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EuGH 10.06.2021 - C-94/20
EuGH 10.06.2021 - C-94/20 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer) - 10. Juni 2021 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 2003/109/EG – Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen – Art. 11 – Recht auf Gleichbehandlung in Bezug auf soziale Sicherheit, Sozialhilfe und Sozialschutz – Abweichung vom Grundsatz der Gleichbehandlung im Bereich der Sozialhilfe und des Sozialschutzes – Begriff ‚Kernleistungen‘ – Richtlinie 2000/43/EG – Grundsatz der Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft – Art. 2 – Begriff ‚Diskriminierung‘ – Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Regelung eines Mitgliedstaats, nach der die Gewährung einer Wohnbeihilfe an langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige daran geknüpft ist, dass diese auf eine durch diese Regelung bestimmte Weise den Nachweis erbringen, dass sie über grundlegende Kenntnisse der Sprache dieses Mitgliedstaats verfügen“
Leitsatz
In der Rechtssache C-94/20
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landesgericht Linz (Österreich) mit Entscheidung vom 6. Februar 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Februar 2020, in dem Verfahren
Land Oberösterreich
gegen
KV
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter M. Ilešič, E. Juhász, C. Lycourgos und I. Jarukaitis (Berichterstatter),
Generalanwalt: G. Hogan,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
des Landes Oberösterreich, vertreten durch Rechtsanwältin K. Holzinger,
von KV, vertreten durch Rechtsanwältin S. Scheed,
der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Cattabriga, D. Martin und B.-R. Killmann als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 2. März 2021
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 11 der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (ABl. 2004, L 16, S. 44), von Art. 2 der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (ABl. 2000, L 180, S. 22) und von Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen KV und dem Land Oberösterreich (Österreich) wegen einer Klage auf Ersatz des Schadens, der KV angeblich durch die Nichtgewährung einer Wohnbeihilfe (im Folgenden: Wohnbeihilfe) entstanden ist.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2000/43
Art. 1 („Zweck“) der Richtlinie 2000/43 lautet:
„Zweck dieser Richtlinie ist die Schaffung eines Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten.“
Art. 2 („Der Begriff ‚Diskriminierung‘“) der Richtlinie bestimmt:
„(1) Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ‚Gleichbehandlungsgrundsatz‘, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft geben darf.
(2) Im Sinne von Absatz 1
liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person aufgrund ihrer Rasse oder ethnischen Herkunft in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;
liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die einer Rasse oder ethnischen Gruppe angehören, in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.
...“
Art. 3 („Geltungsbereich“) Abs. 2 dieser Richtlinie sieht vor:
„Diese Richtlinie betrifft nicht unterschiedliche Behandlungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit und berührt nicht die Vorschriften und Bedingungen für die Einreise von Staatsangehörigen dritter Staaten oder staatenlosen Personen in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten oder deren Aufenthalt in diesem Hoheitsgebiet sowie eine Behandlung, die sich aus der Rechtsstellung von Staatsangehörigen dritter Staaten oder staatenlosen Personen ergibt.“
Richtlinie 2003/109
In den Erwägungsgründen 2, 4, 12 und 13 der Richtlinie 2003/109 heißt es:
Der Europäische Rat hat auf seiner Sondertagung in Tampere [(Finnland)] am 15. und 16. Oktober 1999 erklärt, dass die Rechtsstellung von Drittstaatsangehörigen an diejenige der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten angenähert werden sollte und einer Person, die sich während eines noch zu bestimmenden Zeitraums in einem Mitgliedstaat rechtmäßig aufgehalten hat und einen langfristigen Aufenthaltstitel besitzt, in diesem Mitgliedstaat eine Reihe einheitlicher Rechte gewährt werden sollte, die denjenigen der Unionsbürger so nah wie möglich sind.
...
Die Integration von Drittstaatsangehörigen, die in den Mitgliedstaaten langfristig ansässig sind, trägt entscheidend zur Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts bei, der als eines der Hauptziele der [Europäischen Union] im [AEU-]Vertrag angegeben ist.
...
Um ein echtes Instrument zur Integration von langfristig Aufenthaltsberechtigten in die Gesellschaft, in der sie leben, darzustellen, sollten langfristig Aufenthaltsberechtigte nach Maßgabe der entsprechenden, in dieser Richtlinie festgelegten Bedingungen in vielen wirtschaftlichen und sozialen Bereichen wie die Bürger des Mitgliedstaats behandelt werden.
Hinsichtlich der Sozialhilfe ist die Möglichkeit, die Leistungen für langfristig Aufenthaltsberechtigte auf Kernleistungen zu beschränken, so zu verstehen, dass dieser Begriff zumindest ein Mindesteinkommen sowie Unterstützung bei Krankheit, bei Schwangerschaft, bei Elternschaft und bei Langzeitpflege erfasst. Die Modalitäten der Gewährung dieser Leistungen sollten durch das nationale Recht bestimmt werden.“
In Art. 2 („Definitionen“) dieser Richtlinie heißt es:
„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
‚Drittstaatsangehöriger‘ jede Person, die nicht Unionsbürger im Sinne des Artikels [20] Absatz 1 [AEUV] ist;
‚langfristig Aufenthaltsberechtigter‘ jeden Drittstaatsangehörigen, der die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten im Sinne der Artikel 4 bis 7 [dieser Richtlinie] besitzt;
...“
Art. 11 („Gleichbehandlung“) dieser Richtlinie bestimmt:
„(1) Langfristig Aufenthaltsberechtigte werden auf folgenden Gebieten wie eigene Staatsangehörige behandelt:
...
soziale Sicherheit, Sozialhilfe und Sozialschutz im Sinn des nationalen Rechts;
...
(4) Die Mitgliedstaaten können die Gleichbehandlung bei Sozialhilfe und Sozialschutz auf die Kernleistungen beschränken.
...“
Österreichisches Recht
OöWFG
Das Land Oberösterreich gewährt Wohnbeihilfe, wobei die Voraussetzungen hierfür in den folgenden Bestimmungen des oberösterreichischen Wohnbauförderungsgesetzes (LGBl. Nr. 6/1993) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: oöWFG) geregelt waren. § 6 oöWFG sah vor:
„...
