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BAG 20.11.2013 - 5 AZR 776/12
BAG 20.11.2013 - 5 AZR 776/12 - Arbeitnehmerüberlassung - Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt (equal pay) - Verjährung
Normen
§ 10 Abs 4 AÜG, § 195 BGB, § 196 BGB, § 197 BGB, § 199 Abs 1 Nr 2 BGB, § 9 Nr 2 AÜG, § 13 Halbs 2 AÜG
Vorinstanz
vorgehend ArbG Leipzig, 18. Januar 2012, Az: 11 Ca 2115/11, Urteil
vorgehend Sächsisches Landesarbeitsgericht, 19. Juli 2012, Az: 6 Sa 90/12, Urteil
Tenor
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1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 19. Juli 2012 - 6 Sa 90/12 - wird zurückgewiesen.
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2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über Differenzvergütung unter dem Gesichtspunkt des equal pay.
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Der Kläger war vom 1. März bis zum 6. September 2006 bei der Beklagten, die gewerblich Arbeitnehmerüberlassung betreibt, als Leiharbeitnehmer zu einem Bruttostundenlohn von 7,41 Euro beschäftigt. Einzelvertraglich war die Anwendung des Entgelttarifvertrags zwischen der Christlichen Gewerkschaft Zeitarbeit und PSA (CGZP) und dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e. V. (AMP) vereinbart. Der Kläger wurde der F GmbH (fortan: F) zur Arbeitsleistung überlassen. Mitarbeiter der F erhalten bei einer Wochenarbeitszeit von 42,5 Stunden eine jeweils individuell ausgehandelte Vergütung.
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Mit seiner am 10. Juni 2011 bei Gericht eingereichten und der Beklagten am 23. Juni 2011 zugestellten Klage hat der Kläger unter Berufung auf § 10 Abs. 4 AÜG die Differenz zwischen der von der Beklagten erhaltenen Vergütung und dem Arbeitsentgelt verlangt, das die F im Streitzeitraum vergleichbaren Stammarbeitnehmern gezahlt haben soll. Der Kläger hat ausgehend von einer Auskunft der F behauptet, er hätte als Stammarbeitnehmer ein Bruttomonatsentgelt iHv. 2.000,00 Euro erhalten. Jedenfalls sei er nach Qualifikation und Tätigkeit mit dem Mitarbeiter S vergleichbar, der - dies ist zwischen den Parteien unstreitig - im Jahr 2006 von der F eingestellt wurde und ein Bruttomonatsentgelt iHv. 1.900,00 Euro erhält.
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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Anspruch sei nicht verjährt, denn bis zur CGZP-Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14. Dezember 2010 (- 1 ABR 19/10 -) sei die Rechtslage unklar gewesen. Bis dahin sei ihm eine Klage unzumutbar gewesen.
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Der Kläger hat zuletzt beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.229,11 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat sich auf Verjährung berufen.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
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I. Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Der Anspruch des Klägers ist verjährt.
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1. Der Anspruch des Leiharbeitnehmers auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG ist ein die arbeitsvertragliche Vergütungsabrede korrigierender gesetzlicher Entgeltanspruch, der mit der Überlassung entsteht und mit dem arbeitsvertraglich für die Vergütung bestimmten Zeitpunkt fällig wird. Mangels Eingreifens der besonderen Tatbestände der §§ 196, 197 BGB unterliegt er der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB (BAG 13. März 2013 - 5 AZR 424/12 - Rn. 22).
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2. Für den Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist kommt es - neben dem Entstehen des Anspruchs - nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB darauf an, dass der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
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a) Die von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB geforderte Kenntnis des Gläubigers ist vorhanden, wenn er aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Klage, sei es auch nur eine Feststellungsklage, erheben kann, die bei verständiger Würdigung so viel Erfolgsaussicht hat, dass sie dem Gläubiger zumutbar ist. Die erforderliche Kenntnis setzt keine zutreffende rechtliche Würdigung voraus, es genügt vielmehr die Kenntnis der den Anspruch begründenden tatsächlichen Umstände (BGH 26. September 2012 - VIII ZR 240/11 - zu B II 3 b bb (2) (b) der Gründe; BAG 13. März 2013 - 5 AZR 424/12 - Rn. 24 mwN).
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b) Danach hat der Leiharbeitnehmer von dem Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG ausreichende Kenntnis iSv. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, wenn er Kenntnis von der Tatsache hat, dass vergleichbare Stammarbeitnehmer des Entleihers mehr verdienen als er. Dagegen kommt es nicht auf eine zutreffende rechtliche Würdigung der arbeitsvertraglichen Klausel an, mit der der Verleiher von der in § 9 Nr. 2, § 10 Abs. 4 Satz 2 AÜG eröffneten Möglichkeit, von dem Gebot der Gleichbehandlung abzuweichen, Gebrauch macht. Vertraut der Leiharbeitnehmer auf deren Rechtswirksamkeit und in diesem Zusammenhang auf die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmerkoalition, ist dieses Vertrauen ebenso wenig geschützt wie das des Verleihers. Etwas anderes gilt nur dann, wenn und solange dem Leiharbeitnehmer die Erhebung einer die Verjährung hemmenden Klage (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) unzumutbar war (BAG 13. März 2013 - 5 AZR 424/12 - Rn. 25 mwN).
