Rechtsdatenbank
Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
Rechtsdatenbank
Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
EuGH 29.07.2019 - C-209/18
EuGH 29.07.2019 - C-209/18 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer) - 29. Juli 2019 ( *1) - „Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Verstoß gegen die Richtlinie 2006/123/EG sowie gegen die Art. 49 und 56 AEUV – Beschränkungen und Anforderungen in Bezug auf den Ort des Sitzes, die Rechtsform, die Beteiligung am Gesellschaftsvermögen und die multidisziplinären Tätigkeiten von Ziviltechnikergesellschaften, Patentanwaltsgesellschaften und Tierärztegesellschaften“
Leitsatz
In der Rechtssache C-209/18
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 23. März 2018,
Europäische Kommission, vertreten durch G. Braun und H. Tserepa-Lacombe als Bevollmächtigte,
Klägerin,
gegen
Republik Österreich, vertreten durch G. Hesse als Bevollmächtigten,
Beklagte,
unterstützt durch
Bundesrepublik Deutschland, zunächst vertreten durch T. Henze und D. Klebs, dann durch D. Klebs als Bevollmächtigte,
Streithelferin,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras, der Richterin K. Jürimäe sowie der Richter D. Šváby, S. Rodin (Berichterstatter) und N. Piçarra,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission die Feststellung, dass die Republik Österreich dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 14 Nr. 1, Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b und c und Abs. 3 sowie Art. 25 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. 2006, L 376, S. 36) und aus den Art. 49 und 56 AEUV verstoßen hat, dass sie Anforderungen an den Sitz für Ziviltechnikergesellschaften und Patentanwaltsgesellschaften, Anforderungen an die Rechtsform und die Beteiligung am Gesellschaftsvermögen für Ziviltechnikergesellschaften, Patentanwaltsgesellschaften und Tierärztegesellschaften sowie die Beschränkung multidisziplinärer Tätigkeiten für Ziviltechnikergesellschaften und Patentanwaltsgesellschaften aufrechterhält.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Der neunte Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/123 lautet:
„Diese Richtlinie findet nur auf die Anforderungen für die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit Anwendung. Sie findet somit keine Anwendung auf Anforderungen wie Straßenverkehrsvorschriften, Vorschriften bezüglich der Stadtentwicklung oder Bodennutzung, der Stadtplanung und der Raumordnung, Baunormen sowie verwaltungsrechtliche Sanktionen, die wegen der Nichteinhaltung solcher Vorschriften verhängt werden, die nicht die Dienstleistungstätigkeit als solche regeln oder betreffen, sondern von Dienstleistungserbringern im Zuge der Ausübung ihrer Wirtschaftstätigkeit genauso beachtet werden müssen wie von Privatpersonen.“
Im 22. Erwägungsgrund dieser Richtlinie wird ausgeführt:
„Der Ausschluss des Gesundheitswesens vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie sollte Gesundheits- und pharmazeutische Dienstleistungen umfassen, die von Angehörigen eines Berufs im Gesundheitswesen gegenüber Patienten erbracht werden, um deren Gesundheitszustand zu beurteilen, zu erhalten oder wiederherzustellen, wenn diese Tätigkeiten in dem Mitgliedstaat, in dem die Dienstleistungen erbracht werden, einem reglementierten Gesundheitsberuf vorbehalten sind.“
Im 40. Erwägungsgrund der Richtlinie heißt es:
„Der Begriff der zwingenden Gründe des Allgemeininteresses, auf den sich einige Bestimmungen dieser Richtlinie beziehen, ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu den Artikeln 43 und 49 [EG] entwickelt worden und kann sich noch weiterentwickeln. Der Begriff umfasst entsprechend der Auslegung des Gerichtshofes zumindest folgende Gründe: … öffentliche Gesundheit … Schutz von Dienstleistungsempfängern …“
Art. 2 Abs. 2 Buchst. f und l der Richtlinie 2006/123 bestimmt:
„Diese Richtlinie findet auf folgende Tätigkeiten keine Anwendung:
…
Gesundheitsdienstleistungen, unabhängig davon, ob sie durch Einrichtungen der Gesundheitsversorgung erbracht werden, und unabhängig davon, wie sie auf nationaler Ebene organisiert und finanziert sind … und ob es sich um öffentliche oder private Dienstleistungen handelt;
…
Tätigkeiten von Notaren und Gerichtsvollziehern, die durch staatliche Stellen bestellt werden.“
Nach Art. 4 Nr. 2 dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck „Dienstleistungserbringer“ für die Zwecke der Richtlinie jede natürliche Person, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt, und jede in einem Mitgliedstaat niedergelassene juristische Person im Sinne des Art. 54 AEUV, die eine Dienstleistung anbietet oder erbringt.
Art. 14 („Unzulässige Anforderungen“) der Richtlinie 2006/123 sieht in seinen Nrn. 1 und 3 vor:
„Die Mitgliedstaaten dürfen die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit in ihrem Hoheitsgebiet nicht von einer der folgenden Anforderungen abhängig machen:
diskriminierenden Anforderungen, die direkt oder indirekt auf der Staatsangehörigkeit oder – für Unternehmen – dem satzungsmäßigen Sitz beruhen, insbesondere:
einem Staatsangehörigkeitserfordernis für den Dienstleistungserbringer, seine Beschäftigten, seine Gesellschafter oder die Mitglieder der Geschäftsführung oder Kontrollorgane;
einer Residenzpflicht des Dienstleistungserbringers, seiner Beschäftigten, der Gesellschafter oder der Mitglieder der Geschäftsführung oder Kontrollorgane im betreffenden Hoheitsgebiet;
…
Beschränkungen der Wahlfreiheit des Dienstleistungserbringers zwischen einer Hauptniederlassung und einer Zweitniederlassung, insbesondere der Verpflichtung für den Dienstleistungserbringer, seine Hauptniederlassung in ihrem Hoheitsgebiet zu unterhalten, oder Beschränkungen der Wahlfreiheit für eine Niederlassung in Form einer Agentur, einer Zweigstelle oder einer Tochtergesellschaft“.
Art. 15 Abs. 1, 2 Buchst. b und c, 3, 5 und 6 dieser Richtlinie lautet:
„(1) Die Mitgliedstaaten prüfen, ob ihre Rechtsordnungen die in Absatz 2 aufgeführten Anforderungen vorsehen, und stellen sicher, dass diese Anforderungen die Bedingungen des Absatzes 3 erfüllen. Die Mitgliedstaaten ändern ihre Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um sie diesen Bedingungen anzupassen.
(2) Die Mitgliedstaaten prüfen, ob ihre Rechtsordnung die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit von folgenden nicht diskriminierenden Anforderungen abhängig macht:
…
der Verpflichtung des Dienstleistungserbringers, eine bestimmte Rechtsform zu wählen;
Anforderungen im Hinblick auf die Beteiligungen am Gesellschaftsvermögen;
…
(3) Die Mitgliedstaaten prüfen, ob die in Absatz 2 genannten Anforderungen folgende Bedingungen erfüllen:
Nicht-Diskriminierung: [D]ie Anforderungen dürfen weder eine direkte noch eine indirekte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder – bei Gesellschaften – aufgrund des Orts des satzungsmäßigen Sitzes darstellen;
Erforderlichkeit: [D]ie Anforderungen müssen durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein;
Verhältnismäßigkeit: [D]ie Anforderungen müssen zur Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels geeignet sein; sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist; diese Anforderungen können nicht durch andere[,] weniger einschneidende Maßnahmen ersetzt werden, die zum selben Ergebnis führen.
…
(5) In dem in Artikel 39 Absatz 1 genannten Bericht für die gegenseitige Evaluierung geben die Mitgliedstaaten an:
welche Anforderungen sie beabsichtigen beizubehalten und warum sie der Auffassung sind, dass diese die Bedingungen des Absatzes 3 erfüllen;
welche Anforderungen sie aufgehoben oder gelockert haben.
(6) Ab dem 28. Dezember 2006 dürfen die Mitgliedstaaten keine neuen Anforderungen der in Absatz 2 genannten Art einführen, es sei denn, diese neuen Anforderungen erfüllen die in Absatz 3 aufgeführten Bedingungen.“
Art. 25 der Richtlinie bestimmt:
„(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Dienstleistungserbringer keinen Anforderungen unterworfen werden, die sie verpflichten, ausschließlich eine bestimmte Tätigkeit auszuüben, oder die die gemeinschaftliche oder partnerschaftliche Ausübung unterschiedlicher Tätigkeiten beschränken.
Jedoch können folgende Dienstleistungserbringer solchen Anforderungen unterworfen werden:
Angehörige reglementierter Berufe, soweit dies gerechtfertigt ist, um die Einhaltung der verschiedenen Standesregeln im Hinblick auf die Besonderheiten der jeweiligen Berufe sicherzustellen[,] und soweit dies nötig ist, um ihre Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zu gewährleisten;
Dienstleistungserbringer, die Dienstleistungen auf dem Gebiet der Zertifizierung, der Akkreditierung, der technischen Überwachung oder des Versuchs- oder Prüfwesens erbringen, wenn dies zur Gewährleistung ihrer Unabhängigkeit und Unparteilichkeit erforderlich ist.
(2) Sofern multidisziplinäre Tätigkeiten zwischen den in Absatz 1 Buchstaben a und b genannten Dienstleistungserbringern erlaubt sind, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass
Interessenkonflikte und Unvereinbarkeiten zwischen bestimmten Tätigkeiten vermieden werden;
die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit, die bestimmte Tätigkeiten erfordern, gewährleistet sind;
die Anforderungen der Standesregeln für die verschiedenen Tätigkeiten miteinander vereinbar sind, insbesondere im Hinblick auf das Berufsgeheimnis.
