Rechtsdatenbank
Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
Rechtsdatenbank
Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
EuGH 07.05.2020 - C-96/19
EuGH 07.05.2020 - C-96/19 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer) - 7. Mai 2020 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung – Straßenverkehr – Arbeitstage und Ruhetage – Digitale Fahrtenschreiber – Verordnung (EU) Nr. 165/2014 – Fehlende Aufzeichnung der Arbeitstage auf der Fahrerkarte und fehlende Schaublätter – Nationale Regelung, die unter diesen Umständen für den Fahrer eine Verpflichtung zur Vorlage einer Bescheinigung seines Arbeitgebers vorsieht – Gültigkeit des Formblatts im Anhang des Beschlusses 2009/959/EU“
Leitsatz
In der Rechtssache C-96/19
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Österreich) mit Entscheidung vom 4. Februar 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Februar 2019, in dem Verfahren
VO
gegen
Bezirkshauptmannschaft Tulln
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin L. S. Rossi (Berichterstatterin) sowie der Richter J. Malenovský und N. Wahl,
Generalanwalt: P. Pikamäe,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
der österreichischen Regierung, vertreten durch J. Schmoll und G. Hesse als Bevollmächtigte,
der belgischen Regierung, vertreten durch C. Van Lul und J.-C. Halleux als Bevollmächtigte,
der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun und J. Hottiaux als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft zum einen die Auslegung von Art. 34 Abs. 3 und Art. 36 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 über Fahrtenschreiber im Straßenverkehr, zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates über das Kontrollgerät im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr (ABl. 2014, L 60, S. 1, berichtigt in ABl. 2015, L 93, S. 103) und zum anderen die Gültigkeit des Beschlusses 2009/959/EU der Kommission vom 14. Dezember 2009 zur Änderung der Entscheidung 2007/230/EG über ein Formblatt betreffend die Sozialvorschriften für Tätigkeiten im Kraftverkehr (ABl. 2009, L 330, S. 80).
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen VO, einem Lastkraftfahrer, und der Bezirkshauptmannschaft Tulln (Österreich) über die gegen VO im Zuge einer Verkehrskontrolle verhängte Geldstrafe.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Verordnung (EG) Nr. 561/2006
Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 3821/85 und (EG) Nr. 2135/98 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates (ABl. 2006, L 102, S. 1) lautet:
„Durch diese Verordnung werden Vorschriften zu den Lenkzeiten, Fahrtunterbrechungen und Ruhezeiten für Kraftfahrer im Straßengüter- und -personenverkehr festgelegt, um die Bedingungen für den Wettbewerb zwischen Landverkehrsträgern, insbesondere im Straßenverkehrsgewerbe, anzugleichen und die Arbeitsbedingungen sowie die Straßenverkehrssicherheit zu verbessern. Ziel dieser Verordnung ist es ferner, zu einer besseren Kontrolle und Durchsetzung durch die Mitgliedstaaten sowie zu einer besseren Arbeitspraxis innerhalb des Straßenverkehrsgewerbes beizutragen.“
Art. 4 der Verordnung Nr. 561/2006 bestimmt:
„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck
…
‚andere Arbeiten‘ alle in Artikel 3 Buchstabe a der Richtlinie 2002/15/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2002 zur Regelung der Arbeitszeit von Personen, die Fahrtätigkeiten im Bereich des Straßentransports ausüben (ABl. 2002, L 80, S. 35)] als ‚Arbeitszeit‘ definierten Tätigkeiten mit Ausnahme der Fahrtätigkeit sowie jegliche Arbeit für denselben oder einen anderen Arbeitgeber, sei es inner- oder außerhalb des Verkehrssektors;
…“
Art. 6 Abs. 5 dieser Verordnung sieht vor:
„Der Fahrer muss die Zeiten im Sinne des Artikels 4 Buchstabe e sowie alle Lenkzeiten in einem Fahrzeug, das für gewerbliche Zwecke außerhalb des Anwendungsbereichs der vorliegenden Verordnung verwendet wird, als andere Arbeiten festhalten; ferner muss er die seit seiner letzten täglichen oder wöchentlichen Ruhezeit verbrachten Bereitschaftszeiten im Sinne des Artikels 15 Absatz 3 Buchstabe c der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 [des Rates vom 20. Dezember 1985 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr (ABl. 1985, L 370, S. 8)] festhalten. Diese Zeiten sind entweder handschriftlich auf einem Schaublatt oder einem Ausdruck einzutragen oder manuell in das Kontrollgerät einzugeben.“
