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EuGH 17.11.2015 - C-115/14
EuGH 17.11.2015 - C-115/14 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer) - 17. November 2015 ( *) - „Vorlage zur Vorabentscheidung — Art. 56 AEUV — Freier Dienstleistungsverkehr — Beschränkungen — Richtlinie 96/71/EG — Art. 3 Abs. 1 — Richtlinie 2004/18/EG — Art. 26 — Öffentliche Aufträge — Postdienstleistungen — Regelung einer regionalen Einheit eines Mitgliedstaats, die Bietern und Nachunternehmern vorschreibt, sich zu verpflichten, den zur Ausführung von Leistungen, die Gegenstand eines öffentlichen Auftrags sind, eingesetzten Beschäftigten einen Mindestlohn zu zahlen“
Leitsatz
In der Rechtssache C-115/14
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Oberlandesgericht Koblenz (Deutschland) mit Entscheidung vom 19. Februar 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 11. März 2014, in dem Verfahren
RegioPost GmbH & Co. KG
gegen
Stadt Landau in der Pfalz,
Beteiligte:
PostCon Deutschland GmbH,
Deutsche Post AG,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Dritten Kammer L. Bay Larsen in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, der Richter J. Malenovský und M. Safjan sowie der Richterinnen A. Prechal (Berichterstatterin) und K. Jürimäe,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. April 2015,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
der RegioPost GmbH & Co. KG, vertreten durch Rechtsanwalt A. Günther,
der Stadt Landau in der Pfalz, vertreten durch Rechtsanwalt R. Goodarzi,
der PostCon Deutschland GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt T. Brach,
der Deutschen Post AG, vertreten durch die Rechtsanwälte W. Krohn und T. Schneider,
der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und A. Lippstreu als Bevollmächtigte,
der dänischen Regierung, vertreten durch C. Thorning und M. Wolff als Bevollmächtigte,
der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von M. Salvatorelli, avvocato dello Stato,
der österreichischen Regierung, vertreten durch M. Fruhmann als Bevollmächtigten,
der norwegischen Regierung, vertreten durch K. Nordland Hansen und P. Wennerås als Bevollmächtigte,
der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Tokár, J. Enegren und S. Grünheid als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 9. September 2015
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 56 AEUV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABl. 1997, L 18, S. 1) und Art. 26 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114, berichtigt im ABl. 2004, L 351, S. 44, und im ABl. 2008, L 198, S. 74) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 1251/2011 der Kommission vom 30. November 2011 (ABl. L 319, S. 43) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2004/18).
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der RegioPost GmbH & Co. KG (im Folgenden: RegioPost) und der Stadt Landau in der Pfalz (Deutschland) (im Folgenden: Stadt Landau) wegen der an Bieter und deren Nachunternehmer im Rahmen der Vergabe eines öffentlichen Auftrags über Postdienstleistungen dieser Stadt gestellten Anforderung, sich zur Zahlung eines Mindestlohns an die zur Erbringung der Leistungen, die Gegenstand des öffentlichen Auftrags sind, eingesetzten Beschäftigten zu verpflichten.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 96/71
Art. 1 („Anwendungsbereich“) der Richtlinie 96/71 sieht vor:
„(1) Diese Richtlinie gilt für Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat, die im Rahmen der länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen Arbeitnehmer gemäß Absatz 3 in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entsenden.
…
(3) Diese Richtlinie findet Anwendung, soweit die in Absatz 1 genannten Unternehmen eine der folgenden länderübergreifenden Maßnahmen treffen:
einen Arbeitnehmer in ihrem Namen und unter ihrer Leitung in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats im Rahmen eines Vertrags entsenden, der zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem in diesem Mitgliedstaat tätigen Dienstleistungsempfänger geschlossen wurde, sofern für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer besteht,
oder
einen Arbeitnehmer in eine Niederlassung oder ein der Unternehmensgruppe angehörendes Unternehmen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entsenden, sofern für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer besteht,
oder
als Leiharbeitsunternehmen oder als einen Arbeitnehmer zur Verfügung stellendes Unternehmen einen Arbeitnehmer in ein verwendendes Unternehmen entsenden, das seinen Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat oder dort seine Tätigkeit ausübt, sofern für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitsunternehmen oder dem einen Arbeitnehmer zur Verfügung stellenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer besteht.
…“
Art. 3 („Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen“) der Richtlinie 96/71 bestimmt in den Abs. 1 und 8:
„(1) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass unabhängig von dem auf das jeweilige Arbeitsverhältnis anwendbaren Recht die in Artikel 1 Absatz 1 genannten Unternehmen den in ihr Hoheitsgebiet entsandten Arbeitnehmern bezüglich der nachstehenden Aspekte die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen garantieren, die in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet die Arbeitsleistung erbracht wird,
durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften
und/oder
durch für allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge oder Schiedssprüche im Sinne des Absatzes 8, sofern sie die im Anhang genannten Tätigkeiten betreffen, festgelegt sind:
…
Mindestlohnsätze einschließlich der Überstundensätze; dies gilt nicht für die zusätzlichen betrieblichen Altersversorgungssysteme;
…
Zum Zweck dieser Richtlinie wird der in Unterabsatz 1 Buchstabe c) genannte Begriff der Mindestlohnsätze durch die Rechtsvorschriften und/oder Praktiken des Mitgliedstaats bestimmt, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer entsandt wird.
…
(8) Unter ‚für allgemein verbindlich erklärten Tarifverträgen oder Schiedssprüchen‘ sind Tarifverträge oder Schiedssprüche zu verstehen, die von allen in den jeweiligen geografischen Bereich fallenden und die betreffende Tätigkeit oder das betreffende Gewerbe ausübenden Unternehmen einzuhalten sind.
…“
Richtlinie 2004/18
In den Erwägungsgründen 2, 33 und 34 der Richtlinie 2004/18 heißt es:
Die Vergabe von Aufträgen in den Mitgliedstaaten auf Rechnung des Staates, der Gebietskörperschaften und anderer Einrichtungen des öffentlichen Rechts ist an die Einhaltung der im Vertrag niedergelegten Grundsätze gebunden, insbesondere des Grundsatzes des freien Warenverkehrs, des Grundsatzes der Niederlassungsfreiheit und des Grundsatzes der Dienstleistungsfreiheit sowie der davon abgeleiteten Grundsätze wie z. B. des Grundsatzes der Gleichbehandlung, des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung, des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung, des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Grundsatzes der Transparenz. Für öffentliche Aufträge, die einen bestimmten Wert überschreiten, empfiehlt sich indessen die Ausarbeitung von auf diesen Grundsätzen beruhenden Bestimmungen zur gemeinschaftlichen Koordinierung der nationalen Verfahren für die Vergabe solcher Aufträge, um die Wirksamkeit dieser Grundsätze und die Öffnung des öffentlichen Beschaffungswesens für den Wettbewerb zu garantieren. Folglich sollten diese Koordinierungsbestimmungen nach Maßgabe der genannten Regeln und Grundsätze sowie gemäß den anderen Bestimmungen des Vertrags ausgelegt werden.