(3) Die Mitgliedstaaten nennen in dem in Artikel 39 Absatz 1 genannten Bericht die Dienstleistungserbringer, die den Anforderungen gemäß Absatz 1 des vorliegenden Artikels unterworfen sind, ferner den Inhalt dieser Anforderungen und die Gründe, aus denen sie diese für gerechtfertigt halten.“
Österreichisches Recht
ZTG
§ 21 („Gesellschaftszweck“) des Bundesgesetzes über Ziviltechniker (BGBl. Nr. 156/1994) in seiner für den Rechtsstreit maßgeblichen Fassung (BGBl. I Nr. 50/2016, im Folgenden: Ziviltechnikergesetz oder ZTG) sieht vor:
„(1) Nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen dürfen Ziviltechniker zum ausschließlichen Zweck dauernder Ausübung des Ziviltechnikerberufes offene Gesellschaften, Kommanditgesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Aktiengesellschaften mit eigener, vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit verliehener Befugnis bilden (Ziviltechnikergesellschaften).
(2) Ziviltechnikergesellschaften üben selbst den Beruf des Ziviltechnikers aus.
(3) Die Bildung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes mit Gewerbetreibenden ist nur zulässig, wenn diese zu ausführenden Tätigkeiten nicht berechtigt sind. Eine solche Gesellschaft unterliegt nicht den Bestimmungen des 2. Abschnittes dieses Bundesgesetzes.“
§ 25 („Sitz und Firma“) ZTG lautet:
„(1) Ziviltechnikergesellschaften müssen ihren Sitz in Österreich am Kanzleisitz eines der geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Gesellschafter oder Vorstandsmitglieder haben.
(2) Ziviltechnikergesellschaften müssen ihrer Firma den Zusatz ‚Ziviltechnikergesellschaft‘ unter Beachtung der allgemeinen firmenrechtlichen Bestimmungen beifügen. Das Wort ‚Ziviltechniker‘ darf mit ‚ZT‘ abgekürzt werden.
(3) In Geschäftspapieren sind die Namen und Befugnissse aller geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Gesellschafter anzuführen.“
§ 26 ZTG bestimmt:
„(1) Gesellschafter einer Ziviltechnikergesellschaft dürfen nur natürliche Personen und berufsbefugte Ziviltechnikergesellschaften sein.
(2) Gewerbetreibende, deren Tätigkeit der Befugnis einer Ziviltechnikergesellschaft fachlich entspricht, sowie geschäftsführungs- und vertretungsbefugte Gesellschafter oder leitende Angestellte solcher Gewerbetreibenden dürfen nicht Gesellschafter dieser Ziviltechnikergesellschaft sein.“
§ 28 ZTG lautet:
„(1) Geschäftsführer und organschaftliche Vertreter einer Ziviltechnikergesellschaft dürfen nur physische Personen sein, die Gesellschafter mit aufrechter Befugnis sind und gemeinsam mehr als die Hälfte der Gesellschaftsanteile innehaben. In Geschäftsfällen, in denen fachverschiedene Befugnisse mehrerer Ziviltechniker erforderlich sind, hat der Gesellschaftsvertrag einschlägig befugte Geschäftsführer jedenfalls zu gemeinsamem Handeln zu verpflichten.
(2) Über fachliche Fragen der Berufsausübung der Ziviltechnikergesellschaft entscheiden in den jeweils zuständigen Gesellschaftsorganen ausschließlich die Gesellschafter mit ausgeübter Befugnis. Gegen den Willen jener Gesellschafter, die über die für den Gegenstand der Entscheidung fachlich einschlägige Befugnis verfügen, darf keine Entscheidung getroffen werden.
(3) Berufsfremde Gesellschafter sind zur Einhaltung der Standesregeln vertraglich zu verpflichten.
(4) Sofern Ziviltechnikergesellschaften eingetragene Personengesellschaften sind, dürfen Gesellschafter, die keine ausgeübte Befugnis haben, nur Kommanditisten sein.
(5) Sofern Ziviltechnikergesellschaften Aktiengesellschaften sind, hat die Satzung ausschließlich Namensaktien vorzusehen. Die Übertragung der Aktien ist an die Zustimmung der Hauptversammlung zu binden. Die Hauptversammlung ist zu verpflichten, der Übertragung nur unter Beachtung der Vorschriften dieses Bundesgesetzes und der Standesregeln zuzustimmen.“
PAG
§ 2 des Bundesgesetzes vom 7. Juni 1967, mit dem der Patentanwaltsberuf geregelt wird (BGBl. Nr. 214/1967), in seiner für den Rechtsstreit maßgeblichen Fassung (BGBl. I Nr. 126/2013, im Folgenden: Patentanwaltsgesetz oder PAG) lautet:
„(1) Die Eintragung in die Liste der Patentanwälte ist an den Nachweis der Erfüllung nachstehender Erfordernisse gebunden:
österreichische Staatsbürgerschaft;
Eigenberechtigung;
ständiger Kanzleisitz in Österreich;
Vollendung insgesamt mindestens fünfjähriger Studien an einer inländischen Universität oder gleichwertige Studien an einer Universität im Europäischen Wirtschaftsraum oder in der Schweizerischen Eidgenossenschaft, die ein Gebiet der Technik oder der Naturwissenschaften zum Gegenstand haben, oder Nostrifizierung entsprechender ausländischer akademischer Grade;
Zurücklegung einer Praxis (§ 3);
erfolgreiche Ablegung der Patentanwaltsprüfung (§§ 8 ff.) frühestens ein Jahr vor Vollendung der Praxis;
Haftpflichtversicherung gemäß § 21a.
(2) Die Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft ist der österreichischen Staatsbürgerschaft gleichzuhalten.
(3) Bei Personen, die die im § 16a Abs. 1 angeführten Voraussetzungen hinsichtlich des patentanwaltlichen Berufs erfüllen, ersetzt die Eignungsprüfung (§§ 15a und 15b) die Erfordernisse gemäß Abs. 1 lit. d bis f.“
§ 29a PAG bestimmt:
„Bei Gesellschaften zur Ausübung des Patentanwaltsberufs müssen jederzeit folgende Erfordernisse erfüllt sein:
1. Gesellschafter dürfen nur sein:
Patentanwälte,
Ehegatten oder eingetragene Partner und Kinder eines der Gesellschaft angehörenden Patentanwalts,
ehemalige Patentanwälte, die auf die Ausübung des Patentanwaltsberufs verzichtet haben und die im Zeitpunkt des Verzichts Gesellschafter waren oder deren Kanzlei von der Gesellschaft fortgeführt wird,
der überlebende Ehegatte oder eingetragene Partner und Kinder eines verstorbenen Patentanwalts, wenn dieser bei seinem Ableben Gesellschafter war oder wenn der überlebende Ehegatte oder eingetragene Partner oder die Kinder die Gesellschaft mit einem Patentanwalt zur Fortführung der Kanzlei eingehen,
von einem oder mehreren Gesellschaftern errichtete österreichische Privatstiftungen, deren ausschließlicher Stiftungszweck die Unterstützung der in den lit. a bis d genannten Personen ist.
2. Patentanwälte dürfen der Gesellschaft nur als persönlich haftende Gesellschafter oder bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung als zur Vertretung und Geschäftsführung befugte Gesellschafter angehören. Die in der Z 1 lit. b bis e genannten Gesellschafter dürfen der Gesellschaft nur als Kommanditisten, als Gesellschafter ohne Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis oder nach Art eines stillen Gesellschafters angehören. Andere Personen als Gesellschafter dürfen am Umsatz oder Gewinn der Gesellschaft nicht beteiligt sein.
3. Die Einstellung der Ausübung des Patentanwaltsberufs (§ 48 Abs. 1 lit. c) hindert nicht die Zugehörigkeit zur Gesellschaft, wohl aber die Vertretung und Geschäftsführung.
4. Ehegatten oder eingetragene Partner (Z 1 lit. b) können der Gesellschaft nur für die Dauer der Ehe oder der eingetragenen Partnerschaft, Kinder (Z 1 lit. b und d) nur bis zur Vollendung des 35. Lebensjahres sowie darüber hinaus, solange sie sich auf die Erlangung des Patentanwaltsberufs vorbereiten, angehören.
5. Alle Gesellschafter müssen ihre Rechte im eigenen Namen und für eigene Rechnung innehaben; die treuhändige Übertragung und Ausübung von Gesellschaftsrechten ist unzulässig.
6. Die Tätigkeit der Gesellschaft muss auf die Ausübung des Patentanwaltsberufs einschließlich der erforderlichen Hilfstätigkeiten und der Verwaltung des Gesellschaftsvermögens beschränkt sein.
7. Am Sitz der Gesellschaft muss zumindest ein Patentanwalts-Gesellschafter seinen Kanzleisitz haben. Für die Errichtung von Zweigniederlassungen gilt § 25a sinngemäß.
8. Patentanwälte dürfen nur einer Gesellschaft angehören; der Gesellschaftsvertrag kann jedoch vorsehen, dass ein der Gesellschaft angehörender Patentanwalt den Patentanwaltsberuf auch außerhalb der Gesellschaft ausüben darf. Die Beteiligung von Patentanwalts-Gesellschaften an anderen Zusammenschlüssen zur gemeinschaftlichen Berufsausübung ist unzulässig.
9. Alle der Gesellschaft angehörenden Patentanwälte müssen allein zur Vertretung und zur Geschäftsführung befugt sein. Alle anderen Gesellschafter müssen von der Vertretung und Geschäftsführung ausgeschlossen sein.
10. In einer Patentanwalts-Gesellschaft in Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung dürfen andere Personen als Patentanwalts-Gesellschafter nicht zum Geschäftsführer bestellt werden. In einer Patentanwalts-Gesellschaft können Prokura und Handlungsvollmacht nicht wirksam erteilt werden.
