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BAG 08.09.2011 - 2 AZR 543/10
BAG 08.09.2011 - 2 AZR 543/10 - Kirchlicher Arbeitnehmer - Kündigung - Loyalitätsverstoß
Normen
Art 4 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 6 Abs 1 GG, Art 140 GG, Art 137 Abs 3 WRV, § 1 Abs 2 KSchG, Art 8 MRK, Art 9 MRK, Art 11 MRK, Art 12 MRK, can 1055 CIC, can 1056 CIC, can 1085 § 2 CIC, Art 2 KathKiGrdO, Art 3 Abs 2 KathKiGrdO, Art 4 Abs 1 KathKiGrdO, Art 5 Abs 1 KathKiGrdO, Art 5 Abs 2 KathKiGrdO, Art 5 Abs 3 KathKiGrdO, Art 5 Abs 4 KathKiGrdO, Art 5 Abs 5 KathKiGrdO, § 1 AGG, § 3 Abs 1 AGG, § 7 AGG, § 9 Abs 1 AGG, § 9 Abs 2 AGG, Art 4 Abs 2 EGRL 78/2000
Vorinstanz
vorgehend ArbG Düsseldorf, 30. Juli 2009, Az: 6 Ca 2377/09, Urteil
vorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 1. Juli 2010, Az: 5 Sa 996/09, Urteil
nachgehend BVerfG, 22. Oktober 2014, Az: 2 BvR 661/12, Beschluss: Zurückverweisung
nachgehend BAG, 20. Februar 2019, Az: 2 AZR 746/14, Urteil
nachgehend BAG, 28. Juli 2016, Az: 2 AZR 746/14 (A), Vorlagebeschluss (EuGH): Vorlage EuGH
nachgehend BAG, 28. Juli 2016, Az: 2 AZR 746/14 (B), Beschluss: Aussetzung des Verfahrens
nachgehend EuGH, 11. Februar 2018, Az: C-68/17, Urteil
Leitsatz
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Auch bei Kündigungen wegen Enttäuschung der berechtigten Loyalitätserwartungen eines kirchlichen Arbeitgebers kann die stets erforderliche Interessenabwägung im Einzelfall zu dem Ergebnis führen, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zumutbar und die Kündigung deshalb unwirksam ist. Abzuwägen sind das Selbstverständnis der Kirchen einerseits und das Recht des Arbeitnehmers auf Achtung seines Privat- und Familienlebens andererseits.
Tenor
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Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 1. Juli 2010 - 5 Sa 996/09 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung der Beklagten.
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Der Kläger ist seit dem Jahre 2000 im katholischen S-Krankenhaus in D als Chefarzt der Abteilung Innere Medizin („Abteilungsarzt“) beschäftigt. Trägerin des Krankenhauses ist die Beklagte.
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Nach dem Arbeitsvertrag der Parteien leisten die Mitarbeiter ihren Dienst im Geist christlicher Nächstenliebe; als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung ist ua. „Leben in kirchlich ungültiger Ehe oder eheähnlicher Gemeinschaft“ vorgesehen.
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Nach Art. 3 Abs. 2 der auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Grundordnung des kirchlichen Dienstes vom 22. September 1993 (GrO) können kirchliche Dienstgeber pastorale, katechetische sowie in der Regel erzieherische und leitende Aufgaben nur einer Person übertragen, die der katholischen Kirche angehört. Art. 4 Abs. 1 GrO fordert von den katholischen Mitarbeitern, dass sie die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre anerkennen und beachten. Bei leitenden katholischen Mitarbeitern, zu denen ua. Abteilungsärzte gehören, ist das persönliche Lebenszeugnis iSd. Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre erforderlich.
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Nach Art. 5 Abs. 1 GrO muss der Dienstgeber, wenn ein Mitarbeiter die Beschäftigungsanforderungen nicht mehr erfüllt, durch Beratung zu erreichen versuchen, dass dieser den Mangel auf Dauer beseitigt. Als letzte Maßnahme kommt eine Kündigung in Betracht. Gem. Art. 5 Abs. 2 GrO ist der Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe ein schwerwiegender Loyalitätsverstoß, der eine Kündigung rechtfertigen kann. In diesem Fall ist nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GrO die Weiterbeschäftigung ua. dann ausgeschlossen, wenn der Loyalitätsverstoß von leitend tätigen Mitarbeitern begangen wird. Lediglich aus schwerwiegenden Gründen des Einzelfalls kann ausnahmsweise von der Kündigung abgesehen werden (Art. 5 Abs. 3 Satz 2 GrO). Im Fall des Abschlusses einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe scheidet eine Weiterbeschäftigung jedenfalls dann aus, wenn sie unter öffentliches Ärgernis erregenden oder die Glaubwürdigkeit der Kirche beeinträchtigenden Umständen geschlossen wird (Art. 5 Abs. 5 GrO).
