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BFH 07.07.2011 - IX R 11/10
BFH 07.07.2011 - IX R 11/10 - Zurechnung von Einkünften aus Kapitalvermögen
Normen
§ 5 EigZulG, § 11 EigZulG, § 20 Abs 1 EStG 1990, § 39 Abs 2 Nr 1 S 2 AO, § 20 Abs 1 EStG 1997, § 20 Abs 1 EStG 2002
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 8. Dezember 2009, Az: 5 K 3308/05 B, Urteil
Leitsatz
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NV: In die Einkunftsgrenze des § 5 EigZulG fließen Einkünfte aus Kapitalvermögen ein, die der Antragsteller erzielt, weil er hinsichtlich der zugrundeliegenden Rechtsverhältnisse rechtlich oder wirtschaftlich --unter Ausschluss des Rechtsinhabers-- dispositionsbefugt ist (Anschluss an BFH-Urteil vom 26. Januar 2011, VIII R 14/10).
Tatbestand
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I. Die Eltern des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) verfügten über ein größtenteils unversteuertes Kapitalvermögen, das auf Konten in der Schweiz angelegt war. Im Juli 1993 übertrugen die Eltern des Klägers die ihnen gemeinsam zustehenden Konten zunächst auf Frau R, die Schwester des Klägers. Im Dezember 1993 wurden die Konten infolge familiärer Zwistigkeiten teilweise auf die Mutter des Klägers zurückübertragen, die dem Kläger unbeschränkte Vollmachten einräumte; im Übrigen wurde das Vermögen auf Konten übertragen, die auf den Kläger lauteten. Ausweislich einer notariell beurkundeten Vereinbarung zwischen dem Kläger und seiner Mutter vom 19. Februar 2001 geschah dies alles im Wege einer Schenkung. Der Kläger ging davon aus, dass das gesamte elterliche Vermögen endgültig auf ihn habe übergehen sollen. In den von ihm für die Streitjahre 1996 bis 2003 eingereichten Einkommensteuererklärungen gab er lediglich geringfügige Einkünfte aus Kapitalvermögen an.
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Mit notariellem Kaufvertrag vom 23. Mai 1996 erwarb der Kläger gemeinsam mit seiner Ehefrau eine Eigentumswohnung in dem Anwesen S-Straße zu einem Kaufpreis von 250.000 DM, der zum 30. Juni 1996 fällig wurde. Auf den Antrag des Klägers und seiner Ehefrau hin setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) mit Bescheid vom 23. Februar 1998 die Eigenheimzulage für die Jahre 1996 bis 2003 auf jährlich 5.500 DM fest.
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Nachdem der Vater des Klägers im Jahr 1998 verstorben war, brachte der Kläger im Jahr 1999 das gesamte auf den Schweizer Konten angelegte Vermögen in mehrere liechtensteinische Stiftungen ein.
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In der Folge entstand zwischen dem Kläger und seinen Schwestern, Frau R und Frau K, Streit darüber, ob das schweizerische Vermögen in das Erbe nach dem Vater falle oder nicht. Mit gemeinschaftlichem Erbschein vom 12. Januar 2000 stellte das Amtsgericht fest, dass der Nachlass nach dem Verstorbenen zur Hälfte der Mutter des Klägers und zu je einem Sechstel dem Kläger und seinen Schwestern zustehe. Nachdem der Kläger sich geweigert hatte, die gegen ihn gerichteten Zahlungsansprüche seiner Schwestern zu befriedigen, erhoben diese vor dem Landgericht Klage, mit der sie die Offenlegung des Nachlasses durch den Kläger verlangten. In diesem Verfahren verteidigte sich der Kläger mit dem Vorbringen, das Vermögen sei ihm schenkweise übertragen worden.
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Bereits am 6. Juni 2000 hatte das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Hinterziehung der Erbschaftsteuer eingeleitet. Nach Auswertung der verfügbaren Kontobelege stellte es zusammenfassend u.a. fest, dass dem Kläger in den Jahren 1995 und 1996 folgende --nicht erklärte-- Einnahmen aus Kapitalvermögen zugeflossen seien: 1995: 550.656 DM, 1996: 595.135 DM. Eine inhaltliche Stellungnahme gab der Kläger hierzu nicht ab.
