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BFH 26.04.2011 - III B 191/10
BFH 26.04.2011 - III B 191/10 - Berufsausbildung nach Exmatrikulation und Aufnahme einer Vollzeiterwerbstätigkeit vor Ablehnung der letzten universitären Prüfung
Normen
§ 32 Abs 4 S 1 Nr 2 EStG 2002, § 32 Abs 4 S 2 EStG 2002
Vorinstanz
vorgehend Thüringer Finanzgericht, 7. Oktober 2010, Az: 4 K 637/09, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Ob ein Kind im Zeitraum zwischen seiner Exmatrikulation und der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses noch für einen Beruf ausgebildet wird, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls.
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2. NV: Ein Universitätsstudium endet regelmäßig mit der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses, frühestens mit der letzten Prüfungshandlung, außer wenn es vorher abgebrochen oder nicht mehr ernsthaft weiter betrieben wird. Ein exmatrikulierter Student kann die Ausbildung trotz Aufnahme einer Vollzeiterwerbstätigkeit und fehlender Eingliederung in den Universitätsbetrieb fortführen; seine in diesem Zeitraum erzielten Einkünfte sind dann im Hinblick auf den Jahresgrenzbetrag anzusetzen.
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3. NV: Wenn sich ein Kind ohne regelmäßigen Besuch einer Ausbildungsstätte selbständig auf Prüfungen vorbereitet, sind an die Ernsthaftigkeit der Vorbereitung und deren Nachweis strenge Anforderungen zu stellen; bei bestandenen Prüfungen kann dies aber in der Regel unterstellt werden.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) bezog Kindergeld für seinen Sohn, der seit Oktober 2002 Betriebswirtschaftslehre studierte. Der Sohn exmatrikulierte sich zum 31. Juli 2008, obwohl er das Examen noch nicht abgelegt hatte, und arbeitete seit dem 1. August 2008 vollzeitbeschäftigt für ein Großunternehmen. Die letzte Prüfung bestand er am 7. Oktober 2008. Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) hob die Kindergeldfestsetzung ab Januar 2008 auf. Zur Begründung führte sie an, dass der Sohn seine Ausbildung im Oktober beendet habe und seine Einkünfte vom 1. Januar bis zum 7. Oktober 2008 den zeitanteiligen Grenzbetrag in der für das Streitjahr geltenden Höhe von 6.400 € überschritten hätten.
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Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, die Ausbildung sei erst mit dem Bestehen der Prüfung beendet worden. Am Ende des Studiums habe die im Oktober 2008 absolvierte mündliche Prüfung gestanden; insoweit sei unerheblich, dass der Sohn die Diplomarbeit und die schriftliche Prüfung bereits im Juli abgelegt habe. Die Vollzeiterwerbstätigkeit schließe die Berücksichtigung als Kind, das für einen Beruf ausgebildet wird, nicht aus.
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Zur Begründung seiner gegen die Nichtzulassung der Revision gerichteten Beschwerde trägt der Kläger im Wesentlichen vor, die Frage, ob ein Kind sich nach der Exmatrikulation und der Aufnahme einer Vollzeiterwerbstätigkeit noch in Berufsausbildung befinde, sei grundsätzlich bedeutsam. Grundsätzlich bedeutsam sei auch, ob die Einkünfte aus einer nach der Exmatrikulation ausgeübten Vollzeiterwerbstätigkeit im Hinblick auf den anteiligen Jahresgrenzbetrag angesetzt werden dürften. Das FG-Urteil weiche zudem vom Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16. November 2006 III R 15/06 (BFHE 216, 74, BStBl II 2008, 56) ab, wonach ein vollzeitbeschäftigtes Kind nicht nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) berücksichtigt werden dürfe.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
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a) Die Frage, ob ein Kind im Zeitraum zwischen seiner Exmatrikulation und der letzten Prüfung oder der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses noch i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG für einen Beruf ausgebildet wird, hat keine grundsätzliche Bedeutung, sondern bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Die dafür maßgeblichen Grundsätze sind durch die Rechtsprechung des BFH geklärt:
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aa) Schließt die Berufsausbildung mit einer Prüfung ab, so ist das Berufsziel erst mit dem Bestehen der Prüfung, spätestens mit der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses erreicht (BFH-Urteil vom 24. Mai 2000 VI R 143/99, BFHE 191, 557, BStBl II 2000, 473). Ein Universitätsstudium endet daher regelmäßig mit der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses, frühestens mit der letzten Prüfungshandlung, außer wenn es vorher abgebrochen oder nicht mehr ernsthaft weiter betrieben wird.