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Eine ungültige Ehe schließt nach katholischem Rechtsverständnis (vgl. Canon [Can.] 1085 § 1 Codex Iuris Canonici [CIC]), wer durch das Band einer früheren Ehe gebunden ist. Eine neue Eheschließung ist auch dann nicht erlaubt, wenn eine frühere Ehe aus irgendeinem Grund nichtig oder aufgelöst worden ist, die Nichtigkeit bzw. die Auflösung der früheren Ehe aber noch nicht rechtmäßig und sicher feststeht, Can. 1085 § 2 CIC.
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Nachdem sich seine erste Ehefrau im Jahre 2005 von ihm getrennt hatte, lebte der Kläger mit seiner jetzigen Frau von 2006 bis 2008 unverheiratet zusammen. Das war der Beklagten nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts seit Herbst 2006 bekannt. Nach der Scheidung von seiner ersten Ehefrau Anfang 2008 heiratete der Kläger im August 2008 seine jetzige Frau standesamtlich. Davon erfuhr die Beklagte spätestens im November 2008. In den folgenden Wochen fanden sowohl zwischen den Parteien als auch auf Seiten der Beklagten Erörterungen und Beratungen statt. Nach Anhörung der bei ihr bestehenden Mitarbeitervertretung (MAV), die von einer Stellungnahme absah, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis im März 2009 fristgerecht zum 30. September 2009.
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Dagegen hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Die erneute Heirat stelle keinen Kündigungsgrund dar. Er sei als Chefarzt weder leitender Angestellter noch Träger der kirchlichen Verkündigung iSd. Art. 5 Abs. 3 GrO. Die Kündigung verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Beklagte habe andere geschiedene und wiederverheiratete Chefärzte durchaus eingestellt oder weiterbeschäftigt oder beschäftige sie sogar derzeit. Ein etwaiges Kündigungsrecht habe die Beklagte überdies verwirkt. Er habe sich nicht kirchenfeindlich verhalten. Die Trennung sei nicht öffentlich geworden. Sie habe auch bei der Belegschaft kein Ärgernis erregt.
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Der Kläger hat beantragt
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1.
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30. März 2009 zum 30. September 2009 nicht beendet worden ist;
2.
für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag die Beklagte zu verpflichten, ihn über den 30. September 2009 hinaus als Leitenden Arzt Abteilung medizinische Klinik (Innere Medizin) am S-Krankenhaus in D bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses weiterzubeschäftigen.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial gerechtfertigt. Der Kläger sei eine ungültige Ehe iSd. katholischen Kirchenrechts eingegangen und habe dadurch in erheblicher Weise gegen seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis verstoßen. Der Kläger sei als leitender Mitarbeiter iSd. Art. 5 Abs. 3 GrO anzusehen. Sie habe das Kündigungsverfahren nach Kenntnis von der Wiederverheiratung zügig vorangetrieben. Ein Großteil der vom Kläger benannten geschiedenen und wiederverheirateten Chefärzte sei nicht katholisch. Andere arbeiteten in Krankenhäusern, die nicht in ihrer Trägerschaft stünden. Herr Dr. B sei Ende 2003 ausgeschieden. Zudem habe er seine Wiederverheiratung erst einen Monat vor seinem altersbedingten Ausscheiden angezeigt; mit Rücksicht auf das kurz bevorstehende Ausscheiden sei in diesem Fall von einer Kündigung abgesehen worden. Allenfalls bei dem schon in den 80er Jahren verstorbenen Chefarzt Dr. S könne ein vergleichbarer Sachverhalt angenommen werden. Damals habe die Grundordnung des kirchlichen Dienstes aber noch nicht gegolten.
