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EuGH 07.04.2016 - C-483/14
EuGH 07.04.2016 - C-483/14 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer) - 7. April 2016 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung — Übereinkommen von Rom — Anwendbares Recht — Grenzüberschreitende Verschmelzung — Richtlinie 78/855/EWG — Richtlinie 2005/56/EG — Verschmelzung durch Aufnahme — Gläubigerschutz — Übergang des gesamten Aktiv- und Passivvermögens der übertragenden Gesellschaft auf die übernehmende Gesellschaft“
Leitsatz
In der Rechtssache C-483/14
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 28. August 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 31. Oktober 2014, in dem Verfahren
KA Finanz AG
gegen
Sparkassen Versicherung AG Vienna Insurance Group
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Zweiten Kammer M. Ilešič in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer, der Richterinnen C. Toader und M. Berger sowie der Richter E. Jarašiūnas und C. G. Fernlund (Berichterstatter),
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: V. Tourrès, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. September 2015,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
der KA Finanz AG, vertreten durch Rechtsanwälte S. Albiez und C. Klausegger,
der Sparkassen Versicherung AG Vienna Insurance Group, vertreten durch Rechtsanwalt P. Konwitschka,
der spanischen Regierung, vertreten durch A. Rubio González als Bevollmächtigten,
der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun, H. Støvlbæk und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 12. November 2015
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, aufgelegt zur Unterzeichnung am 19. Juni 1980 in Rom (ABl. L 266, S. 1, im Folgenden: Übereinkommen von Rom), der Dritten Richtlinie 78/855/EWG des Rates vom 9. Oktober 1978 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Verschmelzung von Aktiengesellschaften (ABl. L 295, S. 36) in der durch die Richtlinie 2009/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 (ABl. L 259, S. 14) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 78/855) sowie der Richtlinie 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten (ABl. L 310, S. 1).
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der KA Finanz AG (im Folgenden: KA Finanz) mit Sitz in Österreich, Rechtsnachfolgerin der Kommunalkredit International Bank LTD (im Folgenden: Kommunalkredit) mit Sitz in Zypern, und der Sparkassen Versicherung AG Vienna Insurance Group (im Folgenden: Sparkassen Versicherung) wegen einer Forderung von Sparkassen Versicherung gegen KA Finanz auf Zahlung der Zinsen für Nachranganleihen, die sie bei der Kommunalkredit gezeichnet hatte, bevor diese im Rahmen einer Verschmelzung durch Aufnahme durch KA Finanz übernommen wurde.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Übereinkommen von Rom
Art. 1 des Übereinkommens von Rom, in dem dessen Anwendungsbereich definiert wird, bestimmt:
„(1) Die Vorschriften dieses Übereinkommens sind auf vertragliche Schuldverhältnisse bei Sachverhalten, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen, anzuwenden.
(2) Sie sind nicht anzuwenden auf
…
Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht, das Vereinsrecht und das Recht der juristischen Personen, wie z. B. die Errichtung, die Rechts- und Handlungsfähigkeit, die innere Verfassung und die Auflösung von Gesellschaften, Vereinen und juristischen Personen sowie die persönliche gesetzliche Haftung der Gesellschafter und der Organe für die Schulden der Gesellschaft, des Vereins oder der juristischen Person;
…“
Art. 3 Abs. 1 des Übereinkommens von Rom sieht vor:
„Der Vertrag unterliegt dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl muss ausdrücklich sein oder sich mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des Falles ergeben …“
Art. 10 des Übereinkommens von Rom lautet:
„(1) Das nach den Artikeln 3 bis 6 und nach Artikel 12 dieses Übereinkommens auf einen Vertrag anzuwendende Recht ist insbesondere maßgebend für
seine Auslegung,
die Erfüllung der durch ihn begründeten Verpflichtungen,
die Folgen der vollständigen oder teilweisen Nichterfüllung dieser Verpflichtungen, einschließlich der Schadensbemessung, soweit sie nach Rechtsnormen erfolgt, in den Grenzen der dem Gericht durch sein Prozessrecht eingeräumten Befugnisse,
die verschiedenen Arten des Erlöschens der Verpflichtungen sowie die Verjährung und die Rechtsverluste, die sich aus dem Ablauf einer Frist ergeben,
…
(2) In Bezug auf die Art und Weise der Erfüllung und die vom Gläubiger im Falle mangelhafter Erfüllung zu treffenden Maßnahmen ist das Recht des Staates, in dem die Erfüllung erfolgt, zu berücksichtigen.“
Das Übereinkommen von Rom wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (ABl. L 177, S. 6) (im Folgenden: Rom-I-Verordnung) ersetzt. Diese Verordnung wird gemäß ihrem Art. 28 auf ab dem 17. Dezember 2009 geschlossene Verträge angewandt.
