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BFH 09.02.2011 - I R 19/10
BFH 09.02.2011 - I R 19/10 - Prüfung und Aberkennung der Gemeinnützigkeit eines Vereins bei Verfolgung allgemeinpolitischer Ziele
Normen
§ 52 Abs 1 AO, § 52 Abs 2 S 1 AO, § 56 AO, § 63 Abs 1 AO, § 5 Abs 1 Nr 9 KStG 2002, § 76 Abs 1 FGO
Vorinstanz
vorgehend FG Düsseldorf, 9. Februar 2010, Az: 6 K 1908/07 K, Urteil
Leitsatz
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NV: Die tatsächliche Geschäftsführung eines als gemeinnützig anerkannten Vereins muss auf die ausschließliche Erfüllung satzungsmäßiger Zwecke gerichtet sein. Hieran fehlt es, wenn ein Verein in seiner Selbstdarstellung im Internet umfänglich zu politischen Themen Stellung bezieht, die nichts mit seinem satzungsmäßigen Zweck zu tun haben .
Tatbestand
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I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein Verein, dessen Hauptaufgabe nach seiner Satzung die Förderung der … Kultur … ist. Dieser Zweck soll insbesondere durch Bildungsangebote, Diskussions- und Kulturveranstaltungen sowie Informationsstände erfüllt werden.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte den Kläger mit einer vorläufigen Bescheinigung vom … als gemeinnützig an. Aufgrund von … lehnte das FA den Antrag des Klägers auf Anerkennung als gemeinnützigen Zwecken dienende Körperschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 2002) für das Streitjahr 2003 ab und erließ einen auf 0 € lautenden Körperschaftsteuerbescheid.
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Die hiergegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) Düsseldorf mit in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1287 veröffentlichtem Urteil vom 9. Februar 2010 6 K 1908/07 K ab. Es war der Auffassung, der Kläger betätige sich über die Verfolgung seiner satzungsmäßigen Zwecke hinaus in einem nicht zu vernachlässigenden Umfang allgemeinpolitisch. Die Verfolgung politischer Ziele sei kein gemeinnütziger Zweck. Eine Anerkennung als gemeinnützige Körperschaft i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG 2002 scheide im Hinblick auf das Ausschließlichkeitsgebot des § 56 der Abgabenordnung (AO) zur Gänze aus.
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Der Kläger rügt mit seiner Revision eine Verletzung materiellen und formellen Rechts. Er beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den Kläger unter Änderung des Bescheids vom 26. Oktober 2006 und der Einspruchsentscheidung vom 25. April 2007 als gemeinnützigen Zwecken dienende Körperschaft i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG 2002 anzuerkennen.
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Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet. Die Würdigung des FG, der Kläger sei im Streitjahr nicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG 2002 von der Körperschaftsteuer befreit gewesen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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1. Nach dieser Vorschrift sind von der Körperschaftsteuer befreit Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen. Voraussetzung für die Gewährung der Steuervergünstigung ist, dass sich aus der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung ergibt, welchen Zweck die Körperschaft verfolgt, dass dieser Zweck den Anforderungen der §§ 52 bis 55 AO entspricht und dass er ausschließlich und unmittelbar verfolgt wird (§ 59 AO). Die tatsächliche Geschäftsführung der Körperschaft muss auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet sein und den Bestimmungen entsprechen, die die Satzung über die Voraussetzungen für Steuervergünstigungen enthält (§ 63 Abs. 1 AO).
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2. Das FG hat zutreffend entschieden, dass der Kläger nach seiner Satzung … einen gemeinnützigen Zweck verfolgt (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 AO). Es hat aber ebenso zu Recht angenommen, dass die Steuervergünstigung deshalb zu versagen ist, weil die tatsächliche Geschäftsführung (§ 63 Abs. 1 AO) des Klägers im Streitjahr nicht nur auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung seines satzungsmäßigen Zwecks gerichtet war, sondern dass er entgegen § 56 AO daneben auch allgemeinpolitische Ziele verfolgt hat.
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a) Das FG hat dies damit begründet, dass der Kläger in seiner Selbstdarstellung im Internet politische Forderungen gestellt und politische Meinungen geäußert habe, die über die Verfolgung seines satzungsmäßigen Zwecks weit hinausgingen. (…). Der Kläger erhebe damit den Anspruch, umfassend zu allgemeinpolitischen Themen und Fragen Stellung zu nehmen. Vor diesem Hintergrund erweise sich auch der Aufruf zur Wahl einer bestimmten Partei bei der Bundestagswahl 2005, der für sich gesehen noch nicht als gemeinnützigkeitsschädlicher Verstoß gegen das in der Satzung verankerte Gebot der parteipolitischen Neutralität zu werten sei, als Ausdruck des politischen Selbstverständnisses des Klägers und konsequente Umsetzung seiner umfassenden politischen Zielvorstellungen.