…
Bedingungen für die Ausführung eines Auftrags sind mit dieser Richtlinie vereinbar, sofern sie nicht unmittelbar oder mittelbar zu einer Diskriminierung führen und in der Bekanntmachung oder den Verdingungsunterlagen angegeben sind. Sie können insbesondere dem Ziel dienen, die berufliche Ausbildung auf den Baustellen sowie die Beschäftigung von Personen zu fördern, deren Eingliederung besondere Schwierigkeiten bereitet, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen oder die Umwelt zu schützen …
Die im Bereich der Arbeitsbedingungen und der Sicherheit am Arbeitsplatz geltenden nationalen und gemeinschaftlichen Gesetze, Regelungen und Tarifverträge sind während der Ausführung eines öffentlichen Auftrags anwendbar, sofern derartige Vorschriften sowie ihre Anwendung mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind. Für grenzüberschreitende Situationen, in denen Arbeitnehmer eines Mitgliedstaats Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat zur Ausführung eines öffentlichen Auftrags erbringen, enthält die Richtlinie [96/71] die Mindestbedingungen, die im Aufnahmeland in Bezug auf die entsandten Arbeitnehmer einzuhalten sind. Enthält das nationale Recht entsprechende Bestimmungen, so kann die Nichteinhaltung dieser Verpflichtungen als eine schwere Verfehlung oder als ein Delikt betrachtet werden, das die berufliche Zuverlässigkeit des Wirtschaftsteilnehmers in Frage stellt und dessen Ausschluss vom Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags zur Folge haben kann.“
Gemäß Art. 7 Buchst. b erster Gedankenstrich der Richtlinie 2004/18 gilt sie u. a. für öffentliche Dienstleistungsaufträge, deren Wert ohne Mehrwertsteuer 200000 Euro erreicht oder überschreitet, wenn es sich dabei um Aufträge handelt, die von anderen öffentlichen Auftraggebern als den in Anhang IV der Richtlinie genannten zentralen Regierungsbehörden vergeben werden.
Art. 26 („Bedingungen für die Auftragsausführung“) dieser Richtlinie bestimmt:
„Die öffentlichen Auftraggeber können zusätzliche Bedingungen für die Ausführung des Auftrags vorschreiben, sofern diese mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind und in der Bekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen angegeben werden. Die Bedingungen für die Ausführung eines Auftrags können insbesondere soziale und umweltbezogene Aspekte betreffen.“
Art. 27 („Verpflichtungen im Zusammenhang mit Steuern, Umweltschutz, Arbeitsschutzvorschriften und Arbeitsbedingungen“) der Richtlinie sieht vor:
„(1) Ein öffentlicher Auftraggeber kann in den Verdingungsunterlagen die Stelle(n) angeben, bei der (denen) die Bewerber oder Bieter die erforderlichen Auskünfte … über ihre Verpflichtungen erhalten, die sich aus den Vorschriften über Arbeitsschutz und Arbeitsbedingungen ergeben können, die in dem Mitgliedstaat, in der Region oder an dem Ort gelten, an dem die Leistungen zu erbringen sind, und die während der Ausführung des Auftrags auf die ausgeführten Bauaufträge oder die erbrachten Dienstleistungen anzuwenden sind; der öffentliche Auftraggeber kann auch durch einen Mitgliedstaat zu dieser Angabe verpflichtet werden.
(2) Ein öffentlicher Auftraggeber, der die Auskünfte nach Absatz 1 erteilt, verlangt von den Bietern oder Bewerbern eines Vergabeverfahrens die Angabe, dass sie bei der Ausarbeitung ihres Angebots den Verpflichtungen aus den am Ort der Leistungserbringung geltenden Vorschriften über Arbeitsschutz und Arbeitsbedingungen Rechnung getragen haben.
…“
Deutsches Recht
Bundesrecht
§ 97 Abs. 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1750), zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 21. Juli 2014 (BGBl. I S. 1066), bestimmt:
„Aufträge werden an fachkundige, leistungsfähige sowie gesetzestreue und zuverlässige Unternehmen vergeben. Für die Auftragsausführung können zusätzliche Anforderungen an Auftragnehmer gestellt werden, die insbesondere soziale, umweltbezogene oder innovative Aspekte betreffen, wenn sie im sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen und sich aus der Leistungsbeschreibung ergeben. Andere oder weitergehende Anforderungen dürfen an Auftragnehmer nur gestellt werden, wenn dies durch Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen ist.“
In Anwendung des Gesetzes über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen – Arbeitnehmer-Entsendegesetz vom 26. Februar 1996 (BGBl. I S. 227, im Folgenden: AEntG) wurde am 29. November 2007 ein Tarifvertrag über die Festsetzung eines Mindestlohns für die Branche der Postdienstleistungen geschlossen, der durch Verordnung vom 28. Dezember 2007 für alle Unternehmen dieser Branche für allgemein verbindlich erklärt wurde. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Verordnung jedoch mit Urteil vom 28. Januar 2010 für unwirksam erklärt, so dass es zu der für den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens maßgebenden Zeit für die Branche der Postdienstleistungen keinen Mindestlohn gab.
Das Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns vom 11. August 2014 (BGBl. I S. 1348) sieht grundsätzlich für alle Arbeitnehmer ab dem 1. Januar 2015 einen Anspruch auf einen Mindestbruttolohn von 8,50 Euro pro Stunde vor.
Recht des Landes Rheinland-Pfalz
§ 1 des rheinland-pfälzischen Landesgesetzes zur Gewährleistung von Tariftreue und Mindestentgelt bei öffentlichen Auftragsvergaben (Landestariftreuegesetz) vom 1. Dezember 2010 (im Folgenden: LTTG) bestimmt in Abs. 1:
„Dieses Gesetz wirkt Verzerrungen im Wettbewerb um öffentliche Aufträge entgegen, die durch den Einsatz von Niedriglohnkräften entstehen, und mildert Belastungen für die sozialen Sicherungssysteme. Es bestimmt zu diesem Zweck, dass öffentliche Auftraggeber öffentliche Aufträge … nach Maßgabe dieses Gesetzes nur an Unternehmen vergeben dürfen, die ihren Beschäftigten das in diesem Gesetz festgelegte Mindestentgelt bezahlen und sich tariftreu verhalten.“
§ 3 („Mindestentgelt“) LTTG sieht in Abs. 1 vor:
„Soweit nicht nach § 4 Tariftreue gefordert werden kann, dürfen öffentliche Aufträge nur an Unternehmen vergeben werden, die sich bei Angebotsabgabe schriftlich verpflichten, ihren Beschäftigten bei der Ausführung der Leistung ein Entgelt von mindestens 8,50 Euro (brutto) pro Stunde zu zahlen (Mindestentgelt) und Änderungen des Mindestentgelts … während der Ausführungslaufzeit gegenüber den Beschäftigten nachzuvollziehen … Fehlt die Mindestentgelterklärung bei Angebotsabgabe und wird sie auch nach Aufforderung nicht vorgelegt, so ist das Angebot von der Wertung auszuschließen. Hat die [zuständige] Servicestelle … Muster zur Abgabe von Mindestentgelterklärungen öffentlich bekannt gemacht, können diese verwendet werden.“
Im Anschluss an den Erlass der Verordnung der Regierung des Landes Rheinland-Pfalz vom 11. Dezember 2012 beträgt das Mindestentgelt im Sinne von § 3 Abs. 1 LTTG nunmehr 8,70 Euro (brutto) pro Stunde.