Richtlinie 78/855
In den Erwägungsgründen 3 und 6 der Richtlinie 78/855 heißt es:
„Der Schutz der Interessen von Gesellschaftern und Dritten erfordert es, die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Verschmelzung von Aktiengesellschaften zu koordinieren; gleichzeitig erscheint es zweckmäßig, in die nationalen Rechte der Mitgliedstaaten die Institution der Verschmelzung einzuführen
…
Die Gläubiger einschließlich der Inhaber von Schuldverschreibungen sowie die Inhaber anderer Rechte der sich verschmelzenden Gesellschaften müssen dagegen geschützt werden, dass sie durch die Verschmelzung Schaden erleiden.“
Art. 13 der Richtlinie 78/855 lautet:
„(1) Die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten müssen ein angemessenes Schutzsystem für die Interessen der Gläubiger der sich verschmelzenden Gesellschaften vorsehen, deren Forderungen vor der Bekanntmachung des Verschmelzungsplans entstanden und zum Zeitpunkt dieser Bekanntmachung noch nicht erloschen sind.
(2) Zu diesem Zweck sehen die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zumindest vor, dass diese Gläubiger Anspruch auf angemessene Garantien haben, wenn die finanzielle Lage der sich verschmelzenden Gesellschaften einen solchen Schutz erforderlich macht und die Gläubiger nicht schon derartige Garantien haben.
Die Mitgliedstaaten legen die Modalitäten für den in Absatz 1 und Unterabsatz 1 des vorliegenden Absatzes vorgesehenen Schutz fest. Die Mitgliedstaaten gewährleisten in jedem Fall, dass die Gläubiger das Recht haben, bei der zuständigen Verwaltungsbehörde oder dem zuständigen Gericht angemessene Sicherheiten zu beantragen, wenn sie nachweisen können, dass die Befriedigung ihrer Forderungen durch die Verschmelzung gefährdet ist und sie von der Gesellschaft keine angemessenen Sicherheiten erhalten haben.
(3) Der Schutz kann für die Gläubiger der übernehmenden Gesellschaft und für die Gläubiger der übertragenden Gesellschaft unterschiedlich sein.“
Art. 14 der Richtlinie 78/855 bestimmt:
„Unbeschadet der Vorschriften über die gemeinsame Ausübung der Rechte der Anleihegläubiger der sich verschmelzenden Gesellschaften ist Artikel 13 auf diese Gläubiger anzuwenden, es sei denn, eine Versammlung der Anleihegläubiger – sofern die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften eine solche Versammlung vorsehen – oder jeder einzelne Anleihegläubiger hat der Verschmelzung zugestimmt.“
Art. 15 der Richtlinie 78/855 sieht vor:
„Die Inhaber anderer Wertpapiere, die mit Sonderrechten verbunden, jedoch keine Aktien sind, müssen in der übernehmenden Gesellschaft Rechte erhalten, die mindestens denen gleichwertig sind, die sie in der übertragenden Gesellschaft hatten, es sei denn, dass eine Versammlung der Inhaber – sofern die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften eine solche Versammlung vorsehen – der Änderung dieser Rechte oder dass jeder einzelne Inhaber der Änderung seines Rechts zugestimmt hat oder dass diese Inhaber einen Anspruch auf Rückkauf ihrer Wertpapiere durch die übernehmende Gesellschaft haben.“
Die Richtlinie 78/855 wurde durch die Richtlinie 2011/35/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Verschmelzung von Aktiengesellschaften (ABl. L 110, S. 1) aufgehoben. Gemäß ihrem Art. 33 trat die Richtlinie 2011/35 am 1. Juli 2011 in Kraft.
Richtlinie 2005/56
Mit der Richtlinie 2005/56 wird nach ihrem ersten Erwägungsgrund das Ziel verfolgt, eine Verschmelzung von Kapitalgesellschaften unterschiedlicher Rechtsform, die dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten unterliegen, zu erleichtern.
Nach dem dritten Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/56 sollte, „[u]m grenzüberschreitende Verschmelzungen zu erleichtern, … vorgesehen werden, dass für jede an einer grenzüberschreitenden Verschmelzung beteiligte Gesellschaft und jeden beteiligten Dritten weiterhin die Vorschriften und Formalitäten des innerstaatlichen Rechts gelten, das im Falle einer innerstaatlichen Verschmelzung anwendbar wäre, sofern diese Richtlinie nichts anderes bestimmt …“.
Art. 2 der Richtlinie 2005/56 bestimmt:
„Im Sinne dieser Richtlinie ist
…
‚Verschmelzung‘ der Vorgang, durch den
eine oder mehrere Gesellschaften zum Zeitpunkt ihrer Auflösung ohne Abwicklung ihr gesamtes Aktiv- und Passivvermögen auf eine bereits bestehende Gesellschaft – ‚übernehmende Gesellschaft‘ – gegen Gewährung von Aktien oder sonstigen Anteilen am Gesellschaftskapital der anderen Gesellschaft an ihre eigenen Gesellschafter und gegebenenfalls einer baren Zuzahlung übertragen; die Zuzahlung darf 10 % des Nennwerts oder – bei Fehlen eines solchen – des rechnerischen Werts dieser Aktien oder sonstigen Anteile nicht überschreiten;
…“
Art. 4 („Voraussetzungen für grenzüberschreitende Verschmelzungen“) der Richtlinie 2005/56 sieht vor:
„(1) Sofern diese Richtlinie nicht etwas anderes bestimmt,
…
muss eine Gesellschaft, die sich an einer grenzüberschreitenden Verschmelzung beteiligt, die Vorschriften und Formalitäten des für sie geltenden innerstaatlichen Rechts einhalten bzw. erledigen …
(2) Zu den in Absatz 1 Buchstabe b genannten Vorschriften und Formalitäten zählen insbesondere Bestimmungen über das die Verschmelzung betreffende Beschlussfassungsverfahren und – angesichts des grenzüberschreitenden Charakters der Verschmelzung – über den Schutz der Gläubiger der sich verschmelzenden Gesellschaften, der Anleihegläubiger und der Inhaber von Aktien oder sonstigen Anteilen sowie über den Schutz der Arbeitnehmer, soweit andere als die in Artikel 16 geregelten Rechte betroffen sind …“
Art. 14 („Wirkungen der grenzüberschreitenden Verschmelzung“) der Richtlinie 2005/56 bestimmt in seinem Abs. 1:
„Die gemäß Artikel 2 Nummer 2 Buchstaben a und c vollzogene grenzüberschreitende Verschmelzung bewirkt ab dem in Artikel 12 genannten Zeitpunkt Folgendes:
Das gesamte Aktiv- und Passivvermögen der übertragenden Gesellschaft geht auf die übernehmende Gesellschaft über.