11. Bei der Willensbildung der Gesellschaft muss Patentanwälten ein bestimmender Einfluss zukommen. Die Ausübung des Mandats durch den der Gesellschaft angehörenden Patentanwalt darf nicht an eine Weisung oder eine Zustimmung der Gesellschafter (Gesellschafterversammlung) gebunden werden.“
TÄG
§ 15a des Bundesgesetzes vom 13. Dezember 1974 über den Tierarzt und seine berufliche Vertretung (BGBl. Nr. 16/1975) in seiner für den Rechtsstreit maßgeblichen Fassung (BGBl. I Nr. 66/2016, im Folgenden: Tierärztegesetz oder TÄG) lautet:
„(1) Zum Betreiben einer tierärztlichen Ordination oder eines privaten Tierspitals sind nur berufsberechtigte Tierärzte oder Gesellschaften, deren Gesellschafter berufsberechtigte Tierärzte sind, berechtigt. Eine Beteiligung Berufsfremder an einer Tierärztegesellschaft ist nur für stille Teilhaber möglich. Werden bei der Errichtung einer Ges.m.b.H auch Zweigstellen vorgesehen, so ist sicherzustellen, dass verantwortlicher Leiter nur ein tierärztlicher Gesellschafter sein darf, der auch jeweils nur eine Zweigstelle leiten darf und der wesentliche Anteile an der Gesellschaft halten muss.
(2) Die verantwortliche Leitung (Führung) eines privaten Tierspitals muss durch einen berufsberechtigten Tierarzt, der berechtigt ist, eine Hausapotheke zu führen, erfolgen.“
Vorverfahren
Am 9. Juli 2014 richtete die Kommission ein Verwaltungsschreiben an die Republik Österreich. Darin bat sie um Auskünfte über die nach nationalem Recht für Ziviltechnikergesellschaften, für Patentanwaltsgesellschaften und für Tierärztegesellschaften in Bezug auf den Ort des Sitzes, die Rechtsform und die Beteiligung am Gesellschaftsvermögen geltenden Anforderungen sowie über Beschränkungen von multidisziplinären Tätigkeiten.
Die Republik Österreich antwortete mit Schreiben vom 9. Oktober 2014, mit dem sie der Kommission einen – vom österreichischen Gesetzgeber noch nicht beschlossenen – Entwurf einer Novelle des Patentanwaltsgesetzes übermittelte.
Am 5. Dezember 2014 eröffnete die Kommission das EU-Pilot-Verfahren, in dessen Rahmen sie der Republik Österreich zusätzliche Fragen übermittelte, die von dieser am 13. Februar 2015 beantwortet wurden.
Am 19. Juni 2015 richtete die Kommission ein Aufforderungsschreiben an die Republik Österreich.
Diese antwortete darauf am 18. September 2015.
Am 5. Oktober 2015 fand ein Treffen zwischen der Kommission und der Republik Österreich statt, um den Inhalt des Schreibens vom 18. September 2015 zu besprechen. Im Anschluss an dieses Treffen übermittelte die Republik Österreich ein ergänzendes Schreiben, das vom 23. Oktober 2015 datiert und dem ein Entwurf zur Novellierung des Ziviltechnikergesetzes beigefügt war. Die Novelle sollte die Anforderung an den Ort des Sitzes für Ziviltechnikergesellschaften beseitigen und im zweiten Quartal 2016 in Kraft treten. In diesem Schreiben war auch die Rede von einer Änderung der Anforderung an den Ort des Sitzes für Patentanwaltsgesellschaften, doch der vorgeschlagene Wortlaut hätte – nach Ansicht der Kommission – nach wie vor eine Art. 14 Nr. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/123 und Art. 49 AEUV zuwiderlaufende Auslegung zugelassen. Außerdem wurde eine Novelle des Tierärztegesetzes angekündigt. Diese trat am 1. August 2016 in Kraft.
Am 26. Februar 2016 richtete die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme an die Republik Österreich, ohne darin jedoch auf die Anforderungen an den Ort des Sitzes für Architekten und für Ingenieurkonsulenten, deren Änderung angekündigt war, einzugehen.
Die Republik Österreich antwortete mit Schreiben vom 22. April 2016, in dem sie Änderungen für die Patentanwaltsgesellschaften vorschlug, insbesondere eine Neuformulierung der Bestimmungen über die Anforderungen an den Ort des Sitzes und über den „entscheidenden Einfluss“ der Patentanwälte in diesen Gesellschaften. Hinsichtlich der Ziviltechnikergesellschaften und der Tierärztegesellschaften hielt sie an ihrem zuvor geäußerten Standpunkt fest, dass eine Änderung nicht erforderlich sei. Außerdem wurde die Anforderung an den Ort des Sitzes für Ziviltechnikergesellschaften nicht aufgehoben.
Unter Berücksichtigung dieser Entwicklungen richtete die Kommission am 17. November 2016 eine ergänzende mit Gründen versehene Stellungnahme an die Republik Österreich.
Im Dezember 2016 und im Februar 2017 fanden zwei Treffen zwischen der Kommission und der Republik Österreich zum Thema Ziviltechnikergesellschaften statt. Die Republik Österreich sagte bei diesen Treffen die Aufhebung der Anforderungen an den Ort des Sitzes sowie Änderungen an den Bestimmungen über die Beteiligung am Gesellschaftsvermögen und den Beschränkungen der multidisziplinären Tätigkeiten zu.
Ihre Antwort auf die ergänzende mit Gründen versehene Stellungnahme erfolgte mit zwei Schreiben vom 17. Januar und 13. März 2017. Sie bekräftigte, nach wie vor zur Änderung von § 25 Abs. 1 ZTG bereit zu sein, die bislang aber an den beteiligten Interessenvertretungen gescheitert sei. Sie erklärte ebenfalls ihre Bereitschaft zur Änderung des Patentanwaltsgesetzes und des Tierärztegesetzes in absehbarer Zeit sowie zur Führung weiterer Gespräche. Der Kommission wurde auch am 10. März 2017 vom Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft ein Vorschlag für Änderungen des Ziviltechnikergesetzes übermittelt, doch die Kommission hielt solche Änderungen für nicht ausreichend, um die Unvereinbarkeit dieses Gesetzes mit dem Unionsrecht zu beheben.
Am 11. Oktober 2017 übermittelte die Republik Österreich der Kommission eine weitere ergänzende Stellungnahme, der ein Entwurf eines neuen Ziviltechnikergesetzes beigefügt war, mit dem den Bedenken der Kommission Rechnung getragen werden sollte. Die Kommission räumt zwar ein, dass dieser Entwurf die Abschaffung der Anforderung an den Ort des Sitzes von Ziviltechnikergesellschaften vorsehe, sieht die übrigen Bedenken aber nicht ausgeräumt. Außerdem sei der Entwurf dem österreichischen Parlament bis zur Klageerhebung nicht zur Beschlussfassung vorgelegt worden.
Unter diesen Umständen hat die Kommission die vorliegende Vertragsverletzungsklage erhoben.
Zur Klage
Zu den anwendbaren Vorschriften
Vorbringen der Parteien
Hinsichtlich der Anwendbarkeit der Richtlinie 2006/123 weist die Kommission die von der Republik Österreich im Vorverfahren und vor dem Gerichtshof vertretene Auffassung zurück, dass die Tätigkeiten der Ziviltechniker und der Tierärzte vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgeschlossen seien.
Zu den Tätigkeiten der Ziviltechniker als Urkundspersonen bringt die Kommission vor, dass die Richtlinie nach ihrem Art. 2 Abs. 2 Buchst. l auf „Tätigkeiten von Notaren und Gerichtsvollziehern, die durch staatliche Stellen bestellt werden“, keine Anwendung finde. Der Umstand, dass auch andere Berufsgruppen wie die Ziviltechniker öffentliche Urkunden ausstellten, schließe aber diese Beurkundungen nicht automatisch vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/123 aus. Außerdem würden Raumordnung und Raumplanung in Österreich von Bund, Ländern und Gemeinden wahrgenommen. Daher bedeute der Umstand, dass Ziviltechniker die Gebietskörperschaften bei der Erstellung der betreffenden Pläne technisch unterstützten, nicht, dass die von ihnen erbrachten Dienstleistungen nicht unter diese Richtlinie fielen. Bei dem Ziviltechnikergesetz handle es sich daher um keine Regelung, die vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen sei.
Zu den Tätigkeiten der Tierärzte weist die Kommission darauf hin, dass der in Art. 2 Abs. 2 Buchst. f der Richtlinie 2006/123 vorgesehene Ausschluss der Gesundheitsdienstleistungen vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie nur auf Dienstleistungen im Zusammenhang mit der menschlichen Gesundheit abstelle und nicht auf tierärztliche Dienstleistungen.
Die Republik Österreich macht geltend, Ziviltechniker handelten zumindest im Rahmen der Tätigkeit als Urkundspersonen als Vertreter des Staates. Ihre Stellung sei dabei nach dem nationalen Recht der von Notaren gleichzustellen. Folglich würden sie zumindest hinsichtlich dieser Tätigkeit von Art. 2 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2006/123 erfasst. Was die Tierärzte betrifft, so vergleicht die Republik Österreich ihre Tätigkeiten im Wesentlichen mit den Tätigkeiten von Angehörigen der Gesundheitsberufe.
Würdigung durch den Gerichtshof
Als Erstes ist festzustellen, dass die Richtlinie 2006/123 gemäß ihrem Art. 2 Abs. 2 Buchst. l auf Tätigkeiten von Notaren und Gerichtsvollziehern, die durch staatliche Stellen bestellt werden, keine Anwendung findet. Von Ziviltechnikern ist hingegen in dieser Bestimmung nicht die Rede.