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Das Arbeitsgericht hat nach den Klageanträgen erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat - nach Durchführung einer Beweisaufnahme - die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag, die Klage abzuweisen, weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist unbegründet. Ob ein mögliches Kündigungsrecht der Beklagten verwirkt wäre, kann dahin stehen. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt iSd. § 1 KSchG. Der Kläger hat zwar gegen Loyalitätsanforderungen verstoßen. Dieser Verstoß führt aber unter den hier gegebenen Umständen nicht zur Wirksamkeit der Kündigung: Die erforderliche umfassende Abwägung der rechtlich geschützten Interessen beider Parteien geht zu Gunsten des Klägers aus.
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I. Das Recht der Beklagten zum Ausspruch der ordentlichen Kündigung dürfte entgegen der Auffassung des Klägers nicht verwirkt sein. Die Beklagte hat die Kündigung nicht mit illoyaler Verspätung ausgesprochen. Nachdem sie im November 2008 von der Wiederverheiratung erfahren hatte, musste sie nicht nur das in der Grundordnung vorgeschriebene beratende Gespräch mit dem Kläger führen, sondern auch den Aufsichtsrat beteiligen und eine Stellungnahme des Generalvikars einholen. Angesichts der - auch für die Beklagte und das Krankenhaus - weitreichenden Folgen des Kündigungsentschlusses ist es nicht zu beanstanden, dass sie dabei umsichtig und ohne Hast vorging. Letztlich kommt es auf eine etwaige Verwirkung des Kündigungsrechts nicht an. Die Kündigung ist aus anderen Gründen unwirksam.
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II. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt iSd. § 1 KSchG. Diese Bestimmung findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.
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1. Der Kläger hat sich durch die Wiederverheiratung in Widerspruch zu den berechtigten Loyalitätserwartungen der Beklagten gesetzt. Ob eine Enttäuschung dieser Erwartungen die Kündigung (auch) aus Gründen im Verhalten oder (nur) aus Gründen in der Person des Klägers bedingen kann, braucht dabei nicht entschieden zu werden (2 a). Die Kündigung war nicht schon wegen Verstoßes gegen § 1 KSchG, §§ 1, 7 AGG sozial ungerechtfertigt. Zu der in der Kündigung liegenden unterschiedlichen Behandlung wegen der Religion war die Beklagte an sich nach § 9 Abs. 2 AGG berechtigt (2 b). Jedoch führt die Abwägung der beiderseitigen Interessen zur Sozialwidrigkeit der Kündigung (2 c).
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2. Eine Kündigung ist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer eine Vertragspflicht erheblich - in der Regel schuldhaft - verletzt hat, die zumutbare Möglichkeit einer anderen, zukünftige Störungen zuverlässig ausschließenden Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint. Auch die erhebliche Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht kann eine Kündigung sozial rechtfertigen (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 34, DB 2011, 2724; 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - Rn. 12, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 62 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 78 ). Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer sich rechtswirksam zu dem beanstandeten Tun oder Unterlassen hat verpflichten können. Ob dies mit Blick auf das Versprechen, nicht erneut zu heiraten, unter dem Regime staatlichen Rechts möglich ist, erscheint nicht unzweifelhaft.
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Eine Kündigung ist aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers bedingt, wenn der Arbeitnehmer aufgrund persönlicher Eigenschaften - ohne dass ihm das vorwerfbar wäre - nicht (mehr) in der Lage ist, die Leistung vertragsgerecht zu erfüllen (BAG 18. Januar 2007 - 2 AZR 731/05 - Rn. 15, BAGE 121, 32). Vorausgesetzt ist eine Nicht- oder Schlechterfüllung der geschuldeten Leistung, etwa weil der Arbeitnehmer einer beruflichen Anforderung nicht (mehr) entspricht.
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Da die Kündigung im Streitfall auf einer Ungleichbehandlung beruht, sind zur näheren Bestimmung ihrer sozialen Rechtfertigung die Vorschriften des AGG heranzuziehen (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - BAGE 128, 238). Die stets notwendige Abwägung der rechtlich geschützten Interessen der Parteien muss bei Kündigungen aus kirchenspezifischen Gründen dem Selbstverständnis der Kirchen ein besonderes Gewicht beimessen (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1718/83 ua. - zu B II 1 e der Gründe, BVerfGE 70, 138). Die Arbeitsgerichte haben zwischen dem Recht der Arbeitnehmer auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK) einerseits und den nach Art. 9 EMRK (Religionsfreiheit) und Art. 11 EMRK (Vereinigungsfreiheit) geschützten Rechten der Religionsgemeinschaft andererseits abzuwägen. Dieses Abwägungsgebot folgt auch aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR 3. Februar 2011 - 18136/02 - EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 17; 23. September 2010 - 425/03 - NZA 2011, 277; 23. September 2010 - 1620/03 - NZA 2011, 279), deren Beachtung verfassungsrechtlich geboten ist (BVerfG 14. Oktober 2004 - 2 BvR 1481/04 - BVerfGE 111, 307).
