Rechtsdatenbank
Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
Rechtsdatenbank
Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
EuGH 25.11.2021 - C-372/20
EuGH 25.11.2021 - C-372/20 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer) - 25. November 2021 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 45 und 48 AEUV – Freizügigkeit der Arbeitnehmer – Gleichbehandlung – Familienleistungen, die Entwicklungshelfern gewährt werden, die ihre Familienangehörigen an ihren Einsatzort im Drittland mitnehmen – Abschaffung – Art. 288 Abs. 2 AEUV – Rechtsakte der Union – Tragweite von Verordnungen – Nationale Regelung, deren persönlicher Geltungsbereich über den einer Verordnung hinausgeht – Voraussetzungen – Verordnung (EG) Nr. 883/2004 – Art. 11 Abs. 3 Buchst. a und e – Geltungsbereich – Arbeitnehmerin mit Staatsbürgerschaft eines Mitgliedstaats, die bei einem Arbeitgeber mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als Entwicklungshelferin beschäftigt ist und in ein Drittland entsendet wird – Art. 68 Abs. 3 – Recht des Antragstellers auf Familienleistungen, nur einen einzigen Antrag einzubringen, nämlich beim Träger des vorrangig zuständigen Mitgliedstaats oder beim Träger des nachrangig zuständigen Mitgliedstaats“
Leitsatz
In der Rechtssache C-372/20
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzgericht (Österreich) mit Entscheidung vom 30. Juli 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 6. August 2020, in dem Verfahren
QY
gegen
Finanzamt Österreich, vormals Finanzamt für den 8., 16. und 17. Bezirk in Wien,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Siebten Kammer J. Passer in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Achten Kammer sowie der Richter F. Biltgen (Berichterstatter) und N. Wahl,
Generalanwalt: J. Richard de la Tour,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
der österreichischen Regierung, vertreten durch J. Schmoll, E. Samoilova und A. Posch als Bevollmächtigte,
der Europäischen Kommission, vertreten durch B.-R. Killmann und D. Martin als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 2 und 3 EUV, Art. 4 Abs. 4, Art. 45, Art. 208 und Art. 288 AEUV, Art. 7, Art. 11 Abs. 3 Buchst. a und e, Art. 67 und Art. 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2004, L 166, S. 1, Berichtigungen in ABl. 2004, L 200, S. 1, und ABl. 2015, L 213, S. 65), Art. 11 und Art. 60 Abs. 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung Nr. 883/2004 (ABl. 2009, L 284, S. 1) sowie Art. 7 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. 2011, L 141, S. 1).
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens, QY, und dem Finanzamt Österreich, vormals Finanzamt für den 8., 16. und 17. Bezirk in Wien (Österreich) (im Folgenden: Finanzamt), wegen dessen Weigerung, ihr Familienbeihilfe zu gewähren.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Verordnung Nr. 883/2004
Die Erwägungsgründe 12 und 16 der Verordnung Nr. 883/2004 lauten:
Im Lichte der Verhältnismäßigkeit sollte sichergestellt werden, dass der Grundsatz der Gleichstellung von Sachverhalten oder Ereignissen nicht zu sachlich nicht zu rechtfertigenden Ergebnissen oder zum Zusammentreffen von Leistungen gleicher Art für denselben Zeitraum führt.
…
Innerhalb der Gemeinschaft ist es grundsätzlich nicht gerechtfertigt, Ansprüche der sozialen Sicherheit vom Wohnort der betreffenden Person abhängig zu machen; in besonderen Fällen jedoch – vor allem bei besonderen Leistungen, die an das wirtschaftliche und soziale Umfeld der betreffenden Person gebunden sind – könnte der Wohnort berücksichtigt werden.“
In Art. 1 Buchst. z der Verordnung Nr. 883/2004 heißt es:
„[Der Ausdruck] ‚Familienleistungen‘ [bezeichnet] alle Sach- oder Geldleistungen zum Ausgleich von Familienlasten, mit Ausnahme von Unterhaltsvorschüssen und besonderen Geburts- und Adoptionsbeihilfen nach Anhang I.“
Art. 2 („Persönlicher Geltungsbereich“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 lautet:
„Diese Verordnung gilt für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen.“
Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 bestimmt:
„Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften, die folgende Zweige der sozialen Sicherheit betreffen:
…
j) Familienleistungen.“
Art. 4 („Gleichbehandlung“) der Verordnung Nr. 883/2004 lautet:
„Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates.“
Art. 5 („Gleichstellung von Leistungen, Einkünften, Sachverhalten oder Ereignissen“) der Verordnung Nr. 883/2004 sieht vor:
„Sofern in dieser Verordnung nicht anderes bestimmt ist, gilt unter Berücksichtigung der besonderen Durchführungsbestimmungen Folgendes:
Hat nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats der Bezug von Leistungen der sozialen Sicherheit oder sonstiger Einkünfte bestimmte Rechtswirkungen, so sind die entsprechenden Rechtsvorschriften auch bei Bezug von nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gewährten gleichartigen Leistungen oder bei Bezug von in einem anderen Mitgliedstaat erzielten Einkünften anwendbar.
Hat nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats der Eintritt bestimmter Sachverhalte oder Ereignisse Rechtswirkungen, so berücksichtigt dieser Mitgliedstaat die in einem anderen Mitgliedstaat eingetretenen entsprechenden Sachverhalte oder Ereignisse, als ob sie im eigenen Hoheitsgebiet eingetreten wären.“
Art. 7 der Verordnung Nr. 883/2004 lautet:
„Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, dürfen Geldleistungen, die nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten oder nach dieser Verordnung zu zahlen sind, nicht aufgrund der Tatsache gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden, dass der Berechtigte oder seine Familienangehörigen in einem anderen als dem Mitgliedstaat wohnt bzw. wohnen, in dem der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat.“
In Art. 11 („Allgemeine Regelung“) der Verordnung Nr. 883/2004 heißt es:
„(1) Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.
…
(3) Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt Folgendes:
eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;
ein Beamter unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, dem die ihn beschäftigende Verwaltungseinheit angehört;
eine Person, die nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats Leistungen bei Arbeitslosigkeit gemäß Artikel 65 erhält, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;
eine zum Wehr- oder Zivildienst eines Mitgliedstaats einberufene oder wiedereinberufene Person unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;
jede andere Person, die nicht unter die Buchstaben a) bis d) fällt, unterliegt unbeschadet anders lautender Bestimmungen dieser Verordnung, nach denen ihr Leistungen aufgrund der Rechtsvorschriften eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten zustehen, den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats.
…“
Die Art. 12 bis 16 der Verordnung Nr. 883/2004 enthalten Sonderregelungen, die für Personen gelten, die entsandt sind (Art. 12), die Tätigkeiten in zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausüben (Art. 13), die sich für eine freiwillige Versicherung oder eine freiwillige Weiterversicherung entschieden haben (Art. 14), die Hilfskräfte der Europäischen Organe sind (Art. 15), sowie Ausnahmen von den Art. 11 bis 15 dieser Verordnung (Art. 16).
Die Art. 67 und 68 der Verordnung Nr. 883/2004 sind in deren Titel III Kapitel 8 („Familienleistungen“) enthalten. Art. 67 („Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen“) bestimmt:
„Eine Person hat auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden. Ein Rentner hat jedoch Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des für die Rentengewährung zuständigen Mitgliedstaats.“
Art. 68 („Prioritätsregeln bei Zusammentreffen von Ansprüchen“) der Verordnung Nr. 883/2004 lautet:
„(1) Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten folgende Prioritätsregeln:
Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge: an erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.
Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach den folgenden subsidiären Kriterien:
bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung. Im letztgenannten Fall werden die Kosten für die Leistungen nach in der Durchführungsverordnung festgelegten Kriterien aufgeteilt;
bei Ansprüchen, die durch den Bezug einer Rente ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass nach diesen Rechtsvorschriften eine Rente geschuldet wird, und subsidiär gegebenenfalls die längste Dauer der nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten;
bei Ansprüchen, die durch den Wohnort ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder.
(2) Bei Zusammentreffen von Ansprüchen werden die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Absatz 1 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren. Ein derartiger Unterschiedsbetrag muss jedoch nicht für Kinder gewährt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird.
(3) Wird nach Artikel 67 beim zuständigen Träger eines Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften gelten, aber nach den Prioritätsregeln der Absätze 1 und 2 des vorliegenden Artikels nachrangig sind, ein Antrag auf Familienleistungen gestellt, so gilt Folgendes:
Dieser Träger leitet den Antrag unverzüglich an den zuständigen Träger des Mitgliedstaats weiter, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, teilt dies der betroffenen Person mit und zahlt unbeschadet der Bestimmungen der Durchführungsverordnung über die vorläufige Gewährung von Leistungen erforderlichenfalls den in Absatz 2 genannten Unterschiedsbetrag;
der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, bearbeitet den Antrag, als ob er direkt bei ihm gestellt worden wäre; der Tag der Einreichung des Antrags beim ersten Träger gilt als der Tag der Einreichung bei dem Träger, der vorrangig zuständig ist.“
Verordnung Nr. 987/2009
Art. 11 der Verordnung Nr. 987/2009 sieht vor:
„(1) Besteht eine Meinungsverschiedenheit zwischen den Trägern von zwei oder mehreren Mitgliedstaaten über die Feststellung des Wohnortes einer Person, für die die [Verordnung Nr. 883/2004] gilt, so ermitteln diese Träger im gegenseitigen Einvernehmen den Mittelpunkt der Interessen dieser Person und stützen sich dabei auf eine Gesamtbewertung aller vorliegenden Angaben zu den einschlägigen Fakten, wozu gegebenenfalls die Folgenden gehören können:
Dauer und Kontinuität des Aufenthalts im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats;
die Situation der Person, einschließlich
der Art und der spezifischen Merkmale jeglicher ausgeübten Tätigkeit, insbesondere des Ortes, an dem eine solche Tätigkeit in der Regel ausgeübt wird, der Dauerhaftigkeit der Tätigkeit und der Dauer jedes Arbeitsvertrags,
ihrer familiären Verhältnisse und familiären Bindungen,
der Ausübung einer nicht bezahlten Tätigkeit,
im Falle von Studierenden ihrer Einkommensquelle,
ihrer Wohnsituation, insbesondere deren dauerhafter Charakter,
des Mitgliedstaats, der als der steuerliche Wohnsitz der Person gilt.
(2) Können die betreffenden Träger nach Berücksichtigung der auf die maßgebenden Fakten gestützten verschiedenen Kriterien nach Absatz 1 keine Einigung erzielen, gilt der Wille der Person, wie er sich aus diesen Fakten und Umständen erkennen lässt, unter Einbeziehung insbesondere der Gründe, die die Person zu einem Wohnortwechsel veranlasst haben, bei der Bestimmung des tatsächlichen Wohnortes dieser Person als ausschlaggebend.“
Art. 60 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 987/2009 bestimmt:
„(2) Der nach Absatz 1 in Anspruch genommene Träger prüft den Antrag anhand der detaillierten Angaben des Antragstellers und berücksichtigt dabei die gesamten tatsächlichen und rechtlichen Umstände, die die familiäre Situation des Antragstellers ausmachen.
Kommt dieser Träger zu dem Schluss, dass seine Rechtsvorschriften nach Artikel 68 Absätze 1 und 2 der [Verordnung Nr. 883/2004] prioritär anzuwenden sind, so zahlt er die Familienleistungen nach den von ihm angewandten Rechtsvorschriften.
Ist dieser Träger der Meinung, dass aufgrund der Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats ein Anspruch auf einen Unterschiedsbetrag nach Artikel 68 Absatz 2 der [Verordnung Nr. 883/2004] bestehen könnte, so übermittelt er den Antrag unverzüglich dem zuständigen Träger des anderen Mitgliedstaats und informiert die betreffende Person; außerdem unterrichtet er den Träger des anderen Mitgliedstaats darüber, wie er über den Antrag entschieden hat und in welcher Höhe Familienleistungen gezahlt wurden.
(3) Kommt der Träger, bei dem der Antrag gestellt wurde, zu dem Schluss, dass seine Rechtsvorschriften zwar anwendbar, aber nach Artikel 68 Absätze 1 und 2 der [Verordnung Nr. 883/2004] nicht prioritär anwendbar sind, so trifft er unverzüglich eine vorläufige Entscheidung über die anzuwendenden Prioritätsregeln, leitet den Antrag nach Artikel 68 Absatz 3 der [Verordnung Nr. 883/2004] an den Träger des anderen Mitgliedstaats weiter und informiert auch den Antragsteller darüber. Dieser Träger nimmt innerhalb einer Frist von zwei Monaten zu der vorläufigen Entscheidung Stellung.
Falls der Träger, an den der Antrag weitergeleitet wurde, nicht innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Antrags Stellung nimmt, wird die oben genannte vorläufige Entscheidung anwendbar und zahlt dieser Träger die in seinen Rechtsvorschriften vorgesehenen Leistungen und informiert den Träger, an den der Antrag gerichtet war, über die Höhe der gezahlten Leistungen.“
Verordnung Nr. 492/2011
Art. 7 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 492/2011 lautet:
„(1) Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, darf aufgrund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung, nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer.
(2) Er genießt dort die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer.“
Österreichisches Recht
§ 4 Abs. 1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes vom 9. September 1955 (BGBl. 189/1955) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung sieht vor:
„In der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung sind auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet:
…
9. Fachkräfte der Entwicklungshilfe nach § 2 des [Bundesgesetzes vom 10. November 1983 über den Personaleinsatz im Rahmen der Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern (Entwicklungshelfergesetz) (BGBl. 574/1983)];“
Der bis zum 31. Dezember 2018 geltende und dann aufgehobene § 13 Abs. 1 des Entwicklungshelfergesetzes bestimmte:
„Fachkräfte und die mit ihnen im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienmitglieder, sofern diese Personen österreichische Staatsbürger oder diesen durch das Recht der Europäischen Union gleich gestellte Personen sind, werden während der Dauer der Vorbereitung und des Einsatzes hinsichtlich des Anspruches auf Leistungen aus dem Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und auf den Kinderabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes 1988 … in der jeweils geltenden Fassung so behandelt, als ob sie sich im Einsatzland nicht ständig aufhielten.“
§ 26 Abs. 1 und 2 der Bundesabgabenordnung in der auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: BAO) bestimmt:
„(1) Einen Wohnsitz im Sinn der Abgabenvorschriften hat jemand dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.
(2) Den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinn der Abgabenvorschriften hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt.
