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BFH 08.11.2013 - X B 118/13
BFH 08.11.2013 - X B 118/13 - Ladung des Prozessbevollmächtigen bei Mandatsniederlegung
Normen
§ 91 FGO, § 96 Abs 2 FGO, Art 103 Abs 1 GG, § 227 ZPO
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 23. Mai 2013, Az: 1 K 316/04, Urteil
Leitsatz
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NV: Eine durch Zustellung an den Prozessbevollmächtigen ordnungsgemäß durchgeführte Ladung wird durch eine Mandatsniederlegung nicht berührt, wenn die Auflösung des Mandats dem Gericht erst nach Absendung der Ladung angezeigt wird.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betrieb in den Streitjahren ein Bistro und erzielte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus einem ihm gehörenden Mietshaus. Nach einer Außenprüfung, in deren Verlauf erhebliche Mängel der Buchführung des Klägers festgestellt wurden, erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) geänderte Steuerbescheide. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb zum größten Teil ohne Erfolg.
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Während des Klageverfahrens verständigte sich der Kläger mit dem FA über die Höhe seiner gewerblichen Einkünfte. Er machte jedoch geltend, seine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung seien geringer als von ihm erklärt.
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Nachdem das Finanzgericht (FG) den Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 18. April 2013, zugestellt am 22. April 2013, zur mündlichen Verhandlung am 23. Mai 2013 geladen hatte, teilte der Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 13. Mai 2013, beim FG eingegangen am 14. Mai 2013, mit, dass er den Kläger nicht mehr vertrete. Mit weiterem Schreiben vom 15. Mai 2013 ergänzte der Prozessbevollmächtigte seine Einlassung. Er habe versucht, die Ladung zur mündlichen Verhandlung an den Kläger weiter zu leiten; diese sei jedoch als unzustellbar zurückgekommen. Mit Schreiben vom 21. Mai 2013 wies das FG den Prozessbevollmächtigten des Klägers darauf hin, dass die Ladung zum Termin fristgerecht zugestellt worden sei. Da die Nachricht von der Mandatsniederlegung erst später übermittelt worden sei, werde die mündliche Verhandlung wie angekündigt stattfinden. Daraufhin übermittelte der Prozessbevollmächtigte des Klägers einen Abdruck seines Schreibens an das FA vom 10. Januar 2013. Darin hatte er dem FA mitgeteilt, dass die vorliegende Steuerberatungsvollmacht gelöscht werden solle. Zudem wies er das FG darauf hin, dass der Kläger nach seiner Recherche nicht mehr unter der vom Gericht vermerkten Abschrift wohne.
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Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. Mai 2013, bei der für den Kläger niemand erschien, wies das FG die Klage ab.
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Hiergegen richtet sich die von einem neuen Prozessbevollmächtigten des Klägers eingelegte Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Revision im Urteil des FG, die der Kläger mit einem Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) begründet. Das FG habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in erheblicher Weise verletzt. Er sei nicht zum Termin zur mündlichen Verhandlung geladen und ihm seien auch die Folgen seines Nichterscheinens nicht erläutert worden. Nach § 119 Nr. 3 FGO bestehe die unwiderlegliche Vermutung, dass der Verfahrensverstoß für das Urteil ursächlich gewesen sei.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
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1. Die Vorentscheidung verletzt nicht den Anspruch des Klägers auf Gewährung von rechtlichem Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3 FGO).
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Das FG hatte den Kläger fristgerecht und auch im Übrigen ordnungsgemäß, insbesondere unter Hinweis auf § 91 Abs. 2 FGO, zur mündlichen Verhandlung am 23. Mai 2013 geladen.
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Gemäß § 91 FGO sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen zu laden, sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist. Aufgrund der Ladungsverfügung vom 18. April 2013 wurde die Ladung gemäß § 62 Abs. 6 Satz 5 FGO ordnungsgemäß an den ursprünglich bestellten Prozessbevollmächtigten zugestellt. Die Ladung wirkt für und gegen den Kläger, auch wenn der Prozessbevollmächtigte zu diesem Zeitpunkt den Kläger nicht mehr vertreten hat. Ein nach Absendung der Ladung dem Gericht mitgeteilter Wegfall der Vertretungsbefugnis macht die Ladung nicht gegenstandslos (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21. Juli 2011 IV B 99/10, BFH/NV 2011, 1904; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 91 AO Rz 49), erst recht nicht, wenn die Mitteilung erst nach Zustellung erfolgt. Da die Ladung dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 22. April 2013 zugestellt worden ist, war die Frist des § 91 Abs. 1 FGO gewahrt.