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a) Mit der Wiederverheiratung hat der Kläger gegen seine Loyalitätsobliegenheit aus dem Arbeitsvertrag (§ 10 Abs. 4 Nr. 2) und gegen die darin in Bezug genommene Grundordnung (Art. 5 Abs. 2 GrO) verstoßen. Durch die Eingehung seiner zweiten (standesamtlichen) Ehe hat der Kläger den Grundsatz der Unauflöslichkeit der Ehe verletzt. Dieser zählt zu den wesentlichen Grundsätzen der katholischen Glaubens- und Sittenlehre. Er wird in den Vorschriften des Codex Iuris Canonici von 1983 bekräftigt (CIC Can. 1055, 1056, 1134 und insbesondere Can. 1141, nach dem die gültig geschlossene und vollzogene Ehe zwischen Getauften durch keine menschliche Gewalt und aus keinem Grunde, außer durch den Tod, aufgelöst werden kann). Das Verbot der Wiederverheiratung gilt nach der katholischen Glaubenslehre auch in der Zeit, in der ein eingeleitetes Ehenichtigkeitsverfahren noch nicht erfolgreich beendet ist. Im Streitfall lag daher zum Zeitpunkt der Kündigung ein Verstoß gegen Can. 1085 § 2 CIC vor (vgl. BAG 16. September 2004 - 2 AZR 447/03 - Rn. 48, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 242 Kündigung Nr. 5).
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aa) Das Verlangen der Beklagten nach Einhaltung der Vorschriften der katholischen Glaubens- und Sittenlehre steht im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben.
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(1) Dem Kläger steht freilich das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG und auf Schutz der Ehe (Art. 6 Abs. 1 GG) zu. Diese Grundrechte umfassen regelmäßig auch die Freiheit, eine zweite Ehe einzugehen. Die Gestaltung des privaten Lebensbereichs steht außerhalb der Einflusssphäre des Arbeitgebers und wird durch arbeitsvertragliche Pflichten nur insoweit eingeschränkt, wie sich das private Verhalten auf den betrieblichen Bereich auswirkt und dort zu Störungen führt. Berührt außerdienstliches Verhalten den arbeitsvertraglichen Pflichtenkreis nicht, so ist der Arbeitgeber regelmäßig nicht berechtigt, die ihm bekannt gewordenen Umstände aus der Privatsphäre des Arbeitnehmers durch den Ausspruch einer Kündigung zu missbilligen (BAG 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 20, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77; 16. September 2004 - 2 AZR 447/03 - Rn. 43, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 242 Kündigung Nr. 5).
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(2) Die Grundrechte des Arbeitnehmers nach Art. 2 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 GG bestehen jedoch nicht uneingeschränkt. Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Juni 1985 (- 2 BvR 1718/83 ua. - BVerfGE 70, 138), dem das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung gefolgt ist (so zB BAG 21. Februar 2001 - 2 AZR 139/00 - Rn. 53, AP BGB Kirchendienst § 611 Nr. 29 = EzA BGB § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 47; 24. April 1997 - 2 AZR 268/96 - AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 27 = EzA BGB § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 43; 18. November 1986 - 7 AZR 274/85 - AP GG Art. 140 Nr. 35 = EzA BGB § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 26), kommt das durch Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV verfassungsrechtlich verbürgte Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrecht neben den verfassten Kirchen auch den ihnen zugeordneten, insbesondere karitativen Einrichtungen zu (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1718/83 ua. - Rn. 59, aaO). Die Verfassungsgarantie des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts gewährleistet den Kirchen darüber zu befinden, welche Dienste es in ihren Einrichtungen geben soll und in welchen Rechtsformen sie wahrzunehmen sind. Die Kirchen können sich dabei der staatlichen Privatautonomie bedienen, um ein Arbeitsverhältnis zu begründen und zu regeln (BVerfGE 4. Juni 1985 - 2 BvR 1718/83 ua. - Rn. 58, aaO).