…
Die übertragende Gesellschaft erlischt.“
Österreichisches Recht
§ 226 („Gläubigerschutz“) des Bundesgesetzes vom 31. März 1965 über Aktiengesellschaften (BGBl. Nr. 98/1965) in der im Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (im Folgenden: AktG) regelt den Gläubigerschutz im Fall der Verschmelzung. Er hat folgenden Wortlaut:
„(1) Den Gläubigern der beteiligten Gesellschaften ist, wenn sie sich binnen sechs Monaten nach der Veröffentlichung der Eintragung der Verschmelzung zu diesem Zwecke melden, Sicherheit zu leisten, soweit sie nicht Befriedigung verlangen können; dieses Recht steht den Gläubigern jedoch nur zu, wenn sie glaubhaft machen, dass durch die Verschmelzung die Erfüllung ihrer Forderung gefährdet wird. Die Gläubiger sind in der Veröffentlichung der Eintragung auf dieses Recht hinzuweisen.
(2) Das Recht, Sicherheitsleistung zu verlangen, steht solchen Gläubigern nicht zu, die im Fall des Konkurses ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung aus einer nach gesetzlicher Vorschrift zu ihrem Schutz errichteten und behördlich überwachten Deckungsmasse haben.
(3) Den Inhabern von Schuldverschreibungen und Genussrechten sind gleichwertige Rechte zu gewähren oder die Änderung der Rechte oder das Recht selbst angemessen abzugelten.“
Dem vorlegenden Gericht zufolge wurde § 226 Abs. 3 AktG zur Umsetzung von Art. 15 der Richtlinie 78/855 erlassen.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Sparkassen Versicherung zeichnete im Jahr 2005 zwei von Kommunalkredit begebene Nachranganleihen. Die Emissionsbedingungen der beiden Nachranganleihen, die jeweils gleichen Wortlaut haben, regeln deren Status, die Bedingungen ihrer Nachrangigkeit sowie die Modalitäten der Zinszahlung und bestimmen das anzuwendende Recht.
§ 2 dieser Emissionsbedingungen lautet:
„Status. Die Verpflichtungen im Rahmen der Anleihen stellen unbesicherte und nachrangige Verpflichtungen der Emittentin dar, die untereinander und gegenüber allen sonstigen nachrangigen Verpflichtungen der Emittentin gleichrangig sind. Im Fall der Auflösung, Liquidation oder des Konkurses der Emittentin können die Verpflichtungen im Rahmen der Anleihen erst nach Befriedigung der nicht nachrangigen Ansprüche von Gläubigern befriedigt werden, so dass im Hinblick auf die Anleihen jedenfalls so lange keine Beträge zahlbar sind, bis die Ansprüche aller nicht nachrangigen Gläubiger der Emittentin zur Gänze befriedigt wurden oder für diese Beträge umfassende Rückstellungen gebildet wurden. Kein Anleihegläubiger ist berechtigt, seine Ansprüche aus den Anleihen mit Ansprüchen der Emittentin aufzurechnen. Es kann und wird von der Emittentin oder einer anderen Person zu keinem Zeitpunkt in der Zukunft eine vertragliche Sicherheit zur Besicherung der Rechte der Anleihegläubiger im Rahmen der Anleihen beigebracht werden. Keine spätere Vereinbarung kann die Nachrangigkeit gemäß diesem § 2 beschränken oder den Fälligkeitstermin im Hinblick auf die Anleihen auf einen früheren Termin verlegen oder die geltende Kündigungsfrist verkürzen.“
§ 4 Abs. 1 Buchst. b der Emissionsbedingungen lautet:
„Zinszahlung … Zahlungen des Nennbetrags oder Zinszahlungen dürfen nur dann geleistet werden, wenn die zu berücksichtigenden Eigenmittel der Emittentin aufgrund dieser Zahlung nicht unter die Mindesterfordernisse fallen, die in der von der Zentralbank Zypern herausgegebenen jeweiligen Richtlinie über die Berechnung der Kapitalausstattung von Banken festgelegt sind.“
§ 9 Abs. 1 der Emissionsbedingungen bestimmt:
„Nichterfüllung. Jeder Anleihegläubiger ist berechtigt, seine Anleihen fällig zu stellen und deren sofortige Rückzahlung in Höhe des vorzeitigen Rückzahlungsbetrags … samt (allfälligen) zum Rückzahlungstermin aufgelaufenen Zinsen zu verlangen, falls die Emittentin liquidiert und abgewickelt oder aufgelöst wird (außer zum Zweck oder gemäß einer Verschmelzung, Umgründung oder Sanierung, solange sie solvent ist, bei der das weiterbestehende Unternehmen im Wesentlichen alle Vermögenswerte und Verpflichtungen der Emittentin übernimmt).“
Schließlich sieht § 12 Abs. 1 der Emissionsbedingungen vor:
„Anwendbares Recht. Form und Inhalt der Anleihen sowie alle Rechte und Pflichten der Anleihegläubiger und der Emittentin unterliegen deutschem Recht.“
Ende 2008 entsprach Kommunalkredit nicht mehr den in den Richtlinien der Zentralbank für Zypern festgelegten Mindestanforderungen an die Kapitalausstattung von Banken und stellte daher die Zahlung der in den Emissionsbedingungen vereinbarten Zinsen an Sparkassen Versicherung ein.
