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BFH 11.12.2012 - III B 108/12
BFH 11.12.2012 - III B 108/12 - Kindergeldanspruch eines türkischstämmigen Deutschen bei mehrjährigem Schulbesuch der Kinder in der Türkei
Normen
§ 8 AO, 63 Abs 1 S 3 EStG, EWGAssRBes 1/80, Art 3 Abs 1 EWGAssRBes 3/80
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 12. Juni 2012, Az: 8 K 4597/10, Urteil
Leitsatz
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NV: Es ist geklärt, dass ein Deutscher, der nicht mehr im Besitz der türkischen Staatsangehörigkeit ist, auch aufgrund des europäisch-türkischen Assoziationsrechts keinen Kindergeldanspruch für seine in der Türkei lebenden Kinder hat, wenn diese nicht mehr über einen inländischen Wohnsitz verfügen .
Gründe
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Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet und wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Soweit der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die behaupteten Zulassungsgründe überhaupt in der durch § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderten Art und Weise dargelegt hat, liegen sie jedenfalls nicht vor.
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1. Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) verlangt insbesondere substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärungsfähig ist und deren Beurteilung von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängig ist. Hierzu muss sich die Beschwerde insbesondere mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), den Äußerungen im Schrifttum sowie mit ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzen. Hat der BFH die Rechtsfrage bereits entschieden, so ist darzulegen, weshalb eine erneute oder weitere Entscheidung für erforderlich gehalten wird (z.B. Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2003 III B 59/03, BFH/NV 2004, 166). Eine weitere bzw. erneute Klärung der Rechtsfrage kann z.B. geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der BFH bislang noch nicht auseinandergesetzt hat (z.B. Senatsbeschluss vom 17. August 2004 III B 121/03, BFH/NV 2005, 46).
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2. Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen in der Beschwerdebegründung nicht.
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Der Kläger hält die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam, ob minderjährige Kinder eines deutschen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in Deutschland, die für weniger als zwei Schuljahre (1 1/2 Kalenderjahre) in der Türkei leben, in dieser Zeit dort bei den Großeltern untergebracht sind und sich jeweils in den größeren Schulferien bei den Eltern in Deutschland aufhalten, einen inländischen Wohnsitz haben.
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Der Kläger hat sich weder mit der umfangreich vorhandenen Rechtsprechung und Kommentarliteratur zum Wohnsitzbegriff des § 8 der Abgabenordnung (AO) im Allgemeinen noch mit den konkreten Anforderungen an die Beibehaltung eines Wohnsitzes durch ein Kind, das sich zum Schulbesuch im Ausland aufhält, im Besonderen auseinandergesetzt. Der BFH hat indes bereits mehrfach die Rechtsgrundsätze dargelegt, nach denen zu entscheiden ist, ob ein Kind, das sich zum Zwecke des Schulbesuchs mehrere Jahre im Ausland aufhält, seinen inländischen Wohnsitz (§ 8 AO) beibehält (z.B. BFH-Urteile vom 22. April 1994 III R 22/92, BFHE 174, 523, BStBl II 1994, 887; vom 27. April 1995 III R 57/93, BFH/NV 1995, 967; vom 23. November 2000 VI R 165/99, BFHE 193, 569, BStBl II 2001, 279, und VI R 107/99, BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294; Senatsbeschluss vom 31. Mai 2007 III B 50/07, BFH/NV 2007, 1907, jeweils m.w.N.). Die Frage, ob im Einzelfall bei Anwendung dieser Grundsätze davon auszugehen ist, dass ein Kind seinen Wohnsitz im Inland hat, es dort einen weiteren Wohnsitz hat oder seine Aufenthalte lediglich Besuchscharakter haben, hat das Finanzgericht (FG) unter Berücksichtigung der Umstände des Falles im Wege der Tatsachenwürdigung zu beurteilen (vgl. z.B. Senatsbeschluss in BFH/NV 2007, 1907).
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3. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht unter dem Aspekt der Diskriminierungsverbote des europäisch-türkischen Assoziationsrechts, insbesondere der Beschlüsse Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation vom 19. September 1980 --ARB 1/80-- (nicht veröffentlicht) sowie Nr. 3/80 des Assoziationsrats vom 19. September 1980 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften auf die türkischen Arbeitnehmer und auf deren Familienangehörige --ARB 3/80-- (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1983, Nr. C 110/60). Denn der Senat hat mit Urteil vom 15. Juli 2010 III R 6/08 (BFHE 230, 545) bereits entschieden, dass die beiden Assoziationsratsbeschlüsse auf Deutsche, die --wie der Kläger-- die türkische Staatsangehörigkeit nicht mehr besitzen, nicht anzuwenden sind.
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Anders als der Kläger meint, führt aber auch der Umstand, dass seine Ehefrau --im Gegensatz zu ihm-- noch die türkische Staatsangehörigkeit besitzt, nicht zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache. Denn zum einen geht es im Streitfall ausschließlich um den Kindergeldanspruch des Klägers. Zum anderen ergibt sich aus dem Urteil in BFHE 230, 545, dass ein türkischer Staatsangehöriger in der Situation des Klägers für seine in der Türkei lebenden Kinder aus Art. 3 Abs. 1 ARB 3/80 gleichfalls keinen Anspruch auf Kindergeld herleiten könnte (vgl. Senatsurteil in BFHE 230, 545, unter II.4., sowie Senatsbeschluss vom 6. Dezember 2010 III B 54/09, BFH/NV 2011, 433).
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Gründe, warum der Senat seine diesbezügliche Rechtsprechung überdenken sollte, führt der Kläger nicht an.
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4. Aus den gleichen Gründen ist auch der Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) nicht gegeben. Als spezieller Tatbestand der Grundsatzrevision (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) setzt auch dieser Zulassungsgrund voraus, dass über eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage zu entscheiden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 30. Januar 2006 III B 2/05, BFH/NV 2006, 910, m.w.N.).
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5. Die von dem Kläger gerügte Abweichung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 7. Februar 2012 1 BvL 14/07 (BGBl I 2012, 507) liegt ersichtlich nicht vor. In dem genannten Beschluss hat das BVerfG Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Gewährung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes (Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz) i.d.F. der Bekanntmachung vom 16. November 1995 (GVBl 1995, 818) sowie dessen Nachfolgeregelungen als mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes für unvereinbar erklärt, weil diese Personen aus Gründen der Staatsangehörigkeit vom Landeserziehungsgeld ausschlossen. Es ist bereits nicht erkennbar, in welcher entscheidungserheblichen Rechtsfrage das FG eine andere Rechtsauffassung als das BVerfG vertreten haben soll. Der Kläger übersieht in diesem Zusammenhang insbesondere, dass die Verneinung seines Kindergeldanspruchs ihren Grund nicht in einer vorliegenden oder nicht vorliegenden Staatsangehörigkeit hat, sondern daraus resultiert, dass das FG unter Würdigung der Gesamtumstände des Falles zu der Annahme gelangt ist, seine Kinder hätten ab Oktober 2010 ihren Wohnsitz i.S. des § 8 AO in der Türkei und damit nicht --wie von § 63 Abs. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes vorausgesetzt-- im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet.
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