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(3) Bedienen sich die Kirchen wie jedermann der Privatautonomie zur Begründung von Arbeitsverhältnissen, so findet auf diese das staatliche Arbeitsrecht Anwendung. Die Einbeziehung der kirchlichen Arbeitsverhältnisse in das staatliche Arbeitsrecht hebt indessen deren Zugehörigkeit zu den „eigenen Angelegenheiten“ der Kirche iSv. Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 3 WRV nicht auf. Das ermöglicht es den Kirchen, in den Schranken des für alle geltenden Gesetzes den kirchlichen Dienst nach ihrem Selbstverständnis zu regeln und dazu die spezifischen Obliegenheiten kirchlicher Arbeitnehmer verbindlich zu machen. Werden Loyalitätsanforderungen in einem Arbeitsvertrag festgelegt, nimmt der kirchliche Arbeitgeber nicht nur die allgemeine Vertragsfreiheit für sich in Anspruch; er macht zugleich von seinem verfassungskräftigen Selbstbestimmungsrecht Gebrauch (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1718/03 ua. - Rn. 59, BVerfGE 70, 138).
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(4) Welche kirchlichen Grundverpflichtungen als Gegenstand des Arbeitsverhältnisses bedeutsam sein können, richtet sich nach den von der verfassten Kirche anerkannten Maßstäben. Dagegen kommt es weder auf die Auffassung der einzelnen betroffenen kirchlichen Einrichtungen, bei denen die Meinungsbildung von verschiedenen Motiven beeinflusst sein kann, noch auf diejenige breiter Kreise unter Kirchenmitgliedern oder gar einzelner, bestimmten Tendenzen verbundener Mitarbeiter an (BAG 21. Februar 2001 - 2 AZR 139/00 - Rn. 53, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 29 = EzA BGB § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 47). Die Arbeitsgerichte haben die vorgegebenen kirchlichen Maßstäbe für die Bewertung einzelner Loyalitätsanforderungen zugrunde zu legen, soweit die Verfassung das Recht der Kirche anerkennt, hierüber selbst zu befinden. Es bleibt danach grundsätzlich den verfassten Kirchen überlassen, verbindlich zu bestimmen, was die „Glaubwürdigkeit der Kirche und der Einrichtung, in der sie beschäftigt sind“ (vgl. Art. 4 Abs. 4, Art. 5 Abs. 5 GrO) erfordert, welches die zu beachtenden „Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre“ sind (vgl. Art. 4 Abs. 1 GrO) und welche „Loyalitätsverstöße“ (vgl. Art. 5 Abs. 2 GrO) aus „kirchenspezifischen Gründen“ als „schwerwiegend“ anzusehen sind. Auch die Entscheidung darüber, ob und wie innerhalb der im kirchlichen Dienst tätigen Mitarbeiter eine Abstufung der Loyalitätsanforderungen eingreifen soll (vgl. Art. 5 Abs. 3 und Abs. 4 GrO), ist grundsätzlich eine dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht unterliegende Angelegenheit (vgl. BAG 21. Februar 2001 - 2 AZR 139/00 - aaO; bestätigend: EGMR 3. Februar 2011 - 18136/02 - EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 17).
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bb) Nach den damit maßgeblichen kirchlichen Vorschriften liegt ein Loyalitätsverstoß vor.
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(1) Die nach Art. 5 Abs. 2 GrO generell als Kündigungsgrund in Betracht kommende Wiederheirat eines verheirateten Arbeitnehmers rechtfertigt nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GrO eine Kündigung, wenn der betroffene Mitarbeiter „leitend tätig“ ist. Die Wahrnehmung einer „missio canonica“ ist nicht erforderlich. Nach Art. 5 Abs. 3 Satz 2 GrO kann von einer Kündigung allerdings ausnahmsweise abgesehen werden, wenn schwerwiegende Gründe des Einzelfalls die Kündigung als unangemessen erscheinen lassen.