(3) In einem Dienstverhältnis zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes stehende österreichische Staatsbürger, die ihren Dienstort im Ausland haben (Auslandsbeamte), werden wie Personen behandelt, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt am Ort der die Dienstbezüge anweisenden Stelle haben. Das gleiche gilt für deren Ehegatten, sofern die Eheleute in dauernder Haushaltsgemeinschaft leben, und für deren minderjährige Kinder, die zu ihrem Haushalt gehören.“
Nach § 1 des Bundesgesetzes vom 24. Oktober 1967 betreffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfen (Familienlastenausgleichsgesetz 1967) (BGBl. 376/1967) in der auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: FLAG) werden die vorgesehenen Leistungen „[z]ur Herbeiführung eines Lastenausgleiches im Interesse der Familie … gewährt“.
Nach § 2 Abs. 1 FLAG haben Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder jene Personen, die in Österreich einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.
Nach § 2 Abs. 8 FLAG haben Personen nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.
Nach § 5 Abs. 3 FLAG besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.
§ 8 FLAG regelt die Höhe der Familienbeihilfe und sieht in seinen Absätzen 1 bis 3 eine Staffel nach der Anzahl der Kinder und eine Altersstaffel vor. Die Familienbeihilfenbeträge werden aufgrund einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (Österreich) in regelmäßigen Abständen angehoben.
In § 53 FLAG heißt es:
„(1) Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum [vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3)] sind, soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergibt, in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Hiebei ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten.
…
(4) Abs. 1 zweiter Satz findet in Bezug auf § 8a Abs. 1 bis 3 keine Anwendung.
(5) § 26 Abs. 3 [BAO] findet in Bezug auf Leistungen nach diesem Bundesgesetz bis 31. Dezember 2018 Anwendung. Ab 1. Jänner 2019 ist für Leistungen nach diesem Bundesgesetz § 26 Abs. 3 BAO nur für Personen mit Dienstort im Ausland, die im Auftrag einer Gebietskörperschaft tätig werden, sowie für deren Ehegatten und Kinder anwendbar.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Die Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens und ihre drei Kinder, die alle vier deutsche Staatsangehörige sind, haben ihren gemeldeten Wohnsitz in Deutschland. Der Ehemann der Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens, bei dem es sich um den Vater der drei Kinder handelt, ist brasilianischer Staatsangehöriger und hatte nie einen gemeldeten Wohnsitz in Deutschland.
Seit 2002 ist die Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens als Entwicklungshelferin tätig. Zwischen 2013 und 2016 hielt sich die Familie abwechselnd in Deutschland und Brasilien auf, wo der Ehemann der Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens Grundbesitz hat und als Landwirt arbeitete.
Am 6. September 2016 schloss die Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens einen Arbeitsvertrag mit einer österreichischen Nichtregierungsorganisation. Nach diesem Vertrag befand sich der Dienstort der Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens in Wien (Österreich) und ihre Familienangehörigen sowie sie selbst wurden von der Wiener Gebietskrankenkasse (Österreich) sozialversicherungsrechtlich erfasst. Nach Absolvierung eines Vorbereitungskurses vom 6. September bis zum 21. Oktober 2016 in Wien trat die Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens am 31. Oktober 2016 ihren Auslandseinsatz in Uganda an. Dieser Auslandseinsatz, auf den ihre Familie sie begleitete, dauerte bis zum 15. August 2019 und wurde lediglich vom 17. Oktober 2017 bis zum 7. Februar 2018 wegen der Geburt ihres dritten Kindes unterbrochen. Während dieser Unterbrechung bewohnte sie Zimmer, die ihr in der Wohnung ihrer Eltern in Deutschland zur Verfügung gestellt wurden, und bezog von der Wiener Gebietskrankenkasse Wochengeld. Vom 15. August bis zum 15. September 2019, d. h. dem letzten Monat vor dem Ende ihres Arbeitsvertrags, verbrachte die Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens einen Wiedereingliederungsmonat in Wien. In diesem Zeitraum verfügte die Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens wie auch während ihres Vorbereitungskurses über einen Wohnsitz in Wien, der ihr vom Arbeitgeber unter bestimmten Bedingungen zur Verfügung gestellt worden war, und zwar insofern als sie und ihre Familie ihn nur während der Vorbereitungszeit und der Wiedereingliederungszeit nutzen konnten. Während der Auslandseinsätze der Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens wurde die fragliche Wohnung anderen Entwicklungshelfern zur Verfügung gestellt. Während dieser Zeiten waren die Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens sowie ihre Kinder und ihr Ehemann in Österreich mit Hauptwohnsitz gemeldet.
Als die Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens als Entwicklungshelferin tätig war, führte ihr Ehemann, der sie auf ihren Auslandseinsätzen begleitete, den Haushalt. Während ihres Einsatzzeitraums verbrachte die Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens ihre Urlaube in Deutschland, wo sie über Bankkonten verfügt.
Bis September 2016 bezog die Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens von der zuständigen deutschen Behörde Kindergeld für ihre ersten beiden Kinder. Mit Bescheid dieser Behörde vom 26. September 2016 wurde die Bewilligung des Kindergelds mit der Begründung aufgehoben, dass die Republik Österreich für Familienleistungen zuständig sei, da die Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens nunmehr in Österreich arbeite und ihr Ehemann in Deutschland keine Erwerbstätigkeit ausübe.
Die Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens beantragte beim Finanzamt am 5. Oktober 2016 Familienbeihilfe für ihre ersten beiden Kinder und am 8. Januar 2018 für ihr drittes Kind. Sie machte geltend, ihre Familie habe keinen gemeinsamen Wohnsitz in Deutschland oder Brasilien, da alle Familienmitglieder sie bei ihren Auslandseinsätzen in der Regel an ihre Einsatzorte begleiteten. Als die Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens diese Anträge stellte, war Uganda ihr Einsatzort.
Das Finanzamt wies die Anträge der Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens mit der Begründung ab, dass sie keinen Anspruch auf die österreichischen Familienleistungen habe, da sie ihre Tätigkeit als Entwicklungshelferin in einem Drittland ausübe. Folglich übe sie in Österreich keine Beschäftigung im Sinne von Art. 11 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 883/2004 aus und falle daher nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung. Zudem stelle die Unterkunft der Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens in Wien keinen „Wohnort“ dar und erlaube auch keinen „Aufenthalt“ im Sinne von Art. 1 Buchst. j bzw. k dieser Verordnung, was zur Folge habe, dass die Republik Österreich nicht der Wohnmitgliedstaat im Sinne von Art. 11 Abs. 3 Buchst. e dieser Verordnung sei. Außerdem habe die Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens auch nach den nationalen Vorschriften keinen Anspruch auf Familienleistungen.
Die Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens erhob gegen diese Bescheide Beschwerde, wobei sie geltend machte, dass die Republik Österreich der Mitgliedstaat sei, in dem sie eine Beschäftigung im Sinne von Art. 11 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 883/2004 ausübe, da laut ihrem Arbeitsvertrag ihr Dienstort Wien sei. Außerdem habe sie ihre Instruktionen aus Wien erhalten. Ebenfalls in Wien habe der Vorbereitungskurs stattgefunden und sei der Wiedereingliederungsmonat verbracht worden. Ferner sei sie in Wien gemeldet gewesen und habe sich dort ihr Mittelpunkt der Lebensinteressen befunden.
Unter diesen Umständen hat das Bundesfinanzgericht (Österreich) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist Art. 11 Abs. 3 Buchst. e der Verordnung Nr. 883/2004 dahin auszulegen, dass darunter eine Situation einer Arbeitnehmerin mit Staatsbürgerschaft eines Mitgliedstaates, in dem sie und die Kinder auch ihren Wohnort haben, die mit einem Arbeitgeber mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat ein Beschäftigungsverhältnis als Entwicklungshelferin eingeht, das nach den Rechtsvorschriften des Sitzstaates dem Pflichtversicherungssystem unterfällt, und von dem Arbeitgeber zwar nicht unmittelbar nach Einstellung, jedoch nach Absolvierung einer Vorbereitungszeit und nach Rückkehr für Zeiten der Reintegration im Sitzstaat, in einen Drittstaat entsendet wird, fällt?