Da Ausnahmen aber nur einer engen Auslegung zugänglich sind, ist Art. 2 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2006/123 dahin auszulegen, dass darunter nur die Dienstleistungen fallen, die darin ausdrücklich aufgezählt sind. Unter diesen Umständen kann das Vorbringen der Republik Österreich, dass Ziviltechniker zur Errichtung öffentlicher Urkunden veranlasst sein und für diese Tätigkeit Notaren gleichgesetzt werden könnten, nicht verfangen.
Daher kann nicht vertreten werden, dass der Beruf des Ziviltechnikers nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2006/123 nicht in deren Anwendungsbereich fällt.
Als Zweites ergibt sich aus Art. 2 Abs. 2 Buchst. f der Richtlinie 2006/123, dass „Gesundheitsdienstleistungen“ ausdrücklich von ihrem Anwendungsbereich ausgenommen sind. Nach dem 22. Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/123 handelt es sich jedoch bei den von dieser Ausnahme erfassten Dienstleistungen um solche, „die von Angehörigen eines Berufs im Gesundheitswesen gegenüber Patienten erbracht werden, um deren Gesundheitszustand zu beurteilen, zu erhalten oder wiederherzustellen“, was bedeutet, dass sie gegenüber Menschen erbracht werden (Urteil vom 1. März 2018, CMVRO, C-297/16, EU:C:2018:141, Rn. 39).
Da Ausnahmen eng auszulegen sind, ist Art. 2 Abs. 2 Buchst. f dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass er nur Gesundheitsdienstleistungen betrifft, die sich auf die menschliche Gesundheit beziehen.
Folglich kann nicht vertreten werden, dass der Beruf des Tierarzts nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. f der Richtlinie 2006/123 nicht in deren Anwendungsbereich fällt.
Im Licht der vorstehenden Ausführungen ist demzufolge die Richtlinie 2006/123 sowohl auf die Tätigkeiten der Ziviltechniker als auch auf die Tätigkeiten der Tierärzte anwendbar. Unter diesen Voraussetzungen und da die Kommission der Republik Österreich einen Verstoß sowohl gegen verschiedene Bestimmungen dieser Richtlinie als auch gegen Art. 49 AEUV vorwirft, ist die in Rede stehende nationale Regelung zunächst mit Blick auf die Bestimmungen der Richtlinie zu prüfen, bevor sie gegebenenfalls anhand von Art. 49 AEUV geprüft wird.
Zur Rüge eines Verstoßes gegen Art. 14 der Richtlinie 2006/123
Vorbringen der Parteien
Die Kommission macht geltend, die nationalen Bestimmungen über den Ort des Sitzes von Ziviltechnikergesellschaften und von Patentanwaltsgesellschaften verstießen gegen Art. 14 der Richtlinie 2006/123 und gegen Art. 49 AEUV.
Genauer laufe in Bezug auf Ziviltechnikergesellschaften § 25 Abs. 1 ZTG Art. 14 Nr. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/123 zuwider, da er verlange, dass nicht nur die Ziviltechnikergesellschaft, sondern auch zumindest einer ihrer als Geschäftsführer und Vertreter tätigen Gesellschafter ihren Sitz in Österreich hätten. Diese Bestimmung führe zu einer Diskriminierung, da danach Ziviltechnikergesellschaften, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als der Republik Österreich hätten, ihre Dienstleistungen dort nicht anbieten dürften. Art. 14 der Richtlinie 2006/123 erlaube aber keine Rechtfertigung einer solchen Beschränkung.
Außerdem bringt die Kommission hinsichtlich Patentanwaltsgesellschaften vor, dass zum einen nach § 29a Z 7 PAG zumindest ein Patentanwaltsgesellschafter seinen Kanzleisitz am Sitz der Gesellschaft haben müsse. Zum anderen sei nach § 2 Abs. 1 lit. c PAG die Eintragung in die Liste der Patentanwälte an den Nachweis gebunden, dass sich der ständige Kanzleisitz in Österreich befinde. Daraus folge, dass Patentanwaltsgesellschaften ebenso wie ihre Gesellschafter ihren Sitz in Österreich haben müssten, was einer Diskriminierung aufgrund des Orts des Sitzes des Dienstleistungserbringers und seiner Gesellschafter gleichkomme. In diesen Bestimmungen des Patentanwaltsgesetzes liege eine Diskriminierung, die unmittelbar auf dem Ort des satzungsmäßigen Sitzes einer Gesellschaft und mittelbar auf der Staatsangehörigkeit ihrer Gesellschafter beruhe.
Auch sei keine der von der Republik Österreich angesprochenen Gesetzesänderungen umgesetzt worden und, was die Patentanwaltsgesellschaften betreffe, würden die Unionsrechtsverstöße durch die vorgeschlagenen Änderungen nicht abgestellt werden.
Die Republik Österreich tritt dem Vorwurf der Kommission entgegen und bringt vor, sie habe dieser hinsichtlich der Ziviltechnikergesellschaften bereits am 11. Oktober 2017 eindeutig den Entwurf einer Neuregelung des Ziviltechnikergesetzes übermittelt und damit ihre Absicht zum Ausdruck gebracht, § 25 Abs. 1 ZTG entfallen zu lassen. Der Vorwurf der Vertragsverletzung in diesem Punkt sei unbegründet, insbesondere unter Berücksichtigung dessen, dass die verzögerte Novellierung nicht nur auf die Neuwahlen in Österreich zurückzuführen sei, sondern auch darauf, dass die Kommission auf ein Schreiben vom 10. März 2017, mit dem konkrete Vorschläge zur Novellierung des Ziviltechnikergesetzes unterbreitet worden seien, nicht reagiert habe.
Hinsichtlich der Patentanwaltsgesellschaften informiert die Republik Österreich den Gerichtshof über neue Gesetzesvorschläge zur Änderung des Patentanwaltsgesetzes und weist auf ihre Absicht hin, vor dem Sommer 2018 ein Gesetzgebungsverfahren im Hinblick auf den Erlass eines Änderungsgesetzes einzuleiten.
Würdigung durch den Gerichtshof
Vorab ist festzustellen, dass die Republik Österreich dem Vorwurf der Kommission nur entgegenhält, dass sie Gesetzesänderungen vorgeschlagen habe, wobei sie jedoch nicht bestreitet, dass diese Änderungen bei Klageerhebung noch immer nicht in Kraft getreten waren.
Dazu ist festzustellen, dass das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Lage zu beurteilen ist, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde, und dass später etwa eingetretene Veränderungen vom Gerichtshof nicht berücksichtigt werden können (Urteil vom 28. November 2018, Kommission/Slowenien, C-506/17, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:959, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Vorliegend steht aber fest, dass die von den fraglichen nationalen Rechtsvorschriften aufgestellten Anforderungen bei Ablauf der der Republik Österreich gesetzten Frist noch immer Bestand hatten.
Nach dieser Klarstellung ist mit der Kommission festzustellen, dass aus den nationalen Vorschriften, die mit der vorliegenden Rüge beanstandet werden, zum einen für die Ziviltechnikergesellschaften und zumindest einen ihrer Gesellschafter oder ein Vorstandsmitglied und zum anderen für die Patentanwaltsgesellschaften die Pflicht folgt, ihren Sitz in Österreich zu haben.
Indem sie aber diese Gesellschaften dazu verpflichten, ihren satzungsmäßigen Sitz im Inland zu haben, stellen diese Vorschriften eine Anforderung auf, die im Sinne des Art. 14 Nr. 1 der Richtlinie 2006/123 direkt auf dem satzungsmäßigen Sitz beruht. Außerdem liegt in der Pflicht für zumindest einen Gesellschafter oder ein Vorstandsmitglied einer Ziviltechnikergesellschaft, seinen Kanzleisitz in Österreich zu haben, im Kern eine Residenzpflicht im nationalen Hoheitsgebiet im Sinne des Art. 14 Nr. 1 Buchst. b dieser Richtlinie.
Art. 14 der Richtlinie 2006/123 untersagt den Mitgliedstaaten, die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit in ihrem Hoheitsgebiet von einer der in seinen Nrn. 1 bis 8 aufgezählten Anforderungen abhängig zu machen, und verpflichtet sie damit, diese Anforderungen vorrangig und systematisch zu beseitigen. Außerdem sind die in diesem Artikel aufgezählten Anforderungen keiner Rechtfertigung zugänglich (Urteil vom 16. Juni 2015, Rina Services u. a., C-593/13, EU:C:2015:399, Rn. 28).
Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 14 der Richtlinie 2006/123 begründet ist.
Zur Rüge eines Verstoßes gegen Art. 15 der Richtlinie 2006/123
Vorbringen der Parteien
Die Kommission macht geltend, die innerstaatlichen Anforderungen an die Rechtsform und an die Beteiligung am Gesellschaftsvermögen für Ziviltechnikergesellschaften, Patentanwaltsgesellschaften und Tierärztegesellschaften verstießen gegen Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b und c und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123 sowie gegen Art. 49 AEUV und behinderten die Niederlassung neuer Dienstleistungserbringer dieser Berufsgruppen aus anderen Mitgliedstaaten als der Republik Österreich. Die betreffenden Anforderungen beschränkten die Möglichkeiten solcher in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Dienstleistungserbringer, eine Zweitniederlassung in Österreich zu gründen, wenn sie ihre Organisationsstrukturen nicht daran anpassten. Darüber hinaus behinderten diese Anforderungen auch in Österreich niedergelassene Dienstleistungserbringer.
