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BFH 28.02.2012 - VII R 9/09
BFH 28.02.2012 - VII R 9/09 - Keine Mineralölsteuerbefreiung für Flüge im Werkverkehr
Normen
§ 4 Abs 1 Nr 3 Buchst a MinöStG 1993, § 50 Abs 1 MinöStV, Art 14 Abs 1 Buchst b S 1 EGRL 96/2003
Vorinstanz
vorgehend FG München, 10. Dezember 2008, Az: 14 K 1873/06, Urteil
vorgehend BFH, 1. Dezember 2009, Az: VII R 9/09, EuGH-Vorlage
vorgehend EuGH, 1. Dezember 2011, Az: C-79/10, Urteil
Leitsatz
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Setzt ein Unternehmen ein eigenes Flugzeug für Flüge zu anderen Firmen und zu Messen ein, hat es keinen Anspruch auf Befreiung von der Mineralölsteuer für das in diesem Zusammenhang verwendete Mineralöl .
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), die ein Unternehmen zur Entwicklung und zum Vertrieb elektronischer Komponenten und Software betreibt, ist Eigentümerin eines Flugzeugs. Dieses wird von ihrem Geschäftsführer sowohl für private Zwecke als auch für Flüge zu anderen Firmen und zu Messen, sowie für Wartungs- und Schulungsflüge eingesetzt. Über eine luftverkehrsrechtliche Betriebsgenehmigung verfügt die Klägerin nicht; sie ist kein Luftfahrtunternehmen. Lediglich in einem Fall vercharterte die Klägerin das Flugzeug und stellte dafür eine Rechnung aus. Über die Nutzung des Flugzeugs führte die Klägerin monatliche Aufzeichnungen, in denen das Datum, die Flugstrecke, die Flugdauer und der Zweck des Flugs angegeben wurden. Für eine Menge von insgesamt ... Liter Flugbenzin (AVGAS 100 LL), das 2004 in Deutschland auf Flügen für Zwecke des Unternehmens verbraucht worden ist, beantragte die Klägerin die Vergütung der Mineralölsteuer. Den Antrag lehnte der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA--) mit der Begründung ab, die Klägerin betreibe kein Luftfahrtunternehmen. Den Einspruch wies das HZA als unbegründet zurück.
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Die daraufhin erhobene Klage hatte zum überwiegenden Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass der Klägerin hinsichtlich der betrieblich veranlassten Flüge --mit Ausnahme der Wartungs- und Schulungsflüge-- ein Anspruch auf Vergütung der Mineralölsteuer unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 Buchst. b Satz 1 der Richtlinie 2003/96/EG (EnergieStRL) des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 283/51) zustehe. Eine Beschränkung der Steuerbefreiung auf Luftfahrtunternehmen oder ein Ausschluss des Werkverkehrs sei dieser Vorschrift nicht zu entnehmen. Infolgedessen habe Deutschland das Gemeinschaftsrecht nur unvollständig umgesetzt, da gemäß § 50 Abs. 1 der Mineralölsteuer-Durchführungsverordnung (MinöStV) i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG 1993) nur Luftfahrtunternehmen eine Entlastung beantragen könnten, bei denen der Hauptzweck ihrer Tätigkeit die Beförderung von Personen oder Sachen bzw. die Erbringung von Dienstleistungen sei. Die Nutzung eines Flugzeugs im Werkverkehr zur Anbahnung von Geschäften verfolge einen kommerziellen Zweck, so dass die gemeinschaftsrechtlichen Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung gegeben seien. Dies treffe jedoch nicht auf Wartungs- und Schulungsflüge zu. Der Ausschluss der Steuerbegünstigung für Flüge zur Werkstatt und wieder zurück sowie für Flüge, die zur Wartung und Überprüfung der Funktionsfähigkeit erforderlich seien, ergebe sich daraus, dass in Art. 15 Abs. 1 Buchst. j EnergieStRL nur die Möglichkeit einer Begünstigung für Kraftstoffe eröffnet werde, die bei der Wartung verwendet würden. Das Urteil ist in der Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2009, Beilage 2, 24 veröffentlicht.
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Mit seiner Revision rügt das HZA, die Entscheidung des FG widerspreche dem klaren Wortlaut der nationalen Vorschriften. Die Beschränkung der Steuerbefreiung für Flugbenzin auf Luftfahrtunternehmen und der Ausschluss des Werkverkehrs entsprächen den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben. Die in Art. 14 Abs. 1 EnergieStRL festgelegte Begünstigung trage den Regelungen in internationalen Abkommen --insbesondere dem Abkommen über die internationale Zivilluftfahrt vom 7. Dezember 1944 (Chicagoer Abkommen)-- Rechnung und erfasse mit dem Ziel der Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen nur die Luftverkehrsbranche.
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Aufgrund der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben seien die Mitgliedstaaten lediglich zur Befreiung von Flugturbinenkraftstoff verpflichtet. Es stehe ihnen somit frei, auch eine Befreiung für Flugbenzin zu gewähren und diese auf bestimmte Unternehmen zu beschränken.
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Die Klägerin schließt sich hinsichtlich der Steuerbefreiung für die Flüge zu Firmen und Messen weitgehend der Auffassung des FG an.