§ 4 („Tariftreuepflicht“) LTTG lautet:
„(1) Öffentliche Aufträge, die vom Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) vom 20. April 2009 (BGBl. I S. 799) in der jeweils geltenden Fassung erfasst werden, dürfen nur an Unternehmen vergeben werden, die sich bei Angebotsabgabe schriftlich verpflichten, ihren Beschäftigten bei der Ausführung der Leistung ein Entgelt zu zahlen, das in Höhe und Modalitäten mindestens den Vorgaben desjenigen Tarifvertrages entspricht, an den das Unternehmen aufgrund des [AEntG] gebunden ist.
…
(6) Fehlt die Tariftreueerklärung bei Angebotsabgabe und wird sie auch nach Aufforderung nicht vorgelegt, so ist das Angebot von der Wertung auszuschließen. Hat die [zuständige] Servicestelle … Muster zur Abgabe von Tariftreueerklärungen öffentlich bekannt gemacht, können diese verwendet werden.“
§ 5 („Nachunternehmen“) LTTG sieht in Abs. 2 vor:
„Im Fall der Ausführung vertraglich übernommener Leistungen durch Nachunternehmer hat das Unternehmen die Erfüllung der Verpflichtungen nach den §§ 3 und 4 durch die Nachunternehmer sicherzustellen und dem öffentlichen Auftraggeber Mindestentgelt- und Tariftreueerklärungen der Nachunternehmen vorzulegen …“
Durch § 6 („Nachweise und Kontrollen“) LTTG werden dem beauftragten Unternehmen und den Nachunternehmen bestimmte Verpflichtungen auferlegt, die u. a. die Bereithaltung und die Vorlage von Unterlagen und Angaben betreffen, anhand deren der öffentliche Auftraggeber die Einhaltung der durch das LTTG auferlegten Verpflichtungen kontrollieren kann.
§ 7 („Sanktionen“) LTTG bestimmt:
„(1) Um die Einhaltung der Verpflichtungen nach den §§ 3 bis 6 zu sichern, hat der öffentliche Auftraggeber für jeden schuldhaften Verstoß eine Vertragsstrafe in Höhe von 1 v. H. des Auftragswertes mit dem beauftragten Unternehmen zu vereinbaren; bei mehreren Verstößen darf die Summe der Vertragsstrafen 10 v. H. des Auftragswertes nicht überschreiten. Das beauftragte Unternehmen ist zur Zahlung einer Vertragsstrafe nach Satz 1 auch für den Fall zu verpflichten, dass der Verstoß durch ein Nachunternehmen begangen wird und das beauftragte Unternehmen den Verstoß kannte oder kennen musste. Ist die verwirkte Vertragsstrafe unverhältnismäßig hoch, so kann sie von dem öffentlichen Auftraggeber auf Antrag des beauftragten Unternehmens auf den angemessenen Betrag herabgesetzt werden …
(2) Der öffentliche Auftraggeber vereinbart mit dem beauftragten Unternehmen, dass die mindestens grob fahrlässige und erhebliche Nichterfüllung einer Verpflichtung nach den §§ 3 bis 6 durch das beauftragte Unternehmen den öffentlichen Auftraggeber zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt.
(3) Hat das beauftragte Unternehmen oder ein Nachunternehmen mindestens grob fahrlässig oder mehrfach gegen Verpflichtungen dieses Gesetzes verstoßen, so kann der öffentliche Auftraggeber das betreffende Unternehmen oder Nachunternehmen für die Dauer von bis zu drei Jahren von seiner öffentlichen Auftragsvergabe ausschließen.
…“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Nach den Angaben in der Vorlageentscheidung schrieb die Stadt Landau am 23. April 2013 einen in zwei Lose aufgeteilten Auftrag über die Postdienstleistungen dieser Stadt unionsweit im offenen Verfahren aus. Der Auftrag bezog sich insbesondere auf den Abschluss eines Rahmenvertrags über die Abholung, Beförderung und Zustellung von Briefen, Päckchen und Paketen. Die Vertragslaufzeit betrug zwei Jahre, wobei die Auftraggeberin das Recht haben sollte, sie höchstens zweimal um jeweils ein Jahr zu verlängern.
In Abschnitt III.2.2 („Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit“) der Vergabebekanntmachung heißt es unter Nr. 4: „Der Auftragnehmer unterwirft sich den Bestimmungen des [LTTG].“
Während des im Ausgangsverfahren maßgebenden Zeitraums gab es keinen Tarifvertrag über einen Mindestlohn, an den die Unternehmen der Postdienstleistungsbranche nach dem AEntG gebunden waren. In diesem Zeitraum unterlagen die Unternehmen auch nicht der durch das Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns vom 11. August 2014 eingeführten Verpflichtung zur Zahlung eines allgemeinen Mindestlohns.
Anlage E 6 der Vergabeunterlagen für den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Auftrag enthielt eine „Mustererklärung nach § 3 Abs. 1 LTTG“. Sie sollte es den Bietern ermöglichen, mit ihrem Angebot ihre eigene Mindestentgelterklärung und die ihrer Nachunternehmer vorzulegen.
Die Mustererklärung lautete:
„Ich/Wir verpflichte/n mich/uns hiermit:
den Beschäftigten bei der Ausführung der Leistung mindestens das nach der jeweils gültigen Landesverordnung zur Festsetzung des Mindestentgelts nach § 3 Abs. 2 Satz 3 [LTTG] zu zahlende Entgelt (brutto) pro Stunde zu zahlen. Das gilt nicht für eine Leistungserbringung durch Auszubildende.
Nachunternehmen sorgfältig auszuwählen und insbesondere deren Angebote daraufhin zu überprüfen, ob sie auf der Basis des zu zahlenden Mindestentgelts kalkuliert sein könnten;
im Falle der Auftragsausführung durch Nachunternehmer oder Beschäftigte eines Verleihers sowie Beschäftigte des Verleihers des beauftragten Nachunternehmens die Verpflichtungen nach § 4 Abs. 1 LTTG bzw. § 3 Abs. 1 LTTG sicherzustellen und dem öffentlichen Auftraggeber Mindestentgelt- und Tariftreueerklärung der Nachunternehmer der Verleiher vorzulegen.