(9) Förderungen nach diesem Landesgesetz sind österreichischen Staatsbürgern, Staatsangehörigen eines EWR-Staates und Unionsbürgern sowie deren Familienangehörigen im Sinn der Richtlinie 2004/38/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. 2004, L 158, S. 77)] zu gewähren. Sonstigen Personen, sofern ihnen nicht auf Grund eines Staatsvertrags eine Förderung wie Inländern zu gewähren ist, darf eine Förderung nur gewährt werden, wenn diese
ununterbrochen und rechtmäßig mehr als fünf Jahre in Österreich ihren Hauptwohnsitz haben,
Einkünfte beziehen, die der Einkommensteuer in Österreich unterliegen, oder auf Grund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit Beiträge an die gesetzliche Sozialversicherung in Österreich entrichtet haben und nunmehr Leistungen aus dieser erhalten, sowie innerhalb der letzten fünf Jahre 54 Monate lang oben genannte Einkünfte oder Leistungen bezogen haben und
Deutschkenntnisse gemäß Abs. 11 nachweisen.
...
(11) Die Voraussetzung des Abs. 9 Z 3 gilt als erfüllt, wenn
ein Prüfungszeugnis des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) oder einer vom ÖIF zertifizierten Prüfungseinrichtung über die erfolgreiche Absolvierung einer Integrationsprüfung vorgelegt wird oder
ein allgemein anerkanntes Sprachdiplom oder Prüfungszeugnis über Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 von einer zertifizierten Prüfungseinrichtung im Sinn der Integrationsvereinbarungs-Verordnung, BGBl. II Nr. 242/2017, vorgelegt wird oder
der Nachweis eines mindestens fünfjährigen Besuchs einer Pflichtschule in Österreich vorgelegt wird und das Unterrichtsfach ‚Deutsch‘ positiv abgeschlossen wurde oder das Unterrichtsfach ‚Deutsch‘ auf dem Niveau der 9. Schulstufe positiv abgeschlossen wurde oder
der Förderwerber über eine Lehrabschlussprüfung gemäß dem Berufsausbildungsgesetz, BGBl. Nr. 142/1969, verfügt.
...“
§ 23 oöWFG bestimmte:
„Dem Hauptmieter, Wohnungseigentumsbewerber oder Eigentümer einer geförderten Wohnung kann eine Wohnbeihilfe gewährt werden, wenn der Förderungswerber
durch den Wohnungsaufwand unzumutbar belastet wird,
die geförderte Wohnung zur Befriedigung seines Wohnbedürfnisses dauernd bewohnt,
sonstige Zuschüsse zur Minderung des Wohnungsaufwandes (§ 24 Abs. 1), auf die er einen Rechtsanspruch besitzt, beantragt hat und
die Rückzahlung des Förderungsdarlehens (§ 9) oder eines bezuschussten Hypothekardarlehens (§ 10) bereits eingesetzt hat.
(2) Dem Hauptmieter einer nicht geförderten Wohnung kann eine Wohnbeihilfe bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 Z 1 bis 3 gewährt werden, wenn das Mietverhältnis nicht mit einer nahestehenden Person abgeschlossen wurde.
...“
Oberösterreichische Wohnbeihilfen-Verordnung
Nach § 2 Abs. 3 der oberösterreichischen Wohnbeihilfen-Verordnung in der auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung war die Höhe der Wohnbeihilfe auf 300 Euro monatlich begrenzt.
OöBMSG
Personen in einer sozialen Notlage konnten nach dem oberösterreichischen Mindestsicherungsgesetz (BGBl. Nr. 74/2011) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: oöBMSG) eine bedarfsorientierte Mindestsicherung erhalten. Nach § 1 oöBMSG war Aufgabe bedarfsorientierter Mindestsicherung die Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens sowie die damit verbundene dauerhafte Einbeziehung in die Gesellschaft für jene, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen. Diese Leistung konnte unter bestimmten Voraussetzungen auch neben oder unter teilweiser Anrechnung der Wohnbeihilfe bezogen werden. Der Grundbetrag dieser Leistung betrug im Jahr 2018 für eine alleinstehende Person 921,30 Euro pro Monat und für volljährige Personen in einem gemeinsamen Haushalt grundsätzlich 649,10 Euro pro Person; für Kinder wurden zusätzliche Leistungen gewährt.
§ 4 oöBMSG bestimmte:
„(1) Bedarfsorientierte Mindestsicherung kann, sofern dieses Landesgesetz nichts anderes bestimmt, nur Personen geleistet werden, die
ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Land Oberösterreich haben … und
-
österreichische Staatsbürgerinnen und -bürger oder deren Familienangehörige,
Asylberechtigte oder subsidiär Schutzberechtigte,
EU-/EWR-Bürgerinnen oder -Bürger, Schweizer Staatsangehörige oder deren Familienangehörige, jeweils soweit sie durch den Bezug dieser Leistungen nicht ihr Aufenthaltsrecht verlieren würden,
Personen mit einem Aufenthaltstitel ‚Daueraufenthalt – [EU]‘ oder ‚Daueraufenthalt – Familienangehörige‘ oder mit einem Niederlassungsnachweis oder einer unbefristeten Niederlassungsbewilligung,
Personen mit einem sonstigen dauernden Aufenthaltsrecht im Inland, soweit sie durch den Bezug dieser Leistungen nicht ihr Aufenthaltsrecht verlieren würden, sind.“
§ 5 oöBMSG sah vor:
„Voraussetzung für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung ist, dass eine Person im Sinn des § 4
von einer sozialen Notlage (§ 6) betroffen ist und
bereit ist, sich um die Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage zu bemühen (§ 7).“
§ 6 oöBMSG bestimmte:
„(1) Eine soziale Notlage liegt bei Personen vor,
die ihren eigenen Lebensunterhalt und Wohnbedarf oder
den Lebensunterhalt und Wohnbedarf von unterhaltsberechtigten Angehörigen, die mit ihnen in Haushaltsgemeinschaft leben,
nicht decken oder im Zusammenhang damit den erforderlichen Schutz bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung nicht gewährleisten können.
