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EuGH 25.04.2024 - C-36/23
EuGH 25.04.2024 - C-36/23 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Siebte Kammer) - 25. April 2024 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung – Soziale Sicherheit – Verordnung (EG) Nr. 883/2004 – Familienleistungen – Art. 68 – Prioritätsregeln bei Zusammentreffen von Ansprüchen – Verpflichtung des Trägers des nachrangig zuständigen Mitgliedstaats, einen Antrag auf Familienleistungen an den Träger des vorrangig zuständigen Mitgliedstaats weiterzuleiten – Kein Antrag auf Familienleistungen im Wohnmitgliedstaat des Kindes – Teilweise Rückforderung der im Mitgliedstaat der Beschäftigung eines Elternteils gezahlten Familienleistungen“
Leitsatz
In der Rechtssache C-36/23
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Finanzgericht Bremen (Deutschland) mit Entscheidung vom 19. Januar 2023, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Januar 2023, in dem Verfahren
L
gegen
Familienkasse Sachsen der Bundesagentur für Arbeit
erlässt
DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten F. Biltgen (Berichterstatter) sowie des Richters J. Passer und der Richterin M. L. Arastey Sahún,
Generalanwalt: J. Richard de la Tour,
Kanzler: N. Mundhenke, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 22. November 2023,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
der Familienkasse Sachsen der Bundesagentur für Arbeit, vertreten durch M. Gößling als Bevollmächtigte,
der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller als Bevollmächtigten,
der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von L. Fiandaca, Avvocato dello Stato,
der niederländischen Regierung, vertreten durch E. M. M. Besselink und M. K. Bulterman als Bevollmächtigte,
der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna, J. Lachowicz und A. Siwek-Ślusarek als Bevollmächtigte,
der slowakischen Regierung, vertreten durch E. V. Drugda und S. Ondrášiková als Bevollmächtigte,
der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Clotuche-Duvieusart und B.-R. Killmann als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2004, L 166, S. 1, berichtigt in ABl. 2004, L 200, S. 1).
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen L und der Familienkasse Sachsen der Bundesagentur für Arbeit (Deutschland) (im Folgenden: Familienkasse) über die Forderung der Familienkasse auf teilweise Erstattung des an L gezahlten Kindergelds.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Verordnung Nr. 1408/71
Art. 76 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in ihrer durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung (ABl. 1997, L 28, S. 1) (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71) lautete:
„(1) Sind für ein und denselben Zeitraum für ein und denselben Familienangehörigen in den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnen, Familienleistungen aufgrund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit vorgesehen, so ruht der Anspruch auf die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gegebenenfalls gemäß Artikel 73 bzw. 74 geschuldeten Familienleistungen bis zu dem in den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats vorgesehenen Betrag.
(2) Wird in dem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnen, kein Antrag auf Leistungsgewährung gestellt, so kann der zuständige Träger des anderen Mitgliedstaats Absatz 1 anwenden, als ob Leistungen in dem ersten Mitgliedstaat gewährt würden.“
Verordnung Nr. 883/2004
Der 35. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 883/2004 lautet:
„Zur Vermeidung ungerechtfertigter Doppelleistungen sind für den Fall des Zusammentreffens von Ansprüchen auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats mit Ansprüchen auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats der Familienangehörigen Prioritätsregeln vorzusehen.“
Art. 1 Buchst. a bis c der Verordnung enthält folgende Begriffsbestimmungen:
„Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:
‚Beschäftigung‘ jede Tätigkeit oder gleichgestellte Situation, die für die Zwecke der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird oder die gleichgestellte Situation vorliegt, als solche gilt;
‚selbstständige Erwerbstätigkeit‘ jede Tätigkeit oder gleichgestellte Situation, die für die Zwecke der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird oder die gleichgestellte Situation vorliegt, als solche gilt;
‚Versicherter‘ in Bezug auf die von Titel III Kapitel 1 und 3 erfassten Zweige der sozialen Sicherheit jede Person, die unter Berücksichtigung der Bestimmungen dieser Verordnung die für einen Leistungsanspruch nach den Rechtsvorschriften des gemäß Titel II zuständigen Mitgliedstaats vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt“.
In Art. 11 Abs. 3 der Verordnung heißt es:
„Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt Folgendes:
eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;
…“
Titel III („Besondere Bestimmungen über die verschiedenen Arten von Leistungen“) Kapitel 8 („Familienleistungen“) der Verordnung beinhaltet ihre Art. 67 bis 69.
Art. 67 („Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen“) der Verordnung Nr. 883/2004 lautet:
„Eine Person hat auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden. Ein Rentner hat jedoch Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des für die Rentengewährung zuständigen Mitgliedstaats.“
Art. 68 („Prioritätsregeln bei Zusammentreffen von Ansprüchen“) der Verordnung bestimmt:
„(1) Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten folgende Prioritätsregeln:
Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge: [A]n erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.
Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach den folgenden subsidiären Kriterien:
bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung. Im letztgenannten Fall werden die Kosten für die Leistungen nach in der Durchführungsverordnung festgelegten Kriterien aufgeteilt;
…
bei Ansprüchen, die durch den Wohnort ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder.
(2) Bei Zusammentreffen von Ansprüchen werden die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Absatz 1 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren. Ein derartiger Unterschiedsbetrag muss jedoch nicht für Kinder gewährt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird.