Vollständige und prüffähige Unterlagen über die eingesetzten Beschäftigten bereitzuhalten, diese dem Auftraggeber auf dessen Verlangen hin vorzulegen und die Beschäftigten auf die Möglichkeit von Kontrollen durch den Auftraggeber hinzuweisen.“
Mit Schreiben vom 16. Mai 2013 machte RegioPost geltend, dass die Mindestentgelterklärungen nach § 3 LTTG vergaberechtswidrig seien. Sie fügte ihrem fristgerecht eingereichten Angebot von ihr selbst formulierte Erklärungen der Nachunternehmer bei. Für sich selbst reichte sie jedoch keine Erklärung ein.
Mit E-Mail vom 25. Juni 2013 gab die Stadt Landau RegioPost Gelegenheit, die Mindestentgelterklärungen nach § 3 LTTG binnen einer Frist von 14 Tagen nachzureichen. Zugleich kündigte sie an, dass sie das Angebot von RegioPost ausschließen werde, falls diese der Aufforderung nicht Folge leiste.
Mit Schreiben vom 27. Juni 2013 wiederholte RegioPost ihre Rügen und kündigte an, dass sie im Fall des Ausschlusses ihres Angebots eine Nachprüfung einleiten werde.
Mit Schreiben vom 11. Juli 2013 teilte die Stadt Landau RegioPost mit, dass ihr Angebot aufgrund des Fehlens der Mindestentgelterklärungen nach § 3 LTTG nicht gewertet werden könne. In diesem Schreiben teilte sie ferner mit, dass die PostCon Deutschland GmbH den Zuschlag für Los 1 des Auftrags und die Deutsche Post AG den Zuschlag für Los 2 erhalten habe.
Mit Beschluss vom 23. Oktober 2013 wies die Vergabekammer Rheinland-Pfalz den von RegioPost am 15. Juli 2013 gestellten Nachprüfungsantrag u. a. mit der Begründung zurück, dass ihr Antrag wegen des Fehlens der von der öffentlichen Auftraggeberin zulässigerweise geforderten Mindestentgelterklärungen zu Recht ausgeschlossen worden sei.
Das mit der dagegen eingelegten Beschwerde befasste vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass die Entscheidung des Rechtsstreits davon abhänge, ob es § 3 LTTG unangewendet lassen müsse, weil diese Vorschrift mit dem Unionsrecht unvereinbar sei.
Seines Erachtens enthält § 3 Abs. 1 LTTG eine zusätzliche Bedingung für die Ausführung des Auftrags, die nach Art. 26 der Richtlinie 2004/18 nur zulässig sei, wenn sie mit dem Unionsrecht vereinbar sei.
Das vorlegende Gericht sieht sich aber auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs und insbesondere des Urteils Rüffert (C-346/06, EU:C:2008:189) nicht in der Lage, dies zu prüfen.
Es führt aus, der Umstand, dass es sich bei RegioPost um ein in Deutschland ansässiges Unternehmen handele und die übrigen Bieter ihren Sitz ebenfalls im Inland hätten, stehe einem Vorabentscheidungsersuchen nicht entgegen, da die Frage, ob eine Bestimmung des nationalen Rechts wegen ihrer etwaigen Unvereinbarkeit mit dem Unionsrecht unangewendet bleiben müsse, eine Rechtsfrage sei, die sich unabhängig von der Nationalität der Beteiligten am Vergabe- oder Nachprüfungsverfahren stelle.
Zur Vereinbarkeit der in Rede stehenden nationalen Maßnahme mit Art. 56 Abs. 1 AEUV weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die Verpflichtung für Unternehmen mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten als der Bundesrepublik Deutschland, die Löhne, die sie ihren Beschäftigten zahlten, an ein höheres, am Ort der Ausführung des Auftrags in Deutschland geltendes Lohnniveau anzupassen, diesen Unternehmen den Wettbewerbsvorteil entziehe, der ihnen aus ihren niedrigeren Lohnkosten erwachse. Dabei sei dieser Vorteil oft unerlässlich, um strukturelle Vorteile inländischer Unternehmen auszugleichen und um Zugang zu dem betreffenden Markt zu erlangen. Die Verpflichtung zur Einhaltung des in § 3 Abs. 1 LTTG vorgeschriebenen Mindestentgelts stelle daher eine nach Art. 56 Abs. 1 AEUV grundsätzlich verbotene Behinderung für in anderen Mitgliedstaaten ansässige Unternehmen dar.
Das Unionsrecht stehe jedoch der Anwendung von § 3 Abs. 1 LTTG auf diese Unternehmen nicht entgegen, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/71 erfüllt seien. Daran bestünden aber Zweifel.
Zum einen sei darauf hinzuweisen, dass § 3 Abs. 1 LTTG zwar eine Rechtsvorschrift sei, die die Höhe des Mindestentgelts festlege, doch werde mit dieser Bestimmung den Arbeitnehmern nicht garantiert, dass ihr Arbeitgeber das Mindestentgelt zahle. Sie enthalte lediglich ein Verbot für öffentliche Auftraggeber, einen öffentlichen Auftrag an Bieter zu vergeben, die sich nicht zur Zahlung des darin vorgesehenen Mindestentgelts an die zur Ausführung des fraglichen Auftrags eingesetzten Arbeitnehmer verpflichteten.
Zum anderen beziehe sich die in § 3 Abs. 1 LTTG vorgesehene Mindestentgeltverpflichtung nur auf die zur Ausführung des fraglichen öffentlichen Auftrags eingesetzten Arbeitnehmer des Auftragnehmers. Ein zur Ausführung eines privaten Auftrags eingesetzter Arbeitnehmer sei des sozialen Schutzes indes nicht weniger würdig als ein Arbeitnehmer, der zur Ausführung eines öffentlichen Auftrags eingesetzt werde.
Das Urteil Rüffert (C-346/06, EU:C:2008:189) werde im deutschen Schrifttum teilweise so verstanden, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/71 einer Bestimmung wie § 3 Abs. 1 LTTG, die in einer Rechtsvorschrift einen Mindestlohnsatz festlege, nicht entgegenstehe, auch wenn dieser Satz nur im Rahmen der Ausführung öffentlicher Aufträge einzuhalten sei, da das Erfordernis der Allgemeinverbindlichkeit nur für Tarifverträge und nicht für Rechtsvorschriften gelte.
An der Richtigkeit dieser Auffassung bestünden jedoch erhebliche Zweifel. Was die Beschränkung einer Grundfreiheit wie der des freien Dienstleistungsverkehrs angehe, wäre es unlogisch, Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/71 dahin auszulegen, dass er die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen, mit denen ein Mindestlohn festgesetzt werde, unter Einbeziehung aller Arbeitnehmer der betreffenden Branche und unabhängig davon verlange, ob sie zur Ausführung öffentlicher oder privater Aufträge eingesetzt würden, während der Geltungsbereich von Rechtsvorschriften, in denen ein Mindestlohn festgelegt werde, auf die zur Ausführung öffentlicher Aufträge eingesetzten Arbeitnehmer beschränkt werden könne.