Kommunalkredit wurde durch eine Verschmelzung durch Aufnahme von KA Finanz übernommen. Diese Verschmelzung wurde am 18. September 2010 in das österreichische Firmenbuch eingetragen und damit an diesem Tag wirksam.
Sparkassen Versicherung fordert von KA Finanz vor den österreichischen Gerichten Zahlung der für die beiden in Rede stehenden Nachranganleihen vereinbarten Zinsen für die Jahre 2009 und 2010. Hilfsweise verlangt sie, dass KA Finanz ihr gleichwertige Rechte im Sinne von § 226 Abs. 3 AktG gewährt, und ihr für alle aus der Nichtgewährung dieser Rechte entstehenden Schäden hafte.
KA Finanz macht geltend, die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Nachranganleihen seien im Zuge der Verschmelzung wirksam beendet worden. Hilfsweise trägt sie vor, die Verpflichtungen aus diesen beiden Anleihen seien nicht auf sie übergegangen, da ihnen infolge des gänzlichen Verlusts des Eigenkapitals von Kommunalkredit kein Wert beizumessen sei.
Durch die Abhängigkeit der Zins- und Kapitalzahlungen von der Eigenkapitalausstattung von Kommunalkredit hätten die fraglichen Anleihen Eigenkapitalcharakter und seien daher Genussrechte im Sinne von § 226 Abs. 3 AktG. Vor dem Hintergrund der existenzbedrohenden Verluste von Kommunalkredit, die zum 31. Dezember 2008 ein negatives Eigenkapital von knapp 1 Mrd. Euro aufgewiesen habe, hätten die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Anleihen im Zeitpunkt der Verschmelzung ihren Wert gänzlich eingebüßt gehabt. In Anbetracht dieses Verlusts – so KA Finanz – sei sie nicht zur Gewährung gleichwertiger Rechte oder einer Abgeltungszahlung an die Inhaber dieser Anleihen verpflichtet gewesen.
Das als Erstgericht befasste Handelsgericht Wien wies den Antrag von KA Finanz auf Zwischenfeststellung, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Nachranganleihen im Zuge der Verschmelzung beendet worden und die Verpflichtungen von Kommunalkredit daraus nicht auf sie übergegangen seien, ab.
Bei den Nachranganleihen handle es sich weder um Genussrechte noch um sonstige aktienähnliche Rechte, hätten sie doch weder Eigenkapitalcharakter noch seien sie vom Gewinn von Kommunalkredit abhängig. Damit seien KA Finanz im Zuge der Verschmelzung keine Beendigungsrechte hinsichtlich der Nachranganleihen zugekommen. Vielmehr seien die Anleihen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge von Kommunalkredit auf KA Finanz übergegangen.
Nach Angabe des vorlegenden Gerichts hat das Handelsgericht Wien nicht über die Frage entschieden, welches Recht auf den bei ihm anhängigen Rechtsstreit anwendbar ist.
Das als Berufungsgericht befasste Oberlandesgericht Wien bestätigte die Entscheidung des Handelsgerichts Wien unter Hinweis darauf, dass die Rechtswirkungen einer Verschmelzung dem Personalstatut zuzuordnen seien und der Gläubigerschutz daher nach dem für dieses Statut geltenden Recht, also nach österreichischem Gesellschaftsrecht zu beurteilen sei.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Wien ist § 226 Abs. 3 AktG, auf den KA Finanz die wirksame Beendigung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Anleihen im Zuge der Verschmelzung stützt, auf diese Anleihen nicht anwendbar. Diese Bestimmung erfasse nämlich lediglich Inhaber von Schuldverschreibungen mit mitgliedschafts- bzw. eigenkapitalähnlicher Komponente und Inhaber von Genussrechten, die typischerweise Vermögensrechte eines Aktionärs sein könnten, wobei vor allem eine Beteiligung am Gewinn und/oder am Liquidationserlös in Betracht komme.