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bb) Eine Vollzeiterwerbstätigkeit schließt die Berücksichtigung als Kind in der Berufsausbildung (Senatsurteil vom 21. Januar 2010 III R 68/08, BFH/NV 2010, 872, m.w.N.) oder in einer Warte- oder Übergangszeit nicht aus (Senatsurteil vom 17. Juni 2010 III R 34/09, BFHE 230, 61, BStBl II 2010, 982).
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cc) Eine Ausbildung erfordert keine organisatorische Eingliederung in eine Ausbildungsinstitution (Senatsurteile vom 18. März 2009 III R 26/06, BFHE 225, 331, BStBl II 2010, 296, betr. Vorbereitung auf ein Abitur für Nichtschüler; vom 2. April 2009 III R 85/08, BFHE 224, 546, BStBl II 2010, 298, betr. Vorbereitung auf eine Wiederholungsprüfung nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses ohne Berufsschulbesuch). Die Exmatrikulation eines Studenten kann daher nicht zwingend als Beendigung der Ausbildung angesehen werden.
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dd) Wenn sich ein Kind ohne regelmäßigen Besuch einer Ausbildungsstätte selbständig auf Prüfungen vorbereitet, sind an die Ernsthaftigkeit der Vorbereitung und deren Nachweis strenge Anforderungen zu stellen (Senatsurteil vom 24. September 2009 III R 70/07, BFH/NV 2010, 617). Bei bestandenen Prüfungen kann aber in der Regel unterstellt werden, dass sich das Kind ernsthaft und nachhaltig vorbereitet hat (Senatsurteil in BFHE 224, 546, BStBl II 2010, 298).
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b) Die Frage, ob Einkünfte aus einer nach der Exmatrikulation des Kindes ausgeübten Vollzeiterwerbstätigkeit im Hinblick auf den Jahresgrenzbetrag angesetzt werden dürfen, ist ebenfalls nicht grundsätzlich bedeutsam. Sie ist nicht klärungsbedürftig, denn sie lässt sich nach dem Gesetzeswortlaut und der Rechtsprechung des Senats zweifelsfrei beantworten: Einkünfte und Bezüge des Kindes bleiben außer Ansatz, wenn sie auf Kalendermonate entfallen, in denen die Voraussetzungen einer Berücksichtigung an keinem Tag vorliegen; insoweit ermäßigt sich der Jahresgrenzbetrag (§ 32 Abs. 4 Sätze 7 und 8 EStG). Darüber hinaus bleiben Einkünfte und Bezüge außer Ansatz, soweit sie auf den Teil eines Kalendermonats entfallen, in dem das Kind noch nicht oder nicht mehr zu berücksichtigen ist (sog. Wechselmonat, § 32 Abs. 4 Satz 6 EStG). Befindet sich ein Kind nach seiner Exmatrikulation weiter in der Berufsausbildung, so sind daher auch die in diesem Zeitraum erzielten Einkünfte anzusetzen.
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2. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. FGO). Nach dem Senatsurteil in BFHE 216, 74, BStBl II 2008, 56 besteht ein Anspruch auf Kindergeld auch für vollzeitbeschäftigte Kinder, die die gesetzlichen Voraussetzungen eines Berücksichtigungstatbestands i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a bis c EStG erfüllen und deren Einkünfte und Bezüge den (anteiligen) Jahresgrenzbetrag nicht übersteigen. Soweit in dieser Entscheidung ausgeführt wird, ein Kind sei nach der bisherigen BFH-Rechtsprechung in den Monaten seiner Vollzeiterwerbstätigkeit nicht zu berücksichtigen, weil es in diesem Zeitraum typischerweise an einer verminderten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern fehle, die eine Entlastung durch Kindergeld rechtfertige, ist dies durch die Änderung der Rechtsprechung überholt (vgl. das Senatsurteil in BFHE 230, 61, BStBl II 2010, 982, unter II. 3.).
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3. Durch die Rechtsprechung ist auch geklärt, dass eine Berücksichtigung als Kind entfällt, wenn die Einkünfte und Bezüge den Jahresgrenzbetrag (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG) überschreiten; dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juli 2010 2 BvR 2122/09, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2010, 1109). Einer diesbezüglichen Rechtsfortbildung bedarf es daher nicht (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. FGO).
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