Würde man eine nationale Bestimmung wie § 3 Abs. 1 LTTG, die Bietern und deren Nachunternehmern die Verpflichtung auferlege, den zur Ausführung der Leistungen, die Gegenstand eines öffentlichen Auftrags seien, eingesetzten Beschäftigten ein Mindestentgelt zu zahlen, als mit Art. 56 AEUV vereinbar einstufen, würde sich die Frage stellen, ob die in der nationalen Bestimmung für den Fall eines Verstoßes gegen diese Verpflichtung vorgesehene Sanktion, nämlich der Ausschluss des Bieters von der Beteiligung am Vergabeverfahren, mit Art. 26 der Richtlinie 2004/18 vereinbar sei.
Dies sei zweifelhaft, da § 3 Abs. 1 LTTG zwar eine zusätzliche Bedingung für die Ausführung des Auftrags im Sinne von Art. 26 der Richtlinie 2004/18 darstelle, die Richtlinie aber nicht vorsehe, dass ein Verstoß gegen eine solche zusätzliche Bedingung ein Grund für den Ausschluss von der Beteiligung an der Auftragsvergabe sei. Ein solcher Ausschlussgrund wäre im Übrigen schwer verständlich, da sich die Frage, ob ein Bieter die zusätzlichen Bedingungen, zu denen er sich verpflichtet habe, einhalte, erst stelle, nachdem er den Zuschlag erhalten habe. Es handele sich somit nicht um ein qualitatives Vergabekriterium, das den Ausschluss eines Bieters rechtfertigen könne.
Die Sanktion des Ausschlusses des Angebots im Fall der Nichteinhaltung von § 3 Abs. 1 LTTG beruhe nicht auf einem triftigen Grund, da die nach dieser Bestimmung vorgeschriebenen Verpflichtungserklärungen nur deklaratorischer Natur seien.
Überdies erscheine diese Sanktion überflüssig, da im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags wie des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden die in § 3 Abs. 1 LTTG vorgeschriebene Verpflichtung zur Zahlung des Mindestentgelts zu den sowohl in der Vergabebekanntmachung als auch in den Vergabeunterlagen enthaltenen Verpflichtungen gehöre, an die der Auftragnehmer, nachdem er den Zuschlag erhalten habe, vertraglich gebunden sei und deren Einhaltung die in § 7 Abs. 1 LTTG vorgesehene Vertragsstrafe sicherstellen solle.
Unter diesen Umständen hat das Oberlandesgericht Koblenz beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist Art. 56 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/71 dahin gehend auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die einem öffentlichen Auftraggeber zwingend vorschreibt, nur Unternehmen zu beauftragen, die und deren Nachunternehmer sich bei der Angebotsabgabe schriftlich verpflichten, ihren mit der Auftragsausführung befassten Mitarbeitern einen nur für öffentliche, nicht aber private Aufträge staatlich festgelegten Mindestlohn zu zahlen, wenn es weder einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn noch einen die potenziellen Auftragnehmer und eventuelle Nachunternehmer bindenden allgemein verbindlichen Tarifvertrag gibt?
Für den Fall, dass die erste Frage mit Nein beantwortet wird:
Ist das Unionsrecht auf dem Gebiet der Vergabe öffentlicher Aufträge, insbesondere Art. 26 der Richtlinie 2004/18, dahin gehend auszulegen, dass es einer nationalen Regelung wie § 3 Abs. 1 Satz 3 LTTG entgegensteht, die den zwingenden Ausschluss eines Angebots für den Fall vorsieht, dass sich ein Wirtschaftsteilnehmer nicht bereits bei Angebotsabgabe in einer gesonderten Erklärung zu einem Tun verpflichtet, zu dem er im Falle der Beauftragung auch ohne Abgabe dieser Erklärung vertraglich verpflichtet wäre?
Zu den Vorlagefragen
Zur Zulässigkeit
Die Stadt Landau sowie die deutsche und die italienische Regierung halten die erste Frage für unzulässig und machen geltend, wie das vorlegende Gericht bestätigt habe, fehle jeder das Ausgangsverfahren kennzeichnende grenzüberschreitende Bezug, da sämtliche Unternehmen, die sich am Verfahren zur Vergabe des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Auftrags beteiligt hätten, im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats (der Bundesrepublik Deutschland) ansässig seien, dem der öffentliche Auftraggeber angehöre. Mangels eines grenzüberschreitenden Bezugs sei der Gerichtshof nicht befugt, sich zur Vereinbarkeit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Maßnahme mit der Richtlinie 96/71 und/oder mit Art. 56 AEUV zu äußern. Aus ähnlichen Gründen hält die italienische Regierung auch die zweite Frage für unzulässig.
Diese Einwände sind zurückzuweisen.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass ein nationales Gericht eine Vorlagefrage ihrer Form nach unter Bezugnahme auf bestimmte Vorschriften des Unionsrechts formuliert hat, den Gerichtshof nicht daran hindert, diesem Gericht unabhängig davon, worauf es in seinen Fragen Bezug genommen hat, alle Auslegungshinweise zu geben, die ihm bei der Entscheidung der bei ihm anhängigen Rechtssache von Nutzen sein können. Der Gerichtshof hat insoweit aus dem gesamten vom nationalen Gericht gelieferten Material und insbesondere aus der Begründung der Vorlageentscheidung diejenigen Elemente des Unionsrechts herauszuarbeiten, die in Anbetracht des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung bedürfen (vgl. u. a. Urteil Vicoplus u. a., C-307/09 bis C-309/09, EU:C:2011:64, Rn. 22).
Insoweit ist, um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, die erste Frage in erster Linie anhand der speziell einschlägigen unionsrechtlichen Bestimmung zu prüfen, nämlich Art. 26 der Richtlinie 2004/18, auf den das vorlegende Gericht im Übrigen im Rahmen seiner zweiten Frage ausdrücklich Bezug nimmt (vgl. entsprechend Urteil Rüffert, C-346/06, EU:C:2008:189, Rn. 18).
Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten, insbesondere dem Beschluss der Vergabekammer Rheinland-Pfalz, auf den in Rn. 28 des vorliegenden Urteils Bezug genommen wird, geht klar hervor, dass die Richtlinie 2004/18 im Ausgangsverfahren anwendbar ist, da der Wert des in Rede stehenden öffentlichen Auftrags weit über die einschlägige Schwelle für die Anwendbarkeit dieser Richtlinie, die zu der im Ausgangsverfahren maßgebenden Zeit 200000 Euro betrug, hinausgeht.