Dies sei jedoch vorliegend nicht der Fall, wie sich aus den Emissionsbedingungen ergebe. Nach diesen würden die in Rede stehenden Anleihen bei Unterschreiten der bankaufsichtsrechtlichen Mindestanforderungen auch nicht endgültig entfallen, sondern nur solange nicht fällig sein, als diese Mindesterfordernisse nicht erfüllt würden.
KA Finanz legte Revision beim Obersten Gerichtshof ein, der präzisiert, dass dieses Rechtsmittel die Frage betreffe, ob § 226 Abs. 3 AktG auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Nachranganleihen anwendbar sei.
Nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs kommt es für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits darauf an, nach welchem Recht dieser zu beurteilen sei. Bei der Zeichnung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Anleihen sei die Anwendung deutschen Rechts vereinbart worden, die Emittentin dieser Anleihen, nämlich Kommunalkredit, habe ihren Sitz in Zypern gehabt, und das Unternehmen, das Kommunalkredit übernommen habe, nämlich KA Finanz, sowie das Unternehmen, das die Anleihen gezeichnet habe, nämlich Sparkassen Versicherung, residierten in Österreich.
Die Rom-I-Verordnung sei auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Anleihen nicht anzuwenden, weil diese vor dem 17. Dezemer 2009 begeben worden seien.
Zudem hat der Oberste Gerichtshof Zweifel, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Anleihen Wertpapiere im Sinne von Art. 15 der Richtlinie 78/855 sind und ob die in diesem Artikel vorgesehenen Gläubigerschutzbestimmungen einer nationalen Rechtsvorschrift wie § 226 Abs. 3 AktG entgegenstehen, nach der eine Gesellschaft, die Wertpapiere, die mit Sonderrechten verbunden, jedoch keine Aktien sind, begebe, berechtigt sei, das Rechtsverhältnis zum Zeichner dieser Wertpapiere einseitig zu beenden und ihn in vollem Umfang abzufinden.
Der Oberste Gerichtshof hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist Art. 1 Abs. 2 Buchst. e des Übereinkommens von Rom dahin auszulegen, dass die Bereichsausnahme „Gesellschaftsrecht“
Umgründungsvorgänge wie Verschmelzungen und Spaltungen und
die Gläubigerschutzbestimmung des Art. 15 der Richtlinie 78/855 im Zuge der Umgründungsvorgänge
erfasst?
Kommt man zu demselben Ergebnis, wenn Art. 15 der Richtlinie 2011/35 zur Anwendung gelangt?
Wenn die Fragen 1 und 2 bejaht werden: Führt die Bereichsausnahme des Art. 1 Abs. 2 Buchst. d der Rom-I-Verordnung – als Nachfolgeregelung des Art. 1 Abs. 2 Buchst. e des Übereinkommens von Rom – zu demselben Ergebnis oder muss diese anders ausgelegt werden? Wenn ja, wie?
Sind dem europäischen Primärrecht, wie der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49 AEUV, der Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 AEUV oder dem freien Kapital- und Zahlungsverkehr gemäß Art. 63 AEUV Vorgaben zur kollisionsrechtlichen Behandlung von Verschmelzungen entnehmbar, insbesondere ob das nationale Recht des Staates der hinausverschmelzenden Gesellschaft oder das nationale Recht der Zielgesellschaft anzuwenden ist?
Wenn Frage 4 verneint wird: Sind dem europäischen Sekundärrecht, wie der Richtlinie 2005/56 oder der Richtlinie 2011/35 oder der Sechsten Richtlinie 82/891/EWG des Rates vom 17. Dezember 1982 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrags betreffend die Spaltung von Aktiengesellschaften, Grundsätze über die kollisionsrechtliche Behandlung zu entnehmen, insbesondere, ob das nationale Recht des Staates der hinausverschmelzenden Gesellschaft oder das nationale Recht der Zielgesellschaft anzuwenden ist, oder steht es dem nationalen Kollisionsrecht frei, zu entscheiden, an welches nationale materielle Recht angeknüpft wird?
Ist Art. 15 der Richtlinie 78/855 in der Weise auszulegen, dass der Emittent gegenüber dem Inhaber anderer Wertpapiere, die mit Sonderrechten verbunden sind, jedoch keine Aktien darstellen, insbesondere bei Nachranganleihen, im Fall einer grenzüberschreitenden Verschmelzung berechtigt ist, das Rechtsverhältnis zu beenden und die Berechtigten abzuschichten?
Kommt man unter Anwendung des Art. 15 der Richtlinie 2011/35 zu demselben Ergebnis?
Zu den Vorlagefragen
Zunächst ist festzustellen, dass der Gerichtshof gemäß Art. 2 Buchst. a des Ersten Protokolls vom 19. Dezember 1988 betreffend die Auslegung des am 19. Juni 1980 in Rom zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 1989, L 48, S. 1) für die Entscheidung über die ihm vom Obersten Gerichtshof im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens vorgelegten Fragen zu diesem Übereinkommen zuständig ist.