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b) Diese Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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aa) Nach der Senatsrechtsprechung (Urteile vom 29. August 1984 I R 203/81, BFHE 142, 51, BStBl II 1984, 844; vom 23. November 1988 I R 11/88, BFHE 155, 461, BStBl II 1989, 391) fördert eine Körperschaft auch dann ausschließlich ihren gemeinnützigen Satzungszweck, wenn sie gelegentlich zu tagespolitischen Themen im Rahmen ihres Satzungszwecks Stellung nimmt, sofern die Tagespolitik nicht Mittelpunkt der Tätigkeit der Körperschaft ist oder wird, sondern der Vermittlung der Ziele der Körperschaft dient. Denn häufig ist die begünstigte Tätigkeit zwangsläufig mit einer gewissen politischen Zielsetzung verbunden. Die vom FG angeführten politischen Forderungen haben aber mit dem satzungsmäßigen Ziel des Klägers der Förderung … der Kultur … nichts zu tun. Sie dienen nicht der Vermittlung der satzungsmäßigen Ziele des Klägers; mit ihnen wird vielmehr neben dem satzungsmäßigen Zweck … ein weiterer eigenständiger Zweck verfolgt. Ob die vom Kläger verfolgten politischen Ziele als gemeinnützig i.S. des § 52 AO anerkannt werden könnten, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Da der Kläger diese Ziele nicht in seine Satzung aufgenommen hat, scheitert die Steuerbefreiung im Streitjahr bereits daran, dass seine tatsächliche Geschäftsführung entgegen §§ 56 AO, 63 Abs. 1 AO nicht ausschließlich auf die Erfüllung seiner satzungsmäßigen Zwecke gerichtet war.
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bb) Das FG durfte bei seiner Prüfung, ob die tatsächliche Geschäftsführung des Klägers ausschließlich auf die Verwirklichung satzungsmäßiger Ziele gerichtet war (§ 56 AO), die Selbstdarstellung des Klägers auf seiner Internetseite heranziehen. Es durfte aus den dort befindlichen Äußerungen die Schlussfolgerung ziehen, dass der Kläger neben seinen satzungsmäßigen Zwecken … auch weitere allgemeinpolitische Ziele tatsächlich verfolgt. Es mag zwar sein, dass die Selbstdarstellung des Klägers im Internet nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist. Nachdem das FG im Erörterungstermin vom 12. Januar 2010 aber den Hinweis gegeben hatte, es sei nicht fernliegend, den Kläger als politischen Verein zu werten, der vorrangig politische Zwecke verfolge, die bereits dem Grunde nach nicht gemeinnützig seien, musste der Kläger damit rechnen, dass auch seine Selbstdarstellung auf seiner Internetseite oder in anderen Medien zur Prüfung der Frage, ob er auch allgemeinpolitische Ziele verfolge, herangezogen werden würde.
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cc) Aus dem Vortrag des Klägers, das FG habe nicht aufgeklärt (§ 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), ob die Selbstdarstellung des Klägers tatsächlich mit Billigung seines Vorstandes ins Internet gelangt sei oder ob es sich hierbei um eine nicht autorisierte Meinungsäußerung eines einzelnen Vereinsmitglieds handle, folgt nichts Gegenteiliges. Wenn die Selbstdarstellung im Internet nicht vom Kläger stammen sollte, wäre es Sache des Klägers gewesen, dies spätestens im Revisionsverfahren klar zu erklären und darzutun, welche Person dies war und welche Maßnahmen er zwischenzeitlich ergriffen hat, um ein solches Vorgehen zu unterbinden. Er stellt aber nur die Möglichkeit dar, dass es sich so verhalten haben könnte, obwohl es sich um einen Umstand handelt, den er --da seinem Wissensbereich zugehörig-- eindeutig beantworten kann.
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dd) Die weitere Rüge des Klägers, das FG habe nicht aufgeklärt, durch welche Maßnahmen er im Einzelnen seinen satzungsmäßigen Zweck verwirklicht habe und ob den politischen Äußerungen in seiner Selbstdarstellung demgegenüber überhaupt ein erhebliches Gewicht zukomme, ist nicht schlüssig erhoben. Denn der Kläger legt nicht dar, weswegen er nicht von sich aus im Klageverfahren hierzu vorgetragen hat. Er selbst weiß am besten, welche Aktivitäten er im Streitjahr entfaltet hat. Anlass hierzu hätte schon deshalb bestanden, weil die Frage, ob die tatsächliche Geschäftsführung des Klägers seinem satzungsmäßigen Zweck entsprochen hat oder ob er daneben weitere Ziele verfolgt hat, einziger Streitpunkt des Klageverfahrens war. Insbesondere der Hinweis des FG im Erörterungstermin, der Kläger sei möglicherweise als politischer Verein zu werten, der vorrangig politische Zwecke verfolge, hätte den Kläger anspornen müssen darzutun, in welcher Weise und durch welche konkreten Maßnahmen er im streitigen Zeitraum seine satzungsmäßigen Zwecke verfolgt hat.
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Soweit der Kläger geltend macht, das FG habe überhaupt keine Feststellungen hinsichtlich seiner tatsächlichen Geschäftsführung getroffen, übersieht er, dass bereits die Darstellung und die Werbung für seine politischen Ziele im Internet zur tatsächlichen Geschäftsführung rechnen.
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