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BAG 05.08.2021 - 5 AZR 121/21
BAG 05.08.2021 - 5 AZR 121/21 - Unzulässige Revision
Normen
§ 72 Abs 5 ArbGG, § 551 Abs 3 S 1 Nr 2 Buchst b ZPO, § 611a Abs 2 BGB, § 320 ZPO
Vorinstanz
vorgehend ArbG Eberswalde, 18. September 2019, Az: 5 Ca 176/19, Urteil
vorgehend LArbG Berlin-Brandenburg, 8. Januar 2021, Az: 12 Sa 1859/19, Urteil
Tenor
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1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 8. Januar 2021 - 12 Sa 1859/19 - wird als unzulässig verworfen.
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2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Gründe
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I. Die Parteien streiten über die Vergütung von Fahrzeiten für den Weg zwischen der Betriebsstätte der Beklagten in B und wechselnden Einsatzorten des Klägers.
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Der Kläger ist seit dem Jahr 2005 bei der Beklagten als Prüftechniker im Außendienst beschäftigt. Nach seinem schriftlichen Arbeitsvertrag bezieht er Vergütung „auf der Grundlage eines Haustarifvertrages, der sich an den Tarifvertrag des Deutschen Bauhauptgewerbes anlehnt“. Zuletzt erhielt der Kläger einen Grundlohn iHv. 11,75 Euro brutto je Stunde. In einer „Ergänzung zum Arbeitsvertrag“ vereinbarten die Parteien eine regelmäßige monatliche Arbeitszeit von 173,33 Stunden. Darüber hinaus geleistete Arbeitszeit solle einem Arbeitszeitkonto zugeführt werden mit der Möglichkeit der Ansammlung eines Guthabens von höchstens 340 Zeitstunden.
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In einer mit „Handlungsabrede“ überschriebenen Vereinbarung zwischen der Beklagten und dem an ihrem Hauptsitz in F bestehenden Betriebsrat vom 31. März 2008 (iF HA 2008) ist unter der Überschrift „Fahrtzeitenregelung“ für Arbeiten in der Prüftechnik mit täglicher Heimfahrt geregelt, dass die Anfahrtszeit zur Baustelle ab Firmengelände nach 1,25 Stunden als Arbeitszeit zählt und die Rückfahrtszeit vollständig als Arbeitszeit gilt. Soweit die Arbeitszeit incl. Rückfahrt weniger als acht Stunden beträgt, wird aus der Anfahrzeit die Stundenzahl bis auf acht aufgefüllt.
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Unter dem 2. März 2018 schloss die Beklagte mit dem Betriebsrat eine „Betriebsvereinbarung über die Fahrtzeitenregelung“ (iF BV 2018). Nach § 2 Abs. 1 BV 2018 beginnt und endet bei Einsatzwechseltätigkeit die Fahrzeit am Betriebssitz bzw. an dem vereinbarten Abfahrtsort, wenn dieser nicht weiter vom Wohnort des Arbeitnehmers entfernt liegt als der Betrieb. Nach Abs. 2 der Bestimmung zählt die Fahrzeit vom Wohnort zum Betriebssitz nicht als Arbeitszeit und ist daher nicht vergütungspflichtig. Gemäß Abs. 3 haben Arbeitnehmer bei täglicher Heimfahrt (Einsatzwechseltätigkeit) Anspruch auf Vergütung der An- und Abfahrtszeit zur Baustelle/Arbeitsstelle (Einsatzort), „die die Fahrzeit von 1,25 Stunden übersteigt“. Nach § 4 Abs. 1 BV 2018 wird bei Gefahrenguttransport die Fahrzeit des Fahrers vom Betriebssitz bis dorthin zurück „komplett“ vergütet. Ein Beifahrer erhält für die Fahrzeit bei Einsatzwechseltätigkeit Vergütung nach § 2.
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Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung hat der Kläger mit seiner Klage verlangt, Zeiten, die er vom 1. Januar 2016 bis zum 31. Dezember 2018 für Fahrten von der Betriebsstätte B zum ersten Einsatzort bzw. vom letzten Einsatzort zur Betriebsstätte zurück benötigt hat, im Gesamtumfang von 553,25 Stunden seinem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben, hilfsweise Entgelt in entsprechender Höhe zu zahlen. Er hat gemeint, bei diesen Fahrzeiten handele es sich um vergütungspflichtige Arbeitszeit. Die HA 2008 und die BV 2018 änderten daran nichts.