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Der erkennende Senat hat das Revisionsverfahren gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit Beschluss vom 1. Dezember 2009 VII R 9, 10/09 (BFHE 227, 564) gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Auf diese Fragen hat der EuGH mit Urteil vom 1. Dezember 2011 C-79/10 Folgendes geantwortet:
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"1. Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom ist dahin auszulegen, dass die in dieser Vorschrift vorgesehene Steuerbefreiung für Kraftstoff, der für die Luftfahrt verwendet wird, einem Unternehmen wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, das zur Anbahnung von Geschäften ein ihm gehörendes Flugzeug nutzt, um Mitarbeiter zu Kunden und Messen zu befördern, nicht zugutekommt, da diese Beförderung nicht unmittelbar der entgeltlichen Erbringung von Luftfahrt-Dienstleistungen durch dieses Unternehmen dient.
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2. Art. 15 Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 2003/96 ist dahin auszulegen, dass Kraftstoffe, die für Flüge zu einer Flugzeugwerft und wieder zurück verwendet werden, nicht in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift fallen."
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision des HZA ist begründet und führt unter Abweisung der Klage zur Aufhebung des Urteils des FG, soweit dieses das HZA verpflichtet hat, der Klägerin für das Jahr 2004 Mineralölsteuer in Höhe von ... € zu vergüten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Mineralölsteuer, denn sie betreibt kein Luftfahrtunternehmen, dessen Gegenstand die gewerbsmäßige Beförderung von Personen oder Sachen oder die entgeltliche Erbringung von Dienstleistungen ist.
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1. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a MinöStG 1993 i.V.m. § 50 Abs. 1 MinöStV wird eine steuerliche Begünstigung nur für Luftfahrtbetriebsstoffe gewährt, die von Luftfahrtunternehmen für die gewerbsmäßige Beförderung von Personen oder Sachen oder für die entgeltliche Erbringung von Dienstleistungen eingesetzt werden. Die Klägerin besitzt weder luftverkehrsrechtliche Genehmigungen nach § 20 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 1 des Luftverkehrsgesetzes noch steht der Geschäftszweck des Unternehmens der Klägerin in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Einsatz von Flugzeugen. Hauptzweck ihrer gewerblichen Betätigung ist die Entwicklung und der Vertrieb elektronischer Komponenten und Software für die Industrieelektronik. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut von § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a MinöStG 1993 kommt eine Steuerbefreiung somit nicht in Betracht.
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2. Entgegen der Auffassung des FG ergibt sich ein Anspruch auf die mineralölsteuerliche Freistellung von Werkflügen auch nicht aus der unmittelbaren Anwendung von Unionsrecht.
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a) Nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. b Satz 1 EnergieStRL sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, unter den Voraussetzungen, die sie zur Sicherstellung der korrekten und einfachen Anwendung der Steuerbegünstigung und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung und -vermeidung oder Missbrauch festlegen, Lieferungen von Energieerzeugnissen zur Verwendung als Kraftstoff für die Luftfahrt mit Ausnahme der privaten nichtgewerblichen Luftfahrt von der Steuer zu befreien. Die Mitgliedstaaten können jedoch die Steuerbefreiung auf Lieferungen von Flugturbinenkraftstoff (KN-Code 2710 19 21) beschränken (Art. 14 Abs. 1 Buchst. b EnergieStRL).
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Nach den Feststellungen des FG begehrt die Klägerin eine Befreiung für das von ihr auf Werkflügen eingesetzte Flugbenzin (AVGAS 100 LL). Dabei handelt es sich nicht um Flugturbinenkraftstoff (Kerosin) der Unterpos. 2710 19 21 der Kombinierten Nomenklatur, so dass die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben eine Steuerverschonung nicht erzwingen. Auf Flugbenzin oder leichten Flugturbinenkraftstoff kann eine Steuer erhoben werden. Bereits aus diesem Grund scheitert die Annahme des FG, der von der Klägerin begehrte Vergütungsanspruch lasse sich ohne weiteres unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 Buchst. b Satz 1 EnergieStRL ableiten. Da den Mitgliedstaaten ein steuerlicher Gestaltungsspielraum zusteht, ist diese Bestimmung in Bezug auf Flugbenzin inhaltlich nicht unbedingt und hinreichend so genau, dass der Einzelne sich auf eine unmittelbare Geltung des Unionsrechts berufen könnte (vgl. EuGH-Urteil vom 17. Juli 2008 C-226/07, Slg. 2008, I-5999).
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b) Aber selbst wenn diese Erwägung aufgrund der im Vorlagebeschluss aufgezeigten Umsetzungsdefizite unbeachtet gelassen werden könnte und sich Deutschland aufgrund der nicht fristgerechten Umsetzung der EnergieStRL nicht auf sein Unterlassen berufen könnte, um der Klägerin die Steuerbefreiung zu verwehren, scheitert der Anspruch daran, dass die Klägerin keine vom EuGH geforderte entgeltliche Luftfahrt-Dienstleistung erbringt. Wie der EuGH ausgeführt hat, verlangt der Begriff "Luftfahrt", dass die entgeltliche Dienstleistung unmittelbar mit dem Flug des Luftfahrzeugs zusammenhängt. Dies ist jedoch bei Flügen eines unternehmenseigenen Flugzeugs zu anderen Firmen und Messen nicht der Fall. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Befreiungsvorschrift sind somit nicht erfüllt.
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Da das FG zu einer davon abweichenden Rechtsauffassung gelangt ist, war das erstinstanzliche Urteil insoweit aufzuheben, als das FG der Klägerin einen Anspruch auf Steuerbefreiung für die von ihr im Streitjahr durchgeführten Flüge zu Firmen und Messen gewährt hat, und die Klage auch insoweit abzuweisen.
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