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BFH 22.02.2012 - VIII B 66/11
BFH 22.02.2012 - VIII B 66/11 - NZB: grundsätzliche Bedeutung; private Pkw-Nutzung
Normen
§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 6 Abs 1 Nr 4 S 2 EStG 1997, § 6 Abs 1 Nr 4 S 2 EStG 2002
Vorinstanz
vorgehend FG München, 12. April 2011, Az: 1 K 3/09, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Es ist höchstrichterlich geklärt, dass dienstliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, auch tatsächlich privat genutzt werden. Dafür spricht der Beweis des ersten Anscheins.
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2. NV: Der Anscheinsbeweis wird im Regelfall noch nicht erschüttert, wenn der Kläger lediglich behauptet, für privat veranlasste Fahrten hätten private Fahrzeuge zur Verfügung gestanden.
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3. NV: Über die Frage, ob der Kläger den für eine Privatnutzung sprechenden Beweis des ersten Anscheins erschüttert hat, entscheidet das FG unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung.
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4. NV: An die Würdigung des FG ist der BFH revisionsrechtlich gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO), soweit sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von Erfahrungsgrundsätzen beeinflusst ist.
Gründe
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Die Beschwerde ist unbegründet; Revisionszulassungsgründe i.S. des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sind nicht gegeben. Weder handelt es sich um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung, noch ist eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erforderlich; ebenso wenig ist der vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend gemachte Verfahrensmangel gegeben.
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1. Zum einen ist höchstrichterlich geklärt, dass --wie sich aus dem Beweis des ersten Anscheins ergibt-- dienstliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, auch tatsächlich privat genutzt werden (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Mai 1999 VI B 258/98, BFH/NV 1999, 1330). Etwas anderes gilt, wenn es sich um ein Fahrzeug handelt, das typischerweise zum privaten Gebrauch nicht geeignet ist (vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 2008 VI R 34/07, BFHE 224, 108, BStBl II 2009, 381). Soweit keine besonderen Umstände hinzutreten, kann das Finanzgericht (FG) aufgrund des Anscheinsbeweises regelmäßig davon ausgehen, dass eine private Nutzung stattgefunden hat (Senatsurteil vom 19. Mai 2009 VIII R 60/06, BFH/NV 2009, 1974).
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Der Beweis des ersten Anscheins kann durch den sog. Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden. Hierzu ist der Vollbeweis des Gegenteils nicht erforderlich. Der Kläger muss also nicht beweisen, dass eine private Nutzung nicht stattgefunden hat. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass vom Kläger ein Sachverhalt dargelegt (und im Zweifelsfall nachgewiesen) wird, der die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehens ergibt (vgl. BFH-Urteil vom 7. November 2006 VI R 19/05, BStBl II 2007, 116, m.w.N.). Es ist ferner geklärt, dass der Anscheinsbeweis im Regelfall noch nicht erschüttert wird, wenn der Kläger lediglich behauptet, für privat veranlasste Fahrten hätten private Fahrzeuge zur Verfügung gestanden (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 1330).
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Über die Frage, ob der Kläger den für eine Privatnutzung sprechenden Beweis des ersten Anscheins erschüttert hat, entscheidet das FG unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Dabei hat es nicht nur den vom Kläger vorgetragenen Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, sondern es muss auch zusätzliche, für die Privatnutzung sprechende Umstände aufklären und berücksichtigen. An die Würdigung des FG ist der BFH revisionsrechtlich gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO), soweit sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von Erfahrungsgrundsätzen beeinflusst ist (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2007 VIII B 212/06, BFH/NV 2008, 210); d.h. die Schlussfolgerungen des FG müssen nur möglich, d.h. vertretbar sein, nicht aber zwingend (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 14. Februar 1995 IX R 95/93, BFHE 177, 95, BStBl II 1995, 462; BFH-Beschluss vom 10. Februar 2005 VI B 113/04, BFHE 209, 211, BStBl II 2005, 488).
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Die Grundsätze der BFH-Rechtsprechung hat das FG der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegt und nach gründlicher Abwägung der Umstände des Streitfalls den Schluss gezogen, der Anscheinsbeweis für eine Privatnutzung des PKW Audi sei nicht erschüttert. Dabei hat es nicht nur die Unterschiedlichkeit der beiden vom Kläger genutzten Fahrzeuge gewichtet, sondern auch den Umstand, dass der rechtskundige Kläger kein Fahrtenbuch geführt hat. An diese Würdigung ist der Senat --wie vorstehend ausgeführt-- gebunden.
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Die Beschwerdeschrift lässt nicht erkennen, welche über den Einzelfall des Klägers hinausgehenden Fragen Anlass geben könnten, sich mit dieser Thematik nochmals grundlegend auseinanderzusetzen, sondern erschöpft sich im Ergebnis in Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des finanzgerichtlichen Urteils. Die Zulassung der Revision kann darauf nicht gestützt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 28. April 2003 VIII B 260/02, BFH/NV 2003, 1336; BFH-Beschluss vom 23. Juni 2003 IX B 119/02, BFH/NV 2003, 1289).
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Sofern der Kläger eine fehlerhafte Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze auf die Besonderheiten des Streitfalls rügt, lässt er außer Acht, dass das für eine Gefährdung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung nicht ausreicht, denn Anhaltspunkte dafür, dass das FG willkürlich oder grob gesetzeswidrig entschieden hat, sind nicht gegeben.
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2. Unbegründet ist auch die Rüge eines Verfahrensfehlers i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Zwar kann eine Überraschungsentscheidung des FG einen Verfahrensmangel aufgrund einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) darstellen. Eine solche ist anzunehmen, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt gestützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der auch ein kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht rechnen musste (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Mai 1991 1 BvR 1383/90, BVerfGE 84, 188; Senatsurteile vom 17. Februar 1998 VIII R 28/95, BFHE 186, 29, BStBl II 1998, 505; vom 23. Februar 2000 VIII R 80/98, BFH/NV 2000, 978; BFH-Beschlüsse vom 1. Juli 1998 IV B 152/97, BFH/NV 1998, 1511; vom 14. Juni 1999 I B 127/98, BFH/NV 1999, 1609). Im Streitfall ist eine Überraschungsentscheidung bereits deshalb zu verneinen, weil das FG ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 12. April 2011 die Streitsache mit den Beteiligten tatsächlich und rechtlich erörtert hat und gerade dieser Problemkreis einschließlich der vom Kläger erhobenen Einwendungen sowohl im Vorverfahren als auch im finanzgerichtlichen Verfahren zwischen den Beteiligten zur Sprache gekommen ist. Das FG ist nach ständiger BFH-Rechtsprechung nicht verpflichtet, die für seine Entscheidung erheblichen Gesichtspunkte im Voraus anzudeuten, vielmehr müssen die Beteiligten alle vertretbaren Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 119 Rz 10a, m.w.N.). Das gilt umso mehr, wenn diese durch einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe vertreten sind oder --wie hier der Kläger-- selbst rechtskundig ist.
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Die weiteren in diesem Zusammenhang vorgebrachten Einwendungen des Klägers richten sich wiederum gegen die materielle Richtigkeit des finanzgerichtlichen Urteils. Die Zulassung der Revision kann darauf nicht gestützt werden.
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