Verstößt eine mitgliedstaatliche Rechtsvorschrift wie § 53 Abs. 1 FLAG, der u. a eine eigenständige Anordnung für die Gleichstellung mit Inländern trifft, gegen das Umsetzungsverbot von Verordnungen im Sinne von Art. 288 Abs. 2 AEUV?
Die Fragen 3 bis 4 beziehen sich auf den Fall, dass die Situation der Antragstellerin dem Art. 11 Abs. 3 Buchst. e der Verordnung Nr. 883/2004 unterfällt und das Unionsrecht ausschließlich den Wohnmitgliedstaat zu Familienleistungen verpflichtet.
Ist das für Arbeitnehmer in Art. 45 Abs. 2 AEUV, subsidiär in Art. 18 AEUV verankerte Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit dahin auszulegen, dass es einer nationalen Norm wie § 13 Abs. 1 des Entwicklungshelfergesetzes in der bis 31.12.2018 geltenden Fassung entgegensteht, die den Anspruch auf Familienleistungen im nach Unionsrecht unzuständigen Mitgliedstaat damit verknüpft, dass der Entwicklungshelfer schon vor Beginn der Beschäftigung im Hoheitsgebiet des Sitzmitgliedstaates den Mittelpunkt der Lebensinteressen bzw. seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt haben muss, wobei dieses Erfordernis auch von Inländern zu erfüllen ist?
Sind die Art. 68 Abs. 3 der Verordnung Nr. 883/2004 und Art. 60 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 987/2009 dahingehend auszulegen, dass der Träger des Mitgliedstaates, der von der Antragstellerin als vorrangig zuständiger Beschäftigungsstaat vermutet wurde und bei dem der Antrag auf Familienleistungen eingebracht wurde, dessen Rechtsvorschriften aber weder vorrangig noch nachrangig anwendbar sind, [in dem] jedoch ein Anspruch auf Familienleistungen nach einer alternativen Norm des mitgliedstaatlichen Rechts besteht, die Bestimmungen über die Verpflichtung zur Weiterleitung des Antrags, zur Information, zur Erlassung einer vorläufigen Entscheidung über die anzuwenden Prioritätsregeln und zur vorläufigen Geldleistung analog anzuwenden hat?
Trifft die Verpflichtung zur Erlassung einer vorläufigen Entscheidung über die anzuwenden Prioritätsregeln ausschließlich die belangte Behörde als Träger oder auch das im Rechtsmittelweg angerufene Verwaltungsgericht?
In welchem Zeitpunkt ist das Verwaltungsgericht zur Erlassung einer vorläufigen Entscheidung über die anzuwendenden Prioritätsregeln verpflichtet?
Frage 7 bezieht sich auf den Fall, dass die Situation der Antragstellerin dem Art. 11 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 883/2004 unterfällt und das Unionsrecht den Beschäftigungsstaat und Wohnmitgliedstaat gemeinsam zu Familienleistungen verpflichtet.
Ist die Wortfolge „[d]er Träger leitet den Antrag … weiter“ in Art. 68 Abs. 3 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 883/2004 und die Wortfolge „so übermittelt er den Antrag“ in Art. 60 der Verordnung Nr. 987/2009 dahingehend auszulegen, dass diese Bestimmungen den Träger des vorrangig zuständigen Mitgliedstaates und den Träger des nachrangig zuständigen Mitgliedstaates derart miteinander verbinden, dass beide Mitgliedstaaten gemeinsam EINEN (eins als Singular) Antrag auf Familienleistungen zu erledigen haben oder ist die gegebenenfalls gebotene Zuzahlung des Trägers des Mitgliedstaates, dessen Rechtsvorschriften nachrangig anzuwenden sind, vom Antragsteller gesondert zu beantragen, sodass der Antragsteller bei zwei Trägern zweier Mitgliedstaaten zwei körperliche Anträge (Formulare) einzubringen hat, die naturgemäß unterschiedliche Fristen auslösen?
Fragen 8 bis 9 betreffen den Zeitraum ab 1.1.2019, zu dem Österreich gemeinsam mit Einführung der Indexierung der Familienbeihilfe die Gewährung der Familienbeihilfe für Entwicklungshelfer abgeschafft hat, indem § 13 Abs. 1 des Entwicklungshelfergesetzes aufgehoben wurde.
Sind die Art. 4 Abs. 4, 45, 208 AEUV, Art. 4 Abs. 3 EUV und die Art. 2, 3, 7 und der Titel II der Verordnung Nr. 883/2004 dahingehend auszulegen, dass sie es einem Mitgliedstaat generell untersagen, die Familienleistungen für Entwicklungshelfer, der seine Familienangehörigen an den Einsatzort im Drittland mitnimmt, abzuschaffen?
Alternativ Frage 9:
Sind die Art. 4 Abs. 4, 45, 208 AEUV, Art. 4 Abs. 3 EUV und die Art. 2, 3, 7 und der Titel II der Verordnung Nr. 883/2004 dahingehend auszulegen, dass sie einem Entwicklungshelfer, der bereits für vorangegangene Zeiträume einen Anspruch auf Familienleistungen erworben hat, in einer Situation wie im Ausgangsfall einen individuell-konkreten Fortbestand dieses Anspruchs für [spätere] Zeiträume garantieren, obwohl der Mitgliedstaat die Gewährung der Familienleistungen für Entwicklungshelfer abgeschafft hat?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 11 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 883/2004 dahin auszulegen ist, dass eine Arbeitnehmerin mit Staatsbürgerschaft eines Mitgliedstaats, in dem sie und ihre Kinder auch ihren Wohnort haben, die mit einem Arbeitgeber mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat ein Beschäftigungsverhältnis als Entwicklungshelferin eingeht, das nach den Rechtsvorschriften dieses anderen Mitgliedstaats dessen Pflichtversicherungssystem unterfällt, und die zwar nicht unmittelbar nach Einstellung, jedoch nach Absolvierung einer Vorbereitungszeit im anderen Mitgliedstaat – in dem sie nach Rückkehr eine Wiedereingliederungszeit verbringt – in einen Drittstaat entsendet wird, als Person anzusehen ist, die im anderen Mitgliedstaat eine Beschäftigung im Sinne der genannten Bestimmung ausübt, oder sie vielmehr unter Art. 11 Abs. 3 Buchst. e dieser Verordnung fällt.
Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der bloße Umstand, dass ein Arbeitnehmer seine Tätigkeit außerhalb des Gebiets der Union ausübt, nicht ausreicht, um die Anwendung der Unionsvorschriften über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, und insbesondere der Verordnung Nr. 883/2004, auszuschließen, wenn das Arbeitsverhältnis eine hinreichend enge Anknüpfung an das Gebiet der Union behält (Urteil vom 8. Mai 2019, Inspecteur van de Belastingdienst, C-631/17, EU:C:2019:381, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Ein hinreichend enger Bezug zwischen dem fraglichen Arbeitsverhältnis und dem Gebiet der Union ergibt sich u. a. aus dem Umstand, dass ein Unionsbürger, der in einem Mitgliedstaat wohnt, von einem Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat angestellt worden ist, für das er seine Tätigkeiten ausübt (Urteil vom 8. Mai 2019, Inspecteur van de Belastingdienst, C-631/17, EU:C:2019:381, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Im vorliegenden Fall ist in Anbetracht der Angaben im Vorabentscheidungsersuchen festzustellen, dass das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Arbeitsverhältnis eine hinreichend enge Anknüpfung an das Gebiet der Union, insbesondere an Österreich, aufweist. Der Arbeitgeber der Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens ist nämlich in Österreich ansässig, und sie absolvierte dort vor ihrem Einsatz in Uganda eine Vorbereitungszeit sowie nach ihrem Einsatz eine Wiedereingliederungszeit. Außerdem wurde der Arbeitsvertrag nach österreichischem Recht geschlossen, ist die Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens dem österreichischen System der sozialen Sicherheit angeschlossen und nimmt sie ihre Aufgaben im Rahmen der Entwicklungshilfe der Republik Österreich wahr. Diese Aspekte sind auch für die Anwendung des in Art. 11 der Verordnung Nr. 883/2004 niedergelegten Grundsatzes der Anwendbarkeit nur eines Rechts relevant.
Was sodann konkret die Frage betrifft, ob davon auszugehen ist, dass eine Person wie die Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens ihre Beschäftigung „in einem Mitgliedstaat“, im vorliegenden Fall in der Republik Österreich, im Sinne von Art. 11 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 883/2004 ausübte, oder ob sie unter Art. 11 Abs. 3 Buchst. e dieser Verordnung fällt, ist darauf hinzuweisen, dass die letztgenannte Bestimmung den Charakter einer Auffangnorm hat, die für alle Personen gelten soll, bei denen keine der von anderen Bestimmungen dieser Verordnung konkret geregelten Situationen vorliegt, um ein geschlossenes System zur Bestimmung des anwendbaren Rechts einzuführen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Mai 2019, Inspecteur van de Belastingdienst, C-631/17, EU:C:2019:381, Rn. 31).
In Anbetracht dieser Subsidiarität ist zu prüfen, ob der in Art. 11 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 883/2004 genannte Fall insbesondere einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entspricht, wobei von vornherein davon auszugehen ist, dass die in Art. 11 Abs. 3 Buchst. b bis d der Verordnung Nr. 883/2004 genannten Fälle keinen Bezug zu einer solchen Situation aufweisen.
Insoweit ergibt sich im vorliegenden Fall zwar auf den ersten Blick, dass die Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens ihre Tätigkeit nicht „in einem Mitgliedstaat“ ausübte, da sie in Uganda im Einsatz war, jedoch lässt sich der dem Gerichtshof vorliegenden Akte entnehmen, dass die Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens sowohl vor als auch nach ihrem Einsatz in Österreich, wo ihr Arbeitgeber ansässig ist, arbeitete und dort sogar eine Dienstwohnung hatte. Darüber hinaus hatten die Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens, ihre Kinder und ihr Ehemann während der Dauer des Arbeitsvertrags ihren Hauptwohnsitz in Österreich und waren dort bei der Wiener Gebietskrankenkasse sozialversichert.
Selbst wenn die Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens, wie vom Finanzamt vor dem vorlegenden Gericht geltend gemacht, ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat gehabt haben sollte, würde eine derartige Situation Ähnlichkeiten mit der Situation aufweisen, um die es in der Rechtssache ging, in der das Urteil vom 29. Juni 1994, Aldewereld (C-60/93, EU:C:1994:271), über die Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl. 1971, L 149, S. 2), die durch die Verordnung Nr. 883/2004 aufgehoben und ersetzt wurde, ergangen ist. In dieser Rechtssache ging es um den Arbeitnehmer eines Unternehmens mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem Wohnsitzstaat dieses Arbeitnehmers, der seine Tätigkeit außerhalb des Gebiets der Union ausübte. In Rn. 24 dieses Urteils hat der Gerichtshof jedoch entschieden, dass in einem solchen Fall „die Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats des Arbeitnehmers nicht anwendbar [sind], da sie keine Anknüpfung an das Arbeitsverhältnis aufweisen, im Gegensatz zu den Rechtsvorschriften des Staates, in dem der Arbeitgeber ansässig ist, die daher anzuwenden sind“.
Daraus folgt, dass Art. 11 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 883/2004 ungeachtet des Umstands, dass die Arbeit, für die die Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens von ihrem österreichischen Arbeitgeber eingestellt wurde, tatsächlich außerhalb des Gebiets der Union ausgeübt wurde und dass die Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens Bindungen zu ihrem Herkunftsland, d. h. der Bundesrepublik Deutschland, insofern beibehielt, als ihr dort von ihren Eltern eine Wohnung zur Verfügung gestellt wurde, dahin auszulegen ist, dass er die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats ihres Arbeitgebers, d. h. die österreichischen Rechtsvorschriften, als die einzigen Rechtsvorschriften bestimmt, denen die Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens unterliegt, ohne dass auf die subsidiäre Vorschrift in Art. 11 Abs. 3 Buchst. e der Verordnung Nr. 883/2004 zurückgegriffen werden muss.
Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 11 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 883/2004 dahin auszulegen ist, dass eine Arbeitnehmerin mit Staatsbürgerschaft eines Mitgliedstaats, in dem sie und ihre Kinder auch ihren Wohnort haben, die mit einem Arbeitgeber mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat ein Beschäftigungsverhältnis als Entwicklungshelferin eingeht, das nach den Rechtsvorschriften dieses anderen Mitgliedstaats dessen Pflichtversicherungssystem unterfällt, und die zwar nicht unmittelbar nach Einstellung, jedoch nach Absolvierung einer Vorbereitungszeit im anderen Mitgliedstaat – in dem sie nach Rückkehr eine Wiedereingliederungszeit verbringt – in einen Drittstaat entsendet wird, als Person anzusehen ist, die im anderen Mitgliedstaat eine Beschäftigung im Sinne der genannten Bestimmung ausübt.
Zur zweiten Frage
Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 288 Abs. 2 AEUV dahin auszulegen ist, dass er dem Erlass einer mitgliedstaatlichen Vorschrift entgegensteht, deren persönlicher Geltungsbereich insofern über den der Verordnung Nr. 883/2004 hinausgeht, als sie eine Gleichstellung der Angehörigen der Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum mit seinen eigenen Staatsangehörigen vorsieht.
Ausweislich des Vorabentscheidungsersuchens vertritt das vorlegende Gericht die Ansicht, dass Art. 288 Abs. 2 AEUV einer nationalen Bestimmung wie § 53 Abs. 1 FLAG insofern entgegenstehe, als – wie sich aus Rn. 11 des Urteils vom 10. Oktober 1973, Variola (34/73, EU:C:1973:101), ergebe – eine solche nationale Bestimmung geeignet sei, die Normadressaten über das unmittelbar geltende Unionsrecht im Unklaren zu lassen und damit das Monopol des Gerichtshofs für die Auslegung des Unionsrechts tatsächlich zu gefährden.
