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EuGH 11.03.2021 - C-802/19
EuGH 11.03.2021 - C-802/19 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Siebte Kammer) - 11. März 2021 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung – Steuerrecht – Mehrwertsteuer – Richtlinie 2006/112/EG – Art. 90 Abs. 1 – Minderung der Steuerbemessungsgrundlage – Im Urteil vom 24. Oktober 1996, Elida Gibbs (C-317/94, EU:C:1996:400), aufgestellte Grundsätze – Lieferungen von Arzneimitteln – Gewährung von Rabatten – Hypothetischer Charakter der Vorlagefrage – Unzulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens“
Leitsatz
In der Rechtssache C-802/19
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 6. Juni 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 31. Oktober 2019, in dem Verfahren
Firma Z
gegen
Finanzamt Y
erlässt
DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Kumin sowie der Richter T. von Danwitz und P. G. Xuereb (Berichterstatter),
Generalanwalt: G. Hogan,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
der Firma Z, vertreten durch Rechtsanwalt A. Erdbrügger,
der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und S. Eisenberg als Bevollmächtigte,
der Europäischen Kommission, ursprünglich vertreten durch R. Lyal und R. Pethke, dann durch R. Pethke, als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, berichtigt im ABl. 2007, L 335, S. 60) sowie des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer.
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Firma Z, einem Unternehmen, das in den Niederlanden einen Versandhandel mit Arzneimitteln betreibt, und dem Finanzamt Y (Deutschland) über die Minderung der Steuerbemessungsgrundlage im Fall von Nachlässen auf die Preise verschreibungspflichtiger, von den Niederlanden nach Deutschland gelieferter Humanarzneimittel.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
In Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 2006/112 heißt es:
„Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:
Lieferungen von Gegenständen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt tätigt;
der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt
durch einen Steuerpflichtigen, der als solcher handelt, oder durch eine nichtsteuerpflichtige juristische Person, wenn der Verkäufer ein Steuerpflichtiger ist, der als solcher handelt, für den die Mehrwertsteuerbefreiung für Kleinunternehmen gemäß den Artikeln 282 bis 292 nicht gilt und der nicht unter Artikel 33 oder 36 fällt;
…“
Art. 13 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:
„Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Umsätze bewirken, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Umsätzen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben.
Falls sie solche Tätigkeiten ausüben oder Umsätze bewirken, gelten sie für diese Tätigkeiten oder Umsätze jedoch als Steuerpflichtige, sofern eine Behandlung als Nichtsteuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.
Die Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten in Bezug auf die in Anhang I genannten Tätigkeiten in jedem Fall als Steuerpflichtige, sofern der Umfang dieser Tätigkeiten nicht unbedeutend ist.“
Art. 20 der Richtlinie sieht vor:
„Als ‚innergemeinschaftlicher Erwerb von Gegenständen‘ gilt die Erlangung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen beweglichen körperlichen Gegenstand zu verfügen, der durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem sich der Gegenstand zum Zeitpunkt des Beginns der Versendung oder Beförderung befand, an den Erwerber versandt oder befördert wird.