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2. Die weitere Rüge des Klägers, das FG habe auch wegen der Durchführung der mündlichen Verhandlung in seiner Abwesenheit sein rechtliches Gehör verletzt, entspricht nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Danach muss der gerügte Verfahrensmangel in der Beschwerdebegründung schlüssig dargelegt werden. Dies erfordert eine genaue Bezeichnung der Tatsachen, die --ihr Vorliegen unterstellt-- den Verfahrensmangel ergeben (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 116 Rz 48, m.w.N.).
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a) Nach § 227 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 155 FGO kann das Gericht aus erheblichen Gründen auf Antrag oder von Amts wegen einen Termin aufheben oder verlegen sowie --nach Beginn der mündlichen Verhandlung-- eine Verhandlung vertagen. Liegen erhebliche Gründe für eine Terminänderung vor, so verdichtet sich die in dieser Vorschrift grundsätzlich eingeräumte Ermessensfreiheit des Gerichts zu einer Rechtspflicht. Der Termin muss in diesem Fall grundsätzlich zur Gewährung rechtlichen Gehörs aufgehoben, verlegt oder die Verhandlung vertagt werden, selbst wenn das Gericht die Sache für entscheidungsreif hält und die Erledigung des Rechtsstreits durch die Terminänderung verzögert würde (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 18. August 2003 X S 5/03 (PKH), BFH/NV 2004, 66, m.w.N.).
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Welche Gründe i.S. von § 227 Abs. 1 ZPO als erheblich anzusehen sind, richtet sich nach den Verhältnissen des Einzelfalles. Dabei sind sowohl der Prozessstoff und die persönlichen Verhältnisse der betroffenen Beteiligten und ihrer Prozessbevollmächtigten als auch die Gesichtspunkte zu berücksichtigen, dass im finanzgerichtlichen Verfahren nur eine Tatsacheninstanz besteht und die Beteiligten ein Recht darauf haben, ihre Sache in mündlicher Verhandlung vorzutragen (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2004, 66, m.w.N.).
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Ein erheblicher Grund in diesem Sinne liegt grundsätzlich vor, wenn kurz vor der mündlichen Verhandlung in einer Sache, die in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht nicht einfach ist, der bisherige Prozessbevollmächtigte des Klägers sein Mandat niederlegt, ohne dass den Kläger daran ein Verschulden trifft (vgl. z.B. Senatsbeschluss in BFH/NV 2004, 66, m.w.N.).
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b) Bei Anlegung dieser Maßstäbe hat der Kläger in seiner Beschwerdebegründung keine ausreichenden Tatsachen dargelegt, bei deren Vorliegen ein erheblicher Grund für eine Aufhebung oder Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung am 23. Mai 2013 bestanden hätte. Es fehlen insbesondere jegliche Angaben darüber, aus welchen Gründen sein Prozessbevollmächtigter --wie schon zuvor sein früherer Vertreter-- das Mandat niedergelegt oder ob der Kläger das Mandat gekündigt hat. Infolgedessen kann der beschließende Senat nicht beurteilen, ob den Kläger an der Beendigung des Mandats ein Verschulden trifft (Senatsbeschluss in BFH/NV 2004, 66; zu einem ähnlich gelagerten Fall vgl. auch BFH-Beschluss vom 17. März 1992 XI B 38/91, BFH/NV 1992, 679, 680).
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c) Im Übrigen ist der Streitfall sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Sicht einfach gelagert, nachdem bei der Höhe der gewerblichen Einkünfte bereits Konsens erzielt worden ist. Ein erheblicher Grund für eine Aufhebung oder Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung am 23. Mai 2013 lag deshalb nicht vor.
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3. Ferner rügt der Kläger, die gerichtliche Fürsorgepflicht (Grundsatz des fairen Verfahrens) hätte es geboten, die Ladung nach Kenntnisnahme von der Mandatsniederlegung auch ihm persönlich unter seiner aus den Gerichtsakten ersichtlichen Wohnanschrift zu übersenden.
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Indes durfte das FG jedenfalls unter den besonderen Umständen des Streitfalls von einer solchen Übersendung absehen. Mit der Beschwerdebegründung wird vorgetragen, die Wohnanschrift des Klägers sei dem FG durch ein Schreiben der "Staatlichen Selbstverwaltung …" vom 11. Dezember 2012 bekannt geworden. Mit diesem Schreiben hat der Kläger jedoch zugleich vortragen lassen, er sei "nicht mehr existent und erreichbar". Die Beschwerde geht nicht darauf ein, weshalb das FG davon hätte ausgehen müssen, eine Ladung, die es an die in diesem Schreiben mitgeteilte Anschrift übersende, werde dem "nicht mehr existenten und erreichbaren" Kläger zur Kenntnis gelangen.
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