Da vorliegend die Richtlinie 2004/18 anwendbar ist – was im Übrigen keiner der Beteiligten, die schriftliche Erklärungen eingereicht oder an der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof teilgenommen haben, bestritten hat –, ist eine Frage nach der Auslegung einer ihrer Bestimmungen, hier ihres Art. 26, zulässig, selbst wenn sie wie in der vorliegenden Rechtssache im Rahmen eines Rechtsstreits gestellt wird, in dem kein Element über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweist.
Überdies ist der Gerichtshof, auch wenn in der vorliegenden Rechtssache kein Element des Rechtsstreits über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweist, befugt, sich zu Art. 56 AEUV zu äußern, soweit der in der genannten Richtlinie vorgesehene Harmonisierungsgrad dies zulässt.
Da der Wert des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Auftrags den einschlägigen Schwellenwert der Richtlinie klar überschreitet, muss nämlich davon ausgegangen werden, dass an diesem Auftrag ein gewisses grenzüberschreitendes Interesse besteht. Es kann somit nicht ausgeschlossen werden, dass in anderen Mitgliedstaaten als der Bundesrepublik Deutschland ansässige Unternehmen nach der Veröffentlichung der Vergabebekanntmachung an einer Beteiligung interessiert waren, auch wenn sie sich aus Gründen, die in ihrer Sphäre liegen, letztlich gegen eine Beteiligung entschieden haben; zu diesen Gründen könnte bei bestimmten Unternehmen, die ihren Sitz in Mitgliedstaaten haben, in denen die Lebenshaltungskosten und der geltende Mindestlohn deutlich niedriger sind als im Land Rheinland-Pfalz, auch die ausdrücklich aufgestellte Verpflichtung gehören, den dort vorgeschriebenen Mindestlohn einzuhalten.
Daraus folgt, dass die erste Frage – dahin gehend umformuliert, dass sie sich in erster Linie auf die Auslegung von Art. 26 der Richtlinie 2004/18 bezieht – und die zweite Frage zulässig sind.
Zur Beantwortung der Fragen
Zur ersten Frage
Angesichts der vorstehenden Erwägungen zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seiner ersten Frage wissen möchte, ob Art. 26 der Richtlinie 2004/18 dahin auszulegen ist, dass er Rechtsvorschriften einer regionalen Einheit eines Mitgliedstaats wie den im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, nach denen sich Bieter und deren Nachunternehmer in einer schriftlichen, ihrem Angebot beizufügenden Erklärung verpflichten müssen, den Beschäftigten, die zur Ausführung von Leistungen, die Gegenstand eines öffentlichen Auftrags sind, eingesetzt werden sollen, einen in den betreffenden Rechtsvorschriften festgelegten Mindestlohn zu zahlen.
Insoweit ist eine nationale Bestimmung wie § 3 LTTG, soweit sie vorsieht, dass sich jeder Bieter und Nachunternehmer gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber verpflichten muss, den mit der Ausführung des betreffenden öffentlichen Auftrags befassten Beschäftigten einen gesetzlich festgelegten Mindestlohn zu zahlen, als eine „soziale Aspekte“ betreffende „zusätzliche Bedingung für die Ausführung des Auftrags“ im Sinne von Art. 26 der Richtlinie 2004/18 einzustufen.
Im vorliegenden Fall wurde diese zusätzliche Bedingung sowohl in die Vergabebekanntmachung als auch in die Verdingungsunterlagen aufgenommen, so dass das im letztgenannten Artikel aufgestellte Verfahrenserfordernis der Transparenz erfüllt ist.
Ferner ergibt sich aus dem 33. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/18, dass eine zusätzliche Bedingung für die Ausführung eines Auftrags nur dann mit dem Unionsrecht vereinbar ist, wenn sie nicht unmittelbar oder mittelbar zu einer Diskriminierung führt. Es ist aber unstreitig, dass eine nationale Bestimmung wie die im Ausgangsverfahren fragliche diese Voraussetzung erfüllt.
Zudem ist nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs eine nationale Maßnahme, wenn sie in einen Bereich fällt, der auf Unionsebene erschöpfend harmonisiert wurde, anhand der Bestimmungen dieser Harmonisierungsmaßnahme und nicht anhand des Primärrechts der Union zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile DaimlerChrysler, C-324/99, EU:C:2001:682, Rn. 32, Brzeziński, C-313/05, EU:C:2007:33, Rn. 44, und Kommission/Ungarn, C-115/13, EU:C:2014:253, Rn. 38).
Nach dem Wortlaut von Art. 26 der Richtlinie 2004/18 können zusätzliche Bedingungen für die Ausführung des Auftrags vorgeschrieben werden, „sofern diese mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind“.
Daraus ergibt sich, dass diese Richtlinie den Bereich der zusätzlichen Bedingungen für die Ausführung von Aufträgen nicht erschöpfend regelt, so dass die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung anhand des Primärrechts der Union beurteilt werden kann.
In Anbetracht dessen ist im Einklang mit dem 34. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/18 im Rahmen der Prüfung der Vereinbarkeit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Maßnahme mit dem Unionsrecht zu klären, ob bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, bei denen Arbeitnehmer eines Mitgliedstaats in einem anderen Mitgliedstaat Dienstleistungen zur Ausführung eines öffentlichen Auftrags erbringen, die in der Richtlinie 96/71 genannten Mindestbedingungen im Aufnahmeland in Bezug auf die entsandten Arbeitnehmer eingehalten werden.
Im vorliegenden Fall wirft das vorlegende Gericht die Frage nach den Auswirkungen der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Maßnahme auf außerhalb Deutschlands ansässige Unternehmen auf, die an einer Beteiligung am Verfahren zur Vergabe des betreffenden öffentlichen Auftrags interessiert gewesen sein und die Entsendung ihrer Arbeitnehmer nach Deutschland in Betracht gezogen haben können, weil diese Unternehmen wegen des Erfordernisses, sich zur Einhaltung des nach dem LTTG vorgeschriebenen Mindestentgelts zu verpflichten, möglicherweise von einer solchen Beteiligung abgesehen haben. Daher ist diese nationale Maßnahme anhand von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/71 zu prüfen.
Insoweit ist festzustellen, dass eine Vorschrift wie § 3 LTTG als „Rechtsvorschrift“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 erster Gedankenstrich der Richtlinie 96/71 einzustufen ist, die einen „Mindestlohnsatz“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie vorsieht. Denn zum einen wird, anders als beim Niedersächsischen Landesvergabegesetz, um das es in der Rechtssache ging, in der das Urteil Rüffert (C-346/06, EU:C:2008:189) ergangen ist, dieser Mindestlohnsatz in § 3 LTTG selbst festgelegt. Zum anderen sahen in dem im Ausgangsverfahren maßgebenden Zeitraum weder das AEntG noch eine andere nationale Regelung einen niedrigeren Lohn für die Branche der Postdienstleistungen vor.