(2) Der Lebensunterhalt im Sinn des Abs. 1 umfasst den Aufwand für die regelmäßig wiederkehrenden Bedürfnisse zur Führung eines menschenwürdigen Lebens, insbesondere für Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Beheizung und Strom sowie andere persönliche Bedürfnisse, wie die angemessene soziale und kulturelle Teilhabe.
(3) Der Wohnbedarf nach Abs. 1 umfasst den für die Gewährleistung einer angemessenen Wohnsituation erforderlichen regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Miete, allgemeine Betriebskosten und Abgaben.
...“
OöADG
Durch das oberösterreichische Antidiskriminierungsgesetz (LGBl. Nr. 50/2005) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: oöADG) wurde die Richtlinie 2000/43 in österreichisches Recht umgesetzt. § 1 („Diskriminierungsverbot“) oöADG verbietet jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung von natürlichen Personen u. a. aus Gründen der ethnischen Zugehörigkeit. Nach § 3 oöADG gilt der genannte § 1 nicht für eine unterschiedliche Behandlung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, sofern diese gesetzlich vorgegeben oder sachlich gerechtfertigt ist und dem nicht Vorschriften der Union oder Staatsverträge im Rahmen der europäischen Integration über die Gleichstellung von Personen entgegenstehen.
§ 8 oöADG sah vor:
„(1) Bei Verletzungen des Verbotes der Diskriminierung aus den Gründen des § 1 hat die benachteiligte Person … einen Anspruch auf angemessenen Schadenersatz …
Neben dem Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens besteht auch ein Anspruch auf eine angemessene Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung. Der Ersatz für die erlittene persönliche Beeinträchtigung beträgt mindestens 1.000 Euro.
...“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
KV, ein türkischer Staatsangehöriger, lebt seit 1997 mit seiner Ehefrau und drei Kindern in Österreich, wo er die „Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten“ im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2003/109 besitzt. Bis Ende 2017 bezog er Wohnbeihilfe nach dem oöWFG. Da die Gewährung dieser Beihilfe an Drittstaatsangehörige mit Wirkung vom 1. Januar 2018 nach § 6 Abs. 9 und 11 oöWFG daran geknüpft wurde, dass diese auf eine durch diese Regelung bestimmte Weise den Nachweis erbringen, dass sie über grundlegende Deutschkenntnisse verfügen, wurde KV ab diesem Zeitpunkt die Beihilfe mit der Begründung verweigert, dass er den erforderlichen Nachweis nicht erbracht habe.
KV erhob daraufhin beim Bezirksgericht Linz (Österreich) Klage auf Verurteilung des Landes Oberösterreich zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe der entgangenen Wohnbeihilfe von Januar bis November 2018 (281,54 Euro pro Monat) sowie von immateriellem Schadensersatz in Höhe von 1000 Euro. Er stützte seine Klage auf § 8 oöADG und machte zum einen geltend, dass § 6 Abs. 9 Z 3 und § 6 Abs. 11 oöWFG ihn aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit benachteiligten, ohne dass dies gerechtfertigt sei, und zum anderen, dass die Wohnbeihilfe eine „Kernleistung“ im Sinne von Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109 sei.
Nachdem das Bezirksgericht Linz der Klage stattgegeben hatte, erhob das Land Oberösterreich Berufung beim vorlegenden Gericht, dem Landesgericht Linz (Österreich).
Dieses Gericht weist zunächst darauf hin, dass die Beantwortung seiner ersten und seiner zweiten Frage unabhängig voneinander für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits erforderlich sei. Sollte die Wohnbeihilfe als „Kernleistung“ im Sinne von Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109 einzustufen sein, wäre eine Beantwortung der zweiten Vorlagefrage für das vorlegende Gericht nämlich dennoch von Nutzen, da KV seine Klage auf seinen Schadensersatzanspruch nach § 8 Abs. 1 oöADG stütze und sowohl die Zahlung der nicht erhaltenen Wohnbeihilfe als auch den Ersatz seines immateriellen Schadens verlange, der sich daraus ergebe, dass er aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit diskriminiert worden sei. Sollte die Wohnbeihilfe nicht als „Kernleistung“ im Sinne des Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109 anzusehen sein, wäre es dennoch denkbar, dass die Regelung des § 6 Abs. 9 und 11 oöWFG eine unzulässige Diskriminierung im Sinne der Richtlinie 2000/43 darstelle oder gegen die Charta verstoße. Als das Land Oberösterreich von der Ausnahme nach Art. 11 Abs. 4 dieser Richtlinie Gebrauch gemacht habe, habe es bei der Ausgestaltung der Regelung für die Gewährung der Wohnbeihilfe sonstige Vorgaben des Unionsrechts wie die Richtlinie 2000/43 und die Charta beachten müssen und keine diskriminierenden Kriterien anwenden dürfen. Folglich sei unabhängig von Art. 11 der Richtlinie 2003/109 zu prüfen, ob § 6 Abs. 9 und 11 oöWFG gegen die Richtlinie 2000/43 oder die Charta verstoße.
Das vorlegende Gericht möchte zunächst wissen, ob die Wohnbeihilfe eine „Kernleistung“ im Sinne von Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109 darstellt, und weist insoweit darauf hin, dass der Ausschuss für Wohnbau, Baurecht und Naturschutz des oberösterreichischen Landtags (Österreich) in seinem Bericht zu einem Entwurf zur Änderung des oöWFG im Jahr 2013 ausgeführt habe, dass die Wohnbauförderung (einschließlich der Wohnbeihilfe) keine Kernleistung darstelle. Dieser Ausschuss habe damit den Willen des oberösterreichischen Landtags zum Ausdruck gebracht, von der Ausnahme nach dieser Bestimmung Gebrauch zu machen. Dabei habe man langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige jedoch nicht generell von der Wohnbeihilfe ausgeschlossen, sondern für diesen Personenkreis lediglich zusätzliche Voraussetzungen aufgestellt. Das vorlegende Gericht sei allerdings nicht an die vom Ausschuss vorgenommene Auslegung von Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109 gebunden.
Unter Bezugnahme auf das Urteil vom 24. April 2012, Kamberaj (C-571/10, EU:C:2012:233), vertritt das vorlegende Gericht die Ansicht, dass die Anwendung der in diesem Urteil aufgestellten Grundsätze auf die Wohnbeihilfe nicht offensichtlich sei.
