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EuGH 15.11.2012 - C-532/11
EuGH 15.11.2012 - C-532/11 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer) - 15. November 2012 ( *1) - „Richtlinie 77/388/EWG — Mehrwertsteuer — Befreiungen — Art. 13 Teil B Buchst. b — Vermietung und Verpachtung von Grundstücken — Dauerhaft am Ufer eines Flusses vertäutes Hausboot ohne Eigenantrieb — Verpachtung des Hausboots einschließlich der dazugehörenden Steganlage sowie Land- und Wasserfläche — Ausschließliche Bestimmung zur auf Dauer angelegten Nutzung als Restaurant bzw. Diskothek — Einheitliche Leistung“
Leitsatz
In der Rechtssache C-532/11
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art. 267 AEUV, eingereicht vom Oberlandesgericht Köln (Deutschland) mit Entscheidung vom 22. September 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Oktober 2011, in dem Verfahren
Susanne Leichenich
gegen
Ansbert Peffekoven,
Ingo Horeis,
Beteiligte:
Dr. Leyh, Dr. Kossow & Dr. Ott KG, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Steuerberatungsgesellschaft,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung der Richterin R. Silva de Lapuerta in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer sowie der Richter K. Lenaerts, E. Juhász (Berichterstatter), G. Arestis und J. Malenovský,
Generalanwalt: J. Mazák,
Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. September 2012,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
von S. Leichenich, vertreten durch Rechtsanwalt H. Bister,
von A. Peffekoven und I. Horeis, vertreten durch die Rechtsanwälte A. Funke und R. Lenzen,
der Dr. Leyh, Dr. Kossow & Dr. Ott KG, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Steuerberatungsgesellschaft, vertreten durch die Rechtsanwälte T. Wahlen und S. Schneider,
der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und K. Petersen als Bevollmächtigte,
der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Soulay und B.-R. Killmann als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Leichenich, der Eigentümerin eines Hausboots, auf der einen Seite und Herrn Peffekoven sowie Herrn Horeis, ihren Steuerberatern, auf der anderen Seite über die Mehrwertsteuerpflichtigkeit eines Umsatzes in Form der Verpachtung dieses Hausboots, das dauerhaft am Ufer eines Flusses vertäut und zur Nutzung als Restaurant bzw. Diskothek bestimmt ist.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Art. 2 der Sechsten Richtlinie, der zu Abschnitt II („Steueranwendungsbereich“) gehört, bestimmt:
„Der Mehrwertsteuer unterliegen:
Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt;
…“
Art. 13 („Steuerbefreiungen im Inland“) Teil B („Sonstige Steuerbefreiungen“) der Sechsten Richtlinie sieht vor:
„Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:
…
die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken mit Ausnahme
der Gewährung von Unterkunft im Hotelgewerbe entsprechend den gesetzlichen Begriffsbestimmungen der Mitgliedstaaten oder in Sektoren mit ähnlicher Zielsetzung, einschließlich der Vermietung in Ferienlagern oder auf als Campingplätze erschlossenen Grundstücken,
der Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen,
der Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen,
der Vermietung von Schließfächern.
Die Mitgliedstaaten können weitere Ausnahmen vom Geltungsbereich dieser Befreiung vorsehen;
…“
Der Inhalt der oben angeführten Vorschrift der Sechsten Richtlinie wurde nahezu unverändert in Art. 135 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1) übernommen, die eine Neufassung der Sechsten Richtlinie und ihrer aufeinanderfolgenden Änderungen darstellt.
Art. 38 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom 15. März 2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 77, S. 1), der zu Unterabschnitt 10 („Vermietung von Beförderungsmitteln“) dieser Verordnung gehört, sieht vor:
„(1) Als ‚Beförderungsmittel‘ im Sinne von Artikel 56 und Artikel 59 Unterabsatz 1 Buchstabe g der Richtlinie 2006/112/EG gelten motorbetriebene Fahrzeuge oder Fahrzeuge ohne Motor und sonstige Ausrüstungen und Vorrichtungen, die zur Beförderung von Gegenständen oder Personen von einem Ort an einen anderen konzipiert wurden und von Fahrzeugen gezogen oder geschoben werden können und die normalerweise zur Beförderung von Gegenständen oder Personen konzipiert und tatsächlich geeignet sind.