Ferner ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen des nationalen Gerichts spricht, die es zur Auslegung des Unionsrechts in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festgelegt und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat. Der Gerichtshof darf die Entscheidung über ein Ersuchen eines nationalen Gerichts nur dann verweigern, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil Verder LabTec, C-657/13, EU:C:2015:331, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Insoweit ist erstens festzustellen, dass die Richtlinie 2011/35 erst am 1. Juli 2011, also nach dem Zeitpunkt der im Ausgangsverfahren maßgeblichen Ereignisse, in Kraft getreten ist, so dass die zweite Frage, die fünfte Frage, soweit sei die Auslegung dieser Richtlinie betrifft, und die siebte Frage unzulässig sind.
Zweitens war die Rom-I-Verordnung, die, worauf auch das vorlegende Gericht hingewiesen hat, gemäß ihrem Art. 28 auf Verträge, die ab dem 17. Dezember 2009 geschlossen werden, angewandt wird, im Jahr 2005, als die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verträge geschlossen wurden, noch nicht in Kraft. Somit ist die dritte Frage unzulässig.
Drittens steht fest, dass es im Ausgangsrechtsstreit um die Auswirkungen geht, die eine Verschmelzung durch Aufnahme, die zwischen zwei Gesellschaften stattgefunden hat, auf Nachranganleihen hat. Folglich ist die erste Frage unzulässig, soweit sie die Auslegung von Art. 1 Abs. 2 Buchst. e des Übereinkommens von Rom in Bezug auf die Spaltung von Gesellschaften betrifft. Im Übrigen ist, da die Richtlinie 82/891 die Spaltung von Aktiengesellschaften zum Gegenstand hat, auch die fünfte Frage unzulässig, soweit sie die Auslegung dieser Richtlinie betrifft.
Zulässig sind daher lediglich die erste Frage, soweit sie nicht die Auslegung von Art. 1 Abs. 2 Buchst. e des Übereinkommens von Rom in Bezug auf Spaltungen von Gesellschaften betrifft, die vierte Frage, die fünfte Frage, soweit sie die Auslegung der Richtlinie 2005/56 betrifft, sowie die sechste Frage.
Zur ersten, zur vierten und zur fünften Frage geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass das vorlegende Gericht sie gestellt hat, um darüber entscheiden zu können, welche Auswirkung die Verschmelzung durch Aufnahme von Kommunalkredit durch KA Finanz auf das Schicksal der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verträge hat, wozu aus der Sicht des vorlegenden Gerichts zunächst die Frage zu klären ist, welches Recht nach dieser Verschmelzung auf diese Verträge anzuwenden ist.
Infolgedessen ist davon auszugehen, dass die erste, die vierte und die fünfte Frage, soweit sie zulässig sind, darauf abzielen, anhand des Unionsrechts festzustellen, welches Recht nach einer grenzüberschreitenden Verschmelzung durch Aufnahme anzuwenden ist zum einen auf die Auslegung, die Erfüllung der Verpflichtungen und die Arten des Erlöschens eines von der übertragenden Gesellschaft geschlossenen Anleihevertrags wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, und zum anderen auf einen Antrag wie den Hilfsantrag von Sparkassen Versicherung, mit dem ein Gläubiger den in Art. 15 der Richtlinie 78/855 vorgesehenen Gläubigerschutz geltend macht.
Mit der sechsten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 15 der Richtlinie 78/855 dahin auszulegen ist, dass danach dem Emittenten von Wertpapieren, die mit Sonderrechten verbunden, jedoch keine Aktien sind, Rechte verliehen werden.
Zur Beantwortung der Frage, welches Recht nach einer grenzüberschreitenden Verschmelzung durch Aufnahme anzuwenden ist auf die Auslegung, die Erfüllung der Verpflichtungen und die Arten des Erlöschens eines von der übertragenden Gesellschaft geschlossenen Anleihevertrags wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, ist als Erstes zu prüfen, ob und in welchem Umfang das Übereinkommen von Rom auf diesen Vertrag anzuwenden ist.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 1 Abs. 1 des Übereinkommens von Rom dessen Vorschriften auf vertragliche Schuldverhältnisse bei Sachverhalten, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen, anzuwenden sind.
Abweichend von dieser materiellen Kollisionsregel werden jedoch die das Gesellschaftsrecht, das Vereinsrecht und das Recht der juristischen Personen, wie zum Beispiel die Errichtung, die Rechts- und Handlungsfähigkeit, die innere Verfassung und die Auflösung von Gesellschaften, Vereinen und juristischen Personen sowie die persönliche gesetzliche Haftung der Gesellschafter und der Organe für die Schulden der Gesellschaft, des Vereins oder der juristischen Person betreffenden Fragen durch Art. 1 Abs. 2 Buchst. e des Übereinkommens von Rom von diesem ausgenommen.
Aus dem Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht von Mario Giuliano, Professor an der Universität Mailand, und Paul Lagarde, Professor an der Universität Paris I (ABl. 1980, C 282, S. 1) geht hervor, dass die Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht, das Vereinsrecht und das Recht der juristischen Personen wegen der Arbeiten, die seinerzeit darüber im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften im Gange waren, nicht in den Anwendungsbereich des Übereinkommens von Rom einbezogen wurden. Diesem Bericht ist ferner zu entnehmen, dass der in Art. 1 Abs. 2 dieses Übereinkommens vorgesehene Ausschluss auch für die die Auflösung einer Gesellschaft regelnden Rechtshandlungen gilt, wie z. B. die Fusion oder den Zusammenschluss. Das Übereinkommen von Rom gilt somit nicht für die Fusion von Gesellschaften.