Zum einen bedeute eine innerstaatliche Vorschrift, nach der die Mehrheit der Anteile an einer Berufsgesellschaft von natürlichen Personen gehalten werden müsse, dass die Kontrolle über eine solche Gesellschaft nicht von juristischen Personen ausgeübt werden könne und dass es dieser Art Berufsgesellschaft nicht möglich sei, Tochtergesellschaft einer anderen Gesellschaft zu sein. Deshalb werde eine entsprechende Berufsgesellschaft, die in einem anderen Mitgliedstaat als der Republik Österreich niedergelassen sei, in Österreich keine Tochtergesellschaft gründen können, die die gleichen Dienstleistungen anbiete. Zum anderen werde durch die Anforderungen an die Rechtsform und an die Beteiligung am Gesellschaftsvermögen in der Praxis die Gründung einer Hauptniederlassung in Österreich erschwert.
Was genauer die Ziviltechnikergesellschaften betreffe, so dürften nach § 26 Abs. 1 ZTG nur natürliche Personen und berufsbefugte Ziviltechnikergesellschaften Gesellschafter einer Ziviltechnikergesellschaft sein. Zudem sehe § 28 Abs. 1 ZTG vor, dass die Mehrheit der Anteile einer solchen Gesellschaft von Ziviltechnikern gehalten werden müsse, die auch zu Geschäftsführern und organschaftlichen Vertretern der betreffenden Ziviltechnikergesellschaft bestellt werden könnten.
Die für die Ziviltechnikergesellschaften geltenden Anforderungen an die Rechtsform und an die Beteiligung am Gesellschaftsvermögen könnten nicht damit gerechtfertigt werden, dass manche Tätigkeiten der Architekten und Ingenieure nicht nur unter dem Ziviltechnikergesetz, sondern auch gemäß der Gewerbeordnung ausgeübt werden könnten, da Ziviltechniker ein höheres Ansehen genössen und ihre Dienstleistungen mit höherer Reputation verbunden seien als diejenigen von Anbietern derselben Dienstleistungen unter der Gewerbeordnung. Daher stelle es eine Beschränkung des Marktzugangs dar, wenn in einem anderen Mitgliedstaat als der Republik Österreich niedergelassene Gesellschaften gezwungen seien, darauf auszuweichen, die betreffende Tätigkeit als Gewerbe anstatt als freien Beruf, der eine höhere Reputation genieße, auszuüben.
Zu den Patentanwaltsgesellschaften und den Tierärztegesellschaften weist die Kommission darauf hin, dass die Republik Österreich im Vorverfahren das Vorliegen einer Beschränkung nicht bestritten, sondern lediglich geltend gemacht habe, dass die in Rede stehenden Maßnahmen gerechtfertigt und verhältnismäßig seien.
Die fraglichen innerstaatlichen Anforderungen seien aber weder gerechtfertigt noch verhältnismäßig.
Was erstens die Ziviltechnikergesellschaften anbelange, könnten die Anforderungen an die Rechtsform und an die Beteiligung am Gesellschaftsvermögen weder mit den Zielen des Schutzes der Unabhängigkeit der Ziviltechniker, der Gewährleistung der Qualität der Dienstleistungen und des Verbraucherschutzes noch mit anderen Zielen im öffentlichen Interesse wie der Notwendigkeit einer Trennung zwischen den Tätigkeiten der Planung und der Ausführung von Arbeiten gerechtfertigt werden. Das österreichische System umfasse nämlich bereits Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele wie Verhaltensregeln zur Vermeidung von Interessenkonflikten und die Geltung von Versicherungs- bzw. Gewährleistungsvorschriften für die betreffenden Berufsangehörigen.
Außerdem enthalte das Ziviltechnikergesetz bereits Bestimmungen, die eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit der Ziviltechniker verhinderten. Zum einen sehe § 28 Abs. 2 ZTG vor, dass ausschließlich die fachlich befugten Gesellschafter über fachliche Fragen der Berufsausübung entschieden, und zum anderen müssten berufsfremde Gesellschafter nach § 28 Abs. 3 ZTG vertraglich zur Einhaltung der Standesregeln verpflichtet werden.
Was zweitens die Patentanwaltsgesellschaften betreffe, ergebe sich aus § 29a Z 1 PAG, dass nur die Patentanwälte selbst, ihre Angehörigen sowie Stiftungen solcher natürlicher Personen Teilhaber einer Patentanwaltsgesellschaft sein dürften. Außerdem dürften nach § 29a Z 2 PAG berufsfremde Personen keine wesentliche Rolle in einer Patentanwaltsgesellschaft spielen, und nach § 29a Z 11 PAG müsse Patentanwälten in einer solchen Gesellschaft ein bestimmender Einfluss zukommen, und sie dürften bei der Ausübung ihres Mandats anderen Gesellschaftern gegenüber nicht gebunden sein.
Solche Anforderungen könnten weder mit dem im Allgemeininteresse liegenden Ziel einer qualitativ hochwertigen Beratung und Vertretung der Verbraucher noch mit dem Ziel des Schutzes der beruflichen Unabhängigkeit der Patentanwälte und der Vertraulichkeit ihrer Tätigkeiten gerechtfertigt werden.
Sie gingen nämlich über das hinaus, was zur Erreichung der Ziele der Unabhängigkeit und der Vertraulichkeit nötig sei.
Außerdem reichten die strikten Standesregeln und die zum Schutz der Verbraucher vorgesehenen Versicherungsvorschriften wie § 21a PAG aus, um die von der Republik Österreich angeführten Ziele zu erreichen. Die in Rede stehenden Anforderungen seien auch nicht kohärent, da nach österreichischem Recht die Angehörigen eines Patentanwalts Gesellschafter einer Patentanwaltsgesellschaft werden könnten, während für Patentanwaltsgesellschaften, die in anderen Mitgliedstaaten als der Republik Österreich niedergelassen seien, diese Möglichkeit nicht bestehe. Hinzu komme, dass die vage Formulierung von § 29a Z 11 PAG betreffend den bestimmenden Einfluss der Patentanwälte bei der Willensbildung von Patentanwaltsgesellschaften die Möglichkeit einer äußerst restriktiven Auslegung eröffne.
Was drittens die Tierärztegesellschaften angehe, so seien nach § 15a Abs. 1 TÄG nur berufsberechtigte Tierärzte oder Tierärztegesellschaften zum Betreiben einer tierärztlichen Ordination oder eines privaten Tierspitals berechtigt. Gesellschafter von Tierärztegesellschaften müssten außerdem qualifizierte Tierärzte sein, und Berufsfremde dürften an solchen Gesellschaften nur als stille Teilhaber beteiligt sein. Zudem dürfe nur ein Tierarzt, der wesentliche Anteile an einer Tierärztegesellschaft halte, Leiter einer Zweigstelle dieser Gesellschaft werden, und er dürfe nur eine Zweigstelle leiten.
Ein hohes Maß an Unabhängigkeit der Tierärzte und der Schutz der öffentlichen Gesundheit könnten durch weniger einschneidende Maßnahmen erreicht werden als die eine unverhältnismäßige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellende Anforderung, dass die Tierärzte sämtliche Stimmrechte an Tierärztegesellschaften innehaben müssten. Wenn die Tierärzte einen bestimmenden Einfluss ausüben könnten, indem sie eine Beteiligung am Gesellschaftsvermögen hielten, die ausreichend sei, um ihre Kontrolle über die betreffende Tierärztegesellschaft sicherzustellen, könne es Berufsfremden nicht untersagt werden, einen begrenzten Teil des Kapitals dieser Gesellschaft zu halten, der einer solchen Kontrolle nicht entgegenstehe.
Standes- und Verhaltensregeln für die Tierärzte und die strenge Überwachung ihrer Einhaltung, insbesondere durch die österreichische Tierärztekammer, seien ein flexibleres Instrument zur Gewährleistung des Schutzes der öffentlichen Gesundheit und der Unabhängigkeit der betreffenden Berufsangehörigen. Außerdem könnte die nationale Regelung statt der Vorgabe eines 100%igen Kapitalbesitzes vorsehen, dass allein die Mehrheit der Stimmrechte an Tierärztegesellschaften bei Tierärzten liegen müsse. Darüber hinaus könnte Tierärztegesellschaften die Mitgliedschaft in der Tierärztekammer vorgeschrieben werden, was ihre Überwachung erleichtern würde.
Die Republik Österreich entgegnet hinsichtlich der Ziviltechnikergesellschaften, die strikte Trennung der Planung von der Ausführung diene der Gewährleistung der Objektivität, der Unabhängigkeit und der Rechtssicherheit der von den Ziviltechnikern erstellten Gutachten und Urkunden. Außerdem könnten die Dienstleistungen der Ziviltechniker auch von Ingenieurbüros und Baumeistern unter den Regelungen der Gewerbeordnung erbracht werden, so dass nicht behauptet werden könne, dass die Möglichkeit der Erbringung dieser Dienstleistungen beschränkt werde. Mit der Richtlinie 2006/123 solle zwar die freie Dienstleistungserbringung geregelt werden, doch sie regle weder, unter welcher Berufsbezeichnung, noch, im Rahmen welchen Berufs eine Dienstleistung erbracht werden könne.
Die einzige Tätigkeit, die nach dem Ziviltechnikergesetz, nicht aber gemäß der Gewerbeordnung ausgeübt werden dürfe, sei die Urkundstätigkeit. Abgesehen davon, dass Ziviltechniker zumindest im Rahmen dieser Tätigkeit unter Art. 2 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2006/123 fielen, lägen die Anforderungen an diesen Beruf jedenfalls im Allgemeininteresse, namentlich, um den Verbraucherschutz zu gewährleisten.
Die Republik Österreich weist außer auf die Möglichkeit, dass die gleichen Dienstleistungen, wie sie von Ziviltechnikern erbracht würden, im Rahmen der Gewerbeordnung erbracht werden könnten, auch darauf hin, dass sie eine Novellierung von § 26 ZTG vorgeschlagen habe, um dem erhobenen Vorwurf ein Ende zu setzen. In Bezug auf § 28 Abs. 1 ZTG macht sie dagegen geltend, dass damit die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit von Ziviltechnikern gewahrt werden solle, so dass die Vorschriften über die Geschäftsführer und organschaftlichen Vertreter der Ziviltechnikergesellschaften beizubehalten seien.