…“
Art. 33 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 besagt:
„Abweichend von Artikel 32 gilt als Ort einer Lieferung von Gegenständen, die durch den Lieferer oder für dessen Rechnung von einem anderen Mitgliedstaat als dem der Beendigung der Versendung oder Beförderung aus versandt oder befördert werden, der Ort, an dem sich die Gegenstände bei Beendigung der Versendung oder Beförderung an den Erwerber befinden, sofern folgende Bedingungen erfüllt sind:
[D]ie Lieferung der Gegenstände erfolgt an einen Steuerpflichtigen oder eine nichtsteuerpflichtige juristische Person, deren innergemeinschaftliche Erwerbe von Gegenständen gemäß Artikel 3 Absatz 1 nicht der Mehrwertsteuer unterliegen, oder an eine andere nichtsteuerpflichtige Person;
die gelieferten Gegenstände sind weder neue Fahrzeuge noch Gegenstände, die mit oder ohne probeweise Inbetriebnahme durch den Lieferer oder für dessen Rechnung montiert oder installiert geliefert werden.“
Art. 73 dieser Richtlinie lautet:
„Bei der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter die Artikel 74 bis 77 fallen, umfasst die Steuerbemessungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen.“
In Art. 83 der Richtlinie heißt es:
„Beim innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen setzt sich die Steuerbemessungsgrundlage aus denselben Elementen zusammen wie denen, die zur Bestimmung der Steuerbemessungsgrundlage für die Lieferung derselben Gegenstände innerhalb des Gebiets des Mitgliedstaats gemäß Kapitel 2 dienen. …“
Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 sieht vor:
„Im Falle der Annullierung, der Rückgängigmachung, der Auflösung, der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung oder des Preisnachlasses nach der Bewirkung des Umsatzes wird die Steuerbemessungsgrundlage unter den von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen entsprechend vermindert.“
Art. 138 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten befreien die Lieferungen von Gegenständen, die durch den Verkäufer, den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb ihres jeweiligen Gebiets, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden[,] von der Steuer, wenn diese Lieferung an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt wird, der/die als solche/r in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns der Versendung oder Beförderung der Gegenstände handelt.“
Deutsches Recht
Umsatzsteuerrecht
Nach § 1 Abs. 1 Nrn. 1 und 5 des Umsatzsteuergesetzes in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (BGBl. 2005 I S. 386) (im Folgenden: UStG) unterliegen der Umsatzsteuer
„1. die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, …
…
5. der innergemeinschaftliche Erwerb im Inland gegen Entgelt.“
§ 1a Abs. 1 UStG bestimmt:
„Ein innergemeinschaftlicher Erwerb gegen Entgelt liegt vor, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
Ein Gegenstand gelangt bei einer Lieferung an den Abnehmer (Erwerber) aus dem Gebiet eines Mitgliedstaats in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats …
der Erwerber ist
ein Unternehmer, der den Gegenstand für sein Unternehmen erwirbt, oder
eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwirbt, und
die Lieferung an den Erwerber
wird durch einen Unternehmer gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausgeführt …
…“
§ 17 Abs. 1 Satz 1 UStG sieht vor:
„Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 geändert, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen.“
Krankenversicherungsrecht
§ 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (BGBl. 2011 I S. 2983) bestimmt:
„(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden.
(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. … Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
Die Firma Z ist eine Apotheke, die im Jahr 2013 verschreibungspflichtige Arzneimittel aus den Niederlanden nach Deutschland lieferte. Diese Arzneimittel wurden zum einen an gesetzlich krankenversicherte Personen und zum anderen an privat krankenversicherte Personen versandt. Für die Beantwortung eines Fragebogens zur jeweiligen Erkrankung zahlte die Firma Z den Betroffenen einen bestimmten Betrag als „Aufwandsentschädigung“.
Bei der Lieferung verschreibungspflichtiger Arzneimittel an privat krankenversicherte Personen ging die Firma Z davon aus, dass sie Kaufverträge über die Arzneimittel mit diesen Personen abgeschlossen und diese daher unmittelbar beliefert habe. Gestützt auf die Versandhandelsregelung in Art. 33 der Richtlinie 2006/112 und im nationalen Recht behandelte sie diese Lieferungen als in Deutschland steuerpflichtig. Sie war zudem der Auffassung, dass die Zahlung der Aufwandsentschädigungen an die privat krankenversicherten Personen gemäß § 17 Abs. 1 UStG zu einer Minderung der Steuerbemessungsgrundlage geführt habe. Die Besteuerung der genannten Lieferungen an privat krankenversicherte Personen sowie die Besteuerung der Lieferungen rezeptfreier Produkte an privat oder gesetzlich krankenversicherte Personen auf der Grundlage von Kaufverträgen, die die Firma Z unmittelbar mit diesen Personen abgeschlossen hat, sind nicht Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits.
Bei Lieferungen verschreibungspflichtiger Arzneimittel an gesetzlich krankenversicherte Personen rechnete die Firma Z zum einen auf der Grundlage des Sozialversicherungsrechts mit den gesetzlichen Krankenkassen ab und verrechnete zum anderen die an die Betroffenen gezahlten Aufwandsentschädigungen mit den von ihnen für das bestellte Arzneimittel zu entrichtenden Zuzahlungen. Hinsichtlich dieser Lieferungen ging die Firma Z davon aus, dass sich der Ort der Lieferung seit dem 1. Oktober 2013 in den Niederlanden befinde und sie dort die Mehrwertsteuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen in Anspruch nehmen könne und dass die gesetzlichen Krankenkassen ihrerseits gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i der Richtlinie 2006/112 Mehrwertsteuer auf diese Erwerbe in Deutschland entrichten müssten. Zudem ging die Firma Z davon aus, dass die an gesetzlich krankenversicherte Personen gezahlten Aufwandsentschädigungen nach § 17 Abs. 1 UStG die Bemessungsgrundlage für die an privat krankenversicherte Personen in Deutschland ausgeführten Lieferungen gemindert hätten, und machte eine entsprechende Steuerberichtigung geltend.