(3) Wird nach Artikel 67 beim zuständigen Träger eines Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften gelten, aber nach den Prioritätsregeln der Absätze 1 und 2 des vorliegenden Artikels nachrangig sind, ein Antrag auf Familienleistungen gestellt, so gilt Folgendes:
Dieser Träger leitet den Antrag unverzüglich an den zuständigen Träger des Mitgliedstaats weiter, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, teilt dies der betroffenen Person mit und zahlt unbeschadet der Bestimmungen der Durchführungsverordnung über die vorläufige Gewährung von Leistungen erforderlichenfalls den in Absatz 2 genannten Unterschiedsbetrag;
der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, bearbeitet den Antrag, als ob er direkt bei ihm gestellt worden wäre; der Tag der Einreichung des Antrags beim ersten Träger gilt als der Tag der Einreichung bei dem Träger, der vorrangig zuständig ist.“
In Art. 76 Abs. 4 und 5 der Verordnung heißt es:
„(4) Die Träger und Personen, die in den Geltungsbereich dieser Verordnung fallen, sind zur gegenseitigen Information und Zusammenarbeit verpflichtet, um die ordnungsgemäße Anwendung dieser Verordnung zu gewährleisten.
…
Die betroffenen Personen müssen die Träger des zuständigen Mitgliedstaats und des Wohnmitgliedstaats so bald wie möglich über jede Änderung ihrer persönlichen oder familiären Situation unterrichten, die sich auf ihre Leistungsansprüche nach dieser Verordnung auswirkt.
(5) Die Verletzung der Informationspflicht gemäß Absatz 4 Unterabsatz 3 kann angemessene Maßnahmen nach dem nationalen Recht nach sich ziehen. Diese Maßnahmen müssen jedoch denjenigen entsprechen, die für vergleichbare Tatbestände der nationalen Rechtsordnung gelten, und dürfen die Ausübung der den Antragstellern durch diese Verordnung eingeräumten Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren.“
Art. 81 der Verordnung bestimmt:
„Anträge, Erklärungen oder Rechtsbehelfe, die gemäß den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats innerhalb einer bestimmten Frist bei einer Behörde, einem Träger oder einem Gericht dieses Mitgliedstaats einzureichen sind, können innerhalb der gleichen Frist bei einer entsprechenden Behörde, einem entsprechenden Träger oder einem entsprechenden Gericht eines anderen Mitgliedstaats eingereicht werden. In diesem Fall übermitteln die in Anspruch genommenen Behörden, Träger oder Gerichte diese Anträge, Erklärungen oder Rechtsbehelfe entweder unmittelbar oder durch Einschaltung der zuständigen Behörden der beteiligten Mitgliedstaaten unverzüglich der zuständigen Behörde, dem zuständigen Träger oder dem zuständigen Gericht des ersten Mitgliedstaats. Der Tag, an dem diese Anträge, Erklärungen oder Rechtsbehelfe bei einer Behörde, einem Träger oder einem Gericht des zweiten Mitgliedstaats eingegangen sind, gilt als Tag des Eingangs bei der zuständigen Behörde, dem zuständigen Träger oder dem zuständigen Gericht.“
Art. 84 („Einziehung von Beiträgen und Rückforderung von Leistungen“) der Verordnung Nr. 883/2004 sieht vor:
„(1) Beiträge, die einem Träger eines Mitgliedstaats geschuldet werden, und nichtgeschuldete Leistungen, die von dem Träger eines Mitgliedstaats gewährt wurden, können in einem anderen Mitgliedstaat nach den Verfahren und mit den Sicherungen und Vorrechten eingezogen bzw. zurückgefordert werden, die für die Einziehung der dem entsprechenden Träger des letzteren Mitgliedstaats geschuldeten Beiträge bzw. für die Rückforderung der vom entsprechenden Träger des letzteren Mitgliedstaats nichtgeschuldeten Leistungen gelten.
(2) Vollstreckbare Entscheidungen der Gerichte und Behörden über die Einziehung von Beiträgen, Zinsen und allen sonstigen Kosten oder die Rückforderung nichtgeschuldeter Leistungen gemäß den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats werden auf Antrag des zuständigen Trägers in einem anderen Mitgliedstaat innerhalb der Grenzen und nach Maßgabe der in diesem Mitgliedstaat für ähnliche Entscheidungen geltenden Rechtsvorschriften und anderen Verfahren anerkannt und vollstreckt. Solche Entscheidungen sind in diesem Mitgliedstaat für vollstreckbar zu erklären, sofern die Rechtsvorschriften und alle anderen Verfahren dieses Mitgliedstaats dies erfordern.
…“
Verordnung (EG) Nr. 987/2009
Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2009, L 284, S. 1) bestimmt:
„Personen, für die die [Verordnung Nr. 883/2004] gilt, haben dem maßgeblichen Träger die Informationen, Dokumente oder Belege zu übermitteln, die für die Feststellung ihrer Situation oder der Situation ihrer Familie sowie ihrer Rechte und Pflichten, für die Aufrechterhaltung derselben oder für die Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften und ihrer Pflichten nach diesen Rechtsvorschriften erforderlich sind.“
Art. 60 der Verordnung sieht vor:
„(1) Die Familienleistungen werden bei dem zuständigen Träger beantragt. Bei der Anwendung von Artikel 67 und 68 der [Verordnung Nr. 883/2004] ist, insbesondere was das Recht einer Person zur Erhebung eines Leistungsanspruchs anbelangt, die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen, als würden alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats fallen und dort wohnen. Nimmt eine Person, die berechtigt ist, Anspruch auf die Leistungen zu erheben, dieses Recht nicht wahr, berücksichtigt der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften anzuwenden sind, einen Antrag auf Familienleistungen, der von dem anderen Elternteil, einer als Elternteil behandelten Person oder von der Person oder Institution, die als Vormund des Kindes oder der Kinder handelt, gestellt wird.
(2) Der nach Absatz 1 in Anspruch genommene Träger prüft den Antrag anhand der detaillierten Angaben des Antragstellers und berücksichtigt dabei die gesamten tatsächlichen und rechtlichen Umstände, die die familiäre Situation des Antragstellers ausmachen.