Verordnung Nr. 165/2014
Art. 2 Abs. 2 der Verordnung Nr. 165/2014 bestimmt:
„Zusätzlich zu den in Absatz 1 genannten Begriffsbestimmungen gelten im Sinne dieser Verordnung folgende Begriffsbestimmungen:
‚Fahrtenschreiber‘ oder ‚Kontrollgerät‘ ist das für den Einbau in Kraftfahrzeuge bestimmte Gerät zum vollautomatischen oder halbautomatischen Anzeigen, Aufzeichnen, Ausdrucken, Speichern und Ausgeben von Angaben über die Fahrten des Fahrzeugs, einschließlich seiner Fahrgeschwindigkeit, gemäß Artikel 4 Absatz 3 sowie von Angaben über bestimmte Tätigkeitszeiten der Fahrer;
…
‚Fahrtenschreiberkarte‘ ist eine zur Verwendung mit dem Fahrtenschreiber bestimmte Chipkarte, die die Feststellung der Rolle des Karteninhabers durch den Fahrtenschreiber und die Übertragung und Speicherung von Daten ermöglicht;
‚Schaublatt‘ ist ein für die dauerhafte Aufzeichnung von Daten bestimmtes Blatt, das in den analogen Fahrtenschreiber eingelegt wird und auf dem die Schreibeinrichtung des analogen Fahrtenschreibers die zu registrierenden Angaben fortlaufend aufzeichnet;
‚Fahrerkarte‘ ist eine Fahrtenschreiberkarte, die einem bestimmten Fahrer von den Behörden eines Mitgliedstaats ausgestellt wird, den Fahrer ausweist und die Speicherung von Tätigkeitsdaten des Fahrers ermöglicht;
‚analoger Fahrtenschreiber‘ ist ein Fahrtenschreiber, bei dem ein Schaublatt in Einklang mit dieser Verordnung verwendet wird;
‚digitaler Fahrtenschreiber‘ ist ein Fahrtenschreiber, bei dem eine Fahrtenschreiberkarte in Einklang mit dieser Verordnung verwendet wird;
…“
Art. 5 („Funktionen des digitalen Fahrtenschreibers“) dieser Verordnung lautet:
„Der digitale Fahrtenschreiber muss folgende Funktionen gewährleisten:
Geschwindigkeits- und Wegstreckenmessung;
Überwachung der Fahrertätigkeiten und des Status der Fahrzeugführung;
Überwachung des Einsteckens und Entnehmens von Fahrtenschreiberkarten;
Aufzeichnung manueller Eingaben der Fahrer;
…“
Art. 6 („Datenanzeige und Warnsignale“) dieser Verordnung bestimmt:
„(1) Die im digitalen Fahrtenschreiber und auf der Fahrtenschreiberkarte gespeicherten Informationen über Fahrzeugbewegungen und über Fahrer und Beifahrer müssen klar, unzweideutig und ergonomisch angezeigt werden.
(2) Folgende Informationen müssen angezeigt werden:
…
Fahrertätigkeit:
bei derzeitiger Tätigkeit ‚Lenken‘: die aktuelle ununterbrochene Lenkzeit und die aktuelle kumulierte Arbeitsunterbrechung des Fahrers,
bei derzeitiger Tätigkeit ‚Bereitschaft/andere Arbeiten/Ruhezeit oder Pause‘: die aktuelle Dauer dieser Tätigkeit (seit der Auswahl) und die aktuelle kumulierte Arbeitsunterbrechung;
…“
Art. 29 Abs. 2 der Verordnung lautet:
„Bei Beschädigung oder Fehlfunktion der Fahrerkarte gibt der Fahrer diese Karte der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem er seinen gewöhnlichen Wohnsitz hat, zurück. Der Diebstahl einer Fahrerkarte muss den zuständigen Behörden des Staates, in dem sich der Diebstahl ereignet hat, ordnungsgemäß gemeldet werden.“
Art. 34 der Verordnung Nr. 165/2014 sieht vor:
„(1) Die Fahrer benutzen für jeden Tag, an dem sie lenken, ab dem Zeitpunkt, an dem sie das Fahrzeug übernehmen, Schaublätter oder Fahrerkarten. Das Schaublatt oder die Fahrerkarte wird nicht vor dem Ende der täglichen Arbeitszeit entnommen, es sei denn, eine Entnahme ist anderweitig zulässig. Schaublätter oder Fahrerkarten dürfen nicht über den Zeitraum, für den sie bestimmt sind, hinaus verwendet werden.
…
(3) Wenn der Fahrer sich nicht im Fahrzeug aufhält und daher nicht in der Lage ist, den in das Fahrzeug eingebauten Fahrtenschreiber zu betätigen, werden die in Absatz 5 Buchstabe b Ziffern ii, iii und iv genannten Zeiträume,
…
wenn das Fahrzeug mit einem digitalen Fahrtenschreiber ausgerüstet ist, mittels der manuellen Eingabevorrichtung des Fahrtenschreibers auf der Fahrerkarte eingetragen.
Die Mitgliedstaaten dürfen von den Fahrern nicht die Vorlage von Formularen verlangen, mit denen die Tätigkeit der Fahrer, während sie sich nicht im Fahrzeug aufhalten, bescheinigt wird.