Insoweit erscheint es angebracht, darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs Verordnungen zwar aufgrund ihrer Rechtsnatur und ihrer Funktion im Rechtsquellensystem des Unionsrechts im Allgemeinen unmittelbare Wirkung in den nationalen Rechtsordnungen haben, ohne dass nationale Durchführungsmaßnahmen erforderlich wären, es jedoch vorkommen kann, dass manche Verordnungsbestimmungen zu ihrer Durchführung des Erlasses von Durchführungsmaßnahmen durch die Mitgliedstaaten bedürfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2011, Danske Svineproducenter, C-316/10, EU:C:2011:863, Rn. 39 und 40 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
Die Mitgliedstaaten können Maßnahmen zur Durchführung einer Verordnung dann erlassen, wenn sie deren unmittelbare Anwendbarkeit nicht vereiteln, deren gemeinschaftliche Natur nicht verbergen und die Ausübung des durch die betreffende Verordnung verliehenen Ermessens innerhalb der Grenzen dieser Vorschriften konkretisieren (Urteil vom 21. Dezember 2011, Danske Svineproducenter, C-316/10, EU:C:2011:863, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Im vorliegenden Fall genügt, ohne dass sich der Gerichtshof zu der Frage zu äußern braucht, ob eine Bestimmung wie § 53 Abs. 1 FLAG als Maßnahme zur Durchführung der Verordnung Nr. 883/2004 anzusehen ist, die Feststellung, dass die unmittelbare Geltung dieser Verordnung jedenfalls bewirkt, dass die nationalen Gerichte die Übereinstimmung der nationalen Maßnahme mit dem Inhalt dieser Verordnung überprüfen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. September 1979, Eridania-Zuccherifici nazionali und Società italiana per l'industria degli zuccheri, 230/78, EU:C:1979:216, Rn. 34) und diese Maßnahme gegebenenfalls unangewendet lassen können, um den Vorrang des Unionsrechts, d. h. im Fall des Ausgangsverfahrens der Verordnung Nr. 883/2004, zu gewährleisten.
Daher steht das Unionsrecht dem Erlass einer Bestimmung wie § 53 Abs. 1 FLAG nicht entgegen, allerdings unter der Voraussetzung, dass diese nationale Bestimmung im Einklang mit Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 ausgelegt wird und deren Vorrang nicht in Frage gestellt wird.
Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 288 Abs. 2 AEUV dahin auszulegen ist, dass er dem Erlass einer mitgliedstaatlichen Vorschrift, deren persönlicher Geltungsbereich insofern über den der Verordnung Nr. 883/2004 hinausgeht, als sie eine Gleichstellung der Angehörigen der Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum mit seinen eigenen Staatsangehörigen vorsieht, nicht entgegensteht, sofern diese Vorschrift im Einklang mit dieser Verordnung ausgelegt wird und deren Vorrang nicht in Frage gestellt wird.
Zur dritten und zur vierten Frage
In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage sind die dritte und die vierte Frage nicht zu beantworten.
Zur fünften und zur sechsten Frage
Mit seiner fünften und seiner sechsten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die in Art. 60 Abs. 3 der Verordnung Nr. 987/2009 vorgesehene Verpflichtung, eine vorläufige Entscheidung über die vorrangig geltenden nationalen Rechtsvorschriften zu erlassen, allein dem zuständigen nationalen Träger obliegt, bei dem der Antrag auf Familienleistungen gestellt wird, oder auch dem im Rechtsmittelweg angerufenen nationalen Gericht, und, wenn ja, zu welchem Zeitpunkt dieses eine solche Entscheidung erlassen muss.
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen des nationalen Gerichts spricht, die es zur Auslegung des Unionsrechts in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festlegt und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat. Der Gerichtshof kann die Entscheidung über ein Vorabentscheidungsersuchen eines nationalen Gerichts nur dann ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 16. Juni 2015, Gauweiler u. a., C-62/14, EU:C:2015:400, Rn. 25 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
Im vorliegenden Fall geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass das vorlegende Gericht im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits bereits eine vorläufige Entscheidung erlassen hat, mit der dem zuständigen österreichischen Träger aufgegeben wurde, den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Antrag auf Familienleistungen an den entsprechenden deutschen Träger weiterzuleiten und ein Dialogverfahren mit diesem einzuleiten.
Diese Entscheidung beruht offensichtlich auf einer analogen Anwendung von Art. 60 Abs. 3 der Verordnung Nr. 987/2009, obwohl aus dem Vorabentscheidungsersuchen paradoxerweise hervorgeht, dass das vorlegende Gericht zum einen die Ansicht vertritt, dass es für den Erlass einer solchen vorläufigen Entscheidung nicht zuständig sei, und zum anderen, dass es keine Bestimmung gebe, die im Fall eines Rechtsmittels wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden anwendbar sei.
Da das vorlegende Gericht diese Entscheidung bereits erlassen hat und diese, wenn auch nur vorläufig, alle ihre Wirkungen entfalten kann, ist die fünfte Frage für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits unerheblich geworden und damit hypothetisch.
Diese Feststellung wird dadurch bestätigt, dass die Republik Österreich, wie sich aus der Antwort auf die erste Frage ergibt, im vorliegenden Fall als der nach Art. 68 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 883/2004 vorrangig für die Gewährung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Familienleistungen zuständige Mitgliedstaat anzusehen ist, so dass die österreichischen Behörden nicht verpflichtet sind, auf der Grundlage von Art. 60 Abs. 3 der Verordnung Nr. 987/2009 eine vorläufige Entscheidung darüber zu treffen, welche nationalen Rechtsvorschriften prioritär anwendbar sind. Unter diesen Umständen ist die Frage, ob das vorlegende Gericht anstelle der österreichischen Behörden eine solche Entscheidung „vorläufig“ treffen muss, hypothetischer Natur und daher für unzulässig zu erklären.
Die Unzulässigkeit der fünften Frage führt zur Unzulässigkeit der sechsten Frage, da diese auf einer Bejahung der fünften Frage aufbaut.
Nach alledem sind die fünfte und die sechste Frage für unzulässig zu erklären.
Zur siebten Frage
Mit seiner siebten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 68 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 883/2004 und Art. 60 der Verordnung Nr. 987/2009 dahin auszulegen sind, dass sie den Träger des vorrangig zuständigen Mitgliedstaats und den Träger des nachrangig zuständigen Mitgliedstaats derart miteinander verbinden, dass der Antragsteller auf Familienleistungen nur einen einzigen Antrag bei einem dieser Träger einbringen muss, der dann von diesen beiden Trägern gemeinsam zu erledigen ist, oder ob der Antragsteller bei jedem dieser beiden Träger einen gesonderten Antrag einzubringen hat.
Insoweit gilt nach Art. 68 Abs. 3 der Verordnung Nr. 883/2004, wenn beim zuständigen Träger eines Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften gelten, aber nach den Prioritätsregeln der Abs. 1 und 2 dieses Artikels nachrangig sind, ein Antrag auf Familienleistungen gestellt wird, Folgendes: „Dieser Träger leitet den Antrag unverzüglich an den zuständigen Träger des Mitgliedstaats weiter, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, teilt dies der betroffenen Person mit und zahlt unbeschadet der Bestimmungen der Durchführungsverordnung über die vorläufige Gewährung von Leistungen erforderlichenfalls den in Absatz 2 genannten Unterschiedsbetrag“; und „der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, bearbeitet den Antrag, als ob er direkt bei ihm gestellt worden wäre; der Tag der Einreichung des Antrags beim ersten Träger gilt als der Tag der Einreichung bei dem Träger, der vorrangig zuständig ist“.
Aus dem Wortlaut von Art. 68 Abs. 3 der Verordnung Nr. 883/2004 ergibt sich somit eindeutig, dass der zuständige Träger eines Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften nachrangig sind, einen bei ihm gestellten Antrag auf Familienleistungen unverzüglich an den zuständigen Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, weiterleiten und dies dem Antragsteller mitteilen muss. In einem solchen Fall ist dieser zweite Träger verpflichtet, den fraglichen Antrag so zu behandeln, als wäre er unmittelbar an dem Tag gestellt worden, an dem er beim ersten Träger eingebracht wurde.