Kommt dieser Träger zu dem Schluss, dass seine Rechtsvorschriften nach Artikel 68 Absätze 1 und 2 der [Verordnung Nr. 883/2004] prioritär anzuwenden sind, so zahlt er die Familienleistungen nach den von ihm angewandten Rechtsvorschriften.
Ist dieser Träger der Meinung, dass aufgrund der Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats ein Anspruch auf einen Unterschiedsbetrag nach Artikel 68 Absatz 2 der [Verordnung Nr. 883/2004] bestehen könnte, so übermittelt er den Antrag unverzüglich dem zuständigen Träger des anderen Mitgliedstaats und informiert die betreffende Person; außerdem unterrichtet er den Träger des anderen Mitgliedstaats darüber, wie er über den Antrag entschieden hat und in welcher Höhe Familienleistungen gezahlt wurden.
(3) Kommt der Träger, bei dem der Antrag gestellt wurde, zu dem Schluss, dass seine Rechtsvorschriften zwar anwendbar, aber nach Artikel 68 Absätze 1 und 2 der [Verordnung Nr. 883/2004] nicht prioritär anwendbar sind, so trifft er unverzüglich eine vorläufige Entscheidung über die anzuwendenden Prioritätsregeln, leitet den Antrag nach Artikel 68 Absatz 3 der [Verordnung Nr. 883/2004] an den Träger des anderen Mitgliedstaats weiter und informiert auch den Antragsteller darüber. Dieser Träger nimmt innerhalb einer Frist von zwei Monaten zu der vorläufigen Entscheidung Stellung.
Falls der Träger, an den der Antrag weitergeleitet wurde, nicht innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Antrags Stellung nimmt, wird die oben genannte vorläufige Entscheidung anwendbar und zahlt dieser Träger die in seinen Rechtsvorschriften vorgesehenen Leistungen und informiert den Träger, an den der Antrag gerichtet war, über die Höhe der gezahlten Leistungen.
…
(5) Der Träger, der eine vorläufige Leistungszahlung vorgenommen hat, die höher ist als der letztlich zu seinen Lasten gehende Betrag, kann den zu viel gezahlten Betrag nach dem Verfahren des Artikels 73 der Durchführungsverordnung vom vorrangig zuständigen Träger zurückfordern.“
Deutsches Recht
§ 31 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes in seiner auf den Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: EStG) lautet:
„Im laufenden Kalenderjahr wird Kindergeld als Steuervergütung monatlich gezahlt.“
§ 32 Abs. 1 und 3 EStG bestimmt:
„(1) Kinder sind
1. im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder,
…
(3) Ein Kind wird in dem Kalendermonat, in dem es lebend geboren wurde, und in jedem folgenden Kalendermonat, zu dessen Beginn es das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, berücksichtigt.“
In § 62 Abs. 1 EStG heißt es:
„Für Kinder im Sinne des § 63 hat Anspruch auf Kindergeld nach diesem Gesetz, wer
1. im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder
2. ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland
nach § 1 Absatz 2 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder
nach § 1 Absatz 3 als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird.
…“
In § 63 Abs. 1 EStG heißt es:
„1Als Kinder werden berücksichtigt
1. Kinder im Sinne des § 32 Absatz 1
…
2§ 32 Absatz 3 bis 5 gilt entsprechend. …“
§ 70 Abs. 2 EStG sieht vor:
„1Soweit in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, Änderungen eintreten, ist die Festsetzung des Kindergeldes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben oder zu ändern. …“
§ 37 der Abgabenordnung in ihrer auf den Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung lautet:
„(1) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind der Steueranspruch, der Steuervergütungsanspruch, der Haftungsanspruch, der Anspruch auf eine steuerliche Nebenleistung, der Erstattungsanspruch nach Absatz 2 sowie die in Einzelsteuergesetzen geregelten Steuererstattungsansprüche.
(2) 1Ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags. 2Das gilt auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung oder Rückzahlung später wegfällt.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Der Kläger des Ausgangsverfahrens ist polnischer Staatsangehöriger und übt in Deutschland seit mehreren Jahren eine nicht selbständige Beschäftigung aus. Seine Ehefrau lebt zusammen mit ihrem gemeinsamen, im Jahr 2008 geborenen Kind in Polen.
Im Jahr 2016 beantragte der Kläger des Ausgangsverfahrens in Deutschland Kindergeld. Er belegte seine nicht selbständige Beschäftigung in Deutschland und gab an, dass seine Ehefrau in Polen nicht erwerbstätig sei. Die Familienkasse gab diesem Antrag mit der Begründung statt, dass die deutschen Rechtsvorschriften, die den Kindergeldanspruch begründeten, für die Beschäftigungszeit des Klägers des Ausgangsverfahrens vorrangig gälten.
Im Jahr 2019 übersandte die Familienkasse dem Kläger des Ausgangsverfahrens im Rahmen eines Verfahrens zur Überprüfung des Kindergeldanspruchs einen Fragebogen, um die angegebenen Daten zu bestätigen, und ersuchte die zuständigen polnischen Behörden um Auskunft über eine etwaige Erwerbstätigkeit der Ehefrau des Klägers des Ausgangsverfahrens und einen Anspruch auf polnische Familienleistungen.
Die polnischen Behörden antworteten, dass die Ehefrau seit dem Jahr 2006 berufstätig sei und Beiträge an die polnische Sozialversicherung für Landwirte entrichtet habe, aber keine polnischen Familienleistungen beziehe. Zwar sei es seit einer im Jahr 2019 erfolgten Gesetzesänderung in Polen nunmehr möglich, sogenannte „Familienleistungen 500+“ einkommensunabhängig in Anspruch zu nehmen, doch habe die Ehefrau des Klägers des Ausgangsverfahrens erklärt, keinen entsprechenden Antrag stellen zu wollen.