Zu den Patentanwaltsgesellschaften verweist die Republik Österreich auf ihre in der Klageschrift der Kommission zusammengefasste Argumentation aus dem Vorverfahren und teilt dem Gerichtshof ihre Absicht mit, § 29a Z 1 lit. b bis e PAG zu ändern, diesem Paragrafen eine neue Ziffer hinzuzufügen, um die Kategorie der Personen, die Gesellschafter dieser Gesellschaften sein könnten, auszuweiten, und § 29a Z 4 PAG zu streichen.
Hinsichtlich der Tierärztegesellschaften macht sie geltend, es könne nicht behauptet werden, dass es keinen Zusammenhang zwischen dem Beruf des Tierarzts und dem Schutz der öffentlichen Gesundheit gebe, da dieser Berufsstand eine Garantenstellung bei der Herstellung sicherer Lebensmittel einnehme. Die Tierärzte seien nicht nur nach dem Tierärztegesetz, sondern auch nach anderen Regelungen verpflichtet, sowohl Krankheiten bei Tieren als auch bestimmte menschliche Erkrankungen oder den Verdacht der Ansteckung damit zu melden.
Außerdem könnten die Standesregeln nur gegenüber den ausübenden Tierärzten Bindungswirkung entfalten und seien ungeeignet, Abhängigkeiten im Verhältnis zu Berufsfremden auszuschließen, sofern nicht ein striktes staatliches Kontrollregime gegenüber Letzteren begründet werde. Der Standpunkt der Kommission, dass der Wegfall von § 15a TÄG Preisvorteile für die Verbraucher nach sich ziehen würde, sei nicht nachvollziehbar, zumal diese Bestimmung ein Tätigwerden von Gesellschaften, an denen Berufsfremde beteiligt seien, nicht ausschließe.
Die Bundesrepublik Deutschland unterstützt als Streithelferin die Anträge der Republik Österreich, wobei sie ihre Ausführungen – denen die Kommission entgegentritt – auf die Prüfung der Vereinbarkeit der Bestimmungen des Ziviltechnikergesetzes mit der Richtlinie 2006/123 beschränkt. Sie macht insoweit geltend, dass § 26 Abs. 1 und § 28 Abs. 1 ZTG, wenn man sie als „Anforderungen“ im Sinne des Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie 2006/123 ansehe, die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 3 dieser Richtlinie erfüllten, so dass sie gerechtfertigt seien.
Zum einen sei die Beschränkung, dass nur Ziviltechniker und Ziviltechnikergesellschaften Gesellschafter von Ziviltechnikergesellschaften werden dürften, nötig, um die Ziele der Wahrung der Unabhängigkeit, einer vorsorgenden Rechtspflege, der Qualität der Dienstleistungen, des Verbraucherschutzes und der Beachtung der Verschwiegenheitspflicht zu erreichen. Zum anderen würden durch die Anforderung, dass nur Ziviltechniker Geschäftsführer und organschaftliche Vertreter von Ziviltechnikergesellschaften sein dürften, Transparenz und Dienstleistungsqualität gewährleistet und die Bestimmung der verantwortlichen Person in einer solchen Gesellschaft erleichtert.
Weniger einschneidende Maßnahmen wie interne Regelungen und Standesregelungen seien nicht geeignet, die angeführten Ziele in gleicher Weise zu erreichen wie die in Rede stehenden nationalen Bestimmungen. Zudem hätten die Versicherungsvorschriften eine ganz andere Funktion, nämlich den Ausgleich von bereits eingetretenen Schäden und nicht die Schadensvorbeugung.
Würdigung durch den Gerichtshof
Nach Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123 müssen die Mitgliedstaaten prüfen, ob ihre Rechtsordnungen Anforderungen wie die in Art. 15 Abs. 2 aufgeführten vorsehen, und sicherstellen, dass diese Anforderungen die Bedingungen von Art. 15 Abs. 3 erfüllen.
Art. 15 Abs. 2 Buchst. b dieser Richtlinie betrifft die Verpflichtung des Dienstleistungserbringers, eine bestimmte Rechtsform zu wählen. Art. 15 Abs. 2 Buchst. c bezieht sich auf Anforderungen im Hinblick auf die Beteiligungen am Gesellschaftsvermögen.
Art. 15 Abs. 5 und 6 ist zu entnehmen, dass es den Mitgliedstaaten gestattet ist, Anforderungen der in Art. 15 Abs. 2 genannten Art beizubehalten oder gegebenenfalls einzuführen, sofern diese Anforderungen die Bedingungen des Art. 15 Abs. 3 erfüllen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juni 2015, Rina Services u. a., C-593/13, EU:C:2015:399, Rn. 33).
Die in Art. 15 Abs. 3 der Richtlinie 2006/123 aufgezählten kumulativen Bedingungen betreffen erstens den nicht diskriminierenden Charakter der fraglichen Anforderungen, die weder eine direkte noch eine indirekte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder – bei Gesellschaften – aufgrund des Orts des satzungsmäßigen Sitzes darstellen dürfen, zweitens ihre Erforderlichkeit, nämlich, dass sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein müssen, und drittens ihre Verhältnismäßigkeit, indem sie zur Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels geeignet sein müssen, nicht über das hinausgehen dürfen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist, und nicht durch andere weniger einschneidende Maßnahmen ersetzbar sind, die zum selben Ergebnis führen.
Daraus folgt insbesondere, dass zwar dem Mitgliedstaat, der sich zur Rechtfertigung einer Anforderung im Sinne des Art. 15 der Richtlinie 2006/123 auf einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses beruft, der Nachweis obliegt, dass seine Regelung geeignet und erforderlich ist, um das angestrebte legitime Ziel zu erreichen; diese Beweislast darf aber nicht so weit gehen, dass dieser Mitgliedstaat positiv belegen müsste, dass sich dieses Ziel mit keiner anderen vorstellbaren Maßnahme unter den gleichen Bedingungen erreichen ließe (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. April 2009, Kommission/Italien, C-518/06, EU:C:2009:270, Rn. 84 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 24. März 2011, Kommission/Spanien, C-400/08, EU:C:2011:172, Rn. 123, und vom 23. Dezember 2015, Scotch Whisky Association u. a., C-333/14, EU:C:2015:845, Rn. 55). Ein solches Erfordernis liefe nämlich in der Praxis darauf hinaus, den betreffenden Mitgliedstaat seiner Regelungsbefugnis in dem fraglichen Bereich zu entheben.
Hier ergibt sich aus den innerstaatlichen Bestimmungen, die mit der vorliegenden Rüge beanstandet werden, dass erstens nur natürliche Personen und Ziviltechnikergesellschaften Gesellschafter einer Ziviltechnikergesellschaft sein können und nur physische Personen, die Gesellschafter der Ziviltechnikergesellschaft sind und die Mehrheit der Gesellschaftsanteile innehaben, zu Geschäftsführern und Vertretern einer solchen Gesellschaft bestellt werden dürfen. Zweitens dürfen nur Patentanwälte selbst, manche ihrer nächsten Angehörigen und von diesen natürlichen Personen errichtete Stiftungen an einer Patentanwaltsgesellschaft beteiligt sein, wobei die Patentanwälte in einer solchen Gesellschaft einen bestimmenden Einfluss haben müssen. Drittens dürfen nur Tierärzte oder Tierärztegesellschaften eine tierärztliche Ordination oder ein Tierspital betreiben, können sich Berufsfremde nur als stille Teilhaber beteiligen und dürfen nur Tierärzte, die wesentliche Anteile an einer solchen Gesellschaft halten, Leiter einer Zweigstelle der Gesellschaft werden.
Solche Anforderungen beziehen sich sowohl auf die Rechtsform als auch darauf, wie sich der Kreis derjenigen zusammensetzt, die Beteiligungen am Vermögen von Ziviltechnikergesellschaften, von Patentanwaltsgesellschaften und von Tierärztegesellschaften halten, so dass sie unter Art. 15 Abs. 2 Buchst. b und c der Richtlinie 2006/123 fallen.
Deshalb ist zu prüfen, ob diese innerstaatlichen Anforderungen die Bedingungen des Art. 15 Abs. 3 der Richtlinie 2006/123 erfüllen, nämlich, dass sie keine Diskriminierung darstellen und im Hinblick auf einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses erforderlich und verhältnismäßig sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. März 2018, CMVRO, C-297/16, EU:C:2018:141, Rn. 54).
Was zunächst die erste dieser Bedingungen betrifft, deutet nichts in der dem Gerichtshof vorliegenden Akte darauf hin, dass die oben in Rn. 83 angeführten Anforderungen eine direkte oder indirekte Diskriminierung im Sinne des Art. 15 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2006/123 darstellen würden.
Sodann bringt die Republik Österreich zu der zweiten dieser Bedingungen im Wesentlichen vor, dass die in Rede stehenden Anforderungen den Zielen der Gewährleistung von Objektivität und Unabhängigkeit der betroffenen Berufsstände, der Rechtssicherheit und, was die Tierärzte anbelange, auch des Gesundheitsschutzes dienten.
Vorab ist festzustellen, dass die Ziele der Gewährleistung von Objektivität und Unabhängigkeit der betroffenen Berufsstände sowie der Rechtssicherheit in Zusammenhang mit dem im 40. Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/123 angesprochenen Ziel des Schutzes von Dienstleistungsempfängern sowie dem Ziel der Sicherstellung der Dienstleistungsqualität stehen.