…
(3) Als Beförderungsmittel nach Absatz 1 gelten nicht Fahrzeuge, die dauerhaft stillgelegt sind, sowie Container.“
Deutsches Recht
§ 4 des Umsatzsteuergesetzes sieht vor:
„Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei:
…
die Vermietung und die Verpachtung von Grundstücken, von Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und von staatlichen Hoheitsrechten, die Nutzungen von Grund und Boden betreffen,
die Überlassung von Grundstücken und Grundstücksteilen zur Nutzung auf Grund eines auf Übertragung des Eigentums gerichteten Vertrags oder Vorvertrags,
die Bestellung, die Übertragung und die Überlassung der Ausübung von dinglichen Nutzungsrechten an Grundstücken.
Nicht befreit sind die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält, die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen, die kurzfristige Vermietung auf Campingplätzen und die Vermietung und die Verpachtung von Maschinen und sonstigen Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtungen), auch wenn sie wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind“.
Ein Grundstück ist nach deutschem Recht unabhängig von der Nutzungsart ein räumlich abgegrenzter Teil der Erdoberfläche, der im Bestandsverzeichnis eines Grundbuchblatts unter einer besonderen Nummer oder nach der Grundbuchordnung gebucht ist. Ob ein Gebäude Bestandteil eines Grundstücks ist, richtet sich im Rahmen der nationalen Steuerrechtsprechung grundsätzlich nach den Vorschriften des allgemeinen Zivilrechts, hier § 94 des Bürgerlichen Gesetzbuchs („Wesentliche Bestandteile eines Grundstücks oder Gebäudes“), der in Abs. 1 vorsieht:
„Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehören die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere Gebäude …“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
Aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten geht hervor, dass Frau Leichenich im Jahr 1999 mit der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV), einen Nutzungsvertrag über eine am linken Rheinufer in der Nähe der Stadt Köln gelegene Landfläche und eine daran angrenzende Wasserfläche, d. h. einen Teil des Flusses, geschlossen hat. Nach diesem Vertrag überließ die WSV die Flächen den Nutzern zum Zwecke des Betriebs eines Hausboots mit Steganlage als Restaurant. Das betreffende Hausboot liegt seit vielen Jahren, ohne bewegt worden zu sein, fest vertäut an derselben Örtlichkeit und wird dort von Leinen, Ketten und Ankern gehalten. Es besitzt keinen Motor oder Eigenantrieb. Außerdem ist es an das Wasser- und das Stromversorgungsnetz angeschlossen und verfügt über eine Adresse, einen Telefonanschluss sowie einen Abwasserkanal.
Mit Vertrag vom 1. Februar 2000 verpachtete Frau Leichenich das Hausboot mitsamt zugehöriger Steganlage und Fläche an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die das Hausboot ausschließlich als Gaststätte und später als Diskothek nutzte. Auf den Pachtbetrag wurde keine Mehrwertsteuer entrichtet, weil es sich nach Ansicht der Steuerberater von Frau Leichenich um die Verpachtung eines Grundstücks handelte. Im Rahmen einer Prüfung, die das örtlich zuständige Finanzamt Köln-Altstadt für die Jahre 2000 bis 2003 durchführte – während dieses Zeitraums war Frau Leichenich alleinige Eigentümerin der verpachteten Gegenstände –, gelangte dieses jedoch zu der Auffassung, dass die Verpachtung eine bewegliche Sache betreffe und somit umsatzsteuerpflichtig sei.
Frau Leichenich erhob daraufhin gegen ihre Steuerberater beim Landgericht Köln eine zivilrechtliche Klage auf Erstattung der gezahlten Umsatzsteuerbeträge. Das Landgericht stellte mit Urteil vom 9. Dezember 2010 unter Bezugnahme auf das Urteil des Gerichtshofs vom 16. Januar 2003, Maierhofer (C-315/00, Slg. 2003, I-563), fest, dass das Hausboot weder ein Grundstück noch ein wesentlicher Bestandteil eines Grundstücks sei, da eine feste Verbindung mit Grund und Boden nicht vorliege. Das Hausboot könne nämlich, wenn auch mit gewisser Vorbereitung und unter Einsatz von Fachpersonal, innerhalb von einigen Stunden versetzt werden. Folglich handele es sich um eine bewegliche Sache, die nicht unter die in Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie vorgesehene Ausnahme falle.