Auf diese Antwort hin hob die Familienkasse gemäß § 70 Abs. 2 EStG für den Zeitraum ab Oktober 2020 die Festsetzung des deutschen Kindergelds in Höhe der in Polen gesetzlich vorgesehenen Familienleistungen auf.
Des Weiteren bat die Familienkasse mit einem „Ersuchen zur Entscheidung über die Zuständigkeit“ die zuständigen polnischen Behörden, den Anspruch auf Familienleistungen ab Juli 2019 zu prüfen. Diese Behörden antworteten u. a., dass die Ehefrau des Klägers des Ausgangsverfahrens seit dem 1. Juli 2019 keine derartigen Leistungen bezogen habe und keinen Antrag auf solche Leistungen stellen wolle.
Mit Bescheid vom 6. Januar 2021 hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergelds für den Zeitraum von Juli 2019 bis September 2020 in Höhe der in Polen gesetzlich vorgesehenen Familienleistungen auf und forderte vom Kläger des Ausgangsverfahrens für diesen Zeitraum überzahltes Kindergeld in Höhe von 1674,60 Euro zurück.
Der Kläger des Ausgangsverfahren erhob, nachdem sein Antrag auf Änderung dieses Bescheids zurückgewiesen worden war, beim Finanzgericht Bremen (Deutschland), dem vorlegenden Gericht, eine Klage.
Zu deren Begründung trug er vor, dass seine Ehefrau nicht erwerbstätig sei, da der Bauernhof, den sie von ihren Eltern übernommen habe, nicht bewirtschaftet werde. Aus dem Eigentum an diesem Bauernhof folge die Versicherung bei der polnischen Sozialversicherung, an die er Beiträge zahle und die keine Tätigkeit als selbständige Landwirtin voraussetze. Zudem habe seine Ehefrau für den in Rn. 27 des vorliegenden Urteils genannten Zeitraum in Polen Kindergeld weder erhalten noch beantragt.
Die Familienkasse macht u. a. geltend, dass der Ehefrau des Klägers des Ausgangsverfahrens sogenannte „Familienleistungen 500+“ zustünden, die seit Juli 2019 einkommensunabhängig gewährt würden. Des Weiteren sei, wie aus den von den zuständigen polnischen Behörden erhaltenen Informationen hervorgehe, die Ehefrau in Polen als erwerbstätig anzusehen. Aus Art. 68 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i der Verordnung Nr. 883/2004 ergebe sich, dass Familienleistungen vorrangig in Polen geschuldet seien, da das Kind des Klägers des Ausgangsverfahrens und seine Ehefrau in diesem Mitgliedstaat wohnten.
Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Verordnung Nr. 1408/71, die durch die Verordnung Nr. 883/2004 aufgehoben worden sei, und insbesondere aus dem Urteil vom 14. Oktober 2010, Schwemmer (C-16/09, EU:C:2010:605), dass die Aussetzung eines Anspruchs auf Familienleistungen wegen des Bestehens eines solchen Anspruchs in einem anderen Mitgliedstaat nur dann in Betracht komme, wenn die Familienleistungen tatsächlich von diesem anderen Mitgliedstaat gezahlt würden, und dass es ohne eine solche Zahlung nicht darauf ankomme, dass die Nichtzahlung lediglich darauf beruhe, dass kein entsprechender Antrag gestellt worden sei.
Das vorlegende Gericht weist jedoch darauf hin, dass der Bundesfinanzhof (Deutschland) zur Rechtslage unter Geltung der Verordnung Nr. 883/2004 die Auffassung vertreten habe, dass gemäß der Fiktion in Art. 68 Abs. 3 Buchst. b und Art. 81 der Verordnung der Antrag auf Familienleistungen, der in dem Mitgliedstaat, dessen Rechtsvorschriften nachrangig gälten, gestellt worden sei, auch als Antrag auf Familienleistungen gelte, der zugleich in dem Mitgliedstaat, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gälten, gestellt worden sei, womit die formelle Anspruchsvoraussetzung eines Antrags in letzterem Mitgliedstaat gewahrt sei. Dies sei nach Auffassung des Bundesfinanzhofs auch dann der Fall, wenn der erste Staat keine Kenntnis davon habe, dass ein Auslandsbezug vorliege, weil er vom Antragsteller hiervon nicht informiert worden sei, und diesen Antrag somit nicht an den zweiten Mitgliedstaat weiterleite. Daraus folge, dass Art. 68 der Verordnung nur dann nicht anwendbar sei, wenn in dem Mitgliedstaat, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gälten, die materiellen Anspruchsvoraussetzungen u. a. wegen der Überschreitung der Altersgrenze oder bestimmter Einkommensgrenzen nicht vorlägen.
Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass das Ziel der Verordnung Nr. 883/2004, wie sich aus ihrem 35. Erwägungsgrund ergebe, darin liege, für den Fall des Zusammentreffens von Ansprüchen auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten ungerechtfertigte Doppelleistungen zu vermeiden, so dass die Prioritätsregeln gemäß Art. 68 der Verordnung grundsätzlich nicht zur Folge haben sollten, dass dem Berechtigten niedrigere Zahlungen gewährt würden als ohne ihre Anwendung.
In Bezug auf Art. 68 Abs. 3 der Verordnung ist das vorlegende Gericht der Ansicht, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Gleichstellung der in Rn. 32 des vorliegenden Urteils beschriebenen Anträge, die der Vereinfachung des Verfahrens für den Berechtigten dienen solle, nichts daran ändere, dass die Fristen für die Stellung von Anträgen auf Familienleistungen und die Möglichkeit ihrer rückwirkenden Gewährung weiterhin von nationalen Rechtsvorschriften geregelt werde. So sei in Polen eine jährliche und vorherige Stellung eines solchen Antrags erforderlich. Außerdem betreffe das Verfahren gemäß Art. 68 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung nur Sachverhalte, in denen über einen noch nicht beschiedenen Antrag auf Familienleistungen zu entscheiden sei.