Da sich jedoch aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ergibt, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verträge vor der Verschmelzung von Kommunalkredit auf KA Finanz unter das Übereinkommen von Rom fielen und dass die Vertragsparteien nach Art. 3 Abs. 1 des Übereinkommens für diese Verträge als anzuwendendes Recht das deutsche Recht vereinbart hatten, ist zu prüfen, ob dieses Recht nach der Verschmelzung weiter für diese Verträge und damit gemäß Art. 10 Abs. 1 des Übereinkommens für ihre Auslegung, die Erfüllung der durch sie begründeten Verpflichtungen und die Arten von deren Erlöschen gilt.
Hierzu sind als Zweites die vom Gesetzgeber der Europäischen Union auf dem Gebiet der Verschmelzung von Gesellschaften erlassenen Vorschriften zu prüfen. In diesem Zusammenhang sind auf diesem Gebiet zwei Regelungen ergangen, die sowohl das Verfahren als auch die Rechtswirkungen der Verschmelzung betreffen, nämlich zum einen die Richtlinie 78/855, durch die, wie sich aus ihrem dritten Erwägungsgrund ergibt, die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Verschmelzung von Aktiengesellschaften koordiniert werden sollen und in die nationalen Rechte der Mitgliedstaaten die Institution der Verschmelzung eingeführt werden soll, und zum anderen die Richtlinie 2005/56, die, wie sich aus ihrem ersten Erwägungsgrund ergibt, erlassen wurde, um die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften unterschiedlicher Rechtsform, die dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten unterliegen, zu erleichtern.
Da es im Ausgangsverfahren um das Schicksal der Nachranganleihen im Zuge einer grenzüberschreitenden Verschmelzung geht, ist auf der Grundlage der Richtlinie 2005/56 festzustellen, welche Auswirkung diese Verschmelzung auf derartige Anleihen hat.
Aus Art. 2 Nr. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/56 ergibt sich, dass eine Verschmelzung durch Aufnahme der Vorgang ist, durch den eine oder mehrere Gesellschaften zum Zeitpunkt ihrer Auflösung ohne Abwicklung ihr gesamtes Aktiv- und Passivvermögen auf eine bereits bestehende Gesellschaft, nämlich die übernehmende Gesellschaft, übertragen.
Zur Wirkung eines solchen Vorgangs geht aus Art. 14 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/56 hervor, dass die grenzüberschreitende Verschmelzung ab dem Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens den Übergang des gesamten Aktiv- und Passivvermögens der übertragenden Gesellschaft auf die übernehmende Gesellschaft bewirkt.
Eine Verschmelzung durch Aufnahme bedeutet somit, dass die übernehmende Gesellschaft die übertragende Gesellschaft vollständig erwirbt, ohne dass Verpflichtungen erlöschen, wie dies bei einer Liquidation der Fall wäre, und führt ohne Novation dazu, dass die übernehmende Gesellschaft hinsichtlich sämtlicher Verträge, die von der übertragenden Gesellschaft geschlossen wurden, als Partei an deren Stelle tritt. Damit ist das Recht, das vor der Verschmelzung auf diese Verträge anzuwenden war, auch nach der Verschmelzung auf sie anzuwenden.
Folglich ist das Unionsrecht in dem Sinne auszulegen, dass nach einer grenzüberschreitenden Verschmelzung durch Aufnahme auf die Auslegung, die Erfüllung der Verpflichtungen und die Arten des Erlöschens eines von der übertragenden Gesellschaft geschlossenen Anleihevertrags wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden dasselbe Recht anzuwenden ist wie es vor der Verschmelzung auf diesen Vertrag anzuwenden war.
Zum Schutz der Interessen der Gläubiger im Rahmen einer grenzüberschreitenden Verschmelzung, auf den sich Sparkassen Versicherung mit ihrem Hilfsantrag beruft, ist darauf hinzuweisen, dass nach dem dritten Erwägungsgrund und Art. 4 der Richtlinie 2005/56 für eine an einer grenzüberschreitenden Verschmelzung beteiligte Gesellschaft, was den Schutz ihrer Gläubiger angeht, weiterhin die Vorschriften und Formalitäten des innerstaatlichen Rechts gelten, das im Rahmen einer innerstaatlichen Verschmelzung anwendbar wäre.
Folglich gelten für den Schutz der Gläubiger einer übertragenden Gesellschaft in einem Fall wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden weiterhin die Vorschriften des innerstaatlichen Rechts, dem diese Gesellschaft unterlag.
Da die Mitgliedstaaten im Rahmen einer innerstaatlichen Verschmelzung, was den Gläubigerschutz angeht, die Art. 13 bis 15 der Richtlinie 78/855 einhalten müssen, haben sie diese Bestimmungen folglich auch im Rahmen einer grenzüberschreitenden Verschmelzung zu beachten.
Während jedoch die Art. 13 und 14 dieser Richtlinie den Schutz der Gläubiger regeln, gleich ob sie Inhaber von Schuldverschreibungen sind oder nicht, betrifft Art. 15 dieser Richtlinie den Schutz der Inhaber von Wertpapieren, die mit Sonderrechten verbunden, jedoch keine Aktien sind.