Das Finanzamt Y folgte diesem Ansatz nicht und erließ einen Änderungsbescheid. Nachdem der Einspruch der Firma Z gegen diesen Bescheid zurückgewiesen worden war, erhob sie Klage beim Finanzgericht (Deutschland).
Das Finanzgericht wies die Klage mit der Begründung ab, dass die Bemessungsgrundlage mangels Steuerpflichtigkeit der Lieferungen an die gesetzlichen Krankenkassen nicht gemindert werden könne. Für ein Recht auf Erstattung eines Teils der Umsatzsteuer an die Firma Z gebe es keine Rechtsgrundlage.
Die Firma Z war der Ansicht, dass sie nach dem Urteil vom 24. Oktober 1996, Elida Gibbs (C-317/94, EU:C:1996:400), zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage aufgrund einer Entgeltminderung berechtigt sei, und legte beim Bundesfinanzhof (Deutschland) Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts ein.
Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass in Anbetracht des Urteils vom 24. Oktober 1996, Elida Gibbs (C-317/94, EU:C:1996:400, Rn. 28 und 31), und des Urteils vom 16. Januar 2014, Ibero Tours (C-300/12, EU:C:2014:8, Rn. 29), wenn ein Hersteller eines Erzeugnisses, der zwar nicht vertraglich mit dem Endverbraucher verbunden sei, aber das erste Glied einer zu diesem führenden Kette von Umsätzen bilde, dem Endverbraucher einen Preisnachlass gewähre, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Besteuerungsgrundlage für die Mehrwertsteuer um diesen Nachlass vermindert werden müsse.
Der Gerichtshof habe jedoch eine Minderung der Besteuerungsgrundlage abgelehnt, wenn ein Reisebüro als Vermittler dem Endverbraucher aus eigenem Antrieb und auf eigene Kosten einen Nachlass auf den Preis der vermittelten Leistung gewähre, die vom Reiseveranstalter erbracht werde (Urteil vom 16. Januar 2014, Ibero Tours, C-300/12, EU:C:2014:8, Rn. 33).
Außerdem habe der Gerichtshof entschieden, dass der Abschlag, den ein pharmazeutisches Unternehmen aufgrund einer nationalen Gesetzesregelung einem Unternehmen der privaten Krankenversicherung gewähre, im Sinne von Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 zu einer Minderung der Steuerbemessungsgrundlage für dieses pharmazeutische Unternehmen führe, wenn es Arzneimittel über Großhändler an Apotheken liefere, die die Arzneimittel an privat Krankenversicherte lieferten, denen von der privaten Krankenversicherung die Kosten für den Bezug der Arzneimittel erstattet würden (Urteil vom 20. Dezember 2017, Boehringer Ingelheim Pharma, C-462/16, EU:C:2017:1006, Rn. 46).
Klärungsbedürftig sei der Begriff der „Kette von Umsätzen“, die bei demjenigen beginne, der den Rabatt gewähre, hier die Firma Z, und bis zu demjenigen reiche, der den Rabatt empfange, hier die gesetzlich krankenversicherten Personen. Es stelle sich die Frage, ob alle Umsätze dieser Kette gemäß Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen müssten, damit die Steuerbemessungsgrundlage nach Art. 90 Abs. 1 dieser Richtlinie vermindert werden könne.
Insoweit verlange der Grundsatz der Neutralität, dass gleichartige Waren innerhalb der einzelnen Länder ungeachtet der Länge des Produktions- und Vertriebswegs steuerlich gleich belastet würden (Urteile vom 24. Oktober 1996, Elida Gibbs, C-317/94, EU:C:1996:400, Rn. 20, und vom 20. Dezember 2017, Boehringer Ingelheim Pharma, C-462/16, EU:C:2017:1006, Rn. 33). Folglich werde die Länge dieses Produktions- und Vertriebswegs durch die Umsätze bestimmt, die nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fielen.