Die Mindestsicherung nach dem oöBMSG solle hingegen allgemein Personen in sozialen Notlagen ein menschenwürdiges Leben ermöglichen, was den Zugang zu Wohnraum einschließe. Sie sei an deutlich strengere Voraussetzungen geknüpft als die Wohnbeihilfe, da sie nur von Personen ohne Einkommen oder mit äußerst niedrigem Einkommen bezogen werden könne. Sie setze also ein deutlich höheres Maß an sozialer Bedürftigkeit voraus, als für die Gewährung der Wohnbeihilfe verlangt werde. Daher könnten Personen mit zwar niedrigem, jedoch existenzsicherndem Einkommen Wohnbeihilfe beziehen, erhielten aber keine Leistungen aus der Mindestsicherung. In bestimmten Fällen sei es möglich, sowohl Mindestsicherung als auch Wohnbeihilfe zu erhalten, wobei dann die erstgenannte Leistung teilweise auf die zweitgenannte Leistung angerechnet werde. Die Zielgruppen dieser beiden Leistungen seien jedoch nicht identisch.
Das vorlegende Gericht stellt sich die Frage, ob nur die Leistungen nach dem oöBMSG als „Kernleistungen“ im Sinne von Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109 anzusehen seien oder ob dies auch auf die Wohnbeihilfe zutreffe, weil auch diese der Abfederung unzumutbarer Belastungen durch Wohnkosten diene, wenngleich sie anders als die Mindestsicherung keine soziale Notlage des Betroffenen voraussetze.
Was sodann die behauptete Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft betrifft, führt das vorlegende Gericht aus, dass das oöADG – soweit für das Ausgangsverfahren relevant – die Richtlinie 2000/43 in österreichisches Recht umsetze, obwohl dieses Gesetz den Ausdruck „ethnische Zugehörigkeit“ verwende. Da nach Art. 3 Abs. 2 dieser Richtlinie eine unterschiedliche Behandlung auf Basis des Kriteriums der Drittstaatsangehörigkeit für sich genommen grundsätzlich nicht unter diese Richtlinie falle, stelle sich die Frage, ob in einer Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit unter bestimmten Voraussetzungen dennoch eine „mittelbare Diskriminierung“ aufgrund der ethnischen Herkunft im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b dieser Richtlinie liegen könne. Das vorlegende Gericht sei insofern mit einer Regelung befasst, wonach grundlegende Deutschkenntnisse vorhanden sein müssten und dies auf eine bestimmte Art nachgewiesen werden müsse. Für den Fall, dass das oöWFG auf eine mittelbare Diskriminierung zu prüfen sein sollte, müsste deren sachliche Rechtfertigung untersucht werden. Die Zielsetzung von § 6 Abs. 9 und 11 oöWFG sei ein restriktiverer Zugang von Drittstaatsangehörigen zu Wohnbeihilfen, und der Grund für das Erfordernis von grundlegenden Deutschkenntnissen bestehe darin, dass diese für die gesellschaftliche Integration des Betroffenen bedeutsam seien. Aus Sicht des vorlegenden Gerichts ist das Erfordernis eines Deutschnachweises angesichts der übrigen Voraussetzungen für die Gewährung der Wohnbeihilfe und der Anforderungen, die der betreffende Drittstaatsangehörige erfüllen müsse, um die „Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten“ im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2003/109 zu erlangen, diskussionswürdig.
Für den Fall schließlich, dass der Gerichtshof die Richtlinie 2000/43 als auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens unanwendbar erachten sollte, stellt sich nach Ansicht des vorlegenden Gerichts die Frage, ob die Regelung in § 6 Abs. 9 und 11 oöWFG an Art. 21 der Charta gemessen werden müsse. Die genauen Modalitäten einer solchen Regelung seien nämlich unter Berücksichtigung der Vorgaben der Charta zu bestimmen, da das Ausgangsverfahren in den Anwendungsbereich der Charta falle, weil es unionsrechtliche Vorgaben gebe, die die Gewährung von Sozialleistungen an langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige vorschrieben, und die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung als Ausgestaltung dieser Vorgaben angesehen werden könne.
Unter diesen Umständen hat das Landesgericht Linz beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist Art. 11 der Richtlinie 2003/109 dahin gehend auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der des § 6 Abs. 9 und Abs. 11 oöWFG entgegensteht, die Unionsbürgern, Staatsangehörigen eines EWR-Staates und Familienangehörigen im Sinn der Richtlinie 2004/38 die Sozialleistung der Wohnbeihilfe ohne Nachweis von Sprachkenntnissen zukommen lässt, hingegen bei langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen im Sinn der Richtlinie 2003/109 auf eine bestimmte Weise nachzuweisende, grundlegende Kenntnisse der deutschen Sprache verlangt, wenn diese Wohnbeihilfe unzumutbare Belastungen durch Wohnkosten abfedern soll, eine Sicherung des Existenzminimums (einschließlich Wohnbedarf) aber auch durch eine weitere Sozialleistung (bedarfsorientierte Mindestsicherung nach dem oöBMSG) für Personen in sozialer Notlage gewährleistet werden soll?
Ist das Verbot der „unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung“ aus Gründen der „Rasse oder ethnischen Herkunft“ nach Art. 2 der Richtlinie 2000/43 dahin gehend auszulegen, dass es einer nationalen Regelung wie der des § 6 Abs. 9 und Abs. 11 oöWFG entgegensteht, die Unionsbürgern, Staatsangehörigen eines EWR-Staates und Familienangehörigen im Sinn der Richtlinie 2004/38 eine Sozialleistung (Wohnbeihilfe nach oöWFG) ohne Nachweis von Sprachkenntnissen zukommen lässt, hingegen bei Drittstaatsangehörigen (einschließlich langfristig aufenthaltsberechtigter Drittstaatsangehöriger im Sinn der Richtlinie 2003/109) auf eine bestimmte Weise nachzuweisende, grundlegende Kenntnisse der deutschen Sprache verlangt?