Das mit der Berufung gegen dieses Urteil befasste Oberlandesgericht Köln führt aus, dass der Pachtvertrag nach seinen Bestimmungen nicht nur die Verpachtung des Hausboots und der Steganlage umfasse, sondern sich auch auf die dazugehörigen Wasser- und Landflächen erstrecke. Die ortsfeste und auf Dauer angelegte Nutzung des Hausboots und der Steganlage sei deshalb untrennbar mit der Nutzung der dazugehörigen Wasser- und Uferflächen verbunden. Denn durch die ortsfeste Nutzung des Hausboots sei die darunter befindliche Wasserfläche einer anderweitigen Nutzung, z. B. für den öffentlichen Verkehr, auf Dauer entzogen. Mit anderen Worten sei gemäß dem Vertrag ein Teil des Flusses und damit ein Teil des Grund und Bodens verpachtet worden. Die im Vertrag vereinbarte Verpachtung des Hausboots und der dazugehörigen Steganlage umfasse daher zwangsläufig auch die Nutzung und Überlassung der Wasser- und Landflächen, die zuvor Frau Leichenich durch den mit der WSV geschlossenen Vertrag überlassen worden seien.
Das vorlegende Gericht legt zudem dar, dass das Hausboot nach dem Vertrag nur an der konkret festgelegten Örtlichkeit genutzt werden dürfe und nicht zur Ortsveränderung bestimmt sei. Im Übrigen befinde es sich seit vielen Jahren an derselben Stelle. Da mit dem Pachtvertrag den Pächtern der Grund und Boden zur ortsfesten Nutzung des Hausboots überlassen worden sei und dieses über einen Telefonanschluss, Versorgungsleitungen und sogar über einen Abwasserkanal verfüge, könne das Hausboot aufgrund einer funktionellen Betrachtungsweise als ein Gebäude im Sinne der Sechsten Richtlinie angesehen werden, wobei auf einer Wasserfläche naturgemäß keine mit einem Gebäude auf einer Landfläche vergleichbare feste Verbindung mit dem Grund und Boden bestehen könne.
Ferner fragt sich das vorlegende Gericht, ob umsatzsteuerrechtlich zwischen der Verpachtung des Teils der Grundstücksfläche, der das Hausboot betreffe, und der Verpachtung des Teils zu differenzieren sei, der für die Steganlage genutzt werde, die nach dem Wortlaut des Vertrags für eine Nutzung als Bootsanlegeplatz überlassen worden sei. Es stelle sich die Frage, ob diese letztgenannte Leistung nicht als Nebenleistung im Rahmen eines einheitlichen Vertrags anzusehen sei, da die Überlassung der Steganlage ganz oder überwiegend dem Zweck diene, den Zugang zu dem Hausboot zu ermöglichen.
Aufgrund dieser Erwägungen hat das Oberlandesgericht Köln beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen, dass der Begriff der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken die Vermietung eines Hausboots, einschließlich der dazugehörenden Liegefläche und Steganlage, umfasst, das ausschließlich zur ortsfesten und auf Dauer angelegten Nutzung als Restaurant/Diskothekenbetrieb an einem abgegrenzten und identifizierbaren Liegeplatz im Wasser bestimmt ist? Kommt es für die Beurteilung auf die Art und Weise der Verbindung des Hausboots mit dem Grund und Boden oder auf den mit der Lösung der Befestigungen des Bootes verbundenen Aufwand an?
Wenn die Vorlagefrage 1 Satz 1 bejaht wird:
Ist Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie dahin gehend auszulegen, dass der Begriff „Fahrzeuge“, der nach dem Urteil des Gerichtshofs vom 3. März 2005, Fonden Marselisborg Lystbådehavn (C-428/02, Slg. 2005, I-1527), auch Boote umfasst, nicht anwendbar ist auf ein verpachtetes Hausboot, das über keinen Eigenantrieb (Motor) verfügt und das zur ausschließlichen und auf Dauer angelegten Nutzung an der konkreten Örtlichkeit und nicht zum Zwecke der Fortbewegung verpachtet worden ist? Stellt die Verpachtung des Hausboots und der Steganlage einschließlich der dazugehörigen Land- und Wasserflächen eine einheitliche steuerfreie Leistung dar, oder ist gegebenenfalls zwischen der Vermietung des Hausboots und der Steganlage umsatzsteuerrechtlich zu differenzieren?
Zur ersten Frage und zum zweiten Teil der zweiten Frage
Mit seiner ersten Frage und dem zweiten Teil seiner zweiten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie dahin gehend auszulegen ist, dass der Begriff der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken die Verpachtung eines Hausboots einschließlich der dazugehörenden Liegefläche und Steganlage umfasst, das mit nicht leicht zu lösenden Befestigungen, die am Ufer und auf dem Grund eines Flusses angebracht sind, ortsfest gehalten wird, an einem abgegrenzten und identifizierbaren Liegeplatz im Fluss liegt und nach den Bestimmungen des Pachtvertrags ausschließlich zur auf Dauer angelegten Nutzung als Restaurant bzw. Diskothek an diesem Liegeplatz bestimmt ist. Es möchte ferner wissen, ob die Verpachtung des Hausboots und die der Steganlage eine einheitliche steuerfreie Leistung darstellen.