Im Rahmen des Rechtsstreits, in dem das Urteil vom 20. Dezember 2017, Boehringer Ingelheim Pharma (C-462/16, EU:C:2017:1006), ergangen sei, hätten sich durch den Rabatt die Aufwendungen der privaten Krankenversicherungsunternehmen und damit die Kosten derjenigen, die die Kosten für den steuerpflichtigen Arzneimittelerwerb hätten tragen müssen, gemindert, was in der Rechtssache, mit der das vorlegende Gericht befasst sei, nicht der Fall sei, da die Rabattgewährung an die gesetzlich krankenversicherten Personen keinerlei Auswirkungen auf die von den gesetzlichen Krankenkassen zu leistenden Aufwendungen habe.
Das vorlegende Gericht hegt außerdem Zweifel hinsichtlich der Gleichstellung von Inlands- und Binnenmarktumsätzen.
Unter diesen Umständen hat der Bundesfinanzhof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist eine Apotheke, die Arzneimittel an eine gesetzliche Krankenkasse liefert, aufgrund einer Rabattgewährung an den Krankenversicherten zur Minderung der Steuerbemessungsgrundlage auf der Grundlage des Urteils vom 24. Oktober 1996, Elida Gibbs (C-317/94, EU:C:1996:400), berechtigt?
Bei Bejahung: Widerspricht es den Grundsätzen der Neutralität und der Gleichbehandlung im Binnenmarkt, wenn eine Apotheke im Inland die Steuerbemessungsgrundlage mindern kann, nicht aber eine Apotheke, die aus einem anderen Mitgliedstaat an die gesetzliche Krankenkasse innergemeinschaftlich steuerfrei liefert?
Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens
Die deutsche Regierung macht geltend, das Vorabentscheidungsersuchen sei unzulässig, da die Vorlagefragen für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits unerheblich und hypothetisch seien.
Die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Lieferungen hätten nämlich unstreitig innergemeinschaftliche Lieferungen dargestellt und seien nach der Richtlinie 2006/112 im Ausgangsmitgliedstaat, d. h. in den Niederlanden, von der Mehrwertsteuer befreit gewesen. Da folglich für diese Lieferungen keine Steuerbemessungsgrundlage existiere, komme eine Minderung dieser Grundlage nach Art. 90 dieser Richtlinie nicht in Betracht. Insoweit sei auch darauf hinzuweisen, dass die Firma Z im Ausgangsverfahren keine Minderung der Bemessungsgrundlage in der Lieferbeziehung zwischen ihr und der gesetzlichen Krankenkasse vorgenommen, sondern die Bemessungsgrundlage für Lieferungen an privat krankenversicherte Personen reduziert habe, obwohl diese Bemessungsgrundlage mit den Lieferungen an die gesetzlichen Krankenkassen überhaupt nicht im Zusammenhang stehe.
Daher betreffe die Frage, ob eine Minderung der Bemessungsgrundlage zulässig sei, nur eine mit Apotheken in Deutschland zusammenhängende Fallkonstellation, in der die Lieferung von Arzneimitteln nicht steuerfrei, sondern steuerpflichtig sei, was aber für den Ausgangsrechtsstreit nicht entscheidungserheblich sei.
Jedenfalls sei es inländischen Apotheken nach deutschem Recht untersagt, Rabatte auf Arzneimittel zu gewähren.
Die Firma Z hält das Vorabentscheidungsersuchen ebenfalls für unzulässig, da zwischen ihr und den gesetzlich krankenversicherten Personen eine direkte Lieferbeziehung bestehe. Daraus folge, dass die Preisnachlässe direkt die Steuerbemessungsgrundlage minderten und die beiden Fragen des vorlegenden Gerichts unerheblich seien. Zu prüfen sei vielmehr die Vorfrage, welche Art von Beziehung zwischen der Firma Z und diesen Personen bestehe.