Falls Frage 2 verneint wird:
Ist das Verbot der Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft nach Art. 21 der Charta dahin gehend auszulegen, dass es einer nationalen Regelung wie der des § 6 Abs. 9 und Abs. 11 oöWFG entgegensteht, die Unionsbürgern, Staatsangehörigen eines EWR-Staates und Familienangehörigen im Sinn der Richtlinie 2004/38 eine Sozialleistung (Wohnbeihilfe nach oöWFG) ohne Nachweis von Sprachkenntnissen zukommen lässt, hingegen bei Drittstaatsangehörigen (einschließlich langfristig aufenthaltsberechtigter Drittstaatsangehöriger im Sinn der Richtlinie 2003/109) auf eine bestimmte Weise nachzuweisende, grundlegende Kenntnisse der deutschen Sprache verlangt?
Zum Antrag auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens
Nach der Verlesung der Schlussanträge des Generalanwalts hat das Land Oberösterreich mit Schriftsatz, der am 12. März 2021 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, gemäß Art. 83 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens beantragt. Zur Stützung seines Antrags macht das Land Oberösterreich im Wesentlichen geltend, dass die vom Generalanwalt vorgenommene Einstufung der Wohnbeihilfe als „Kernleistung“ im Sinne von Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109 unzutreffend sei. Diese Einstufung verstoße nämlich sowohl gegen diese Bestimmung als auch gegen die Rechtsprechung des Gerichtshofs sowie gegen das Ziel dieser Leistung. Außerdem seien die Schlussanträge des Generalanwalts widersprüchlich und fußten auf nicht bewiesenen Tatsachen bzw. nicht vorgetragenen Argumenten. Was im Übrigen den Nachweis grundlegender Deutschkenntnisse betrifft, den der Steller eines Antrags auf Wohnbeihilfe vorzulegen hat, stellt das Land Oberösterreich in Abrede, dass es andere Beweismittel geben könne als die, die nach der nationalen Regelung bereits akzeptiert würden.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass zum einen die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und die Verfahrensordnung keine Möglichkeit für die in Art. 23 der Satzung bezeichneten Beteiligten vorsehen, eine Stellungnahme zu den Schlussanträgen des Generalanwalts einzureichen (Urteil vom 2. März 2021, A. B. u. a. [Ernennung von Richtern am Obersten Gericht – Rechtsbehelf], C-824/18, EU:C:2021:153, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Zum anderen stellt der Generalanwalt nach Art. 252 Abs. 2 AEUV öffentlich in völliger Unparteilichkeit und Unabhängigkeit begründete Schlussanträge zu den Rechtssachen, in denen nach der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union seine Mitwirkung erforderlich ist. Der Gerichtshof ist weder an diese Schlussanträge noch an ihre Begründung durch den Generalanwalt gebunden. Dass ein Beteiligter nicht mit den Schlussanträgen des Generalanwalts einverstanden ist, kann folglich unabhängig von den darin untersuchten Fragen für sich genommen kein Grund sein, der die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens rechtfertigt (Urteile vom 4. Dezember 2019, Consorzio Tutela Aceto Balsamico di Modena, C-432/18, EU:C:2019:1045, Rn. 21, sowie vom 2. März 2021, A. B. u. a. [Ernennung von Richtern am Obersten Gericht – Rechtsbehelf], C-824/18, EU:C:2021:153, Rn. 64).
Allerdings kann der Gerichtshof nach Art. 83 der Verfahrensordnung jederzeit nach Anhörung des Generalanwalts die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens beschließen, insbesondere wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält, wenn eine Partei nach Abschluss des mündlichen Verfahrens eine neue Tatsache unterbreitet hat, die von entscheidender Bedeutung für die Entscheidung des Gerichtshofs ist, oder wenn ein zwischen den Parteien oder den in Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union bezeichneten Beteiligten nicht erörtertes Vorbringen entscheidungserheblich ist.
Im vorliegenden Fall ist der Gerichtshof jedoch nach Anhörung des Generalanwalts der Auffassung, dass er am Ende des schriftlichen Verfahrens über alle für die Urteilsfindung erforderlichen Angaben verfügt. Auch ist die vorliegende Rechtssache nicht auf der Grundlage eines zwischen den Beteiligten nicht erörterten Vorbringens zu entscheiden. Der Antrag auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens lässt überdies keine neuen Tatsachen erkennen, die geeignet wären, die Entscheidung des Gerichtshofs in dieser Rechtssache zu beeinflussen. Aus diesen Gründen ist das mündliche Verfahren nicht wiederzueröffnen.
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Vorlagefrage
Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass das vorlegende Gericht im Rahmen seiner ersten Frage von der Prämisse ausgeht, dass die Wohnbeihilfe unter die in Art. 11 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2003/109 genannten Leistungen fällt und dass die für die Umsetzung dieser Richtlinie zuständigen Behörden klar zum Ausdruck gebracht haben, dass sie sich auf die in Art. 11 Abs. 4 dieser Richtlinie vorgesehene Ausnahme berufen wollten, was vom vorlegenden Gericht zu überprüfen ist.
Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seiner ersten Frage wissen möchte, ob Art. 11 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2003/109 dahin auszulegen ist, dass er selbst dann, wenn von der Ausnahme nach Art. 11 Abs. 4 dieser Richtlinie Gebrauch gemacht worden ist, einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der die Gewährung einer Wohnbeihilfe an langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige daran geknüpft ist, dass diese auf eine durch diese Regelung bestimmte Weise den Nachweis erbringen, dass sie über grundlegende Kenntnisse der Sprache dieses Mitgliedstaats verfügen.
In dieser Hinsicht stellt sich das vorlegende Gericht vor allem die Frage, ob die Wohnbeihilfe als „Kernleistung“ im Sinne von Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109 einzustufen ist.
Nach dieser Bestimmung können die Mitgliedstaaten die Gleichbehandlung von „langfristig Aufenthaltsberechtigten“ im Sinne dieser Richtlinie und eigenen Staatsangehörigen bei Sozialhilfe und Sozialschutz auf die Kernleistungen beschränken. Da die Integration der dauerhaft in den Mitgliedstaaten ansässig gewordenen Drittstaatsangehörigen und ihr Recht auf Gleichbehandlung in den in Art. 11 Abs. 1 dieser Richtlinie genannten Bereichen die Grundregel bilden, ist die in Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie vorgesehene Ausnahme eng auszulegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. April 2012, Kamberaj, C-571/10, EU:C:2012:233, Rn. 86).