…
(5) Die Fahrer
…
betätigen die Schaltvorrichtung des Kontrollgeräts so, dass folgende Zeiten getrennt und unterscheidbar aufgezeichnet werden:
unter dem Zeichen : die Lenkzeiten,
unter dem Zeichen : ‚andere Arbeiten‘, das sind alle anderen Tätigkeiten als die Lenktätigkeit im Sinne von Artikel 3 Buchstabe a der Richtlinie 2002/15/EG sowie jegliche Arbeit für denselben oder einen anderen Arbeitgeber, sei es innerhalb oder außerhalb des Verkehrssektors,
unter dem Zeichen : ‚Bereitschaftszeit‘ im Sinne von Artikel 3 Buchstabe b der Richtlinie 2002/15/EG,
unter dem Zeichen : Arbeitsunterbrechungen oder Ruhezeiten.
…“
Art. 35 Abs. 2 der Verordnung Nr. 165/2014 bestimmt:
„Bei Beschädigung, Fehlfunktion, Verlust oder Diebstahl der Fahrerkarte muss der Fahrer
zu Beginn seiner Fahrt die Angaben über das von ihm gelenkte Fahrzeug ausdrucken und in den Ausdruck
…
die in Artikel 34 Absatz 5 Buchstabe b Ziffern ii, iii und iv genannten Zeiten eintragen,
am Ende seiner Fahrt die Angaben über die vom Fahrtenschreiber aufgezeichneten Zeiten ausdrucken, die vom Fahrtenschreiber nicht erfassten Zeiten vermerken, in denen er seit dem Erstellen des Ausdrucks bei Fahrtantritt andere Arbeiten ausgeübt hat, Bereitschaft hatte oder eine Ruhepause eingelegt hat, und auf diesem Dokument die Angaben eintragen, mit denen der Fahrer identifiziert werden kann (Name, Nummer der Fahrerkarte oder des Führerscheins), und seine Unterschrift anbringen.“
Art. 36 dieser Verordnung sieht vor:
„…
(2) Lenkt der Fahrer ein Fahrzeug, das mit einem digitalen Fahrtenschreiber ausgerüstet ist, so muss er einem ermächtigten Kontrolleur auf Verlangen jederzeit Folgendes vorlegen können:
seine Fahrerkarte,
alle am laufenden Tag und an den vorherigen 28 Tagen erstellten handschriftlichen Aufzeichnungen und Ausdrucke, die gemäß der vorliegenden Verordnung und der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 vorgeschrieben sind,
…
(3) Ein ermächtigter Kontrolleur kann die Einhaltung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 überprüfen, indem er die Schaublätter, die vom Fahrtenschreiber oder auf der Fahrerkarte gespeicherten Daten (mittels Anzeige, Ausdruck oder Herunterladen) oder anderenfalls jedes andere beweiskräftige Dokument, das die Nichteinhaltung einer Bestimmung wie etwa des Artikels 29 Absatz 2 und des Artikels 37 Absatz 2 dieser Verordnung belegt, analysiert.“
In Art. 37 Abs. 2 der Verordnung Nr. 165/2014 heißt es:
„Während einer Betriebsstörung oder bei Fehlfunktion des Fahrtenschreibers vermerkt der Fahrer die Angaben, mit denen er identifiziert werden kann (Name, Nummer seiner Fahrerkarte oder seines Führerscheins), zusammen mit seiner Unterschrift sowie die vom Fahrtenschreiber nicht mehr ordnungsgemäß aufgezeichneten oder ausgedruckten Angaben über die verschiedenen Zeiten
auf dem Schaublatt bzw. den Schaublättern oder
auf einem besonderen Blatt, das dem Schaublatt oder der Fahrerkarte beigefügt wird.“
Richtlinie 2006/22/EG
Art. 11 („Bewährte Verfahren“) Abs. 3 der Richtlinie 2006/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über Mindestbedingungen für die Durchführung der Verordnungen (EWG) Nr. 3820/85 und (EWG) Nr. 3821/85 des Rates über Sozialvorschriften für Tätigkeiten im Kraftverkehr sowie zur Aufhebung der Richtlinie 88/599/EWG des Rates (ABl. 2006, L 102, S. 35) sieht vor:
„Die Kommission erstellt nach dem in Artikel 12 Absatz 2 genannten Verfahren ein elektronisches und druckfähiges Formblatt, das verwendet wird, wenn sich der Fahrer innerhalb des in Artikel 15 Absatz 7 Unterabsatz 1 erster Gedankenstrich der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 [des Rates vom 20. Dezember 1985 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr (ABl. 1985, L 370, S. 1)] genannten Zeitraums im Krankheits- oder Erholungsurlaub befunden hat oder wenn der Fahrer innerhalb dieses Zeitraums ein anderes aus dem Anwendungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 ausgenommenes Fahrzeug gelenkt hat.“
Art. 13 („Durchführungsmaßnahmen“) dieser Richtlinie bestimmt:
„Auf Antrag eines Mitgliedstaats oder von sich aus erlässt die Kommission nach dem in Artikel 12 Absatz 2 genannten Verfahren Durchführungsmaßnahmen, mit denen insbesondere folgende Ziele verfolgt werden:
Förderung eines gemeinsamen Ansatzes zur Durchführung dieser Richtlinie;
Förderung eines kohärenten Ansatzes und einer harmonisierten Auslegung der Verordnung [Nr. 561/2006] zwischen den verschiedenen Vollzugsbehörden;
Förderung des Dialogs zwischen dem Transportsektor und den Vollzugsbehörden.“
Entscheidung 2007/230/EG
Art. 1 der Entscheidung 2007/230/EG der Kommission vom 12. April 2007 über ein Formblatt betreffend die Sozialvorschriften für Tätigkeiten im Kraftverkehr (ABl. 2007, L 99, S. 14) sieht vor:
„Das in Artikel 11 Absatz 3 der Richtlinie 2006/22/EG genannte Formblatt ist im Anhang dieser Entscheidung festgelegt.“
Die Bescheinigung von Tätigkeiten im Anhang der Entscheidung 2007/230 beinhaltete u. a. drei vom Unternehmen anzukreuzende Zeilen mit den Nummern 13, 14 und 15, nach denen der Fahrer sich „13. im Krankheitsurlaub befand“, sich „14. im Erholungsurlaub befand“ oder „15. ein vom Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 … ausgenommenes Fahrzeug gelenkt hat“.