Diese Einstufung lässt sich auch nicht dadurch in Frage stellen, dass die betreffende nationale Maßnahme auf öffentliche Aufträge und nicht auf private Aufträge anwendbar ist, da die in Art. 3 Abs. 8 Unterabs. 1 der Richtlinie 96/71 aufgestellte Voraussetzung der Allgemeinverbindlichkeit nur für Tarifverträge oder Schiedssprüche im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 zweiter Gedankenstrich dieser Richtlinie gilt.
Überdies kann, da sich die im Ausgangsverfahren fragliche Maßnahme in den Rahmen von Art. 26 der Richtlinie 2004/18 einfügt, der unter bestimmten Voraussetzungen die Vorgabe eines Mindestlohns bei öffentlichen Aufträgen gestattet, nicht gefordert werden, dass sich die Maßnahme über diesen speziellen Bereich hinaus erstreckt und allgemein für alle Aufträge einschließlich privater Aufträge gilt.
Die Beschränkung des Geltungsbereichs der nationalen Maßnahme auf öffentliche Aufträge ist nämlich die bloße Folge des Umstands, dass es für diesen Bereich spezielle Regeln des Unionsrechts gibt, im konkreten Fall die der Richtlinie 2004/18.
Demnach erlaubt es Art. 26 der Richtlinie 2004/18 in Verbindung mit der Richtlinie 96/71 dem Aufnahmemitgliedstaat, im Rahmen der Vergabe eines öffentlichen Auftrags eine zwingende Bestimmung über das nach Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c der Richtlinie 96/71 erforderliche Mindestmaß an Schutz wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Vorschrift vorzusehen, nach der Unternehmen mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten verpflichtet sind, ihren zur Ausführung dieses öffentlichen Auftrags in das Gebiet des Aufnahmemitgliedstaats entsandten Arbeitnehmern einen Mindestlohn zu zahlen. Eine solche Bestimmung gehört nämlich zu dem Schutzniveau, das diesen Arbeitnehmern garantiert werden muss (vgl. in diesem Sinne Urteil Laval un Partneri, C-341/05, EU:C:2007:809, Rn. 74, 80 und 81).
Diese Auslegung von Art. 26 der Richtlinie 2004/18 – die insbesondere auf die Verwirklichung des freien Dienstleistungsverkehrs abzielt, der eine der vom Vertrag garantierten Grundfreiheiten ist – wird zudem durch eine Betrachtung dieser Bestimmung im Licht von Art. 56 AEUV bestätigt (vgl. entsprechend Urteil Rüffert, C-346/06, EU:C:2008:189, Rn. 36).
Aus dem zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/18 geht im Übrigen hervor, dass die in ihr enthaltenen Koordinierungsbestimmungen für öffentliche Aufträge, die einen bestimmten Wert überschreiten, nach Maßgabe der Regeln und Grundsätze des Vertrags, u. a. über den freien Dienstleistungsverkehr, ausgelegt werden müssen.
Der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist insoweit zu entnehmen, dass die durch nationale Rechtsvorschriften Bietern und deren etwaigen Nachunternehmern, die in einem Mitgliedstaat ansässig sind, bei dem es sich nicht um den Staat handelt, dem der öffentliche Auftraggeber angehört, und in dem die Mindestlohnsätze niedriger sind, auferlegte Verpflichtung zur Zahlung eines Mindestentgelts eine zusätzliche wirtschaftliche Belastung darstellt, die geeignet ist, die Erbringung ihrer Leistungen im Aufnahmemitgliedstaat zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen. Eine Maßnahme wie die, um die es im Ausgangsverfahren geht, kann daher eine Beschränkung im Sinne von Art. 56 AEUV darstellen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil Bundesdruckerei, C-549/13, EU:C:2014:2235, Rn. 30).
Eine solche nationale Maßnahme kann grundsätzlich durch das Ziel des Arbeitnehmerschutzes gerechtfertigt sein (vgl. in diesem Sinne Urteil Bundesdruckerei, C-549/13, EU:C:2014:2235, Rn. 31).
Wie das vorlegende Gericht ausgeführt hat, stellt sich jedoch die Frage, ob den Rn. 38 bis 40 des Urteils Rüffert (C-346/06, EU:C:2008:189) zu entnehmen ist, dass von einer solchen Rechtfertigung deshalb nicht ausgegangen werden kann, weil das Mindestentgelt, das § 3 Abs. 1 LTTG vorschreibt, nur für öffentliche Aufträge gilt und nicht für private Aufträge.
Dies ist zu verneinen.
Wie sich nämlich aus den Rn. 38 bis 40 des Urteils Rüffert (C-346/06, EU:C:2008:189) ergibt, ist der Gerichtshof im Rahmen der Prüfung der in der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, fraglichen nationalen Maßnahme im Hinblick auf Art. 56 AEUV zwar zu dem Ergebnis gelangt, dass diese Maßnahme nicht durch das Ziel des Arbeitnehmerschutzes gerechtfertigt sein konnte, doch hat er sich dabei auf bestimmte Merkmale der Maßnahme gestützt, durch die sie sich klar von der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Maßnahme unterscheidet.
So hat der Gerichtshof im Urteil Rüffert (C-346/06, EU:C:2008:189) darauf abgestellt, dass die Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, einen nur für die Baubranche geltenden Tarifvertrag betraf, der sich nicht auf private Aufträge erstreckte und nicht für allgemein verbindlich erklärt worden war. Überdies hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass der in diesem Tarifvertrag festgelegte Lohnsatz den für die betreffende Branche nach dem AEntG geltenden Mindestlohnsatz überschritt.
Der durch die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Maßnahme vorgeschriebene Mindestlohnsatz wird in einer Rechtsvorschrift festgelegt, die als zwingende Bestimmung über ein Mindestmaß an Schutz grundsätzlich allgemein und branchenunabhängig für die Vergabe aller öffentlichen Aufträge im Land Rheinland-Pfalz gilt.
Darüber hinaus gewährt diese Rechtsvorschrift ein Mindestmaß an sozialem Schutz, da in dem im Ausgangsverfahren maßgebenden Zeitraum weder das AEntG noch eine andere nationale Regelung einen niedrigeren Mindestlohn für die Branche der Postdienstleistungen vorsah.
Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 26 der Richtlinie 2004/18 dahin auszulegen ist, dass er Rechtsvorschriften einer regionalen Einheit eines Mitgliedstaats wie den im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegensteht, nach denen sich Bieter und deren Nachunternehmer in einer schriftlichen, ihrem Angebot beizufügenden Erklärung verpflichten müssen, den Beschäftigten, die zur Ausführung von Leistungen, die Gegenstand eines öffentlichen Auftrags sind, eingesetzt werden sollen, einen in den betreffenden Rechtsvorschriften festgelegten Mindestlohn zu zahlen.