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(2) Der Kläger als Abteilungsarzt für „Innere Medizin“ ist leitender Mitarbeiter iSd. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 GrO. Das zeigt Buchst. A Ziff. 6 der auf den Arbeitsvertrag anwendbaren Grundordnung für katholische Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen vom 5. November 1996. Danach sind leitend tätige Mitarbeiter im Sinne der genannten Grundordnung ua. die Abteilungsärzte. Gem. § 1 Abs. 1 des Dienstvertrags ist der Kläger Abteilungsarzt.
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(3) Ein Ausnahmefall nach Art. 5 Abs. 3 Satz 2 GrO liegt nicht vor. Die Beurteilung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe das Vorliegen von Ausnahmetatbeständen zu Recht verneint, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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(4) Die Kündigung erweist sich nicht als unverhältnismäßig wegen Missachtung der Verfahrensvorschrift des Art. 5 Abs. 1 GrO. Nach Art. 5 Abs. 1 GrO muss der kirchliche Dienstgeber, wenn ein Mitarbeiter die Beschäftigungsanforderungen nicht mehr erfüllt, durch „Beratung“, dh. „ein klärendes Gespräch“ versuchen, dass der Mitarbeiter diesen Mangel auf Dauer beseitigt. Im vorliegenden Fall ist die Beklagte dieser Verpflichtung im Gespräch vom 26. Januar 2009 nachgekommen.
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b) Die Kündigung ist nicht wegen Verstoßes gegen §§ 1, 7 AGG ungerechtfertigt iSd. § 1 KSchG. Die mit ihr verbundene Ungleichbehandlung des Klägers wegen seiner Religion ist nach § 9 Abs. 2 AGG gerechtfertigt.
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aa) Liegt - wie hier - eine Nichtachtung von Loyalitätsanforderungen vor, so ist die weitere Frage, ob sie eine Kündigung des kirchlichen Arbeitsverhältnisses sachlich rechtfertigt, nach den kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften des § 1 KSchG und des § 626 BGB zu beantworten. Diese unterliegen als für alle geltendes Gesetz iSd. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV umfassender arbeitsgerichtlicher Anwendungskompetenz (BVerfG 7. März 2002 - 1 BvR 1962/01 - EzA BGB § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 47a; BAG 21. Februar 2001 - 2 AZR 139/00 - AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 29 = EzA BGB § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 47). Die Gerichte müssen jedoch auch in diesem Rahmen dem in Art. 137 Abs. 3 WRV gewährleisteten Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften Rechnung tragen (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1718/83 ua. - BVerfGE 70, 138). Dabei sind in Fällen, in denen die Kündigung eine Benachteiligung iSd. §§ 1 ff. AGG mit sich bringt, für die Frage der sozialen Rechtfertigung nach § 1 KSchG die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897) heranzuziehen (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - BAGE 128, 238).
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bb) Die hier vorliegende Benachteiligung des Klägers führt nicht nach § 1 KSchG iVm. §§ 1, 7, 9 AGG zur Sozialwidrigkeit der Kündigung.
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(1) Die Kündigung stellt zwar eine unmittelbare Benachteiligung des Klägers wegen der Religion iSd. § 3 Abs. 1 AGG dar. Dem Kläger wäre nicht wegen Wiederverheiratung gekündigt worden, wenn er nicht katholisch wäre.
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(2) Die Benachteiligung ist jedoch nach § 9 Abs. 2 AGG gerechtfertigt.
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(a) Nach § 9 Abs. 2 AGG berührt das Verbot unterschiedlicher Behandlung wegen der Religion nicht das Recht der Religionsgemeinschaften und der ihnen zugeordneten Einrichtungen iSd. § 9 Abs. 1 AGG, von ihren Beschäftigten ein loyales und aufrichtiges Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses verlangen zu können. Die Vorschrift will Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 umsetzen. Danach können - sofern die Bestimmungen dieser Richtlinie im Übrigen eingehalten werden - die Kirchen und andere öffentliche oder private Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, im Einklang mit den einzelstaatlichen verfassungsrechtlichen Bestimmungen und Rechtsvorschriften von den für sie arbeitenden Personen verlangen, dass sie sich loyal und aufrichtig im Sinne des Ethos der Organisation verhalten. Ob dadurch allein unterschiedliche Behandlungen wegen der Religion oder auch Benachteiligungen aus anderen Gründen (zB wegen der sexuellen Identität) erlaubt werden (vgl. ausführlich Thüsing Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz Rn. 487 ff. mwN) kann dahinstehen, da die unterschiedliche Behandlung hier ausschließlich wegen der Religion erfolgt.