Sollte dies jedoch nicht der Fall sein und sollten die in Art. 68 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 festgelegten Prioritätsregeln in einem Sachverhalt wie dem des Ausgangsverfahrens Anwendung finden, stelle sich dem vorlegenden Gericht die Frage, ob bei der Bestimmung der Priorität zwischen den betreffenden Mitgliedstaaten auf die nationalen Anspruchsvoraussetzungen oder auf die Kriterien nach Art. 11 bis 16 der Verordnung abzustellen sei. In Bezug auf diesen zweiten Fall fragt sich das vorlegende Gericht, ob davon auszugehen sei, dass eine Person in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit ausübe, wenn die zuständigen Behörden dieses Mitgliedstaats dies bestätigten, ungeachtet gegenteiliger Angaben dieser Person.
Unter diesen Umständen hat das Finanzgericht Bremen beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Lässt Art. 68 der Verordnung Nr. 883/2004 es zu, dass deutsches Kindergeld unter Berufung auf einen vorrangigen Anspruch in einem anderen Mitgliedstaat nachträglich teilweise zurückgefordert wird, auch wenn in dem anderen Mitgliedstaat keine Familienleistung für das Kind festgesetzt und ausgezahlt wurde und wird, mit der Folge, dass der Betrag, der dem nach deutschem Recht Berechtigten verbleibt, im Ergebnis hinter dem deutschen Kindergeld zurückbleibt?
Für den Fall, dass die erste Frage bejaht wird: Richtet sich die Beantwortung der Frage, aus welchen Gründen die Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten im Sinne des Art. 68 der Verordnung Nr. 883/2004 zu gewähren sind, bzw. wodurch die zu koordinierenden Ansprüche ausgelöst werden, nach den Anspruchsvoraussetzungen der nationalen Regelungen oder danach, aufgrund welchen Tatbestands die betroffenen Personen nach Art. 11 bis 16 der Verordnung Nr. 883/2004 den Rechtsvorschriften der jeweiligen Mitgliedstaaten unterliegen?
Für den Fall, dass es darauf ankommt, aufgrund welchen Tatbestands die betroffenen Personen nach Art. 11 bis 16 der Verordnung Nr. 883/2004 den Rechtsvorschriften der jeweiligen Mitgliedstaaten unterliegen: Ist Art. 68 in Verbindung mit Art. 1 Buchst. a und b und Art. 11 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 883/2004 so auszulegen, dass von dem Vorliegen einer Beschäftigung oder einer selbständigen Erwerbstätigkeit einer Person in einem anderen Mitgliedstaat bzw. einer Situation, die sozialversicherungsrechtlich einer solchen Tätigkeit gleichgestellt ist, auszugehen ist, wenn die Sozialversicherungskasse in dem anderen Mitgliedstaat eine Versicherung „als Landwirt“ bescheinigt und der dortige zuständige Träger für Familienleistungen das Vorliegen einer Beschäftigung bestätigt, auch wenn die betroffene Person geltend macht, die Versicherung knüpfe allein an das Eigentum an dem als landwirtschaftliche Nutzfläche eingetragenen Hof an, der jedoch tatsächlich nicht bewirtschaftet werde?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 68 der Verordnung Nr. 883/2004, der Prioritätsregeln bei Zusammentreffen von Ansprüchen auf Familienleistungen festlegt, dahin auszulegen ist, dass er es dem Träger eines Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften nach den in Abs. 1 dieses Artikels genannten Kriterien nachrangig sind, gestattet, von der betroffenen Person in diesem Mitgliedstaat gezahlte Familienleistungen aufgrund dessen teilweise zurückzuverlangen, dass nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats ein Anspruch auf solche Leistungen besteht, und zwar auch dann, wenn in diesem anderen Mitgliedstaat eine Familienleistung weder festgesetzt noch ausgezahlt wurde.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass ein Arbeitnehmer, der wie der Kläger des Ausgangsverfahrens in einem Mitgliedstaat arbeitet und dessen Familie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats lebt, unter Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 fällt.
Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 legt den Grundsatz fest, dass eine Person Anspruch auf Familienleistungen für Familienangehörige, die in einem anderen als dem für die Gewährung dieser Leistungen zuständigen Mitgliedstaat wohnen, erheben kann, als ob sie in dem zuständigen Mitgliedstaat wohnen würden. Diese Vorschrift soll so den Wandererwerbstätigen erleichtern, Familienbeihilfen in dem Mitgliedstaat, in dem sie beschäftigt sind, zu erlangen, wenn ihre Familie ihnen nicht in diesen Staat gefolgt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. September 2019, Moser, C-32/18, EU:C:2019:752, Rn. 35 und 36 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
Dieser Grundsatz der Gleichstellung ist jedoch insofern kein absoluter, als die Antikumulierungsvorschriften von Art. 68 der Verordnung Nr. 883/2004 Anwendung finden müssen, wenn mehrere Ansprüche auf der Grundlage unterschiedlicher Rechtsordnungen geschuldet werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Oktober 2022, DN [Rückforderung von Familienleistungen], C-199/21, EU:C:2022:789, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Wie sich aus dem 35. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 883/2004 ergibt, dienen diese Antikumulierungsvorschriften der Vermeidung ungerechtfertigter Doppelleistungen für den Fall des Zusammentreffens von Ansprüchen auf Familienleistungen.
