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BFH 30.06.2010 - II R 13/09
BFH 30.06.2010 - II R 13/09 - Unzulässigkeit einer Wertfortschreibung wegen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse - Rechtsfehlerbeseitigende Wertfortschreibung - Berücksichtigung von mit dem Fortschreibungsstichtag zusammenfallenden Ereignissen
Normen
§ 22 BewG 1991, § 3 Abs 1 S 1 Nr 3 Buchst b GrStG
Vorinstanz
vorgehend FG Düsseldorf, 14. November 2008, Az: 11 K 3631/07 BG, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Eine Wertfortschreibung wegen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse (§ 22 Abs. 1 BewG) ist unzulässig, wenn das maßgebende Ereignis (hier: Wegfall einer Grundsteuerbefreiung zum Beginn eines Kalenderjahres) mit dem letzten Feststellungszeitpunkt zusammenfällt .
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2. NV: Eine rechtsfehlerbeseitigende Wertfortschreibung (§ 22 Abs. 3 BewG) ist bei einer Erhöhung des Einheitswerts erst auf den Beginn des Kalenderjahres möglich, in dem der Feststellungsbescheid erteilt wird (§ 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 BewG) .
Tatbestand
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I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein rechtsfähiger Verein. Nach seiner Satzung dient er ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken im Sinne der Abgabenordnung (AO).
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Der Kläger erwarb im Jahre 1994 ein in X gelegenes bebautes Grundstück. Das vorhandene Gebäude baute er um und errichtete einen Anbau.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) rechnete durch Bescheid vom 10. September 1998 das Grundstück dem Kläger zum 1. Januar 1995 zu und stellte ihm gegenüber durch weiteren, bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 7. Dezember 1998 den Einheitswert im Wege der Wert- und Artfortschreibung auf den 1. Januar 1997 auf 411.800 DM sowie die Grundstücksart "gemischtgenutztes Grundstück" fest. Hierbei berücksichtigte das FA die baulichen Veränderungen sowie die teilweise Nutzung des Gebäudes zu gemeinnützigen Zwecken und die sich daraus ergebende (teilweise) Grundsteuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b des Grundsteuergesetzes (GrStG).
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Aufgrund einer Kontrollmitteilung, nach der der Kläger bereits ab 1997 nicht mehr ausschließlich gemeinnützig tätig war und deshalb die Voraussetzungen für die Grundsteuerbefreiung nicht erfüllte, stellte das FA für das Grundstück mit einem an den Kläger gerichteten Bescheid vom 14. Juni 2007 im Wege der Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1998 unter Nichtberücksichtigung der bisher gewährten Steuerbefreiung wegen gemeinnütziger Nutzung des Grundstücks den Einheitswert auf 299.105 € (585.000 DM) fest.
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Einspruch und Klage, mit denen der Kläger geltend machte, das Grundstück sei nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrStG von der Grundsteuer befreit, blieben erfolglos.
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Mit der Revision rügt der Kläger fehlerhafte Anwendung von § 169 Abs. 2 Satz 2 und § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO sowie § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrStG.
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Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung sowie den Einheitswertbescheid vom 14. Juni 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. August 2007 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie des angefochtenen Wertfortschreibungsbescheids auf den 1. Januar 1998 vom 14. Juni 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. August 2007 (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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1. Der Auffassung des Finanzgerichts (FG), das FA habe den Einheitswert auf den 1. Januar 1998 fortschreiben dürfen, vermag der Senat nicht zu folgen. Das FG hat die Voraussetzungen, unter denen ein Einheitswert nach § 22 des Bewertungsgesetzes (BewG) fortgeschrieben werden kann, nicht beachtet.
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a) Nach § 22 Abs. 1 BewG findet wegen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eine Wertfortschreibung statt, wenn der nach § 30 BewG abgerundete Wert, der sich für den Beginn eines Kalenderjahres ergibt, vom Einheitswert des letzten Feststellungszeitpunkts in einem näher beschriebenen Ausmaß nach oben oder unten abweicht. Eine die Fortschreibung rechtfertigende Abweichung vom Einheitswert des letzten Feststellungszeitpunkts setzt voraus, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse zwischen dem letzten Feststellungszeitpunkt und dem Fortschreibungszeitpunkt geändert haben und die Abweichung vom Einheitswert des letzten Feststellungszeitpunkts hierauf beruht. Haben sich die tatsächlichen Verhältnisse zwischen dem letzten Feststellungszeitpunkt und dem Fortschreibungszeitpunkt nicht geändert, gibt es keine Divergenz der Einheitswerte auf die genannten Zeitpunkte. Eine Wertfortschreibung wegen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse kommt deshalb in diesen Fällen nicht in Betracht.