Die Ziele des Schutzes von Dienstleistungsempfängern, der Sicherstellung der Dienstleistungsqualität und des Gesundheitsschutzes stellen zwingende Gründe des Allgemeininteresses dar, die Beschränkungen der unionsrechtlich verbürgten Freiheiten rechtfertigen können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. Oktober 2000, Corsten, C-58/98, EU:C:2000:527, Rn. 38, und vom 1. März 2018, CMVRO, C-297/16, EU:C:2018:141, Rn. 57).
Was schließlich die dritte in Art. 15 Abs. 3 der Richtlinie 2006/123 genannte Bedingung anbelangt, so setzt sie dreierlei voraus, nämlich, dass die Anforderung zur Verwirklichung des verfolgten Ziels geeignet ist und nicht über das hinausgeht, was zu dessen Erreichung erforderlich ist, sowie, dass dieses Ziel nicht durch eine weniger einschneidende Maßnahme erreicht werden kann.
Dem betroffenen Mitgliedstaat obliegt insoweit nach Art. 15 Abs. 3 der Richtlinie 2006/123 eine Prüfungs- und Nachweispflicht dahin, dass Anforderungen – wie diejenigen, um die es vorliegend geht – die in dieser Bestimmung aufgestellten Bedingungen erfüllen, wofür es eines substantiierten Vorbringens bedarf (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Januar 2014, Kommission/Belgien, C-296/12, EU:C:2014:24, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Was die Geeignetheit der in Rede stehenden Anforderungen zur Erreichung der angeführten Ziele betrifft, ist festzustellen, dass die Beschränkungen in Bezug auf die Rechtsform und die Beteiligung am Gesellschaftsvermögen, da sie Transparenz hinsichtlich der Beteiligung am Vermögen der betreffenden Gesellschaft und die Befähigung der an diesem Vermögen beteiligten Personen gewährleisten sowie genau festlegen, welche Personen in dieser Gesellschaft die Verantwortung tragen, grundsätzlich geeignet sind, die Ziele des Schutzes von Dienstleistungsempfängern und der Sicherstellung der Dienstleistungsqualität zu erreichen.
Zum Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass Anforderungen dahin, dass am Vermögen von Tierärztegesellschaften ausschließlich Berufsangehörige beteiligt sind, sich eignen, die Gefahr zu verringern, dass solche Gesellschaften Geschäftsstrategien verfolgen, die das Ziel des Gesundheitsschutzes sowie die Unabhängigkeit der Tierärzte beeinträchtigen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. März 2018, CMVRO, C-297/16, EU:C:2018:141, Rn. 82 und 83).
Allerdings ist daran zu erinnern, dass gemäß ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die Eignung einer nationalen Regelung, die Verwirklichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, auch noch unter dem Vorbehalt steht, dass die Regelung tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, dieses Ziel in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. März 2009, Hartlauer, C-169/07, EU:C:2009:141, Rn. 55, und vom 15. Oktober 2015, Grupo Itevelesa u. a., C-168/14, EU:C:2015:685, Rn. 76, sowie Beschluss vom 30. Juni 2016, Sokoll-Seebacher und Naderhirn, C-634/15, EU:C:2016:510, Rn. 27).
Vorliegend können, wie von der Kommission zu Recht geltend gemacht und von der Republik Österreich nicht bestritten, die Anforderungen, die für Patentanwälte in Bezug auf die Beteiligung am Vermögen gelten, nicht als kohärent im Sinne dieser Rechtsprechung angesehen werden, da nach österreichischem Recht Berufsfremde, nämlich bestimmte nächste Angehörige von Patentanwälten, Gesellschafter einer Patentanwaltsgesellschaft werden können, während diese Möglichkeit für einschlägig tätige Gesellschaften, die in anderen Mitgliedstaaten als der Republik Österreich niedergelassen sind, nicht vorgesehen ist.
Folglich ist der Republik Österreich nicht der Nachweis gelungen, dass die vorstehend genannten Anforderungen geeignet sind, die Verwirklichung der verfolgten Ziele zu gewährleisten.
Im Übrigen ist dagegen festzustellen, dass die Kommission nichts Spezifisches vorbringt, um in Abrede zu stellen, dass die in Rede stehenden Anforderungen geeignet sind, die angeführten Ziele zu erreichen, und lediglich geltend macht, dass diese Anforderungen über das zur Erreichung dieser Ziele Erforderliche hinausgingen.
Was das zweite Kriterium des Art. 15 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2006/123 (vgl. oben, Rn. 90) anbelangt, ist zunächst das Vorbringen der Republik Österreich, dass es – bei Klageerhebung noch nicht in Kraft befindliche – Gesetzesnovellen zur Änderung der fraglichen Rechtslage gebe, als unerheblich zu verwerfen.
Wie sich nämlich aus Rn. 48 des vorliegenden Urteils ergibt, ist das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Lage zu beurteilen, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde, und später etwa eingetretene Veränderungen können vom Gerichtshof nicht berücksichtigt werden.
Daher ist zu prüfen, ob der Republik Österreich mit ihrem Vorbringen zu den fraglichen – bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist in Kraft befindlichen – Anforderungen der Nachweis gelingt, dass diese nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung der angeführten Ziele erforderlich ist.
Insoweit ist erstens, was die Anforderung gemäß § 28 Abs. 1 ZTG betrifft, festzustellen, dass die Kommission mehrere weniger restriktive Alternativmaßnahmen zur Sprache gebracht hat, wie z. B. Verhaltensregeln und Versicherungs- bzw. Gewährleistungsvorschriften, die – insbesondere zusammen genommen – die Erreichung der verfolgten Ziele ermöglichen könnten. Die Republik Österreich macht zwar geltend, diese Anforderung erscheine unabdingbar, um sicherzustellen, dass sich die Geschäftsführer einer Ziviltechnikergesellschaft persönlich für ihre Leistungen zu verantworten hätten, substantiiert dieses Vorbringen jedoch nicht in einer Weise, die es dem Gerichtshof erlauben würde, zu dem Ergebnis zu gelangen, dass die weniger beschneidenden Maßnahmen nicht ausreichend wären, um die angeführten Ziele zu erreichen.
Was zweitens § 29a PAG anbelangt, ist den Erwägungen in den Rn. 95 und 96 des vorliegenden Urteils hinzuzufügen, dass zum einen die oben in den Rn. 62 bis 64 zusammengefassten Argumente der Kommission den Schluss nahelegen, dass die Anforderungen dieser Bestimmung über das hinausgehen, was zur Erreichung der mit ihr verfolgten Ziele notwendig ist, und dass zum anderen die Republik Österreich vor dem Gerichtshof nichts vorgetragen hat, was diese Argumentation widerlegen könnte.
Drittens macht die Republik Österreich hinsichtlich § 15a TÄG zum einen geltend, dass Tierärzte eine Reihe von Pflichten im Zusammenhang mit dem Gesundheitsschutz hätten, wie z. B. die Gewährleistung der Produktion von sicheren Lebensmitteln, die Anzeige von Krankheiten bei Tieren und die Meldung bestimmter menschlicher Erkrankungen. Zum anderen bringt sie vor, Verhaltensregeln könnten, sofern ihre Beachtung nicht strikter staatlicher Kontrolle unterliege, Abhängigkeitsverhältnisse und Einflussnahmen von Berufsfremden nicht ausschließen, so dass solche Regeln zur Erreichung der verfolgten Ziele nicht geeignet seien.
Hierzu ist festzustellen, dass die legitime Verfolgung der Ziele des Gesundheitsschutzes und der Unabhängigkeit der Tierärzte nicht rechtfertigen kann, dass Wirtschaftsteilnehmern, die keine Tierärzte sind, die Beteiligung am Vermögen von Tierärztegesellschaften völlig unmöglich gemacht wird, da nicht ausgeschlossen ist, dass die Tierärzte über diese Gesellschaften auch dann eine wirksame Kontrolle ausüben können, wenn sie nicht das gesamte Gesellschaftsvermögen halten würden, denn die Beteiligung von Personen, die keine Tierärzte sind, an einem begrenzten Teil dieses Vermögens würde eine solche Kontrolle nicht zwangsläufig behindern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. März 2018, CMVRO, C-297/16, EU:C:2018:141, Rn. 86).
Eine nationale Regelung, die sämtliche nicht berufsberechtigten Personen von jeglicher Beteiligung am Vermögen von Tierärztegesellschaften ausschließt, geht daher über das hinaus, was erforderlich ist, um die Ziele des Schutzes der öffentlichen Gesundheit und der Unabhängigkeit der Tierärzte zu erreichen.
Nach alledem gehen die in Rede stehenden innerstaatlichen Anforderungen über das hinaus, was zur Erreichung der verfolgten Ziele notwendig ist, so dass sie gegen Art. 15 Abs. 3 der Richtlinie 2006/123 verstoßen.
Die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 15 der Richtlinie 2006/123 ist demnach begründet. Unter diesen Umständen kann die Prüfung der fraglichen Rechtsvorschriften am Maßstab des Art. 49 AEUV dahinstehen.
Zur Rüge eines Verstoßes gegen Art. 25 der Richtlinie 2006/123
Vorbringen der Parteien
Die Kommission macht geltend, nach § 21 Abs. 1 ZTG und § 29a Z 6 PAG müssten sich die betroffenen Berufsgesellschaften auf die Ausübung des Ziviltechnikerberufs bzw. des Patentanwaltsberufs beschränken. Gemäß Art. 25 der Richtlinie 2006/123 obliege den Mitgliedstaaten aber die Abschaffung von Anforderungen, die die Dienstleistungserbringer verpflichteten, ausschließlich eine bestimmte Tätigkeit auszuüben, oder die die gemeinschaftliche oder partnerschaftliche Ausübung unterschiedlicher Tätigkeiten beschränkten. Die genannten innerstaatlichen Vorschriften behinderten sowohl die Errichtung multidisziplinärer Zweitniederlassungen durch Gesellschaften, die in einem anderen Mitgliedstaat als der Republik Österreich niedergelassen seien, als auch die Erstniederlasssung von Gesellschaften mit Sitz in Österreich. Daneben behinderten sie auch die freie Erbringung von Dienstleistungen.