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(b) Im Streitfall hat der Kläger sich illoyal im Sinne des Ethos der Beklagten verhalten. Die Beklagte sieht, wie aus dem Arbeitsvertrag, der Grundordnung und den Vorschriften des Corpus Iuris Canonici hervorgeht, für leitende Mitarbeiter die Wiederverheiratung Geschiedener als einen schweren Verstoß gegen zentrale Anforderungen ihrer Glaubens- und Sittenlehre an. Danach kommt der Ehe nicht eine formelle Funktion im Sinne eines frei zu schließenden und auch wieder zu lösenden privatrechtlichen Vertrages zu, sondern sie ist als Sakrament unauflöslich und integraler Bestandteil der göttlichen Schöpfungs- und Erlösungsordnung (Thüsing Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz Rn. 491). Diese Vorgabe muss von der staatlichen Gewalt geachtet werden. Die erneute Heirat eines nach kirchlichem Verständnis Verheirateten ist ein schwerer und ernster Verstoß gegen die Loyalitätsanforderungen (HWK/Annuß/Rupp 4. Aufl. § 9 AGG Rn. 5; AGG/Voigt 3. Aufl. § 9 AGG Rn. 33; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 9 Rn. 17).
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(c) Die umstrittene Frage, ob und in welchem Umfang Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG es gebietet, dass die nach § 9 AGG vom Arbeitgeber gestellte berufliche Anforderung zugleich die Voraussetzungen einer nach der Art der Tätigkeit gerechtfertigten Anforderung erfüllt (vgl. etwa AGG/Voigt § 9 Rn. 22 ff.; Bauer/Göpfert/Krieger AGG § 9 Rn. 13 ff.; Mohr/v. Fürstenberg BB 2008, 2122; BT-Drucks. 16/1780 S. 35 f.; Schreiben der Kommission der Europäischen Union vom 31. Januar 2008 zu dem am 28. Oktober 2010 eingestellten Vertragsverletzungsverfahren 2007/2362 zu Nr. 2), kann dahinstehen. Eine Auslegungsfrage iSd. Art. 267 AEUV stellt sich, wie die Prüfung durch den Senat ergeben hat, nicht. Im Streitfall ist das Verbot der Wiederverheiratung auch nach der Art der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit gerechtfertigt. Die Einhaltung der katholischen Glaubens- und Sittenlehre ist zwar nicht Voraussetzung für die Ausübung des Heilberufs im rein praktischen Sinne. Der Kläger ist jedoch als Chefarzt Vorgesetzter zahlreicher Mitarbeiter und verkörpert ihnen gegenüber und auch gegenüber den Patienten und ihren Angehörigen sowie in der Öffentlichkeit in besonderem Maße das Ethos der Beklagten. Sein Verhalten wird von seinen Mitarbeitern und von den Patienten und ihren Angehörigen der Beklagten zugerechnet. Die Beklagte als juristische Person vermittelt ethische Glaubwürdigkeit in herausragendem Maß durch ihr Führungspersonal. Diese in mehrfacher Hinsicht besondere Funktion rechtfertigt es, dass die Beklagte von denjenigen Mitarbeitern, die sie mit der Wahrnehmung der Leitungsaufgaben betraut, eine Identifikation mit den Kernpunkten der katholischen Glaubens- und Sittenlehre fordert. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geht davon aus, dass besondere berufliche Anforderungen nicht nur dann gegeben sind, wenn sie ein gleichsam handwerkliches Erfordernis darstellen, sondern auch, wenn sie im Einklang mit der Richtlinie 2000/78/EG auf den religiösen Grundsätzen des Arbeitgebers und der Bedeutung der Tätigkeit des betreffenden Arbeitnehmers für diesen beruhen (so für das Gebot der ehelichen Treue nach dem Verständnis der Mormonenkirche EGMR 23. September 2010 - 425/03 - NZA 2011, 277; vgl. auch EGMR 3. Februar 2011 - 18136/02 - EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 17).
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c) Liegt danach ein Loyalitätsverstoß des Klägers vor, der an sich geeignet ist, die ordentliche Kündigung nach § 1 KSchG zu rechtfertigen, so ergibt doch die Abwägung der beiderseitigen Interessen der Parteien, dass der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist.