Insoweit ist einleitend darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die in Art. 13 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Befreiungen eigenständige Begriffe des Unionsrechts darstellen und daher eine unionsrechtliche Definition erhalten müssen und dass die Auslegung des Begriffs der Vermietung eines Grundstücks im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie nicht von der Auslegung abhängen kann, die ihm im Zivilrecht eines Mitgliedstaats gegeben wird (Urteil Maierhofer, Randnrn. 25 und 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass im Rahmen der Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Gerichten der Union und den Gerichten der Mitgliedstaaten der Gerichtshof in Bezug auf den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen, in den sich die Vorlagefrage einfügt, von den Feststellungen des vorlegenden Gerichts auszugehen hat (Urteil vom 20. Mai 2010, Harms, C-434/08, Slg. 2010, I-4431, Randnr. 33).
Nach den tatsächlichen Feststellungen, die das vorlegende Gericht in der vorliegenden Rechtssache getroffen hat, ist der Pachtvertrag nicht auf die Verpachtung des Hausboots und der Steganlage beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf die dazugehörigen Wasser- und Landflächen, wobei die Nutzung des Hausboots und der Steganlage untrennbar mit der Inanspruchnahme dieser anderen Elemente verbunden ist. Zudem besteht der Zweck der Verpachtung ausschließlich in der Nutzung des Hausboots – zusammen mit der Steganlage – als Restaurant bzw. Diskothek.
Infolge dieser Feststellungen des vorlegenden Gerichts ist die Situation des Hausboots nicht isoliert, sondern unter Berücksichtigung seiner Einbettung an seinem Liegeplatz zu prüfen.
Angesichts dieser tatsächlichen Umstände ist festzustellen, dass der nicht von Wasser bedeckte Teil des Bodens, der im Ausgangsverfahren der Fläche entspricht, die an den Liegeplatz des Hausboots im Wasser angrenzt, ein Grundstück darstellt. Ebenso stellt der überflutete und abgegrenzte Teil des Flussbettes, der mit dem Flusswasser bedeckt ist, auf dem das Hausboot schwimmt, ein Grundstück dar (vgl. in diesem Sinne Urteile Fonden Marselisborg Lystbådehavn, Randnr. 34, und vom 6. Dezember 2007, Walderdorff, C-451/06, Slg. 2007, I-10637, Randnr. 19). Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass die Nutzung des Hausboots jede andere Nutzung der darunter befindlichen Wasserfläche auf Dauer ausschließe.
Das Hausboot, der nicht mit Wasser bedeckte Teil des Bodens und der überflutete Teil des Flussbettes bilden eine Gesamtheit, die der Hauptgegenstand des Pachtvertrags ist.
Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass das Hausboot, das über keinen Eigenantrieb verfügt, seit vielen Jahren ortsfest auf diesem Teil des Flusswassers liegt. Es ist mit Ankern mit dem abgegrenzten Teil des Flussbettes verbunden und mit Ketten und Leinen am Ufer vertäut. Diese Vorrichtungen zur Immobilisierung des Hausboots lassen sich nicht leicht entfernen, d. h. nicht ohne Aufwand und erhebliche Kosten. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs muss eine Konstruktion nicht untrennbar mit dem Boden verbunden sein, um für die Anwendung der mehrwertsteuerrechtlichen Vorschriften als Immobilie angesehen zu werden (Urteil Maierhofer, Randnr. 33).
Nach den Bestimmungen des Pachtvertrags, der für eine Dauer von fünf Jahren geschlossen wurde und in keiner Weise einen Willen der Parteien erkennen lässt, der Nutzung des Hausboots einen gelegentlichen oder vorübergehenden Charakter zu verleihen, ist das Hausboot ausschließlich zu einer auf Dauer angelegten Nutzung als Restaurant bzw. Diskothek bestimmt. Es verfügt zudem über eine Postadresse sowie einen Telefonanschluss und ist an das Wasser- und Stromversorgungsnetz angeschlossen.