Zur zweiten Frage
Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 26 der Richtlinie 2004/18 dahin auszulegen ist, dass er Rechtsvorschriften einer regionalen Einheit eines Mitgliedstaats wie den im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die vorsehen, dass Bieter und deren Nachunternehmer von der Beteiligung an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags ausgeschlossen werden, wenn sie sich weigern, sich durch eine schriftliche, ihrem Angebot beizufügende Erklärung zu verpflichten, den Beschäftigten, die zur Ausführung von Leistungen, die Gegenstand des öffentlichen Auftrags sind, eingesetzt werden sollen, einen in den betreffenden Rechtsvorschriften festgelegten Mindestlohn zu zahlen.
Der Antwort auf die erste Frage ist zu entnehmen, dass Art. 26 der Richtlinie 2004/18 dahin auszulegen ist, dass er Rechtsvorschriften einer regionalen Einheit eines Mitgliedstaats wie den im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegensteht, nach denen sich Bieter und deren Nachunternehmer in einer schriftlichen, ihrem Angebot beizufügenden Erklärung verpflichten müssen, den Beschäftigten, die zur Ausführung von Leistungen, die Gegenstand eines öffentlichen Auftrags sind, eingesetzt werden sollen, einen in den betreffenden Rechtsvorschriften festgelegten Mindestlohn zu zahlen.
§ 3 Abs. 1 LTTG sieht ferner vor, dass ein solches Angebot von der Bewertung ausgeschlossen wird, wenn die genannte Erklärung bei Angebotsabgabe fehlt und auch nach Aufforderung nicht vorgelegt wird.
Des Weiteren enthält § 7 LTTG eine Sanktionsregelung für verschiedene Fälle, in denen eine solche schriftliche Verpflichtungserklärung dem Angebot beigefügt, aber bei der Ausführung des öffentlichen Auftrags nicht eingehalten wurde. Im Rahmen des Ausgangsverfahrens, das den Ausschluss eines Bieters betrifft, der sich geweigert hat, seinem Angebot die Verpflichtungserklärung beizufügen, ist diese Regelung nicht einschlägig.
Im vorliegenden Fall wurde RegioPost von der Beteiligung am Verfahren zur Vergabe des fraglichen öffentlichen Auftrags ausgeschlossen, nachdem sie sich geweigert hatte, ein ordnungsgemäßes, ihre schriftliche Erklärung, dass sie die Verpflichtung zur Zahlung des in § 3 Abs. 1 LTTG vorgesehenen Mindestentgelts einhalten werde, enthaltendes Angebot abzugeben.
Der Ausschluss von der Beteiligung an dieser Auftragsvergabe lässt sich indessen nicht als Sanktion qualifizieren. Er ist lediglich die Folge des Versäumnisses, dem Angebot die nach § 3 Abs. 1 LTTG erforderliche schriftliche Verpflichtungserklärung beizufügen. Dieses Erfordernis wird in äußerst transparenter Weise in der betreffenden Vergabebekanntmachung formuliert und soll die Bedeutung der Einhaltung einer durch Art. 26 der Richtlinie 2004/18 ausdrücklich zugelassenen zwingenden Bestimmung über ein Mindestmaß an Schutz von vornherein hervorheben.
Ebenso wie dieser Artikel dem Erfordernis der Abgabe einer schriftlichen Erklärung über die Einhaltung der genannten Bestimmung nicht entgegensteht, gestattet er daher auch einen solchen Ausschluss.
Die Bedeutung der Einhaltung dieser zwingenden Bestimmung über ein Mindestmaß an Schutz ergibt sich überdies explizit aus dem 34. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/18; darin heißt es nämlich, dass die Mitgliedstaaten die Nichteinhaltung der im einschlägigen nationalen Recht vorgeschriebenen Verpflichtungen als schwere Verfehlung oder als Delikt betrachten können, das die berufliche Zuverlässigkeit des Wirtschaftsteilnehmers in Frage stellt und dessen Ausschluss vom Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags zur Folge haben kann.
Im Übrigen ist der den Bietern und gegebenenfalls deren Nachunternehmern durch die Verpflichtung, eine Erklärung über die Einhaltung eines Mindestlohns wie die in § 3 Abs. 1 LTTG vorgesehene beizufügen, auferlegte Zwang zu vernachlässigen, zumal sie sich darauf beschränken können, vorbereitete Formulare auszufüllen.
Die Erforderlichkeit und Angemessenheit des Ausschlusses eines Wirtschaftsteilnehmers von der Beteiligung an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags, wie ihn § 3 Abs. 1 LTTG vorsieht, ergibt sich auch daraus, dass der Ausschluss, wie diese Bestimmung ausdrücklich vorsieht, nur dann erfolgen kann, wenn sich der betreffende Wirtschaftsteilnehmer, nachdem er zur Vervollständigung seines Angebots durch Beifügung der genannten Erklärung aufgefordert wurde, wie im Ausgangsverfahren weigert, der Aufforderung nachzukommen.
Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 26 der Richtlinie 2004/18 dahin auszulegen ist, dass er Rechtsvorschriften einer regionalen Einheit eines Mitgliedstaats wie den im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegensteht, die vorsehen, dass Bieter und deren Nachunternehmer von der Beteiligung an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags ausgeschlossen werden, wenn sie sich weigern, sich durch eine schriftliche, ihrem Angebot beizufügende Erklärung zu verpflichten, den Beschäftigten, die zur Ausführung von Leistungen, die Gegenstand des öffentlichen Auftrags sind, eingesetzt werden sollen, einen in den betreffenden Rechtsvorschriften festgelegten Mindestlohn zu zahlen.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 26 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge in der durch die Verordnung (EU) Nr. 1251/2011 der Kommission vom 30. November 2011 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er Rechtsvorschriften einer regionalen Einheit eines Mitgliedstaats wie den im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegensteht, nach denen sich Bieter und deren Nachunternehmer in einer schriftlichen, ihrem Angebot beizufügenden Erklärung verpflichten müssen, den Beschäftigten, die zur Ausführung von Leistungen, die Gegenstand eines öffentlichen Auftrags sind, eingesetzt werden sollen, einen in den betreffenden Rechtsvorschriften festgelegten Mindestlohn zu zahlen.
Art. 26 der Richtlinie 2004/18 in der durch die Verordnung Nr. 1251/2011 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er Rechtsvorschriften einer regionalen Einheit eines Mitgliedstaats wie den im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegensteht, die vorsehen, dass Bieter und deren Nachunternehmer von der Beteiligung an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags ausgeschlossen werden, wenn sie sich weigern, sich durch eine schriftliche, ihrem Angebot beizufügende Erklärung zu verpflichten, den Beschäftigten, die zur Ausführung von Leistungen, die Gegenstand des öffentlichen Auftrags sind, eingesetzt werden sollen, einen in den betreffenden Rechtsvorschriften festgelegten Mindestlohn zu zahlen.
Unterschriften
( *) Verfahrenssprache: Deutsch.
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