Beschluss 2009/959
Die Erwägungsgründe 1, 3 und 4 des Beschlusses 2009/959 lauten:
Hauptquelle von Informationen bei Straßenkontrollen sind Aufzeichnungen des Fahrtenschreibers. Das Fehlen von Aufzeichnungen sollte nur gerechtfertigt sein, wenn Fahrtenschreiberaufzeichnungen, einschließlich der manuellen Erfassung von Daten, aus objektiven Gründen nicht möglich waren. In diesen Fällen sollte eine Bescheinigung ausgestellt werden, in der die Gründe dafür bestätigt werden.
…
Um die Effizienz und Wirksamkeit der mitgliedstaatlichen Kontrollen der Einhaltung der Verordnung [Nr. 561/2006] zu steigern, sollte das [im Anhang der Entscheidung 2007/230 vorgesehene] Formblatt durch Hinzufügung weiterer Elemente über die in Artikel 11 Absatz 3 der Richtlinie 2006/22/EG genannten hinaus geändert werden.
Das Formblatt zur Bescheinigung sollte nur verwendet werden, wenn aus objektiven technischen Gründen anhand der Fahrtenschreiberaufzeichnungen nicht belegt werden kann, dass die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 eingehalten wurden.“
Art. 1 des Beschlusses 2009/959 sieht vor:
„Der Anhang der Entscheidung 2007/230/EG erhält die Fassung des Anhangs des vorliegenden Beschlusses.“
Das Formblatt zur Bescheinigung im Anhang des Beschlusses 2009/959 übernimmt zum einen die Angaben aus den Zeilen 13, 14 und 15 des Formblatts im Anhang der Entscheidung 2007/230 als Nrn. 14, 15 und 17 und fügt zum anderen drei neue vom Unternehmen anzukreuzende Zeilen hinzu, nach denen der Fahrer „16 sich im Urlaub oder in Ruhezeit befand“, „18 andere Tätigkeiten als Lenktätigkeiten ausgeführt hat“ oder „19 zur Verfügung stand“.
Österreichisches Recht
§ 102a Abs. 4 des Kraftfahrgesetzes 1967 in seiner auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: KFG 1967) sieht vor:
„Lenker von Kraftfahrzeugen, die mit einem digitalen Kontrollgerät im Sinne der Verordnung [Nr. 165/2014] ausgerüstet sind, haben sich bei der Bedienung des Kontrollgerätes an die Bedienungsanleitung des Kontrollgerätes zu halten. Sie haben dafür zu sorgen, dass das Kontrollgerät auf Fahrten in Betrieb ist und dass ihre Fahrerkarte im Kontrollgerät verwendet wird. Die Lenker haben auf Verlangen der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht die in der Verordnung [Nr. 165/2014] vorgesehenen Ausdrucke, die Fahrerkarte und die mitgeführten Schaublätter des laufenden Tages und der vorausgehenden 28 Tage, falls sie in dieser Zeit ein Fahrzeug gelenkt haben, das mit einem analogen Kontrollgerät ausgerüstet ist, auszuhändigen. Hierüber ist dem Lenker eine Bestätigung auszustellen. Fehlen auf der Fahrerkarte einzelne Arbeitstage und werden dafür auch keine Schaublätter mitgeführt, so sind für diese Tage entsprechende Bestätigungen des Arbeitgebers, die den Mindestanforderungen des von der Kommission gemäß Artikel 11 Abs. 3 der Richtlinie [2006/22] erstellten Formblattes entsprechen müssen, mitzuführen und bei Kontrollen auszuhändigen.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Im Zuge einer Verkehrskontrolle im März 2018 wurde gegen VO, den Fahrer eines mit einem digitalen Fahrtenschreiber ausgerüsteten Lastkraftwagens, von den österreichischen Behörden eine Geldstrafe in Höhe von 50 Euro gemäß den Bestimmungen des KFG 1967 verhängt, weil er für mehrere dieser Kontrolle vorangegangene Tage keine Bescheinigung seines Arbeitgebers auf der Grundlage des Formblatts im Anhang des Beschlusses 2009/959 vorweisen konnte, um zu bestätigen, dass er während der betreffenden Tage (lenkfreie Tage) nicht gelenkt habe. Die Ausfolgung einer solchen Bescheinigung hätte es ihm ermöglicht, das Fehlen von Aufzeichnungen über die maßgebenden Angaben zu heilen, die auf dem digitalen Fahrtenschreiber, mit dem das betreffende Fahrzeug ausgestattet war, zu speichern gewesen wären.