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Mit Bescheid vom 24. Mai 2002 hob das FA die Festsetzung der Eigenheimzulage ab 1996 auf, weil der Gesamtbetrag der Einkünfte im Jahr der Antragstellung sowie des Vorjahres die maßgebliche Einkunftsgrenze nach § 5 des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) überstiegen habe. Einspruch und Klage blieben erfolglos.
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Das Finanzgericht (FG) entschied, dass das FA den Bescheid über Eigenheimzulage ab 1996 zu Recht aufgehoben habe (§ 11 Abs. 4 EigZulG i.V.m. § 5 EigZulG). Der Kläger habe 1995 und 1996 von ihm nicht erklärte Einnahmen aus Kapitalvermögen nach § 8 Abs. 1 i.V.m. § 20 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 550.656 DM (1995) und 595.135 DM (1996) erzielt und damit jedenfalls die Einkunftsgrenze von 480.000 DM überschritten. Denn das Guthaben, das sich seit Dezember 1993 auf den streitbefangenen, auf den Kläger sowie die Mutter des Klägers lautenden Konten befunden habe, sei dem Kläger zuzurechnen, da dieser insoweit als Eigenbesitzer wirtschaftliches Eigentum i.S. von § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) gehabt habe.
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Die objektive Sachherrschaft des Klägers folge daraus, dass die fraglichen Konten entweder auf seinen Namen gelautet hätten oder, soweit dies nicht der Fall gewesen sei, ihm von der Berechtigten eine unbeschränkte Vollmacht eingeräumt worden sei. Es stehe auch zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger in den Streitjahren einen entsprechenden Herrschaftswillen gehabt habe. Insbesondere habe er das Anlagevermögen als ihm geschenkt angesehen.
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Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er eine unzureichende Sachaufklärung sowie die Verletzung materiellen Rechts rügt. Insbesondere sei der Kläger bis zum 16./17. Dezember 1993 weder Inhaber der fraglichen Konten gewesen noch seien ihm Einkünfte zugeflossen. Forderungen seien dem Forderungsinhaber zuzurechnen. Soweit aber der Kläger nur Vollmacht gehabt habe, sei er nicht Forderungsinhaber gewesen. Eine Kontovollmacht vermittle auch keine objektive Sachherrschaft über ein Konto. Die Ablehnung eines Treuhandverhältnisses beruhe auf einer nicht hinreichenden Tatsachenwürdigung. Im Übrigen sei in den Streitjahren ein eigener Herrschaftswille des Klägers gerade nicht festzustellen.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des FG und den Aufhebungsbescheid zur Eigenheimzulage ab 1996 in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.
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Das FA beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Das Vorliegen wirtschaftlichen Eigentums sei eine Frage der Tatsachenwürdigung des FG. Dabei habe das FG nicht gegen Denkgesetze verstoßen oder verfahrensfehlerhaft gehandelt.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet, sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat im Streitfall die Anwendbarkeit des § 11 Abs. 4 EigZulG aufgrund unzureichender Feststellungen bejaht.
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1. Nach § 11 Abs. 4 EigZulG in der für die Streitjahre geltenden Fassung ist der Bescheid über die Festsetzung der Eigenheimzulage aufzuheben oder zu ändern, wenn nachträglich bekannt wird, dass der Gesamtbetrag der Einkünfte in den nach § 5 EigZulG maßgebenden Jahren insgesamt die Einkunftsgrenze von 480.000 DM überschreitet. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist die Festsetzung der Eigenheimzulage nach § 11 Abs. 5 Satz 2 EigZulG ohne Einschränkung aufzuheben (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. Mai 2007 IX R 42/06, BFH/NV 2007, 2078).
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2. Zu Unrecht ist das FG auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen davon ausgegangen, dass der Gesamtbetrag der Einkünfte des Klägers und seiner Frau in den nach § 5 EigZulG maßgebenden Jahren insgesamt die Einkunftsgrenze überstiegen hat.