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist es im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen ihm und den nationalen Gerichten allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, anhand der Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über die ihm vorgelegten Fragen zu befinden, wenn sie die Auslegung des Unionsrechts betreffen (Urteil vom 24. November 2020, Openbaar Ministerie [Urkundenfälschung], C-510/19, EU:C:2020:953, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Infolgedessen spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen zum Unionsrecht. Der Gerichtshof kann die Beantwortung einer Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 24. November 2020, Openbaar Ministerie [Urkundenfälschung], C-510/19, EU:C:2020:953, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Im vorliegenden Fall geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass das vorlegende Gericht Zweifel daran hat, wie Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 in Bezug auf das Recht einer in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Apotheke auf Minderung ihrer Steuerbemessungsgrundlage auszulegen und anzuwenden ist, wenn diese Apotheke zum einen Arzneimittel in einen anderen Mitgliedstaat an eine nationale gesetzliche Krankenkasse liefert, wobei dieser Umsatz in diesem Mitgliedstaat in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fällt, und zum anderen einem Mitglied dieser Krankenkasse, an welches das betreffende Arzneimittel im Rahmen einer zweiten, nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallenden Lieferung geliefert wird, einen Rabatt gewährt. Insoweit hat das vorlegende Gericht den Sachverhalt sowie den rechtlichen Rahmen des Ausgangsrechtsstreits ausreichend und präzise dargelegt, so dass die gestellten Fragen nicht hypothetisch sind.
Außerdem ist zum Vorbringen der Firma Z festzustellen, dass das vorlegende Gericht angegeben hat, es habe, insbesondere im Hinblick auf das nationale Krankenversicherungsrecht, keine Zweifel an der Art der in Rede stehenden Leistungsbeziehungen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 267 AEUV, der auf einer klaren Trennung der Aufgaben zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht, das nationale Gericht für die Tatsachenwürdigung zuständig ist. Der Gerichtshof ist nur befugt, sich auf der Grundlage des ihm vom nationalen Gericht unterbreiteten Sachverhalts zur Auslegung oder zur Gültigkeit einer Unionsvorschrift zu äußern. Dagegen ist die Auslegung des nationalen Rechts ausschließlich Sache des vorlegenden Gerichts. Es ist auch allein Sache des nationalen Gerichts, im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens den Gegenstand der Fragen zu bestimmen, die es dem Gerichtshof vorlegen möchte. Dieser kann daher nicht auf Ersuchen einer Partei des Ausgangsverfahrens Fragen prüfen, die ihm das nationale Gericht nicht vorgelegt hat (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 7. Oktober 2013, Società cooperativa Madonna dei miracoli, C-82/13, EU:C:2013:655, Rn. 11, sowie Urteil vom 11. Juni 2015, Berlington Hungary u. a., C-98/14, EU:C:2015:386, Rn. 48).
Daraus folgt zum einen, dass die im vorliegenden Fall erbetene Auslegung des Unionsrechts einen Zusammenhang mit dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits aufweist, und zum anderen, dass die Vorlagefragen keinen hypothetischen Charakter haben, ohne dass die Frage zu prüfen wäre, welche Art von Beziehung zwischen der Firma Z und den gesetzlich krankenversicherten Personen besteht.
Das Vorabentscheidungsersuchen ist demnach zulässig.
Zur ersten Frage
Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 im Licht der vom Gerichtshof im Urteil vom 24. Oktober 1996, Elida Gibbs (C-317/94, EU:C:1996:400), aufgestellten Grundsätze dahin auszulegen ist, dass eine in einem Mitgliedstaat niedergelassene Apotheke zur Minderung ihrer Steuerbemessungsgrundlage berechtigt ist, wenn sie Lieferungen pharmazeutischer Produkte als in diesem Mitgliedstaat von der Mehrwertsteuer befreite innergemeinschaftliche Lieferungen an eine gesetzliche Krankenkasse mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat erbringt und den bei dieser Krankenkasse versicherten Personen einen Rabatt gewährt.
Insoweit sieht Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 vor, dass im Falle der Annullierung, der Rückgängigmachung, der Auflösung, der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung oder des Preisnachlasses nach der Bewirkung des Umsatzes die Steuerbemessungsgrundlage unter den von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen entsprechend vermindert wird.