Zum Begriff „Kernleistung“ im Sinne von Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109 ist darauf hinzuweisen, dass mangels einer Definition dieses Begriffs in dieser Richtlinie und einer entsprechenden Verweisung auf das nationale Recht dessen Bedeutung und Tragweite unter Berücksichtigung des Kontexts, in den sich diese Bestimmung einfügt, und des mit dieser Richtlinie verfolgten Ziels zu ermitteln sind, das – wie insbesondere aus den Erwägungsgründen 2, 4 und 12 der Richtlinie hervorgeht – in der Integration der Drittstaatsangehörigen besteht, die sich rechtmäßig und langfristig in den Mitgliedstaaten aufgehalten haben. Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109 ist dahin zu verstehen, dass er es den Mitgliedstaaten gestattet, die Gleichbehandlung, auf die die Inhaber der von dieser Richtlinie gewährten Rechtsstellung Anspruch haben, zu beschränken; hiervon ausgenommen sind diejenigen von den Behörden, sei es auf nationaler, auf regionaler oder auf kommunaler Ebene, gewährten Leistungen der Sozialhilfe oder des Sozialschutzes, die dazu beitragen, es dem Betroffenen zu erlauben, seine Grundbedürfnisse wie Nahrung, Wohnung und Gesundheit zu befriedigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. April 2012, Kamberaj, C-571/10, EU:C:2012:233, Rn. 90 und 91).
Außerdem müssen die Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Maßnahmen der sozialen Sicherheit, der Sozialhilfe und des Sozialschutzes, die in ihrem nationalen Recht vorgesehen sind und dem in Art. 11 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2003/109 niedergelegten Gleichbehandlungsgrundsatz unterliegen, die in der Charta gewährleisteten Rechte beachten und die in ihr normierten Grundsätze berücksichtigen, darunter insbesondere die in Art. 34 der Charta aufgeführten. Dieser letztgenannte Artikel bestimmt, dass die Union das Recht auf eine soziale Unterstützung und eine Unterstützung für die Wohnung anerkennt und achtet, die allen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, ein menschenwürdiges Dasein sicherstellen sollen. Hieraus folgt, dass für eine Leistung, soweit sie den von diesem Artikel der Charta genannten Zweck erfüllt, im Unionsrecht nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie nicht zu den „Kernleistungen“ im Sinne von Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109 gehört (Urteil vom 24. April 2012, Kamberaj, C-571/10, EU:C:2012:233, Rn. 80 und 92).
Daraus ergibt sich, dass – wie der Generalanwalt in Nr. 53 seiner Schlussanträge ausgeführt hat – eine Leistung, die es Personen, die selbst nicht über ausreichende Mittel verfügen, zur Sicherstellung menschenwürdiger Lebensbedingungen ermöglichen soll, ihren Wohnbedarf zu decken, eine „Kernleistung“ im Sinne von Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109 darstellt.
Im vorliegenden Fall weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass der Zweck der Wohnbeihilfe darin bestehe, zu verhindern, dass Wohnkosten zu unzumutbaren Belastungen würden. Da die Wohnbeihilfe auf 300 Euro begrenzt sei, handele es sich um einen Zuschuss zu den Wohnkosten, der nicht darauf ausgelegt sei, die Wohnkosten eines Beihilfebeziehers vollständig abzudecken, sondern darauf, einen Teil dieser Wohnkosten zu decken, damit Personen mit niedrigem Einkommen nicht einen allzu großen Anteil ihres Einkommens für eine angemessene Wohnmöglichkeit aufwendeten.
Aus den Angaben des vorlegenden Gerichts ergibt sich, dass die Wohnbeihilfe – wie der Generalanwalt in Nr. 59 seiner Schlussanträge ausgeführt hat – dazu beiträgt, diesen Personen ein menschenwürdiges Dasein zu garantieren, indem ihnen ermöglicht wird, angemessen zu wohnen, ohne einen allzu großen Teil ihres Einkommens für die Wohnung auszugeben, was womöglich zulasten der Deckung anderer Grundbedürfnisse ginge. Die Wohnbeihilfe scheint somit eine Leistung nach Art. 34 Abs. 3 der Charta zu sein, die dazu beiträgt, die soziale Ausgrenzung und die Armut zu bekämpfen, indem sie für all diejenigen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, ein menschenwürdiges Dasein sicherstellt. Ist dies der Fall, ist ihre Gewährung an langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige folglich auch erforderlich, um das mit der Richtlinie 2003/109 verfolgte Integrationsziel zu erreichen. Demnach scheint die Wohnbeihilfe eine „Kernleistung“ im Sinne von Art. 11 Abs. 4 dieser Richtlinie darstellen zu können.
Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, dies zu überprüfen und die erforderlichen Feststellungen zu treffen, wobei der Zweck der Wohnbeihilfe sowie die Voraussetzungen für ihre Gewährung und ihre Stellung im nationalen Sozialhilfesystem zu berücksichtigen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. April 2012, Kamberaj, C-571/10, EU:C:2012:233, Rn. 92).
Insoweit kann der bloße Umstand, dass langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige bei Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen Anspruch auf andere Sozialleistungen wie etwa die Mindestsicherung nach dem oöBMSG haben, die Personen in sozialen Notlagen ein menschenwürdiges Leben – auch im Hinblick auf die Wohnsituation – ermöglichen soll und als „Kernleistung“ im Sinne von Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109 eingestuft werden kann, nicht ausschließen, dass die Wohnbeihilfe ebenso eingestuft wird, wenn sie ebenfalls die oben in den Rn. 38 bis 40 genannten Kriterien erfüllt.
Für den Fall, dass die Wohnbeihilfe nicht als „Kernleistung“ im Sinne von Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109 einzustufen sein sollte, ist festzustellen, dass die Richtlinie 2003/109 keine besondere Verpflichtung für einen Mitgliedstaat vorsieht, der von der in Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109 vorgesehenen Ausnahme Gebrauch gemacht hat und langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen dennoch eine Leistung gewährt, die nicht als „Kernleistung“ eingestuft werden kann.