Angesichts der Verbindung zwischen dem Hausboot und den Bestandteilen, die seinen Liegeplatz ausmachen, und des Umstands, dass es an diesen Bestandteilen, durch die sichergestellt wird, dass es praktisch ein Teil dieses als Ganzes betrachteten Raums ist, befestigt ist, und unter zusätzlicher Berücksichtigung des Vertrags, in dem das Hausboot ausschließlich und auf Dauer zur Nutzung als Restaurant bzw. Diskothek an diesem Liegeplatz bestimmt wird, sowie des Umstands, dass es an verschiedene Netze angeschlossen ist, ist der Komplex, der aus dem Hausboot und den Bestandteilen gebildet wird, die den Liegeplatz ausmachen, wo es vertäut ist, für die Anwendung der in Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Befreiung als Grundstück anzusehen.
Die Europäische Kommission weist zutreffend darauf hin, dass es für die Vertragsparteien angesichts des von ihnen verfolgten Ziels und der Funktion, die sie dem Hausboot zugedacht haben, aus wirtschaftlicher Sicht keinen Unterschied macht, ob es sich um ein – beispielsweise mit Pfählen – fest mit dem Erdreich verbundenes Gebäude handelt oder um ein bloßes Hausboot wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende.
Dem Vorbringen der deutschen Regierung, der Hauptgegenstand des Vertrags bestehe in der Verpachtung des Hausboots unabhängig von dem Platz, an dem es vertäut sei, kann nicht gefolgt werden, da die Lage für die Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit eines Restaurants von erheblicher Bedeutung ist. Der Pachtvertrag und die Pachthöhe wurden im Ausgangsverfahren in Abhängigkeit vom Liegeplatz des Hausboots festgelegt, der sich insbesondere in der Nähe eines großen Ballungsraums befindet und einen leichten Zugang zu dem Restaurantboot ermöglicht.
Ferner ist hervorzuheben, dass die Zurverfügungstellung der Steganlage nach der Vorlageentscheidung in erster Linie bezweckt, den Zugang zu dem Hausboot zu ermöglichen. Somit zeigt sich, dass das Hausboot zusammen mit den Bestandteilen, die seinen Liegeplatz ausmachen, nämlich dem nicht überfluteten und dem überfluteten Teil des Bodens sowie der dazu gehörenden Wasserfläche und Steganlage, eine funktionelle und wirtschaftliche Einheit bildet und dass der Pachtvertrag, der alle diese Bestandteile umfasst, eine einheitliche Leistung darstellt, in deren Rahmen die Verpachtung der Steganlage im Verhältnis zur Verpachtung des Hausboots akzessorisch ist. Demzufolge ist die Verpachtung dieser Steganlage aus mehrwertsteuerlicher Sicht nicht als getrennte Leistung anzusehen.
Nach alledem ist auf die erste Frage und den zweiten Teil der zweiten Frage zu antworten, dass Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass der Begriff der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken die Verpachtung eines Hausboots einschließlich der dazugehörenden Liegefläche und Steganlage umfasst, das mit nicht leicht zu lösenden Befestigungen, die am Ufer und auf dem Grund eines Flusses angebracht sind, ortsfest gehalten wird, an einem abgegrenzten und identifizierbaren Liegeplatz im Fluss liegt und nach den Bestimmungen des Pachtvertrags ausschließlich zur auf Dauer angelegten Nutzung als Restaurant bzw. Diskothek an diesem Liegeplatz bestimmt ist. Diese Verpachtung stellt eine einheitliche steuerfreie Leistung dar, ohne dass zwischen der Verpachtung des Hausboots und der der Steganlage zu differenzieren wäre.
Zum ersten Teil der zweiten Frage
Mit dem ersten Teil dieser Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob ein Hausboot wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende für die Zwecke der Anwendung der in Art. 13 Teil B Buchst. b Nr. 2 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Befreiung ein „Fahrzeug“ darstellt.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist der in dieser Bestimmung verwendete Begriff „Fahrzeug“ dahin auszulegen, dass er „alle Beförderungsmittel“ einschließlich Boote umfasst (vgl. Urteil Fonden Marselisborg Lystbådehavn, Randnr. 44). Entsprechend der üblichen Bedeutung dieser Wörter handelt es sich um Mittel, die zur Beförderung von Personen oder Waren eingesetzt werden, d. h. um konkret für diese Funktion verwendete Mittel.