Im vorliegenden Fall ist dem Vorlagebeschluss zu entnehmen, dass in der Konstellation, um die es im Ausgangsrechtsstreit geht, der Verkauf der in Rede stehenden pharmazeutischen Produkte Gegenstand zweier Lieferungen ist; die eine erfolgt von der Apotheke an die gesetzliche Krankenkasse und die andere von dieser Kasse an die bei ihr versicherten Personen. Bei der ersten Lieferung handelt es sich um eine innergemeinschaftliche Lieferung, die gemäß Art. 138 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 in den Niederlanden von der Steuer befreit ist. Daher ist die gesetzliche Krankenkasse als juristische Person nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i dieser Richtlinie verpflichtet, auf den dieser Lieferung entsprechenden Erwerb Mehrwertsteuer zu entrichten. Die zweite Lieferung, die von der gesetzlichen Krankenkasse an ihre Versicherten erfolgt, fällt nicht in den in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 festgelegten Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer.
Da die Firma Z jedoch nicht über eine Steuerbemessungsgrundlage verfügt, die Gegenstand einer Berichtigung sein könnte, ist festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 nicht erfüllt sind.
Im Übrigen geht aus den Angaben im Vorlagebeschluss hervor, dass die Firma Z infolge eines Rabatts, den sie gesetzlich krankenversicherten Personen gewährte, eine Minderung ihrer Steuerbemessungsgrundlage in Bezug auf Lieferungen an privat krankenversicherte Personen erhalten wollte. Wie sowohl das vorlegende Gericht als auch die Europäische Kommission zutreffend ausgeführt haben, ist es im Rahmen des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems jedoch ausgeschlossen, die Minderung der Steuerbemessungsgrundlage hinsichtlich eines Umsatzes auf die Berechnung der Steuerbemessungsgrundlage eines anderen Umsatzes anzurechnen.
Was das Urteil vom 24. Oktober 1996, Elida Gibbs (C-317/94, EU:C:1996:400), anbelangt, so hat der Gerichtshof in jenem Urteil entschieden, dass, wenn ein Hersteller eines Erzeugnisses, der zwar nicht vertraglich mit dem Endverbraucher verbunden ist, aber das erste Glied einer zu diesem führenden Kette von Umsätzen bildet und ihm einen Preisnachlass gewährt, die Besteuerungsgrundlage für die Mehrwertsteuer gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs um diesen Nachlass vermindert werden muss (Urteil vom 16. Januar 2014, Ibero Tours, C-300/12, EU:C:2014:8, Rn. 29).
Der Gerichtshof hat ausgeführt, dass andernfalls die Steuerverwaltung als Mehrwertsteuer einen höheren als den tatsächlich vom Endverbraucher gezahlten Betrag erheben würde, und zwar zu Lasten des Steuerpflichtigen (Urteil vom 24. Oktober 1996, Elida Gibbs, C-317/94, EU:C:1996:400, Rn. 31).
Da die Firma Z jedoch, wie sich aus Rn. 43 des vorliegenden Urteils ergibt, nicht über eine Steuerbemessungsgrundlage verfügt, die Gegenstand einer Berichtigung sein könnte, und die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 daher nicht erfüllt sind, ist in dieser Konstellation nicht zu prüfen, ob eine Kette von Umsätzen im Sinne des Urteils vom 24. Oktober 1996, Elida Gibbs (C-317/94, EU:C:1996:400), vorliegt.
Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass eine in einem Mitgliedstaat niedergelassene Apotheke nicht zur Minderung ihrer Steuerbemessungsgrundlage berechtigt ist, wenn sie Lieferungen pharmazeutischer Produkte als in diesem Mitgliedstaat von der Mehrwertsteuer befreite innergemeinschaftliche Lieferungen an eine gesetzliche Krankenkasse mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat erbringt und den bei dieser Krankenkasse versicherten Personen einen Rabatt gewährt.
Zur zweiten Frage
Angesichts der Antwort auf die erste Frage ist die zweite Frage nicht zu beantworten.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Siebte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass eine in einem Mitgliedstaat niedergelassene Apotheke nicht zur Minderung ihrer Steuerbemessungsgrundlage berechtigt ist, wenn sie Lieferungen pharmazeutischer Produkte als in diesem Mitgliedstaat von der Mehrwertsteuer befreite innergemeinschaftliche Lieferungen an eine gesetzliche Krankenkasse mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat erbringt und den bei dieser Krankenkasse versicherten Personen einen Rabatt gewährt.
Kumin
von Danwitz
Xuereb
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 11. März 2021.
Der Kanzler
A. Calot Escobar
Der Präsident der Siebten Kammer
A. Kumin
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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