So legt Art. 68 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 883/2004 die Prioritätsregeln für den Fall fest, dass Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren sind, während Buchst. b dieses Absatzes die Rangfolge für Leistungen aufstellt, die aus denselben Gründen zu gewähren sind. Nach Art. 68 Abs. 2 der Verordnung Nr. 883/2004 werden bei Zusammentreffen von Ansprüchen die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Absatz 1 dieses Artikels Vorrang haben, und Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen Rechtsvorschriften bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren.
Hinsichtlich der Anwendbarkeit dieser Prioritätsregeln ist darauf hinzuweisen, dass es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs für die Annahme, dass in einem bestimmten Fall eine solche Kumulierung vorliegt, nicht genügt, dass Leistungen im Wohnmitgliedstaat des betreffenden Kindes geschuldet werden und zugleich in einem anderen Mitgliedstaat lediglich potenziell gezahlt werden können. Die betroffene Person muss zudem alle in den Rechtsvorschriften dieses Staates aufgestellten – formellen und materiellen – Anspruchsvoraussetzungen erfüllen, zu denen gegebenenfalls auch die Voraussetzung gehören kann, dass ein vorheriger Antrag gestellt wurde (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Oktober 2010, Schwemmer, C-16/09, EU:C:2010:605, Rn. 52 und 53, sowie vom 13. Oktober 2022, DN [Rückforderung von Familienleistungen], C-199/21, EU:C:2022:789, Rn. 34 und 35 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
Diese Rechtsprechung, die die Prioritätsregeln betrifft, die gemäß Art. 76 der Verordnung Nr. 1408/71 galten, wurde durch die Einführung des in Art. 68 Abs. 3 der Verordnung Nr. 883/2004 vorgesehenen Verfahrens nicht in Frage gestellt.
Insoweit geht aus Art. 68 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 883/2004 hervor, dass der zuständige Träger eines Mitgliedstaats, bei dem ein Antrag auf Familienleistungen gestellt wird, dessen Rechtsvorschriften aber nach den Abs. 1 und 2 dieses Artikels nachrangig gelten, diesen Antrag unverzüglich an den zuständigen Träger des Mitgliedstaats weiterleitet, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, dies der betroffenen Person mitteilt und unbeschadet von Art. 60 der Verordnung Nr. 987/2009 über die vorläufige Gewährung von Leistungen erforderlichenfalls den in Abs. 2 dieses Artikels genannten Unterschiedsbetrag gewährt.
Hinsichtlich Art. 60 der Verordnung Nr. 987/2009, der aufgrund seines Verweises auf die Art. 67 und 68 der Verordnung Nr. 883/2004 anhand dieser Bestimmungen zu prüfen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. September 2019, Moser, C-32/18, EU:C:2019:752, Rn. 34), ist festzustellen, dass gemäß Art. 60 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 987/2009 der Träger, bei dem ein Antrag auf Familienleistungen gestellt wurde und der der Ansicht ist, dass seine Rechtsvorschriften nicht prioritär anwendbar sind, eine vorläufige Entscheidung über die anzuwendenden Prioritätsregeln trifft, den Antrag an den Träger des anderen Mitgliedstaats weiterleitet und den Antragsteller über diese Weiterleitung informiert. In Art. 60 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung ist klargestellt, dass, falls der Träger, an den dieser Antrag weitergeleitet wurde, nicht innerhalb von zwei Monaten nach dessen Eingang Stellung nimmt, die vorläufige Entscheidung des Trägers, bei dem zuerst ein Antrag gestellt wurde, anwendbar wird und dieser die in seinen Rechtsvorschriften vorgesehenen Leistungen zahlen muss.
Somit geht aus dem Wortlaut von Art. 60 der Verordnung Nr. 987/2009 klar hervor, dass der Träger eines Mitgliedstaats, bei dem ein Antrag auf Familienleistungen gestellt wird und der seine Rechtsvorschriften für nachrangig anwendbar hält, verpflichtet ist, die nach diesen Rechtsvorschriften vorgesehenen Leistungen zu zahlen, wenn der Träger, der als vorrangig zuständig gilt, keine Stellungnahme abgibt.
Folglich darf dieser Träger in einem solchen Fall die Zahlung der genannten Familienleistungen nicht bis zur Höhe des Betrags, der möglicherweise nach den als vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehen ist, aussetzen und sie als Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags gewähren.
Diese Auslegung wird im Übrigen durch Art. 60 Abs. 5 der Verordnung Nr. 987/2009 bestätigt, wonach der Träger in dem Fall, dass er eine vorläufige Leistungszahlung vorgenommen hat, die höher ist als der letztlich zu seinen Lasten gehende Betrag, den zu viel gezahlten Betrag vom vorrangig zuständigen Träger zurückfordern kann.
Außerdem bestimmt Art. 68 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 883/2004, dass der zuständige Träger, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, den Antrag bearbeitet, als ob er direkt bei ihm gestellt worden wäre, und der Tag der Einreichung des Antrags beim ersten Träger als der Tag der Einreichung bei dem Träger gilt, der vorrangig zuständig ist.
Art. 68 Abs. 3 der Verordnung Nr. 883/2004 wird durch Art. 81 der Verordnung ergänzt, wonach die Stellung eines Antrags bei einer Behörde, einem Träger oder einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats als des Mitgliedstaats, der die Leistungen zu erbringen hat, die gleichen Wirkungen hat, wie wenn dieser Antrag unmittelbar bei der zuständigen Stelle des letztgenannten Mitgliedstaats eingereicht worden wäre, und der Tag, an dem dieser Antrag beim ersten Mitgliedstaat eingegangen ist, als Tag des Eingangs bei der zuständigen Behörde, dem zuständigen Träger oder dem zuständigen Gericht gilt.