Dieses Verständnis des Begriffs „Fahrzeug“, das auf der konkreten Funktion und Nutzung der entsprechenden Sache beruht, wird durch Art. 38 Abs. 1 und 3 der Verordnung Nr. 282/2011 bestätigt, der im Hinblick auf die Einstufung eines Fahrzeugs als „Beförderungsmittel“ gerade darauf abstellt, dass es zur Beförderung von Gegenständen oder Personen bestimmt ist, und von dieser Einstufung Fahrzeuge ausnimmt, die dauerhaft stillgelegt sind. Diese Verordnung, die auf das Ausgangsverfahren in zeitlicher Hinsicht keine Anwendung findet, verdeutlicht und klärt jedoch Begriffe, die sich in der mehrwertsteuerrechtlichen Regelung finden und seit deren Einführung anwendbar sind.
Demnach kommt es nicht auf die ursprüngliche Bestimmung eines Gegenstands, sondern auf seine konkrete und gegenwärtige Funktion an. Die ursprüngliche Bestimmung eines Gegenstands kann ihm nämlich nicht endgültig – ungeachtet einer Änderung seiner tatsächlichen Nutzung – eine bestimmte mehrwertsteuerrechtliche Behandlung sichern.
Wie sich aber aus den Akten ergibt, die dem Gerichtshof zur Verfügung gestellt worden sind, ist das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Hausboot, das wohl anfänglich zu einer Nutzung als Beförderungsmittel konzipiert wurde, während der letzten 30 Jahre nicht zu diesem Zweck genutzt worden und befand sich in diesem Zeitraum auf Dauer ortsfest an derselben Stelle am linken Rheinufer. Außerdem haben die Vertragsparteien nach den Bestimmungen des Pachtvertrags in keiner Weise eine Absicht zum Ausdruck gebracht, das Hausboot während der Laufzeit des Vertrags als Beförderungsmittel zu nutzen, und ihm eine ganz andere Funktion zugedacht. Daher kann dieses Hausboot im Hinblick auf die mehrwertsteuerrechtlichen Vorschriften nicht als Fahrzeug angesehen werden.
Dem Vorbringen der deutschen Regierung, die Funktion des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Restaurantboots sei mit der eines Restaurantschiffs vergleichbar, mit dem kurze Ausflugsfahrten auf einem Fluss wie dem Rhein oder der Mosel durchgeführt würden – wobei es sich sicher um ein Beförderungsmittel handelt –, kann nicht gefolgt werden. Bei einem Komplex wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, der aus einem Hausboot sowie der dazugehörenden Liegefläche und Steganlage besteht, handelt es sich nämlich um ein Grundstück, mit dem ausschließlich der Zweck verfolgt wird, Bewirtungs- und Unterhaltsdienstleistungen in einem besonderen Rahmen anzubieten, während Restaurantschiffe, mit denen Ausflugsfahrten auf einem Fluss durchgeführt werden, Fahrzeuge sind, die zur Erbringung sowohl von Bewirtungs- als auch von Fremdenverkehrsdienstleistungen eingesetzt werden. Demzufolge kann ihre Situation nicht mit der Lage im Ausgangsverfahren verglichen werden.
Wie die Kommission im Hinblick auf den Grundsatz der steuerlichen Neutralität zutreffend bemerkt hat, ist die Funktion des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Hausboots mit der einer als Gaststätte genutzten Immobilie, die sich in seiner Nähe an Land befände, vergleichbar. Das Restaurant bzw. die Diskothek auf dem Hausboot steht demnach in wirtschaftlichem Wettbewerb mit entsprechenden Einrichtungen, die sich in mit dem Boden verbundenen Gebäuden befinden.
Nach alledem ist auf den ersten Teil der zweiten Frage zu antworten, dass ein Hausboot wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende kein Fahrzeug im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. b Nr. 2 der Sechsten Richtlinie darstellt.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass der Begriff der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken die Verpachtung eines Hausboots einschließlich der dazugehörenden Liegefläche und Steganlage umfasst, das mit nicht leicht zu lösenden Befestigungen, die am Ufer und auf dem Grund eines Flusses angebracht sind, ortsfest gehalten wird, an einem abgegrenzten und identifizierbaren Liegeplatz im Fluss liegt und nach den Bestimmungen des Pachtvertrags ausschließlich zur auf Dauer angelegten Nutzung als Restaurant bzw. Diskothek an diesem Liegeplatz bestimmt ist. Diese Verpachtung stellt eine einheitliche steuerfreie Leistung dar, ohne dass zwischen der Verpachtung des Hausboots und der der Steganlage zu differenzieren wäre.
Ein solches Hausboot stellt kein Fahrzeug im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. b Nr. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 dar.
Unterschriften
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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