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Im Streitfall haben sich die tatsächlichen Verhältnisse zwischen dem letzten Feststellungszeitpunkt (1. Januar 1997) und dem Fortschreibungszeitpunkt (1. Januar 1998) und damit auch der Einheitswert für das Grundstück des Klägers nicht geändert.
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aa) Anhaltspunkte für eine Änderung des körperlichen Zustands des Grundstücks, z.B. der Bausubstanz, wie auch des räumlichen Umfelds sind im Streitfall nicht erkennbar. Die Um- und Ausbauten sind bereits im Bescheid vom 7. Dezember 1998 berücksichtigt worden, mit dem der Einheitswert im Wege der Wert- und Artfortschreibung auf den 1. Januar 1997 fortgeschrieben wurde.
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bb) Auch hinsichtlich der Umstände, die die (teilweise) Grundsteuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b GrStG betreffen, haben sich die Verhältnisse im Streitfall nicht geändert.
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(1) Zwar stellt auch der Wegfall einer Grundsteuervergünstigung eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse dar, die --bei Erreichen der Wertgrenzen des § 22 Abs. 1 BewG-- dem Grunde nach zu einer Wertfortschreibung führen kann (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Oktober 1986 II R 230/81, BFHE 148, 174, BStBl II 1987, 201, und vom 13. April 1988 II R 203/85, BFH/NV 1989, 215). Voraussetzung für eine Wertfortschreibung wegen Wegfalls einer Grundsteuervergünstigung ist aber, dass sich die für die Befreiung maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse nach dem letzten Feststellungszeitpunkt geändert haben. Daran fehlt es jedoch im Streitfall.
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(2) Der Kläger erfüllte nach den vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen bereits im Jahr 1997 nicht mehr die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit. Hiernach lagen schon im Zeitpunkt der Entstehung der Grundsteuer (§ 9 Abs. 2 GrStG) mit Beginn des Kalenderjahres 1997 und damit bereits im Zeitpunkt der Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1997 nicht mehr die Voraussetzungen für eine Grundsteuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b GrStG vor. Fällt --wie hier-- das für die Fortschreibung maßgebende Ereignis mit dem Stichtag zusammen, ist eine Fortschreibung schon auf diesen Stichtag vorzunehmen (BFH-Urteile vom 18. Oktober 1963 III 152/61 U, BFHE 78, 1, BStBl III 1964, 2; vom 9. September 1992 II R 109/89, BFHE 169, 236, BStBl II 1993, 653).
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b) Auch die Voraussetzungen für eine rechtsfehlerbeseitigende Wertfortschreibung liegen nicht vor.
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Eine Wertfortschreibung kommt nach § 22 Abs. 3 BewG auch zur Beseitigung eines Fehlers der letzten Feststellung in Betracht. Liegt der Grund zur Fortschreibung nicht in einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, sondern in einem Fehler bei der vorangegangenen Feststellung (§ 22 Abs. 3 Satz 1 BewG), so ist allerdings zu beachten, dass Fortschreibungszeitpunkt bei einer Erhöhung des Einheitswerts frühestens der Beginn des Kalenderjahres ist, in dem der Feststellungsbescheid erteilt wird (§ 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 2. Alternative BewG).
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Zwar stellt sich der Wertfortschreibungsbescheid auf den 1. Januar 1997 vom 7. Dezember 1998 im Hinblick darauf, dass der Kläger bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr ausschließlich gemeinnützig tätig war und die Voraussetzungen für die Grundsteuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b GrStG nicht mehr erfüllt waren, als rechtsfehlerhaft dar. Diesen Rechtsfehler durfte das FA auch grundsätzlich im Wege der Wertfortschreibung beseitigen, nicht aber mit Rückwirkung auf den 1. Januar 1998. Vielmehr musste das FA die Beschränkungen des Fortschreibungszeitpunkts nach § 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 2. Alternative BewG beachten, wonach die Fortschreibung erst auf den Beginn des Kalenderjahres zulässig war, in dem der Feststellungsbescheid erteilt wurde. Die Fortschreibung wegen Fehlerbeseitigung wäre bei Erlass des hier angefochtenen Feststellungsbescheids danach frühestens auf den 1. Januar 2007 möglich gewesen. Die am 14. Juni 2007 auf den 1. Januar 1998 vorgenommene Fortschreibung des Einheitswerts stellt sich danach als rechtswidrig dar.
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2. Die Sache ist spruchreif.
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Die Klage ist begründet. Bescheid und Einspruchsentscheidung sind rechtswidrig und waren aufzuheben, weil die Voraussetzungen des § 22 BewG für eine Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1998 nicht vorlagen.
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