Diese Bestimmungen sollen die Freizügigkeit von Wanderarbeitnehmern erleichtern, indem sie ihr Vorgehen angesichts der Komplexität der Verwaltungsverfahren in den verschiedenen Mitgliedstaaten administrativ vereinfachen, und verhindern, dass die Betroffenen aus rein formalen Gründen ihre Ansprüche verlieren können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. September 2022, Chief Appeals Officer u. a., C-3/21, EU:C:2022:737, Rn. 26).
Somit ist, da davon ausgegangen wird, dass ein von der betroffenen Person gestellter Antrag automatisch an die zuständige Behörde des Mitgliedstaats weitergeleitet wird, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, und aufgrund der Fiktion, dass der Zeitpunkt der Einreichung des Antrags bei einer zuständigen Behörde als der Zeitpunkt der Einreichung bei der Behörde, die vorrangig über den Antrag zu entscheiden hat, gilt, die in Rn. 43 des vorliegenden Urteils angeführte Voraussetzung, dass ein vorheriger Antrag gestellt wurde, grundsätzlich nicht mehr erforderlich, um zu beurteilen, ob im Hinblick auf die Anwendung der Prioritätsregeln ein Fall des Zusammentreffens von Ansprüchen vorliegt.
Gleichwohl sind alle anderen formellen und materiellen Voraussetzungen, die in den Rechtsvorschriften des vorrangig zuständigen Mitgliedstaats bestimmt sind, zu erfüllen, da zwischen der Einreichung eines Antrags auf Familienleistungen und dem Anspruch auf diese Leistungen zu unterscheiden ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. Oktober 2015, Trapkowski, C-378/14, EU:C:2015:720, Rn. 46, und vom 13. Oktober 2022, DN [Rückforderung von Familienleistungen], C-199/21, EU:C:2022:789, Rn. 42).
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten für die Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit zuständig bleiben und es Sache des Rechts des jeweiligen Mitgliedstaats ist, die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen der sozialen Sicherheit, ihre Höhe, die Dauer ihrer Gewährung sowie die Fristen zur Beantragung dieser Leistungen zu bestimmen (Urteil vom 29. September 2022, Chief Appeals Officer u. a., C-3/21, EU:C:2022:737, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Des Weiteren ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 1 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 883/2004, nach dessen Definition Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit jede Tätigkeit oder gleichgestellte Situation bezeichnet, die für die Zwecke der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird oder die gleichgestellte Situation vorliegt, als solche gilt, dass die Beurteilung der Frage, ob eine Person eine solche Tätigkeit im Sinne von Art. 68 der Verordnung ausübt, dem zuständigen Träger des Mitgliedstaats obliegt, in dem diese Tätigkeit ausgeübt wird.
Da nämlich die Entscheidung über die Gewährung von Familienleistungen von der Auslegung und der Anwendung der Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats abhängt, ist der Träger eines anderen Mitgliedstaats nicht in der Lage, zu entscheiden, ob alle Voraussetzungen für die Gewährung solcher Leistungen erfüllt sind. Dieser Träger muss sich daher auf die Feststellung beschränken, dass der zuständige Träger eines anderen Mitgliedstaats der betroffenen Person entweder tatsächlich Familienleistungen gewährt hat oder dem Leistungsempfänger die Gewährung von Familienleistungen verweigert hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Februar 1983, Robards, 149/82, EU:C:1983:26, Rn. 11).
Vorliegend geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass Deutschland, als der ursprüngliche Antrag auf Kindergeld in Deutschland gestellt wurde, dem Antrag aufgrund seiner Zuständigkeit als vorrangig zuständiger Mitgliedstaat stattgegeben hat, ohne das Verfahren nach Art. 60 Abs. 3 der Verordnung Nr. 987/2009 einzuleiten.
Erst bei einer späteren Überprüfung aufgrund einer Änderung der in Polen geltenden Rechtsvorschriften gelangte die Bundesrepublik Deutschland zu der Auffassung, dass ihre Rechtsvorschriften nicht mehr im Sinne von Art. 68 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 883/2004 vorrangig seien, und teilte dies sowohl dem Empfänger des Kindergelds als auch dem zuständigen polnischen Träger mit. Denn der polnische Träger sei gemäß dem durch Art. 68 Abs. 3 dieser Verordnung eingeführten Verfahren dafür zuständig, den Antrag so zu bearbeiten, als ob er direkt bei ihm gestellt worden wäre, und zwar zu dem Zeitpunkt, zu dem er beim zuständigen deutschen Träger eingereicht worden sei.
Insoweit ist klarzustellen, dass der Begriff „Antrag“, der nicht damit gleichzusetzen ist, dass von den Behörden eines Mitgliedstaats wiederkehrende Leistungen bezogen werden, ein administratives Vorgehen der betroffenen Person erfordert (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. September 2022, Chief Appeals Officer u. a., C-3/21, EU:C:2022:737, Rn. 31), so wie das des Klägers des Ausgangsverfahrens, der den Fragebogen beantwortet hat, der im Rahmen eines Verfahrens zur Überprüfung des Kindergeldanspruchs übersandt wurde, um die angegebenen Daten zu bestätigen.
Sind alle anderen nach den polnischen Rechtsvorschriften geltenden formellen und materiellen Voraussetzungen für die Gewährung von Familienleistungen erfüllt, darf die Republik Polen die Gewährung von Familienleistungen nicht mit rein formalen Einwendungen im Zusammenhang mit diesem Antrag verweigern. Dies gilt umso mehr, als die Gründe, aus denen eine Person die Stellung eines förmlichen Antrags ablehnt oder nicht beabsichtigt, für die Antwort des Gerichtshofs unerheblich sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Oktober 2010, Schwemmer, C-16/09, EU:C:2010:605, Rn. 54).
