstände des zu beurteilenden Sachverhalts einzubeziehen.
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2. Die Entscheidung des FG entspricht nicht diesen Rechtsgrundsätzen. Sie war deshalb aufzuheben. Der Senat kann durcherkennen. Auf der Grundlage der Feststellungen des FG handelt es sich im Streitfall um Rabatte, die nicht nur den Arbeitnehmern der Klägerin, sondern auch einem weiteren Personenkreis zugänglich waren, ohne dass dies an das Erbringen von Arbeitsleistungen geknüpft gewesen wäre. Arbeitslohn liegt danach nicht vor.
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a) Das FG hat den Entlohnungscharakter der Rabatte letztlich einzig daran festgemacht, dass die Tarifvorteile über die Verweisung auf das Personalhandbuch Gegenstand des Arbeitsvertrags gewesen seien.
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Diese Feststellung lässt jedoch nicht den Schluss auf das Vorliegen von Arbeitslohn zu, weil allein aus dem Hinweis darauf, dass Dritte möglicherweise auf ihre Leistungen Rabatte einräumen, nicht auf eine zusätzliche Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft durch Dritte geschlossen werden kann. Denn nach den Feststellungen der Vorinstanz war eine Rabattgewährung durch die X bzw. Z nicht dergestalt in die Arbeitsverträge einbezogen, dass den Arbeitnehmern der Klägerin hierauf ein Anspruch eingeräumt worden wäre. Vielmehr ist lediglich von einem Hinweis auf das Personalhandbuch die Rede, in dem wiederum Informationen über Ansprechpartner enthalten waren, über die Verträge abgeschlossen werden konnten.
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b) Auch die vermeintliche Mitwirkung der Klägerin an der Verschaffung der Vorteile erlaubt es nicht, eingeräumte Rabatte als Arbeitslohn anzusehen.
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Der Hinweis auf das Personalhandbuch ist ebenso wie das Zurverfügungstellen von Räumlichkeiten für Treffen der Arbeitnehmer mit den Ansprechpartnern der Versicherungen schon nicht als aktives Mitwirken anzusehen. Darüber hinaus gehören Rabatte, die ein Dritter einräumt, nicht allein deshalb zum Arbeitslohn, weil der Arbeitgeber an deren Verschaffung mitgewirkt hat. Zwar kann eine Mitwirkung des Arbeitgebers an Preisvorteilen, die Arbeitnehmern von dritter Seite eingeräumt werden, dafür sprechen, dass die Drittzuwendung wirtschaftlich betrachtet Arbeitslohn ist. Entscheidend ist aber, ob die Zuwendung des Dritten Prämie oder Belohnung für eine Leistung ist, die der Arbeitnehmer im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber erbringt (BFH-Urteil vom 24. Februar 1981 VIII R 109/76, BFHE 133, 375, BStBl II 1981, 707; Senatsurteil in BFHE 239, 270, BFH/NV 2013, 131).
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Im Streitfall sicherten sich die Dritten --die Versicherungsunternehmen-- durch die Rabatte aus eigenwirtschaftlichen Gründen einen leicht zugänglichen und aufgrund der niedrigen Marketing- und Vertriebskosten sowie des geringen Betreuungsbedarfs attraktiven Kundenkreis. Nach den Feststellungen des FG wurden die Vorteile auch Arbeitnehmern nicht verbundener Unternehmen gewährt, ferner bestanden keine Vereinbarungen zwischen der Klägerin und Versicherungsunternehmen, aus denen ein Zusammenhang mit den individuellen Dienstverhältnissen abgeleitet werden könnte.
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3. Da die Revision bereits aus anderen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung führt, muss der Senat nicht entscheiden, ob dem FG die von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensfehler unterlaufen sind.
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