Ein solcher Fall unterscheidet sich von Fällen, in denen ein Unionsrechtsakt den Mitgliedstaaten ein Wahlrecht zwischen verschiedenen Anwendungsmodalitäten lässt oder ihnen ein Ermessen oder einen Wertungsspielraum einräumt, der integrierender Bestandteil der durch den Rechtsakt geschaffenen Regelung ist, oder auch von Fällen, in denen ein solcher Rechtsakt den Erlass spezifischer Maßnahmen durch die Mitgliedstaaten zulässt, mit denen zur Verwirklichung seines Ziels beigetragen werden soll (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. November 2019, TSN und AKT, C-609/17 und C-610/17, EU:C:2019:981, Rn. 50).
Für den Fall, dass davon ausgegangen werden sollte, dass die Wohnbeihilfe keine „Kernleistung“ im Sinne von Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109 darstellt, fallen die Voraussetzungen für die Gewährung dieser Leistung – wie etwa der nach § 6 Abs. 9 und 11 oöWFG auf eine bestimmte Weise zu erbringende Nachweis des Besitzes grundlegender Deutschkenntnisse – daher in die den Mitgliedstaaten verbliebene Zuständigkeit. Sie sind weder durch die Richtlinie 2003/109 geregelt noch fallen sie in deren Anwendungsbereich (vgl. entsprechend Urteil vom 19. November 2019, TSN und AKT, C-609/17 und C-610/17, EU:C:2019:981, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Daraus folgt, dass in diesem Fall die in § 6 Abs. 9 und 11 oöWFG enthaltenen Voraussetzungen für die Gewährung der Wohnbeihilfe nicht anhand der Richtlinie 2003/109 zu beurteilen wären.
Nach alledem ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 11 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2003/109 dahin auszulegen ist, dass er selbst dann, wenn von der Ausnahme nach Art. 11 Abs. 4 dieser Richtlinie Gebrauch gemacht worden ist, einer Regelung eines Mitgliedstaats, nach der die Gewährung einer Wohnbeihilfe an langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige daran geknüpft ist, dass diese auf eine durch diese Regelung bestimmte Weise den Nachweis erbringen, dass sie über grundlegende Kenntnisse der Sprache dieses Mitgliedstaats verfügen, entgegensteht, sofern diese Wohnbeihilfe eine „Kernleistung“ im Sinne der letztgenannten Bestimmung darstellt, was das vorlegende Gericht zu beurteilen hat.
Zur zweiten Frage
Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Richtlinie 2000/43 dahin auszulegen ist, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der die Gewährung einer Wohnbeihilfe an langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige daran geknüpft ist, dass diese auf eine durch diese Regelung bestimmte Weise den Nachweis erbringen, dass sie über grundlegende Kenntnisse der Sprache dieses Mitgliedstaats verfügen.
Nach Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2000/43 findet diese nur auf unmittelbare oder mittelbare Diskriminierungen aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft Anwendung. Nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2000/43 betrifft diese nicht unterschiedliche Behandlungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit und berührt nicht die Vorschriften und Bedingungen für die Einreise von Staatsangehörigen dritter Staaten oder staatenlosen Personen in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten oder deren Aufenthalt in diesem Hoheitsgebiet sowie eine Behandlung, die sich aus der Rechtsstellung von Staatsangehörigen dritter Staaten oder staatenlosen Personen ergibt.
Im vorliegenden Fall beruht die sich aus § 6 Abs. 9 und 11 oöWFG ergebende unterschiedliche Behandlung von Drittstaatsangehörigen mit der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten und Inländern jedoch auf dieser Rechtsstellung.
Eine solche unterschiedliche Behandlung fällt folglich nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/43 (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. April 2012, Kamberaj, C-571/10, EU:C:2012:233, Rn. 50).
Das vorlegende Gericht fragt sich jedoch, ob unter bestimmten Voraussetzungen eine unterschiedliche Behandlung aus Gründen der Staatsangehörigkeit oder – wie im Ausgangsverfahren – aufgrund der Rechtsstellung eines langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen auch eine „mittelbare Diskriminierung“ aufgrund der ethnischen Herkunft im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43 darstellen kann, da § 6 Abs. 9 und 11 oöWFG nicht nur nach dem Kriterium der Eigenschaft eines langfristig Aufenthaltsberechtigten, sondern auch nach dem Kriterium des Besitzes grundlegender Kenntnisse der Landessprache unterscheidet.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43 eine mittelbare Diskriminierung vorliegt, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die einer bestimmten Rasse oder ethnischen Gruppe angehören, in besonderer Weise benachteiligen können. Der in dieser Bestimmung verwendete Ausdruck „in besonderer Weise benachteiligen“ ist dahin gehend zu verstehen, dass es insbesondere Personen einer bestimmten ethnischen Herkunft sind, die durch die fragliche Maßnahme benachteiligt werden. „Mittelbare Diskriminierung“ im Sinne dieser Bestimmung liegt begrifflich nur vor, wenn die mutmaßlich diskriminierende Maßnahme zur Benachteiligung einer bestimmten ethnischen Gruppe führt (Urteile vom 16. Juli 2015, CHEZ Razpredelenie Bulgaria, C-83/14, EU:C:2015:480, Rn. 100, vom 6. April 2017, Jyske Finans, C-668/15, EU:C:2017:278, Rn. 27 und 31, sowie vom 15. November 2018, Maniero, C-457/17, EU:C:2018:912, Rn. 47 und 48).
§ 6 Abs. 9 und 11 oöWFG, der für alle Drittstaatsangehörigen unterschiedslos gilt, benachteiligt jedoch nicht Personen einer bestimmten ethnischen Herkunft. Folglich kann diese Vorschrift keine „mittelbare Diskriminierung“ aufgrund der ethnischen Herkunft im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43 darstellen.
Nach alledem ist auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass eine Regelung eines Mitgliedstaats, die unterschiedslos für alle Drittstaatsangehörigen gilt und nach der die Gewährung einer Wohnbeihilfe an langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige daran geknüpft ist, dass diese auf eine durch diese Regelung bestimmte Weise den Nachweis erbringen, dass sie über grundlegende Kenntnisse der Sprache dieses Mitgliedstaats verfügen, nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/43 fällt.