Unter diesen Umständen muss der deutsche Träger, wenn der vorrangig zuständige polnische Träger die im Ausgangsverfahren fraglichen Familienleistungen nicht zahlt und zum Weiterleitungsantrag nicht Stellung nimmt, als zuerst angerufener Träger zwar die nach seinen Rechtsvorschriften vorgesehenen Leistungen zahlen; er kann aber später vom zuständigen polnischen Träger die Erstattung des Betrags der Familienleistungen verlangen, der den Betrag übersteigt, den er nach der Verordnung Nr. 883/2004 leisten musste.
Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, sind nach Art. 68 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 883/2004 und Art. 60 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 987/2009 der Träger des vorrangig zuständigen Mitgliedstaats und der Träger des nachrangig zuständigen Mitgliedstaats miteinander verbunden, und der Antrag auf Familienleistungen, der bei einem von ihnen gestellt wurde, ist von diesen beiden Trägern gemeinsam zu erledigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. November 2021, Finanzamt Österreich [Familienleistungen für Entwicklungshelfer], C-372/20, EU:C:2021:962, Rn. 66).
Außerdem ergibt sich aus dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit, wie er durch Art. 60 Abs. 5 der Verordnung Nr. 987/2009 sowie durch Art. 84 der Verordnung Nr. 883/2004 konkretisiert wurde, dass ein Mitgliedstaat von einem anderen Mitgliedstaat die Erstattung der überzahlten Familienleistung, einschließlich für die Vergangenheit, verlangen kann, sofern die in der Regelung des zweiten Mitgliedstaats bestimmten formellen und materiellen Voraussetzungen für die Vergangenheit als erfüllt gelten.
Ein anderes Verständnis, das darin bestünde, einem der zuständigen Träger mangelnde Zusammenarbeit in Bezug auf die Höhe der dem Empfänger zu zahlenden Familienleistungen vorzuwerfen, oder das den Empfänger verpflichten würde, die Beträge zu erstatten, die von einem Träger gezahlt wurden, der dafür aber nicht zuständig war, klar den Antikumulierungsvorschriften zuwiderlaufen, die dem Empfänger der von mehreren Mitgliedstaaten gezahlten Leistungen einen Gesamtbetrag an Leistungen garantieren sollen, der gleich dem Betrag der günstigsten Leistung ist, die ihm nach dem Recht nur eines dieser Staaten zusteht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Oktober 2010, Schwemmer, C-16/09, EU:C:2010:605, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 18. September 2019, Moser, C-32/18, EU:C:2019:752, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Gemäß Art. 76 Abs. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 sind zwar die in dieser Verordnung genannten Behörden verpflichtet, alle Anfragen binnen einer angemessenen Frist zu beantworten und den betroffenen Personen alle erforderlichen Angaben zu übermitteln, damit diese die ihnen durch die Verordnung eingeräumten Rechte wirksam ausüben können, doch müssen diese Personen ihrerseits die Träger des zuständigen Mitgliedstaats und des Wohnmitgliedstaats so bald wie möglich über jede Änderung ihrer persönlichen oder familiären Situation unterrichten, die sich auf ihre Leistungsansprüche nach der Verordnung auswirkt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. September 2022, Chief Appeals Officer u. a., C-3/21, EU:C:2022:737, Rn. 34).
Sollte im vorliegenden Fall festzustellen sein, dass die Erklärung des Klägers des Ausgangsverfahrens, dass seine Ehefrau in Polen nicht arbeite, nicht den Tatsachen entspricht, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist, bestünde die Abhilfe für eine solche Verletzung der Informationspflicht jedoch nicht in der Rückforderung der Leistungen gemäß Art. 68 der Verordnung Nr. 883/2004, sondern in der Anwendung angemessener Maßnahmen des nationalen Rechts, die nach Art. 76 Abs. 5 der Verordnung zudem die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität beachten müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. September 2022, Chief Appeals Officer u. a., C-3/21, EU:C:2022:737, Rn. 43).
Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 68 der Verordnung Nr. 883/2004, der Prioritätsregeln bei Zusammentreffen von Ansprüchen auf Familienleistungen festlegt, dahin auszulegen ist, dass er es dem Träger eines Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften nach den in Abs. 1 dieses Artikels genannten Kriterien nachrangig sind, nicht gestattet, von der betroffenen Person in diesem Mitgliedstaat gezahlte Familienleistungen aufgrund dessen teilweise zurückzuverlangen, dass nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats ein Anspruch auf solche Leistungen besteht, sofern in diesem anderen Mitgliedstaat eine Familienleistung weder festgesetzt noch ausgezahlt wurde; er gestattet es diesem Träger jedoch, von dem vorrangig zuständigen Träger die Erstattung des Betrags der Leistungen zu verlangen, der den Betrag übersteigt, den er nach der Verordnung leisten musste.
Zur zweiten und zur dritten Frage
In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage erübrigt sich eine Beantwortung der zweiten und der dritten Frage.
Kosten
Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Siebte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, der Prioritätsregeln bei Zusammentreffen von Ansprüchen auf Familienleistungen festlegt,
ist dahin auszulegen, dass
er es dem Träger eines Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften nach den in Abs. 1 dieses Artikels genannten Kriterien nachrangig sind, nicht gestattet, von der betroffenen Person in diesem Mitgliedstaat gezahlte Familienleistungen aufgrund dessen teilweise zurückzuverlangen, dass nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats ein Anspruch auf solche Leistungen besteht, sofern in diesem anderen Mitgliedstaat eine Familienleistung weder festgesetzt noch ausgezahlt wurde; er gestattet es diesem Träger jedoch, von dem vorrangig zuständigen Träger die Erstattung des Betrags der Leistungen zu verlangen, der den Betrag übersteigt, den er nach der Verordnung leisten musste.
Biltgen
Passer
Arastey Sahún
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 25. April 2024.
Der Kanzler
A. Calot Escobar
Der Kammerpräsident
F. Biltgen
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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