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Der Kläger hat zuletzt - zusammengefasst - beantragt,
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1.
die Beklagte zu verurteilen, dem Arbeitszeitkonto des Klägers für den Zeitraum 1. Januar 2016 bis zum 31. Dezember 2018 in der Rubrik „bis Vormonat“ 553,25 Stunden erbrachte Arbeitszeit gutzuschreiben;
2.
hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 8.649,30 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags die Auffassung vertreten, ein Vergütungsanspruch sei nach den mit dem Betriebsrat getroffenen Vereinbarungen ausgeschlossen. Die kollektiv-rechtlichen Regelungen seien wirksam zustande gekommen und auf Arbeitnehmer am Standort B uneingeschränkt anwendbar.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht nach dem Hauptantrag erkannt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
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II. Die Revision der Beklagten ist mangels ausreichender Begründung unzulässig. Sie war daher nach Hinweis des Senats vom 13. Juli 2021 gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 552 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO zu verwerfen. Die Entscheidung konnte gemäß § 74 Abs. 2 Satz 3 ArbGG ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss ergehen.
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1. Zur ordnungsgemäßen Begründung der Revision müssen gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO die Revisionsgründe angegeben werden.
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Bei Sachrügen sind diejenigen Umstände bestimmt zu bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt (§ 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO). Die Revisionsbegründung muss den angenommenen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Das erfordert eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung. Der Revisionsführer muss darlegen, warum er die Begründung des Berufungsgerichts für unrichtig hält (BAG 15. Juli 2020 - 10 AZR 507/18 - Rn. 17 mwN). Verfahrensrügen müssen nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO die genaue Bezeichnung der Tatsachen enthalten, die den Mangel ergeben, auf den sich die Revision stützen will. Dazu muss auch die Kausalität zwischen Verfahrensmangel und Ergebnis des Berufungsurteils dargelegt werden (BAG 18. November 2019 - 4 AZR 105/19 - Rn. 10 mwN).
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Hat das Berufungsgericht seine Entscheidung auf zwei voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Revisionsbegründung geeignet sein, das Urteil insgesamt in Frage zu stellen. Sie hat deshalb für jede der beiden Erwägungen darzulegen, warum sie die Entscheidung nicht trägt. Andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (st. Rspr., zB BAG 30. Januar 2019 - 5 AZR 450/17 - Rn. 20 mwN, BAGE 165, 168).
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2. Diesen Begründungsanforderungen ist im Streitfall nicht genügt.
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a) Das Landesarbeitsgericht hat - kurz zusammengefasst - angenommen, bei den streitgegenständlichen Fahrzeiten handele es sich um Arbeitszeit, die nach § 611 Abs. 1 bzw. (seit dem 1. April 2017) § 611a Abs. 2 BGB iVm. den bestehenden arbeitsvertraglichen Vereinbarungen wie die „eigentliche“ Tätigkeit vergütungspflichtig sei. Das Zurücklegen der Wege von der Betriebsstätte zu den jeweiligen Einsatzorten sei durch die Weisung der Beklagten veranlasst, die Arbeit auf den Einsatzbaustellen auszuführen. Die Vergütungspflicht der Fahrzeiten werde durch Regelungen in der HA 2008 und der BV 2018 nicht wirksam ausgeschlossen. Soweit danach Fahrzeiten im Umfang von 1,25 Stunden arbeitstäglich nicht zu vergüten seien, seien die Regelungen unverhältnismäßig und deshalb unwirksam. „Zusätzlich“ gingen aufgrund des Günstigkeitsprinzips die zur Vergütungspflicht der Fahrzeiten führenden vertraglichen Abreden mangels wirksamen Vorbehalts zugunsten ggf. verschlechternder Betriebsvereinbarungen (sog. Betriebsvereinbarungsoffenheit) vor.