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3. Dem Kläger waren die Tatsachen bekannt, aus denen er im vorliegenden Rechtsstreit gefolgert hat, vergleichbare Stammarbeitnehmer der F hätten mehr verdient als er. So hat er den Anspruch auf Vergütungsnachzahlung gegenüber der Beklagten dem Grunde nach geltend gemacht, bevor er von der F die Auskunft über die Vergütung vergleichbarer Stammarbeitnehmer erhielt. Dementsprechend begründete er sein Auskunftsbegehren gegenüber der F damit, dass er seinen „Anspruch auf höheres Entgelt“ gegenüber der Beklagten geltend machen wolle. Zudem wusste er - nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts -, dass die Beklagte mittels der einzelvertraglichen Bezugnahme auf den Tarifvertrag den gesetzlichen Anspruch des Klägers auf eine höhere als die vereinbarte Vergütung ausschließen wollte. Darüber hinaus hat sich der Kläger nicht mit einfachen Lagerarbeitern, sondern mit „besser verdienenden“ Stammarbeitnehmern der F - wie dem Mitarbeiter S - verglichen. Damit übereinstimmend hat er gerichtlich gar nicht in Abrede gestellt, von Anfang an Kenntnis von der höheren Vergütung vergleichbarer Stammarbeitnehmer gehabt zu haben, sondern seine fehlende Kenntnis mit seiner Fehleinschätzung der Tarifunfähigkeit der CGZP begründet.
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4. Dem Kläger war eine Klage auf gleiches Arbeitsentgelt vor einer rechtskräftigen Entscheidung über die fehlende Tariffähigkeit der CGZP auch nicht unzumutbar. Eine solche hätte hinreichende Erfolgsaussicht gehabt (vgl. zum Folgenden bereits: BAG 13. März 2013 - 5 AZR 424/12 - Rn. 27 ff.).
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a) Nach einer von Schüren an allen deutschen Arbeitsgerichten durchgeführten Befragung, an der sich 83 % der Arbeitsgerichte beteiligten (Stand: August 2007), bezweifelten Arbeitsgerichte in Deutschland seit 2003 nahezu ausnahmslos die Tariffähigkeit der CGZP. Leiharbeitnehmer, die den Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt einklagten, hatten damit regelmäßig ganz oder teilweise Erfolg, nur eine einzige Klage wurde abgewiesen (Schüren NZA 2007, 1213). Auch im Schrifttum ist die Tariffähigkeit der CGZP seit deren erstem Tarifvertragsabschluss im Jahre 2003 in Frage gestellt und ihr der Vorwurf gemacht worden, Leiharbeitsunternehmen mit „billigen“ Tarifverträgen „zu versorgen“ (vgl. nur Ankersen NZA 2003, 421; Schüren in Schüren/Hamann AÜG 4. Aufl. § 9 Rn. 107 ff. mwN). Selbst wenn eine entsprechende Zahlungsklage nach § 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG ausgesetzt worden wäre und der Kläger von der Antragsbefugnis des § 97 Abs. 5 Satz 2 ArbGG hätte Gebrauch machen müssen, hätte dies keine Unzumutbarkeit der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs bewirkt. Ein gesetzlich vorgesehenes Verfahren zur Klärung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage ist stets zumutbar. Zuwarten allein lässt keine Klärung der Rechtslage erwarten (Staudinger/Peters/Jacoby (2009) § 199 BGB Rn. 62). Überdies hatten zum frühesten Ablauf der Verjährungsfrist am 31. Dezember 2009 bereits zwei Instanzen in dem dafür nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 iVm. § 97 ArbGG vorgesehenen Verfahren die fehlende Tariffähigkeit der CGZP festgestellt (ArbG Berlin 1. April 2009 - 35 BV 17008/08 -; LAG Berlin-Brandenburg 7. Dezember 2009 - 23 TaBV 1016/09 -).
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b) Das Argument, bis zur CGZP-Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts habe der Kläger den Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt wegen § 13 Halbsatz 2 AÜG nicht beziffern können, greift nicht durch. Unbeschadet der Frage, ob der Auskunftsanspruch gegen den Entleiher nach dem Sinn und Zweck der Norm bereits bei berechtigten Zweifeln an der Wirksamkeit eines Tarifvertrags, dessen Geltung nach § 9 Nr. 2 AÜG vereinbart worden ist, besteht (so die herrschende Meinung im Schrifttum, vgl. nur Pelzner/Kock in Thüsing AÜG 3. Aufl. § 13 Rn. 10; Brors in Schüren/Hamann AÜG 4. Aufl. § 13 Rn. 7 - jeweils mwN), hätte der Kläger jedenfalls zunächst eine Feststellungsklage erheben und so die Hemmung der Verjährung herbeiführen können (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB).
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5. Danach hat die Verjährungsfrist für den streitgegenständlichen Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt am 31. Dezember 2006 zu laufen begonnen, § 199 Abs. 1 BGB. Bei Erhebung der Klage war die regelmäßige Verjährungsfrist abgelaufen.
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II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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