Damit stellt sich die Frage, wie die Wertpapiere im Sinne von Art. 15 der Richtlinie 78/855 von den sonstigen Schuldtiteln zu unterscheiden sind.
Hierzu geht aus den Vorarbeiten zu dieser Richtlinie – hier dem Vorschlag einer dritten Richtlinie des Rates zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter bei Fusionen von Aktiengesellschaften vorgeschrieben sind (ABl. 1970, C 89, S. 20), und dem Geänderten Vorschlag einer dritten Richtlinie des Rates zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter bei Fusionen von Aktiengesellschaften vorgeschrieben sind (KOM[72] 1668 endg.) – hervor, dass mit Wertpapieren, die mit Sonderrechten verbunden, jedoch keine Aktien sind, im Sinne von Art. 15 dieser Richtlinie u. a. Schuldverschreibungen, bei denen ein Umtausch- oder Bezugsrecht auf Aktien, ein Vorzugsrecht auf Zeichnung des Gesellschaftskapitals oder ein Anspruch auf Gewinnbeteiligung eingeräumt wird, gemeint sind.
Es handelt sich mithin um Wertpapiere, deren Inhaber mehr Rechte haben als das auf bloße Tilgung der Verbindlichkeiten und Zahlung der vereinbarten Zinsen. Dies gilt insbesondere für die Wertpapiere, deren Inhaber das Recht auf Umtausch gegen Aktien oder Anspruch auf Gewinnbeteiligung an der Emittentin haben.
Im vorliegenden Fall geht aus den Emissionsbedingungen, wie sie das vorlegende Gericht vorgelegt hat, hervor, dass die Inhaber der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Wertpapiere offenbar nicht mehr Rechte haben als das Recht auf bloße Tilgung der Verbindlichkeiten und Zahlung der vereinbarten Zinsen. Demnach fielen diese Wertpapiere nicht unter Art. 15 der Richtlinie 78/855, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.
Für den Fall, dass das vorlegende Gericht zum gegenteiligen Ergebnis gelangen sollte, ist festzustellen, dass nach Art. 15 der Richtlinie 78/855 die Inhaber der Wertpapiere, die mit Sonderrechten verbunden, jedoch keine Aktien sind, im Sinne dieses Artikels in der übernehmenden Gesellschaft Rechte erhalten müssen, die mindestens denen gleichwertig sind, die sie in der übertragenden Gesellschaft hatten, es sei denn, dass eine Versammlung der Inhaber – sofern die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften eine solche Versammlung vorsehen – der Änderung dieser Rechte oder dass jeder einzelne Inhaber der Änderung seines Rechts zugestimmt hat oder dass diese Inhaber einen Anspruch auf Rückkauf ihrer Wertpapiere durch die übernehmende Gesellschaft haben.
Art. 15 der Richtlinie 78/855 bezweckt somit nach seinem Wortlaut den Schutz der Interessen der Inhaber von Wertpapieren, die mit Sonderrechten verbunden, jedoch keine Aktien sind.
Im Hinblick darauf, dass der Vorlageentscheidung zufolge mit § 226 Abs. 3 AktG Art. 15 der Richtlinie 78/855 umgesetzt werden sollte und nach § 226 Abs. 3 AktG die Emittentin der Wertpapiere offenbar berechtigt ist, ihr Rechtsverhältnis zum Zeichner dieser Wertpapiere einseitig zu beenden und ihn in vollem Umfang abzufinden, ist festzustellen, dass ein solches Recht in Art. 15 der Verordnung Nr. 78/855 weder dem Wortlaut noch dem Sinne nach vorgesehen ist; nach diesem Artikel wird der Inhaber der Wertpapiere berechtigt, nicht jedoch deren Emittentin. Eine Vorschrift wie Art. 226 Abs. 3 AktG kann somit keine Umsetzung von Art. 15 der Richtlinie 78/855 darstellen.
Art. 15 der Richtlinie 78/855 ist daher dahin auszulegen, dass danach dem Inhaber von Wertpapieren, die mit Sonderrechten verbunden, jedoch keine Aktien sind, Rechte verliehen werden, nicht aber ihrer Emittentin.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:
Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass
nach einer grenzüberschreitenden Verschmelzung durch Aufnahme auf die Auslegung, die Erfüllung der Verpflichtungen und die Arten des Erlöschens eines von der übertragenden Gesellschaft geschlossenen Anleihevertrags wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden dasselbe Recht anzuwenden ist wie das vor der Verschmelzung auf diesen Vertrag anzuwendende Recht;
für den Schutz der Gläubiger einer übertragenden Gesellschaft in einem Fall wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden weiterhin die Vorschriften des innerstaatlichen Rechts gelten, dem diese Gesellschaft unterlag.
Art. 15 der Dritten Richtlinie 78/855/EWG des Rates vom 9. Oktober 1978 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Verschmelzung von Aktiengesellschaften in der durch die Richtlinie 2009/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass danach dem Inhaber von Wertpapieren, die mit Sonderrechten verbunden, jedoch keine Aktien sind, Rechte verliehen werden, nicht aber ihrer Emittentin.
Unterschriften
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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