Ebenso eindeutig geht aus dem Wortlaut von Art. 60 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 987/2009 hervor, dass der nach Abs. 1 dieses Artikels in Anspruch genommene Träger, wenn er zu dem Schluss kommt, „dass seine Rechtsvorschriften nach Artikel 68 Absätze 1 und 2 der [Verordnung Nr. 883/2004] prioritär anzuwenden sind“, „die Familienleistungen nach den von ihm angewandten Rechtsvorschriften [zahlt]“ und dass er, wenn er seine Rechtsvorschriften für zwar anwendbar, aber nicht prioritär anwendbar hält, „unverzüglich eine vorläufige Entscheidung über die anzuwendenden Prioritätsregeln [trifft], … den Antrag nach Artikel 68 Absatz 3 der [Verordnung Nr. 883/2004] an den Träger des anderen Mitgliedstaats weiter[leitet] und … auch den Antragsteller darüber [informiert]“.
Somit ergibt sich sowohl aus Art. 68 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 883/2004 als auch aus Art. 60 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 987/2009, dass der Antragsteller nur einen einzigen Antrag bei einem einzigen zuständigen Träger stellen muss. Dieser ist, je nachdem, ob er sich für vorrangig zuständig hält oder nicht, verpflichtet, die beantragten Familienleistungen selbst zu gewähren bzw. den fraglichen Antrag an den zuständigen Träger des Mitgliedstaats, den er für vorrangig zuständig hält, weiterzuleiten, um die unverzügliche Bearbeitung eines solchen Antrags auf Familienleistungen sicherzustellen.
Nach alledem ist auf die siebte Frage zu antworten, dass Art. 68 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 883/2004 und Art. 60 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 987/2009 dahin auszulegen sind, dass sie den Träger des vorrangig zuständigen Mitgliedstaats und den Träger des nachrangig zuständigen Mitgliedstaats derart miteinander verbinden, dass der Antragsteller auf Familienleistungen nur einen einzigen Antrag bei einem dieser Träger einbringen muss, der dann von diesen beiden Trägern gemeinsam zu erledigen ist.
Zur achten und zur neunten Frage
Mit seiner achten und seiner neunten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 4 Abs. 4, Art. 45 und Art. 208 AEUV, Art. 4 Abs. 3 EUV sowie die Art. 2, 3, 7 und die Bestimmungen von Titel II der Verordnung Nr. 883/2004 dahin auszulegen sind, dass sie es einem Mitgliedstaat untersagen, generell Familienleistungen abzuschaffen, die er bis dahin Entwicklungshelfern gewährte, die ihre Familienangehörigen an ihren Einsatzort im Drittland mitnehmen.
Für die Beantwortung dieser Frage ist zum einen zu Art. 45 AEUV darauf hinzuweisen, dass jeder Unionsbürger, der von seinem Recht auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer Gebrauch gemacht und in einem anderen Mitgliedstaat als dem Wohnsitzstaat eine Berufstätigkeit ausgeübt hat, unabhängig von seinem Wohnort und seiner Staatsangehörigkeit unter diese Bestimmung fällt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Dezember 2002, de Groot, C-385/00, EU:C:2002:750, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Auch wenn Art. 45 AEUV jeder Maßnahme entgegensteht, die zwar ohne Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit anwendbar, aber geeignet ist, die Ausübung der durch diese Vorschrift garantierten Grundfreiheit der Freizügigkeit durch die Unionsangehörigen zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, verschafft dieser Artikel einem Arbeitnehmer, der sich in einen anderen Mitgliedstaat als seinen Herkunftsmitgliedstaat begibt, jedoch nicht das Recht, sich im Aufnahmemitgliedstaat auf dieselbe soziale Absicherung zu berufen, die ihm in seinem Herkunftsmitgliedstaat nach den dortigen nationalen Rechtsvorschriften zustanden (Urteil vom 19. September 2019, van den Berg u. a., C-95/18 und C-96/18, EU:C:2019:767, Rn. 57 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
Was zum anderen Art. 48 AEUV betrifft, der eine Koordinierung und keine Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten vorsieht, werden die materiellen und formellen Unterschiede zwischen den Systemen der sozialen Sicherheit der einzelnen Mitgliedstaaten und folglich zwischen den Ansprüchen der dort Versicherten durch diese Bestimmung nicht berührt, so dass jeder Mitgliedstaat dafür zuständig bleibt, im Einklang mit dem Unionsrecht in seinen Rechtsvorschriften festzulegen, unter welchen Voraussetzungen die Leistungen eines Systems der sozialen Sicherheit gewährt werden (Urteil vom 19. September 2019, van den Berg u. a., C-95/18 und C-96/18, EU:C:2019:767, Rn. 59 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
Hinzuzufügen ist, dass mit der Verordnung Nr. 883/2004 auch kein gemeinsames System der sozialen Sicherheit geschaffen wird, sondern dass sie unterschiedliche nationale Systeme bestehen lässt und diese nur koordinieren soll, um die wirksame Ausübung der Freizügigkeit sicherzustellen. Die Mitgliedstaaten sind daher nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs weiterhin für die Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit zuständig (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Januar 2020, Bundesagentur für Arbeit, C-29/19, EU:C:2020:36, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Allerdings müssen die Mitgliedstaaten bei der Ausübung dieser Befugnis das Unionsrecht und insbesondere die Bestimmungen des AEU-Vertrags über die jedem Unionsbürger zuerkannte Freiheit beachten, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Urteil vom 23. Januar 2020, Bundesagentur für Arbeit, C-29/19, EU:C:2020:36, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Im vorliegenden Fall ist daher zu prüfen, ob die Republik Österreich gegen diese Bestimmungen verstoßen hat, als sie beschloss, den Anspruch auf Familienleistungen abzuschaffen, die sie bis dahin Entwicklungshelfern gewährte, die ihre Familienangehörigen an ihren Einsatzort im Drittland mitnehmen.
Insoweit lässt sich dem Vorabentscheidungsersuchen entnehmen, dass diese vom österreichischen Gesetzgeber beschlossene Abschaffung generell erfolgt ist und unterschiedslos sowohl für Berechtigte mit Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats als auch für solche mit Staatsangehörigkeit anderer Mitgliedstaaten gilt, was jedoch vom vorlegenden Gericht zu überprüfen ist.
Es ist daher nicht ersichtlich, dass diese Abschaffung zum 1. Januar 2019 zu einer unmittelbaren Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit führt.
Zu einer möglichen mittelbaren Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit der betroffenen Arbeitnehmer nach ihrem Wohnmitgliedstaat oder jenem ihrer Familienangehörigen ist festzustellen, dass weder die Bestimmungen der Verordnung Nr. 883/2004, insbesondere deren Art. 7 und 67, mit denen verhindert werden soll, dass ein Mitgliedstaat die Gewährung oder die Höhe von Familienleistungen davon abhängig machen kann, dass die Familienangehörigen des Erwerbstätigen in dem die Leistungen erbringenden Mitgliedstaat wohnen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Oktober 1995, Imbernon Martínez, C-321/93, EU:C:1995:306, Rn. 21), noch Art. 45 AEUV vorsehen, dass das Recht auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer außerhalb des Gebiets der Union gilt. Ganz im Gegenteil ergibt sich aus dem klaren Wortlaut von Art. 45 AEUV, dass die Freizügigkeit der Arbeitnehmer „[i]nnerhalb der Union [gewährleistet ist]“.
