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BFH 19.01.2011 - X B 127/10
BFH 19.01.2011 - X B 127/10 - Anspruch auf rechtliches Gehör
Normen
Art 103 Abs 1 GG, § 76 Abs 1 FGO, § 78 Abs 1 FGO, § 96 Abs 1 S 1 FGO
Vorinstanz
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 21. Mai 2010, Az: 4 K 217/08, Urteil
Leitsatz
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NV: Das FG ist nicht verpflichtet, in der mündlichen Verhandlung auf alle in der Gerichtsakte enthaltenen Schriftsätze einzugehen. Kenntnis vom Inhalt dieser Schriftsätze kann sich ein Beteiligter durch Wahrnehmung seines Akteneinsichtsrechts verschaffen.
Gründe
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) liegen nicht vor.
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1. Ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) kann gegeben sein, wenn das Finanzgericht (FG) sein Urteil auf Tatsachen und Beweismittel stützt, die einem Beteiligten nicht bekannt waren und von denen sich dieser auch keine Kenntnis verschaffen konnte. Ein solcher Verstoß liegt hier nicht vor.
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Die Klägerin trägt vor, das FG habe sein Urteil auf die Schriftsätze des K vom 13. Oktober 2005 und vom 15. März 2006 gestützt, welche in dessen Einkommensteuer-Akten enthalten seien. Diese Schriftsätze seien nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 21. Mai 2010 gewesen.
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Die Klägerin lässt außer Acht, dass ihr Ablichtungen der Schreiben des K vom 15. März 2006 übersandt worden sind. Zudem wurde ihr das Schreiben des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) vom 17. Mai 2010 (Blatt 93 dieser Akten) in Ablichtung übersandt. Aus diesem ergibt sich, dass das FA dem FG die den K betreffenden Einkommensteuer-Akten vorgelegt hat. Vom Inhalt dieser Akten hätte sich die Klägerin deshalb durch Wahrnehmung ihres Rechts auf Akteneinsicht (§ 78 Abs. 1 FGO) Kenntnis verschaffen können.
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Ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör hätte bei dieser Sachlage selbst dann nicht vorgelegen, wenn das FG die genannten Schriftsätze in der mündlichen Verhandlung nicht angesprochen hätte (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. April 1998 III B 3/98, BFH/NV 1999, 180, und vom 9. Februar 2009 VIII B 53/08, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2009, 962). Hinzu kommt, dass, wie sich aus dem Beschluss des FG über den abgelehnten Antrag auf Tatbestandsberichtigung vom 16. August 2010 ergibt, der Schriftsatz vom 15. März 2006 auch Gegenstand des Berichterstatter-Vortrags in der mündlichen Verhandlung war.
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2. Im Streitfall ist auch keine das rechtliche Gehör verletzende und damit unzulässige Überraschungsentscheidung gegeben.
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Eine solche liegt vor, wenn das FG sein Urteil auf einen bisher nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbevollmächtigter nicht rechnen musste (BFH-Beschluss vom 19. Januar 2010 IV B 136/08, BFH/NV 2010, 918, und Senatsbeschluss vom 16. Juni 2010 X B 214/09, BFH/NV 2010, 1811).
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Die Klägerin trägt vor, das FG habe nicht angedeutet, dass es die Zahlungsbestimmung im Dauerauftrag des K nicht als Tilgungsbestimmung beurteile. Auch habe nicht damit gerechnet werden können, dass das FG dem im Schriftsatz vom 13. Oktober 2005 angesprochenen (angeblichen) Vorbehalt nicht lediglich Bedeutung im Rahmen von § 814 des Bürgerlichen Gesetzbuchs beimesse.
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Es kann dahinstehen, ob mit diesem Vortrag der geltend gemachte Verfahrensmangel schlüssig gerügt wurde. Denn das FG ist regelmäßig nicht verpflichtet, die einzelnen für die Entscheidung erheblichen (rechtlichen oder tatsächlichen) Gesichtspunkte im Voraus anzudeuten (BFH-Beschluss vom 26. April 2010 VII B 84/09, BFH/NV 2010, 1637).
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Jedenfalls liegt der gerügte Mangel nicht vor. Die Frage, ob K eine ihn bindende Tilgungsbestimmung getroffen hatte, war eine der wesentlichen Streitpunkte des Prozesses. So hat die Klägerin stets eine solche Tilgungsbestimmung geltend gemacht. Umgekehrt hat K eine rechtsverbindliche Tilgungsbestimmung in Abrede gestellt (vgl. z.B. Schriftsatz des K an das FG vom 24. März 2009).
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3. Entgegen der Ansicht der Klägerin hat das FG auch nicht § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO verletzt.
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Ein solcher Verstoß liegt vor, wenn das FG seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde legt, der dem schriftlichen Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht, oder eine nach den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt geblieben ist. Kein Verfahrensmangel, sondern ein grundsätzlich nicht zur Revisionszulassung führender materiell-rechtlicher Fehler ist hingegen gegeben, wenn das FG eine unzutreffende Sachverhalts- oder Beweiswürdigung vornimmt sowie wenn das FG bestimmte Vorgänge in rechtlicher Hinsicht abweichend würdigt (Senatsbeschluss vom 25. März 2010 X B 176/08, BFH/NV 2010, 1455).
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Die Klägerin macht geltend, das FG habe den Schriftsatz des K vom 15. März 2006 nur unzureichend gewürdigt. Es habe nicht berücksichtigt, dass danach eine bis zum 2. Mai 2006 reichende Tilgungsbestimmung getroffen worden sei. Auch habe das FG das Schreiben des K vom 29. August 2005 nicht bedacht. Ferner lasse das FG unberücksichtigt, dass sich ein etwaiger Vorbehalt nur auf die Zukunft beziehen könne.
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Ein als Verfahrensfehler zu beurteilender Verstoß gegen den Akteninhalt liegt nicht vor. Das FG hat erkannt, dass K seine Zahlungen in der Vergangenheit mit dem Zusatz "Unterhalt" versehen hat. Es hat indessen in rechtlicher Hinsicht angenommen, im Hinblick auf einen von diesem erklärten Vorbehalt liege darin keine Tilgungsbestimmung. Ein solcher Vorbehalt ist auch in dem von der Klägerin erwähnten Schreiben des K vom 29. August 2005 enthalten. Soweit die Klägerin meint, das FG dürfe einen solchen Vorbehalt nicht auf in der Vergangenheit geleistete Zahlungen beziehen, rügt sie keinen Verfahrensfehler, sondern eine unzutreffende rechtliche Beurteilung durch das FG.
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4. Die Rüge der Klägerin, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) verletzt, ist nicht schlüssig.
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Sie hat u.a. nicht dargelegt, welche Tatsachen das FG hätte aufklären müssen und welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Aufklärung ergeben hätten.
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Im Kern rügt die Klägerin im Streitfall hier nicht eine fehlerhafte Sachverhaltsaufklärung, sondern eine aus ihrer Sicht unzutreffende Beweiswürdigung. Zudem lässt sie insbesondere unberücksichtigt, dass sie ungeachtet des Hinweises des FG in dem an sie gerichteten Schreiben vom 12. Mai 2010, wonach sie weitere Nachweise vorlegen solle, nicht gehindert war, in anderer Weise (z.B. durch Stellung von Beweisanträgen) zur weiteren Sachaufklärung beizutragen.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. Außergerichtliche Kosten der sonstigen Beteiligten werden nicht erstattet (§ 139 Abs. 4 FGO; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 139 Rz 135 ff.).
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