Zur dritten Frage
Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 21 der Charta, insoweit als er jede Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft verbietet, dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der die Gewährung einer Wohnbeihilfe an langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige daran geknüpft ist, dass diese auf eine durch diese Regelung bestimmte Weise den Nachweis erbringen, dass sie über grundlegende Kenntnisse der Sprache dieses Mitgliedstaats verfügen.
Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass die Charta nach ihrem Art. 51 Abs. 1 für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union gilt. Art. 6 Abs. 1 EUV sowie Art. 51 Abs. 2 der Charta stellen klar, dass die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten der Union durch die Bestimmungen der Charta in keiner Weise erweitert werden. Somit hat der Gerichtshof im Licht der Charta das Unionsrecht in den Grenzen der der Union übertragenen Zuständigkeiten zu prüfen und kann folglich eine nationale Regelung, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt, nicht im Hinblick auf die Charta beurteilen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. März 2014, Siragusa, C-206/13, EU:C:2014:126, Rn. 20 und 21, sowie vom 10. Juli 2014, Julián Hernández u. a., C-198/13, EU:C:2014:2055, Rn. 32).
Zum einen fällt indes, wie sich aus der Antwort auf die zweite Vorlagefrage ergibt, eine Regelung eines Mitgliedstaats wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/43.
Zum anderen ist für den Fall, dass die Wohnbeihilfe nicht als „Kernleistung“ im Sinne von Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109 einzustufen sein sollte, darauf hinzuweisen, dass diese Richtlinie – wie oben in den Rn. 45 und 47 ausgeführt worden ist – den Mitgliedstaaten keine besondere Verpflichtung für den Fall auferlegt, dass sie, nachdem sie von der Ausnahme nach Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109 Gebrauch gemacht haben, langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen dennoch eine nicht als Kernleistung einzustufende Leistung im Bereich Sozialhilfe oder Sozialschutz gewähren. Demnach fallen die Voraussetzungen für die Gewährung einer solchen Leistung – wie etwa der auf eine bestimmte Weise zu erbringende Nachweis des Besitzes grundlegender Deutschkenntnisse, der nach § 6 Abs. 9 und 11 oöWFG verlangt wird – nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie.
Daraus folgt, dass in diesem Fall eine Bestimmung wie § 6 Abs. 9 und 11 oöWFG nicht in den Anwendungsbereich der Charta fiele und daher nicht im Hinblick auf deren Bestimmungen, insbesondere nicht im Hinblick auf Art. 21 der Charta, beurteilt werden könnte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. November 2019, TSN und AKT, C-609/17 und C-610/17, EU:C:2019:981, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Sollte die Wohnbeihilfe hingegen eine „Kernleistung“ im Sinne von Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109 darstellen, wäre – wie aus Rn. 39 des vorliegenden Urteils hervorgeht – die Charta anwendbar. Eine Bestimmung wie § 6 Abs. 9 und 11 oöWFG, die unterschiedslos für alle Drittstaatsangehörigen gilt und aus der nicht erkennbar ist, dass sie Personen einer bestimmten ethnischen Herkunft benachteiligt, kann jedoch nicht als Diskriminierung aus Gründen der ethnischen Herkunft im Sinne von Art. 21 der Charta angesehen werden, dessen konkreten Ausdruck die Richtlinie 2000/43 in den von ihr erfassten Bereichen bildet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2015, CHEZ Razpredelenie Bulgaria, C-83/14, EU:C:2015:480, Rn. 58).
Nach alledem ist auf die dritte Vorlagefrage zu antworten, dass, wenn von der Ausnahme nach Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109 Gebrauch gemacht worden ist, Art. 21 der Charta auf eine Regelung eines Mitgliedstaats, nach der die Gewährung einer Wohnbeihilfe an langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige daran geknüpft ist, dass diese auf eine durch diese Regelung bestimmte Weise den Nachweis erbringen, dass sie über grundlegende Kenntnisse der Sprache dieses Mitgliedstaats verfügen, nicht anwendbar ist, sofern diese Wohnbeihilfe keine „Kernleistung“ im Sinne von Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109 darstellt. Sollte diese Wohnbeihilfe eine solche Kernleistung darstellen, stünde Art. 21 der Charta, insoweit als er jede Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft verbietet, einer solchen Regelung nicht entgegen.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 11 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen ist dahin auszulegen, dass er selbst dann, wenn von der Ausnahme nach Art. 11 Abs. 4 dieser Richtlinie Gebrauch gemacht worden ist, einer Regelung eines Mitgliedstaats, nach der die Gewährung einer Wohnbeihilfe an langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige daran geknüpft ist, dass diese auf eine durch diese Regelung bestimmte Weise den Nachweis erbringen, dass sie über grundlegende Kenntnisse der Sprache dieses Mitgliedstaats verfügen, entgegensteht, sofern diese Wohnbeihilfe eine „Kernleistung“ im Sinne der letztgenannten Bestimmung darstellt, was das vorlegende Gericht zu beurteilen hat.
Eine Regelung eines Mitgliedstaats, die unterschiedslos für alle Drittstaatsangehörigen gilt und nach der die Gewährung einer Wohnbeihilfe an langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige daran geknüpft ist, dass diese auf eine durch diese Regelung bestimmte Weise den Nachweis erbringen, dass sie über grundlegende Kenntnisse der Sprache dieses Mitgliedstaats verfügen, fällt nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft.
Wenn von der Ausnahme nach Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109 Gebrauch gemacht worden ist, ist Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union auf eine Regelung eines Mitgliedstaats, nach der die Gewährung einer Wohnbeihilfe an langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige daran geknüpft ist, dass diese auf eine durch diese Regelung bestimmte Weise den Nachweis erbringen, dass sie über grundlegende Kenntnisse der Sprache dieses Mitgliedstaats verfügen, nicht anwendbar, sofern diese Wohnbeihilfe keine „Kernleistung“ im Sinne von Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109 darstellt. Sollte diese Wohnbeihilfe eine solche Kernleistung darstellen, stünde Art. 21 der Charta der Grundrechte, insoweit als er jede Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft verbietet, einer solchen Regelung nicht entgegen.
Unterschriften
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch
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