Für das von VO mit einer Beschwerde gegen den Bescheid zur Verhängung dieser Geldstrafe angerufene Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Österreich) stellt sich die Frage, ob zum einen lenkfreie Tage unter den Begriff der „Tätigkeiten“ im Sinne von Art. 34 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 165/2014 fallen und es daher entgegen § 102a Abs. 4 KFG 1967 untersagt ist, vom Lenker zu verlangen, eine Bestätigung über lenkfreie Tage vorzulegen. Diesfalls dürfte VO nach Auffassung des vorlegenden Gerichts für die Verletzung der letztgenannten Bestimmung nicht bestraft werden.
Zum anderen zweifelt das vorlegende Gericht für den Fall, dass lenkfreie Tage unter den Begriff der „Tätigkeiten“ im Sinne von Art. 34 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 165/2014 fallen sollten, an der Gültigkeit des Formblatts im Anhang des Beschlusses 2009/959. Die Kommission habe die ihr in Art. 11 Abs. 3 der Richtlinie 2006/22 eingeräumte Ermächtigung überschritten, indem sie die Zeilen 16, 18 und 19 in dieses Formblatt aufgenommen habe und entgegen Art. 34 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 165/2014 von den Fahrern verlange, das von ihrem Arbeitgeber ausgestellte Formular zur Bescheinigung ihrer außerhalb des Fahrzeugs durchgeführten Tätigkeiten vorzulegen.
Unter diesen Umständen hat das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist die Verordnung Nr. 165/2014, insbesondere deren Art. 34 Abs. 3 Unterabs. 2 sowie deren Art. 36 Abs. 2, so auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der Lenker von Kraftfahrzeugen, die mit einem digitalen Fahrtenschreiber im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. h dieser Verordnung ausgerüstet sind, im Fall des Fehlens einzelner Arbeitstage auf der Fahrerkarte, für welche auch keine Schaublätter mitgeführt werden, für diese Tage entsprechende Tätigkeitsbescheinigungen des Arbeitgebers, die den Mindestanforderungen des von der Kommission gemäß Art. 11 Abs. 3 der Richtlinie 2006/22 erstellten Formblatts entsprechen müssen, mitzuführen und bei Kontrollen auszuhändigen haben?
Für den Fall, dass Frage 1 verneint wird: Ist das von der Kommission mit dem Beschluss 2009/959 festgelegte Formblatt gänzlich oder teilweise ungültig?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 34 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 165/2014 dahin auszulegen ist, dass eine nationale Regelung in den Geltungsbereich des dort festgelegten Verbots fällt, die den Lenker eines mit einem digitalen Fahrtenschreiber ausgerüsteten Kraftfahrzeugs bei Fehlen der automatischen und manuellen Aufzeichnungen im Fahrtenschreiber zur Vorlage einer von seinem Arbeitgeber nach dem Formblatt im Anhang des Beschlusses 2009/959 ausgestellten Tätigkeitsbescheinigung als subsidiären Nachweis seiner Tätigkeiten verpflichtet.
Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst darauf hinzuweisen, dass mit der Verordnung Nr. 561/2006, wie sich insbesondere aus ihrem Art. 1 ergibt, die Wettbewerbsbedingungen im Straßenverkehrsgewerbe angeglichen sowie die Arbeitsbedingungen in diesem Gewerbe und die Straßenverkehrssicherheit verbessert werden sollen und dass diese Ziele u. a. in der Pflicht zum Ausdruck kommen, Fahrzeuge im Straßentransport grundsätzlich mit einem zugelassenen Fahrtenschreiber auszustatten, mit dem die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten der Fahrer kontrolliert werden kann (Urteil vom 7. Februar 2019, NK, C-231/18, EU:C:2019:103, Rn. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Zu diesem Zweck enthält die Verordnung Nr. 165/2014 eine Reihe von Bestimmungen über die Verwendung von Fahrtenschreibern in Fahrzeugen, auf die die Verordnung Nr. 561/2006 Anwendung findet.