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b) Soweit die Revision die Einordnung der Fahrzeiten als grundsätzlich vergütungspflichtige Arbeitszeit angreift, indem sie gegenüber den der Würdigung zugrundeliegenden Feststellungen Verfahrensrügen erhebt, sind die Rügen bereits nicht statthaft.
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aa) Die Beklagte macht insoweit geltend, das Landesarbeitsgericht habe im Tatbestand des Berufungsurteils festgestellt, der Kläger nehme, soweit er auf Baustellen mit täglicher Heimfahrt zum Einsatz komme - jedenfalls in der Zeit zwischen Januar 2016 und Dezember 2018 -, seine Arbeit in der Betriebsstätte auf und beende sie dort. Die Feststellung habe es mit der Annahme verbunden, Arbeitsaufnahme und -beendigung am Betriebssitz erfolgten auf Weisung der Beklagten. Damit habe es seiner Entscheidung einen unzutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt und Vorbringen des Klägers, dem die Beklagte erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 4. April 2019 entgegengetreten sei, zu Unrecht als unstreitig behandelt. Hinweise an die Beklagte seien insoweit nicht erfolgt.
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bb) Damit wendet sich die Beklagte gegen tatbestandliche Feststellungen des Berufungsgerichts, die auch in den Entscheidungsgründen enthalten sein können. Eine etwaige Unrichtigkeit solcher Feststellungen im Berufungsurteil kann nur im Berichtigungsverfahren nach § 320 ZPO, nicht jedoch mit einer Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO behoben werden (BAG 25. August 2020 - 9 AZR 373/19 - Rn. 36; 19. November 2014 - 5 AZR 121/13 - Rn. 12 mwN, BAGE 150, 88). Soweit die Revision nach entsprechendem Hinweis des Senats gemeint hat, eines Tatbestandsberichtigungsantrags bedürfte es nicht, wenn das Berufungsurteil widersprüchliche Feststellungen enthält, ist dies zwar abstrakt zutreffend, im Streitfall indessen nicht relevant, weil ein solcher Widerspruch nicht besteht. Die tatbestandlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zur Aufnahme und Beendigung der Tätigkeit des Klägers betreffen die tatsächlichen Gegebenheiten, unter denen die Arbeitsleistung im maßgeblichen Klagezeitraum erbracht wurde. Demgegenüber beziehen sich die von der Revision zum Beleg für die behauptete Widersprüchlichkeit herangezogenen Darstellungen im streitigen Urteilstatbestand auf die von den tatsächlichen Verhältnissen zu trennende Frage der rechtlichen Behandlung der Fahrzeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeit.
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c) Die von der Revision geführten Angriffe gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Vergütungspflicht der Fahrzeiten werde nicht durch die Regelungen in der HA 2008 oder der BV 2018 ausgeschlossen oder begrenzt, sind nicht geeignet, die Entscheidung des Berufungsgerichts insgesamt infrage zu stellen. Die Revisionsbegründung setzt sich ausschließlich mit der vom Landesarbeitsgericht angenommenen Unverhältnismäßigkeit der vereinbarten Vergütungsfreiheit von Fahrzeiten im Umfang von 1,25 Stunden ab Firmengelände auseinander und legt dar, warum diese Rechtsauffassung aus Sicht der Beklagten unzutreffend sei. Auf die weitere Erwägung des Landesarbeitsgerichts, nach der es an einer Betriebsvereinbarungsoffenheit der vertraglichen Vereinbarungen fehle, geht die Revision nicht ein. Dessen hätte es aber bedurft, weil die „zusätzliche“ Begründung die angefochtene Entscheidung selbständig trägt. Gehen die vertraglichen Vereinbarungen den kollektiv-rechtlichen Regelungen - wie das Landesarbeitsgericht gemeint hat - aufgrund des Günstigkeitsprinzips vor, kommt es auf die Verhältnismäßigkeit der von den Betriebsparteien zur Vergütung von Fahrzeiten getroffenen Vereinbarungen nicht an.
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d) Da es an zulässigen Verfahrensrügen und ausreichenden Sachrügen fehlt, erweist sich die Revision wegen unzureichender Begründung insgesamt als unzulässig.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Linck
Volk
Berger
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