Die Abschaffung der Familienleistungen für Entwicklungshelfer, die mit ihren Familien in einem Drittland wohnen, kann daher keine mittelbare Diskriminierung im Gebiet der Union darstellen, wenn – was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist – es für die Behandlung dieser Bediensteten ab dem 1. Januar 2019 im Bereich der Familienleistungen keine Rolle spielt, ob sie von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, indem sie ihren Herkunftsmitgliedstaat verlassen haben, um sich in Österreich niederzulassen, sondern es ausschließlich davon abhängt, ob die Kinder der betroffenen Entwicklungshelfer in einem Drittland oder in einem anderen Mitgliedstaat einschließlich Österreich wohnen.
Diese Feststellung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass Entwicklungshelfer, die bereits für vergangene Zeiträume einen Anspruch auf Familienleistungen erworben hatten, diesen nach dem Inkrafttreten der neuen Vorschrift am 1. Januar 2019 verloren haben, da nicht ersichtlich ist, dass der Verlust dieses Anspruchs auf die Ausübung ihres Rechts auf Freizügigkeit zurückzuführen ist, was vom vorlegenden Gericht zu überprüfen ist.
Insoweit ist zum einen hinzuzufügen, dass den Urteilen vom 12. Juni 1980, Laterza (733/79, EU:C:1980:156), und vom 26. November 2009, Slanina (C-363/08, EU:C:2009:732), keine für die Beantwortung dieser Fragen relevanten Hinweise entnommen werden können, da die diesen Urteilen zugrunde liegenden Rechtssachen weder tatsächlich noch rechtlich mit der im Vorabentscheidungsersuchen geschilderten Situation des Ausgangsverfahrens vergleichbar sind. In diesen Rechtssachen ging es nämlich um die Änderung von Ansprüchen, die infolge der Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit durch einen Unionsbürger im Gebiet der Union erworben wurden. Im vorliegenden Fall betrifft die Gesetzesänderung jedoch Entwicklungshelfer, die außerhalb des Gebiets der Union im Einsatz sind und dort mit ihren Kindern wohnen.
Zum anderen kann die vom vorlegenden Gericht angeführte Möglichkeit, dass die Abschaffung der Familienbeihilfe für Entwicklungshelfer die Freizügigkeit der Arbeitnehmer behindern und gegebenenfalls weniger attraktiv machen oder sogar zu einer Verringerung der Nachfrage nach dem Beruf des „Entwicklungshelfers“ führen könnte, selbst wenn sich dies bewahrheiten sollte, jedenfalls nicht zu einer Situation führen, die gegen die Art. 45 und 48 AEUV verstößt. Wie sich nämlich oben aus den Rn. 71 und 72 ergibt, sehen diese Bestimmungen keine Harmonisierung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten vor, da diese weiterhin für die Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit – im Einklang mit dem Unionsrecht – zuständig sind und der AEU-Vertrag einem Erwerbstätigen nicht garantiert, dass die Ausweitung seiner Tätigkeiten auf mehr als einen Mitgliedstaat oder deren Verlagerung in einen anderen Mitgliedstaat hinsichtlich der sozialen Sicherheit neutral ist. Aufgrund der Unterschiede der Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit der Mitgliedstaaten kann eine solche Ausweitung oder Verlagerung für den Erwerbstätigen je nach Einzelfall Vorteile oder Nachteile in Bezug auf den sozialen Schutz haben. Daraus folgt, dass solche Rechtsvorschriften selbst dann, wenn sie somit weniger günstig sind, im Einklang mit den Art. 45 und 48 AEUV stehen, sofern sie den betreffenden Erwerbstätigen im Vergleich zu den Personen, die alle ihre Tätigkeiten in dem Mitgliedstaat ausüben, in dem diese Vorschriften gelten, oder zu den Personen, die ihnen bereits zuvor unterlagen, nicht benachteiligen und sofern sie nicht lediglich dazu führen, dass Beitragsleistungen erbracht werden, denen kein Anspruch auf Gegenleistungen gegenübersteht (Urteil vom 14. März 2019, Vester, C-134/18, EU:C:2019:212, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Nach alledem ist auf die achte und die neunte Frage zu antworten, dass die Art. 45 und 48 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie es einem Mitgliedstaat nicht untersagen, generell Familienleistungen abzuschaffen, die er bis dahin Entwicklungshelfern gewährte, die ihre Familienangehörigen an ihren Einsatzort im Drittland mitnehmen, sofern diese Abschaffung zum einen unterschiedslos sowohl für Berechtigte mit Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats als auch für solche mit Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats gilt und zum anderen eine unterschiedliche Behandlung der betroffenen Entwicklungshelfer nicht danach bewirkt, ob sie von ihrem Recht auf Freizügigkeit vor oder nach der Abschaffung Gebrauch gemacht haben, sondern danach, ob sie mit ihren Kindern in einem Mitgliedstaat oder in einem Drittland wohnen.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 11 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ist dahin auszulegen, dass eine Arbeitnehmerin mit Staatsbürgerschaft eines Mitgliedstaats, in dem sie und ihre Kinder auch ihren Wohnort haben, die mit einem Arbeitgeber mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat ein Beschäftigungsverhältnis als Entwicklungshelferin eingeht, das nach den Rechtsvorschriften dieses anderen Mitgliedstaats dessen Pflichtversicherungssystem unterfällt, und die zwar nicht unmittelbar nach Einstellung, jedoch nach Absolvierung einer Vorbereitungszeit im anderen Mitgliedstaat – in dem sie nach Rückkehr eine Wiedereingliederungszeit verbringt – in einen Drittstaat entsendet wird, als Person anzusehen ist, die im anderen Mitgliedstaat eine Beschäftigung im Sinne der genannten Bestimmung ausübt.
Art. 288 Abs. 2 AEUV ist dahin auszulegen, dass er dem Erlass einer mitgliedstaatlichen Vorschrift, deren persönlicher Geltungsbereich insofern über den der Verordnung Nr. 883/2004 hinausgeht, als sie eine Gleichstellung der Angehörigen der Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 mit seinen eigenen Staatsangehörigen vorsieht, nicht entgegensteht, sofern diese Vorschrift im Einklang mit dieser Verordnung ausgelegt wird und deren Vorrang nicht in Frage gestellt wird.
Art. 68 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 883/2004 und Art. 60 Abs. 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung Nr. 883/2004 sind dahin auszulegen, dass sie den Träger des vorrangig zuständigen Mitgliedstaats und den Träger des nachrangig zuständigen Mitgliedstaats derart miteinander verbinden, dass der Antragsteller auf Familienleistungen nur einen einzigen Antrag bei einem dieser Träger einbringen muss, der dann von diesen beiden Trägern gemeinsam zu erledigen ist.
Die Art. 45 und 48 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie es einem Mitgliedstaat nicht untersagen, generell Familienleistungen abzuschaffen, die er bis dahin Entwicklungshelfern gewährte, die ihre Familienangehörigen an ihren Einsatzort im Drittland mitnehmen, sofern diese Abschaffung zum einen unterschiedslos sowohl für Berechtigte mit Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats als auch für solche mit Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats gilt und zum anderen eine unterschiedliche Behandlung der betroffenen Entwicklungshelfer nicht danach bewirkt, ob sie von ihrem Recht auf Freizügigkeit vor oder nach der Abschaffung Gebrauch gemacht haben, sondern danach, ob sie mit ihren Kindern in einem Mitgliedstaat oder in einem Drittland wohnen.
Unterschriften
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
Kontakt zur AOK Rheinland-Pfalz/Saarland
Persönlicher Ansprechpartner