Was im Besonderen Fahrzeuge mit einem digitalen Fahrtenschreiber wie jenem im Ausgangsverfahren betrifft, der mit einer Fahrerkarte arbeitet, d. h. nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. d und f der Verordnung Nr. 165/2014 mit einer zur Verwendung mit dem Fahrtenschreiber bestimmten Chipkarte, die insbesondere die Identifizierung des Fahrers und die Speicherung seiner Tätigkeitsdaten ermöglicht, so schreibt Art. 34 Abs. 1 dieser Verordnung vor, dass der Fahrer diese Karte für jeden Tag benutzt, an dem er lenkt, und zwar ab dem Zeitpunkt, an dem er das Fahrzeug übernimmt, ohne dass sie vor dem Ende der täglichen Arbeitszeit entnommen werde dürfte.
Allerdings müssen gemäß Art. 34 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 165/2014, wenn der Fahrer sich nicht im Fahrzeug aufhält und daher nicht in der Lage ist, die automatische Aufzeichnung des in das Fahrzeug eingebauten digitalen Fahrtenschreibers zu nutzen, die in Abs. 5 Buchst. b Ziff. ii, iii und iv dieses Artikels genannten anderen Zeiträume als Lenkzeiten, d. h. die Zeiträume für alle „andere[n] Arbeiten“, für die „Bereitschaftszeit“ sowie für die „Arbeitsunterbrechungen oder Ruhezeiten“, mittels der manuellen Eingabevorrichtung dieses Fahrtenschreibers auf der Fahrerkarte eingetragen werden.
Gemäß Art. 36 Abs. 2 der Verordnung Nr. 165/2014 muss der Fahrer eines Fahrzeugs, das mit einem solchen Fahrtenschreiber ausgerüstet ist, einem ermächtigten Kontrolleur auf Verlangen jederzeit u. a. alle am laufenden Tag und an den vorherigen 28 Tagen erstellten handschriftlichen Aufzeichnungen und Ausdrucke, die gemäß dieser Verordnung und der Verordnung Nr. 561/2006 vorgeschrieben sind, vorlegen können.
Folglich stellt sich für den Fall, dass der Fahrer wie im Ausgangsverfahren nicht in der Lage ist, bei einer Verkehrskontrolle die verlangten Angaben über mehrere dieser Kontrolle vorangegangene Tage vorzulegen, die Frage nach subsidiären Nachweismitteln, die dieser Fahrer vorzulegen gehalten sein könnte, um die fehlende Aufzeichnung der relevanten Daten auf dem digitalen Fahrtenschreiber, mit dem sein Fahrzeug ausgerüstet ist, zu heilen.
In diesem Zusammenhang fragt das vorlegende Gericht nach der Reichweite des Verbots in Art. 34 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 165/2014, nach dem die Mitgliedstaaten von den Fahrern nicht die Vorlage von Formularen verlangen dürfen, mit denen ihre Tätigkeit, während sie sich nicht im Fahrzeug aufhalten, bescheinigt wird. Konkret ist für das vorlegende Gericht fraglich, ob lenkfreie Tage unter den Begriff der „Tätigkeiten“ im Sinne dieser Bestimmung fallen, so dass entgegen § 102a Abs. 4 KFG 1967 vom Fahrer nicht die Vorlage einer Bescheinigung seines Arbeitgebers über solche lenkfreie Tage verlangt werden könnte, auch wenn das Formblatt im Anhang des Beschlusses 2009/959 einer solchen Bescheinigung zugrunde läge.
Dazu ist festzuhalten, dass der Begriff „Tätigkeiten“ nach Art. 34 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 165/2014 in dieser nicht definiert ist.
Außerdem deutet keine Bestimmung der Verordnung darauf hin, dass dieser Begriff eng auszulegen wäre und damit die in ihrem Art. 34 Abs. 5 Buchst. b aufgeführten Zeiträume nicht von ihm erfasst würden. Aus Art. 6 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung Nr. 165/2014 folgt nämlich, dass die „Fahrertätigkeit“, die als Information im Fahrtenschreiber angezeigt werden muss, entweder – „bei derzeitiger Tätigkeit ‚Lenken‘“ – der aktuellen Lenkzeit und der aktuellen kumulierten Arbeitsunterbrechung oder – „bei derzeitiger Tätigkeit ‚Bereitschaft/andere Arbeiten/Ruhezeit oder Pause‘“ – der aktuellen Dauer der betreffenden Tätigkeit und der aktuellen kumulierten Arbeitsunterbrechung entspricht.
Allerdings ist zunächst zu bedenken, dass es nicht im Einklang mit der Systematik der Bestimmungen der Verordnung Nr. 165/2014 stünde, ihren Art. 34 Abs. 3 Unterabs. 2 im Sinne eines Verbots einer nationalen Regelung auszulegen, nach der ein Fahrer eine von seinem Arbeitgeber ausgestellte Bescheinigung über seine Tätigkeit vorlegen muss, wenn aufgrund seiner Entfernung vom Fahrzeug keine automatischen oder manuellen Aufzeichnungen vorhanden sind, die normalerweise in dem digitalen Fahrtenschreiber, mit dem dieses Fahrzeug ausgerüstet ist, aufscheinen müssten.