Was Ziviltechnikergesellschaften betreffe, so verstoße § 21 Abs. 3 ZTG, nach dem die Bildung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit Gewerbetreibenden für Ziviltechnikergesellschaften nur zulässig sei, wenn die Gewerbetreibenden zu ausführenden Tätigkeiten nicht berechtigt seien, gegen Art. 25 der Richtlinie 2006/123.
Erstens könnten nur Architekten und Ingenieure gemeinsame Gesellschaften gründen, da die Bildung von Gesellschaften bürgerlichen Rechts mit Personen, die andere Berufe ausübten, nur unter der Voraussetzung möglich sei, dass diese Personen zu ausführenden Tätigkeiten nicht berechtigt seien. Zweitens sei ein Zusammenschluss mit Personen, die andere Berufe ausübten, nicht in Form einer Ziviltechnikergesellschaft möglich, sondern nur in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, in der die Gesellschafter persönlich hafteten und nicht in den Genuss der Haftungsbeschränkung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung kämen. Drittens erscheine der Ansatz, wonach sich ein Ingenieur, der seine Leistungen nach dem Ziviltechnikergesetz erbringe, mit Ziviltechnikern zu einer Ziviltechnikergesellschaft zusammenschließen könne, während einem Ingenieur, der seine Leistungen im Rahmen der Gewerbeordnung erbringe, dies nur in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts möglich sei, widersprüchlich und unverhältnismäßig.
Was Patentanwaltsgesellschaften anbelange, so müsse nach § 29a Z 6 PAG die Tätigkeit einer solchen Gesellschaft auf die Ausübung des Patentanwaltsberufs einschließlich der erforderlichen Hilfstätigkeiten und der Verwaltung des Gesellschaftsvermögens beschränkt sein. Die Zielsetzung einer qualitativ hochwertigen Beratung und Vertretung der Verbraucher könne aber durch Maßnahmen erreicht werden, die nicht absolut ausschlössen, dass die Tätigkeiten von Patentanwälten gemeinschaftlich oder partnerschaftlich mit anderen Berufen ausgeübt würden.
Die Republik Österreich macht geltend, aus der Richtlinie 2006/123 ergebe sich, dass Beschränkungen von multidisziplinären Tätigkeiten zulässig seien, soweit sie die Wahrung der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit sowie der Integrität der reglementierten Berufe zum Ziel hätten.
Sie bringt insoweit in Bezug auf Ziviltechnikergesellschaften erstens vor, dass § 21 Abs. 1 ZTG Ziviltechnikergesellschaften mit unterschiedlichen Fachbereichen zulasse. Zweitens weist sie darauf hin, dass § 21 Abs. 3 ZTG auch einen Zusammenschluss mit anderen Berufen ermögliche, sofern diese nicht zu ausführenden Tätigkeiten berechtigt seien.
In Anbetracht der strikten Trennung der Planungs- von der Ausführungstätigkeit seien Regelungen zur internen Organisation nicht ausreichend, um das Ziel der Sicherstellung von Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des Berufsstands verwirklichen zu können. Außerdem sei die Idee der Kommission, wonach es genüge, Leitlinien zur Vermeidung von Interessenkonflikten aufzustellen, nicht geeignet, das verfolgte Ziel zu erreichen, da Leitlinien keinen verbindlichen Charakter hätten.
In Bezug auf die Patentanwaltsgesellschaften teilt die Republik Österreich dem Gerichtshof mit, dass § 29a Z 6 PAG und § 29a Z 11 PAG mit den vorgeschlagenen Änderungen ersatzlos gestrichen werden sollten, so dass ihr keine Beschränkung von multidisziplinären Tätigkeiten vorwerfbar sei.
Würdigung durch den Gerichtshof
Nach Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Dienstleistungserbringer keinen Anforderungen unterworfen werden, die sie verpflichten, ausschließlich eine bestimmte Tätigkeit auszuüben, oder die die gemeinschaftliche oder partnerschaftliche Ausübung unterschiedlicher Tätigkeiten beschränken. Die in den Buchst. a und b dieser Bestimmung genannten Dienstleistungserbringer können jedoch unter Einhaltung der dort vorgesehenen Bedingungen solchen Anforderungen unterworfen werden.
Hier dürfen zum einen nach § 21 Abs. 1 ZTG Ziviltechniker zum ausschließlichen Zweck der Ausübung ihres Berufs Ziviltechnikergesellschaften bilden, während nach § 21 Abs. 3 ZTG die Bildung einer Gesellschaft mit Gewerbetreibenden durch Ziviltechniker nur zulässig ist, wenn es sich um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts handelt, in der die Gewerbetreibenden nicht zu ausführenden Tätigkeiten berechtigt sind.
Zum anderen sind nach § 29a Z 6 PAG die Tätigkeiten von Patentanwaltsgesellschaften auf die Ausübung des Patentanwaltsberufs, die erforderlichen Hilfstätigkeiten und die Verwaltung des Gesellschaftsvermögens beschränkt.
Die Dienstleistungserbringer, für die die vorgenannten Bestimmungen gelten, werden damit folglich Anforderungen im Sinne des Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123 unterworfen. Zu prüfen bleibt deshalb, ob diese Anforderungen gemäß Art. 25 Abs. 1 Buchst. a oder b gerechtfertigt sein können.
Die Republik Österreich macht hierzu geltend, § 21 ZTG solle die Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und Integrität des Ziviltechnikerberufs wahren, was durch Verhaltensregeln nicht sichergestellt werden könne. Hinsichtlich der Patentanwälte unterrichtet sie den Gerichtshof über Gesetzesänderungen, mit denen die von der Kommission beanstandeten Bestimmungen gestrichen werden sollen.
Gemäß der oben in Rn. 48 angeführten Rechtsprechung ist das Vorbringen der Republik Österreich zur Novellierung des Patentanwaltsgesetzes zurückzuweisen, die nach Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist erfolgt ist und darüber hinaus bei Klageerhebung noch nicht in Kraft getreten war.
Zu § 21 ZTG ist festzustellen, dass die Republik Österreich in keiner Weise erläutert hat, inwieweit genau die Unparteilichkeit, die Unabhängigkeit und die Integrität des Ziviltechnikerberufs in Frage gestellt werden könnten, wenn es Ziviltechnikern erlaubt wäre, sich im Rahmen einer Gesellschaft im Sinne des § 21 Abs. 1 ZTG mit Berufsfremden zusammenzuschließen, zumal nach § 21 Abs. 3 ZTG unter bestimmten Voraussetzungen der Zusammenschluss von Ziviltechnikern mit Personen, die einer anderen Tätigkeit nachgehen, im Rahmen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zulässig ist.
Jedenfalls bringt die Republik Österreich nichts Konkretes vor, um darzutun, dass andere, weniger einschneidende Maßnahmen wie der von der Kommission in ihrer Argumentation erwogene Erlass von Regelungen zur internen Organisation einer multidisziplinären Gesellschaft nicht geeignet wären, die Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und Integrität eines Ziviltechnikers sicherzustellen, der seine Tätigkeit im Rahmen einer solchen Gesellschaft ausübt. Daher kann nicht angenommen werden, dass für diese Zwecke das Verbot der Bildung solcher Gesellschaften gemäß § 21 ZTG im Sinne von Art. 25 Abs. 1 Buchst. a oder b der Richtlinie 2006/123 „nötig“ bzw. „erforderlich“ ist.
Demnach ist die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 25 der Richtlinie 2006/123 begründet.
Demzufolge ist festzustellen, dass die Republik Österreich dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 14 Nr. 1, Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b und c und Abs. 3 sowie Art. 25 der Richtlinie 2006/123 verstoßen hat, dass sie Anforderungen an den Ort des Sitzes für Ziviltechnikergesellschaften und Patentanwaltsgesellschaften, Anforderungen an die Rechtsform und die Beteiligung am Gesellschaftsvermögen für Ziviltechnikergesellschaften, Patentanwaltsgesellschaften und Tierärztegesellschaften sowie die Beschränkung multidisziplinärer Tätigkeiten für Ziviltechnikergesellschaften und Patentanwaltsgesellschaften aufrechterhält.
Kosten
Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Republik Österreich mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Kommission neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Kommission aufzuerlegen.
Die Bundesrepublik Deutschland trägt nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung ihre eigenen Kosten.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
Die Republik Österreich hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 14 Nr. 1, Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b und c und Abs. 3 sowie Art. 25 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt verstoßen, dass sie Anforderungen an den Ort des Sitzes für Ziviltechnikergesellschaften und Patentanwaltsgesellschaften, Anforderungen an die Rechtsform und die Beteiligung am Gesellschaftsvermögen für Ziviltechnikergesellschaften, Patentanwaltsgesellschaften und Tierärztegesellschaften sowie die Beschränkung multidisziplinärer Tätigkeiten für Ziviltechnikergesellschaften und Patentanwaltsgesellschaften aufrechterhält.
Die Republik Österreich trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Europäischen Kommission.
Die Bundesrepublik Deutschland trägt ihre eigenen Kosten.
Vilaras
Jürimäe
Šváby
Rodin
Piçarra
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 29. Juli 2019.
Der Kanzler
A. Calot Escobar
Der Präsident der Vierten Kammer
M. Vilaras
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
Kontakt zur AOK Rheinland/Hamburg
Persönlicher Ansprechpartner
Firmenkundenservice
E-Mail-Service