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Einnahmen i.S. von § 20 EStG erzielt derjenige, der im Entstehungszeitpunkt der Erträge Gläubiger der Forderung auf Kapitalrückzahlung ist. Insgesamt maßgeblich ist die rechtliche oder wirtschaftliche Dispositionsbefugnis. Eine vom Zivilrecht abweichende Zurechnung kommt dabei nur in Betracht, wenn ein anderer als der zivilrechtliche Darlehensgläubiger wirtschaftlicher Inhaber der fraglichen Darlehensforderung ist. Insoweit gilt § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO auch für die persönliche Zurechnung von Einkünften aus Kapitalvermögen, wobei jeweils auf die Art des den Kapitalerträgen zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses abzustellen ist. Geht es um bloße Kapitalforderungen, so ist der Vorschrift auch in der Alternative des Eigenbesitzes keine andere Art der Zurechnung zu entnehmen, als sie mit der Dispositionsbefugnis beschrieben wird (dazu im Einzelnen BFH-Urteil vom 26. Januar 2011 VIII R 14/10, BFH/NV 2011, 1512).
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3. a) Nach diesen Grundsätzen sind die streitbefangenen Einnahmen aus Kapitalvermögen der Jahre 1995 und 1996 dem Kläger nur zuzurechnen, wenn er in diesen Jahren bei Zufluss der Kapitalerträge über die zugrundeliegenden Rechtsverhältnisse tatsächlich dispositionsbefugt war, er sie also insbesondere nicht für seine Eltern verwaltet hat. Diese Dispositionsbefugnis kann sich aus der Gläubigerstellung des Klägers hinsichtlich der auf den fraglichen Konten verzeichneten Forderungen ergeben oder daraus, dass der Kläger wirtschaftlicher Inhaber der Kapitalforderungen war und die mit dieser Inhaberstellung verbundene Verfügungsmacht zugunsten des Klägers so umfassend war, dass die rechtliche Inhaberstellung als leere Hülle erscheint.
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b) Die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des FG reichen indes nicht aus, diese Frage zu beantworten.
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Die maßgebliche Dispositionsbefugnis des Klägers ergibt sich weder daraus, dass er die fraglichen Kapitaleinnahmen empfangen hat (vgl. BFH-Urteil vom 29. März 2001 IV R 71/99, BFH/NV 2001, 1251), noch daraus, dass er dies in der Meinung seiner Vollberechtigung getan hat. Zwar sind Konten bzw. die darauf geführten Forderungen oder Anteile in der Regel dem Kontoinhaber zuzurechnen (Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 30. Aufl., § 20 Rz 166). Denn bei Eigenkonten gilt die widerlegbare Tatsachenvermutung, dass derjenige, der ein Konto auf seinen Namen errichtet, auch der Inhaber der Forderung ist und ihm die daraus erzielten Zinseinnahmen zuzurechnen sind. Im Streitfall handelt es sich jedoch um Kapital, das dem Kläger ggf. schenkweise übertragen wurde, so dass nicht von einer entsprechenden Tatsachenvermutung auszugehen ist. Jedenfalls greift keine solche für die Konten, hinsichtlich derer der Kläger nur bevollmächtigt war (vgl. hierzu BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 1512).
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c) Das FG wird im zweiten Rechtsgang festzustellen haben, wer in den fraglichen Jahren Gläubiger der Kapitalforderungen war, aus denen Kapitaleinnahmen auf Konten des Klägers geflossen sind und ob der Kläger, falls er nicht Gläubiger war, eine den Forderungsinhaber faktisch verdrängende wirtschaftliche Dispositionsmöglichkeit hatte. Eine bloße Vollmacht vermittelt diese Dispositionsbefugnis nicht. Sollte das FG zu dem Ergebnis gelangen, dass der Kläger in den fraglichen Jahren --ggf. befristet-- (von seinen Eltern übertragen) die wirtschaftliche Verfügungsvollmacht über die Forderungen der auf seinen Namen lautenden Konten hatte, könnte Gleiches nicht ohne Weiteres für diejenigen Konten angenommen werden, für die er nur bevollmächtigt war.
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