Insbesondere geht aus Art. 36 Abs. 3 der Verordnung Nr. 165/2014 hervor, dass ein Kontrolleur ermächtigt ist, die Einhaltung der Bestimmungen der Verordnung Nr. 561/2006 zu überprüfen, indem er die vom Fahrtenschreiber oder auf der Fahrerkarte gespeicherten Daten (mittels Anzeige, Ausdruck oder Herunterladen) „oder anderenfalls jedes andere beweiskräftige Dokument“ analysiert, das die Nichteinhaltung einer Bestimmung wie etwa des Art. 29 Abs. 2 der Verordnung Nr. 165/2014 betreffend Fälle von gestohlenen, beschädigten oder defekten Fahrerkarten oder des Art. 37 Abs. 2 dieser Verordnung über während einer Betriebsstörung oder bei Fehlfunktion des Fahrtenschreibers vom Fahrer zu vermerkende Angaben belegt. Da die Aufzählung dieser beiden Bestimmungen offensichtlich nicht erschöpfend ist, ermächtigt Art. 36 Abs. 3 dieser Verordnung folglich die Kontrollbehörden der Mitgliedstaaten auch dazu, jegliche Art von Dokumenten als subsidiäre Nachweismittel zu analysieren, die ihnen eine Überprüfung der verschiedenen Tätigkeitszeiten des Fahrers erlauben, wenn diese nicht im digitalen Fahrtenschreiber des Fahrzeugs aufscheinen.
Weiters würde eine gegenteilige Auslegung den insbesondere von den Verordnungen Nrn. 561/2006 und 165/2014 verfolgten Zielen, speziell jenen der Straßenverkehrssicherheit und der Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Fahrer, zuwiderlaufen. So würde eine derartige Auslegung nicht nur den Kontrollbehörden der Mitgliedstaaten die Möglichkeit nehmen, sich von der Einhaltung insbesondere der in der Verordnung Nr. 561/2006 vorgesehenen Lenk-, Pausen- und Ruhezeiten dieser Fahrer zu vergewissern, wenn die relevanten Daten nicht vom digitalen Fahrtenschreiber aufgezeichnet werden konnten, sondern könnte gegebenenfalls auch eine absichtliche Unterlassung der Aufzeichnung dieser Daten erleichtern.
Darüber hinaus wird die in Rn. 36 des vorliegenden Urteils dargelegte Sichtweise auch durch die übereinstimmenden Erklärungen der belgischen Regierung und der Kommission gestützt, wonach das in Art. 34 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 165/2014 angeführte Verbot ausschließlich dazu diene, die Praxis einiger Mitgliedstaaten abzustellen, die neben den durch die Fahrtenschreiber vorgenommenen Aufzeichnungen von den Fahrern systematisch die Vorlage nationaler Formulare als Nachweis ihrer Tätigkeiten verlangt hätten, weil diese Praxis gravierende administrative Hürden und Zusatzkosten für die Straßenverkehrsunternehmen mit sich gebracht habe.
Schließlich ist festzuhalten, dass der Erlass der Verordnung Nr. 165/2014 keineswegs den Inhalt von Art. 11 Abs. 3 der Richtlinie 2006/22 berührt hat. Diese Bestimmung ermächtigt die Kommission zur Erstellung eines elektronischen und druckfähigen Formblatts, das verwendet werden soll, wenn sich der Fahrer innerhalb des laufenden Tages oder der 28 vorangegangenen Tage im Krankheits- oder Erholungsurlaub befunden hat oder ein anderes aus dem Anwendungsbereich insbesondere der Verordnung Nr. 561/2006 ausgenommenes Fahrzeug gelenkt hat. Nach den Erwägungsgründen 3 und 4 des Beschlusses 2009/959 sollte dieses Formblatt im Anhang dieses Beschlusses aber nur verwendet werden, wenn – auch manuelle – Fahrtenschreiberaufzeichnungen zur Sicherstellung der Einhaltung der Bestimmungen der Verordnung Nr. 561/2006 fehlen.
Aus all diesen Erwägungen folgt, dass Art. 34 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 165/2014 dahin auszulegen ist, dass eine nationale Regelung, die den Lenker eines mit einem digitalen Fahrtenschreiber ausgerüsteten Kraftfahrzeugs bei Fehlen der automatischen und manuellen Aufzeichnungen im Fahrtenschreiber zur Vorlage einer von seinem Arbeitgeber nach dem Formblatt im Anhang des Beschlusses 2009/959 ausgestellten Tätigkeitsbescheinigung als subsidiären Nachweis seiner Tätigkeiten verpflichtet, nicht in den Geltungsbereich des in dieser Bestimmung festgelegten Verbots fällt.
Zur zweiten Frage
Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Kommission bei der Änderung des Formblatts im Anhang des Beschlusses 2007/230 durch den Beschluss 2009/959 die ihr durch Art. 11 Abs. 3 der Richtlinie 2006/22 eingeräumte Ermächtigung überschritten hat, indem sie mehr Fälle von lenkfreien Zeiten einbezogen hat als in der letztgenannten Bestimmung vorgesehen, was die gänzliche oder teilweise Ungültigkeit des so geänderten Formblatts zur Folge hätte.
Erstens ist festzuhalten, dass das vorlegende Gericht in Bezug auf die Zeilen 14, 15 und 17 des Formblatts, die nach Art. 11 Abs. 3 der Richtlinie 2006/22 den Zeiträumen entsprechen, in denen sich der Fahrer im Krankheits- oder Erholungsurlaub befunden hat oder ein anderes aus dem Anwendungsbereich u. a. der Verordnung Nr. 561/2006 ausgenommenes Fahrzeug gelenkt hat, keinen Zweifel an dessen Gültigkeit hegt.
Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass das Formblatt im Anhang des Beschlusses 2009/959 unter den Nummern 16, 18 und 19 drei zusätzliche Zeilen zur Angabe der Zeiträume enthält, in denen der Fahrer sich im Urlaub oder in Ruhezeit befand, andere Tätigkeiten als Lenktätigkeiten ausgeführt hat oder zur Verfügung stand.
Zwar trifft es zu, dass diese Zeilen in Art. 11 Abs. 3 der Richtlinie 2006/22 keine Erwähnung finden, jedoch hat der Beschluss 2009/959 nicht nur diese Bestimmung als Rechtsgrundlage, sondern auch Art. 13 dieser Richtlinie, der die Kommission u. a. zum Erlass von Durchführungsmaßnahmen zur Richtlinie 2006/22 von sich aus ermächtigt, mit denen u. a. die Förderung eines kohärenten Ansatzes und einer harmonisierten Auslegung der Verordnung Nr. 561/2006 zwischen den verschiedenen Vollzugsbehörden verfolgt werden soll.
Wie der dritte Erwägungsgrund des Beschlusses 2009/959 betont, wurden die weiteren Elemente in den Zeilen 16, 18 und 19 des im Anhang dieses Beschlusses vorgesehenen Formblatts hinzugefügt, um die Effizienz und Wirksamkeit der mitgliedstaatlichen Kontrollen der Einhaltung der Verordnung Nr. 561/2006 zu steigern.
Nun ergibt sich insbesondere aus Art. 6 Abs. 5 der Verordnung Nr. 561/2006, dass der Fahrer die täglichen oder wöchentlichen Ruhezeiten, alle „Bereitschaftszeiten“ sowie Zeiten für andere Arbeiten entweder automatisch oder manuell festhalten muss. Diese Aufzeichnungspflicht gilt gemäß Art. 34 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 165/2014 auch dann, wenn der Fahrer sich nicht im Fahrzeug aufhält.
Folglich kann, wenn diese Aufzeichnungen nicht verfügbar sind, vom Fahrer verlangt werden, einen Nachweis für die Einhaltung der Bestimmungen dieser Verordnungen in Form der Vorlage entsprechender Angaben zu dem einen oder anderen in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils angeführten Zeitraum auf der Grundlage des Formblatts im Anhang des Beschlusses 2009/959 zu erbringen, um es den Kontrollbehörden der Mitgliedstaaten zu ermöglichen, sich insbesondere von der Einhaltung der von den genannten Verordnungen verfolgten Ziele der Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Fahrer sowie der Straßenverkehrssicherheit zu vergewissern.
Demnach hat die Prüfung der zweiten Vorlagefrage keinen Umstand hervorgebracht, der die Gültigkeit des Formblatts der Kommission im Anhang des Beschlusses 2009/959 beeinträchtigen könnte.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 34 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 über Fahrtenschreiber im Straßenverkehr, zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates über das Kontrollgerät im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr ist dahin auszulegen, dass eine nationale Regelung, die den Lenker eines mit einem digitalen Fahrtenschreiber ausgerüsteten Kraftfahrzeugs bei Fehlen der automatischen und manuellen Aufzeichnungen in diesem Fahrtenschreiber zur Vorlage einer von seinem Arbeitgeber nach dem Formblatt im Anhang des Beschlusses 2009/959/EU der Kommission vom 14. Dezember 2009 zur Änderung der Entscheidung 2007/230/EG über ein Formblatt betreffend die Sozialvorschriften für Tätigkeiten im Kraftverkehr ausgestellten Tätigkeitsbescheinigung als subsidiären Nachweis seiner Tätigkeiten verpflichtet, nicht in den Geltungsbereich des in dieser Bestimmung festgelegten Verbots fällt.
Die Prüfung der zweiten Vorlagefrage hat keinen Umstand hervorgebracht, der die Gültigkeit des Formblatts im Anhang des Beschlusses 2009/959 beeinträchtigen könnte.
Unterschriften
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
Kontakt zur AOK Rheinland-Pfalz/Saarland
Persönlicher Ansprechpartner