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aa) Zu Gunsten der Beklagten wiegt die unverkennbare Schwere des Loyalitätsverstoßes. Die Beklagte hat als katholische Einrichtung das vom Grundgesetz gestützte Recht, auch als solche zu wirken und in Erscheinung zu treten. Sie versteht ihr karitatives Tun im Sinne der Erfüllung eines religiösen Auftrages. Nach der katholischen Sittenlehre gehören Nächstenliebe und die Unauflöslichkeit der Ehe als Teile zu derselben, umfassenden, nicht verfügbaren und einheitlichen Auffassung vom Menschen als Geschöpf Gottes. Art. 9 und Art. 11 EMRK gewährleisten, dass sich Menschen aufgrund einer sie verbindenden religiösen Auffassung zusammenfinden und ihre Angelegenheiten nach Maßstäben ordnen können, die nicht vom Staat oder der jeweils herrschenden öffentlichen Meinung über die Natur des Menschen korrigiert werden dürfen. Das gilt auch dann, wenn die betreffenden Auffassungen einer Bevölkerungsmehrheit unplausibel, rückwärtsgerichtet oder irrational erscheinen mögen.
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bb) Entscheidend geschwächt wird das Interesse der Beklagten an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses allerdings durch drei Umstände, aus denen hervorgeht, dass sie selbst die Auffassung vertritt, einer ausnahmslosen Durchsetzung ihrer sittlichen Ansprüche zur Wahrung ihrer Glaubwürdigkeit nicht immer zu bedürfen.
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(1) Dies zeigt sich daran, dass die Beklagte nach Art. 3 Abs. 2 GrO mit leitenden Tätigkeiten auch nichtkatholische Personen betrauen kann. Der katholische Glaube ist nur regelmäßige Voraussetzung für die Übertragung von Leitungsaufgaben. Die Beklagte ist also durch die Grundordnung nicht gezwungen, ihr „Wohl und Wehe“ gewissermaßen bedingungslos mit dem Lebenszeugnis ihrer leitenden Mitarbeiter für die katholische Sittenlehre zu verknüpfen.
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(2) Durch diese Rechtslage ist es auch zu erklären, dass die Beklagte mehrfach Chefärzte beschäftigt hat bzw. beschäftigt, die als Geschiedene erneut geheiratet haben. Es handelt sich insoweit überwiegend um nichtkatholische Arbeitnehmer bzw. katholische Arbeitnehmer in besonderen Lebenslagen, denen gegenüber sie entweder von vornherein nicht die strenge Befolgung der katholischen Glaubens- und Sittenlehre verlangt oder mit Rücksicht auf besondere Gegebenheiten nicht durchsetzen zu müssen glaubte. Richtig ist, dass darin - anders als es das Landesarbeitsgericht gesehen hat - kein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gefunden werden kann. Das ändert aber nichts daran, dass die Beklagte das Ethos ihrer Organisation durch eine differenzierte Handhabung bei der Anwendung und Durchsetzung ihres legitimen Loyalitätsbedürfnisses selbst nicht zwingend gefährdet sieht.
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(3) Die Beklagte hat nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts den nach dem Vertrag der Parteien der Wiederverheiratung gleichwertigen Verstoß des ehelosen Zusammenlebens des Klägers seit dem Herbst 2006 gekannt und hingenommen. Auch das zeigt, dass sie selbst ihre moralische Glaubwürdigkeit nicht ausnahmslos bei jedem Loyalitätsverstoß als erschüttert betrachtet, sondern sich, möglicherweise angesichts der ausgeprägten Verdienste des Klägers um die Patienten und ihres eigenen mit diesen Verdiensten verbundenen Rufs, durchaus zu unterscheiden gestattet.
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Schon bei Einbeziehung nur dieser Umstände ist schwer erkennbar, warum ihr die Beschäftigung des Klägers nunmehr unzumutbar sein sollte.
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cc) Der Beklagten ist die Weiterbeschäftigung des Klägers jedenfalls dann zumutbar, wenn dessen Belange gegen die ihren abgewogen werden.
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Zu Gunsten des Klägers fällt sein grundrechtlich und durch Art. 8, Art. 12 EMRK geschützter Wunsch in die Waagschale, in einer nach bürgerlichem Recht geordneten Ehe mit seiner jetzigen Frau zu leben. Auch deren Recht, die Form des Zusammenlebens mit dem von ihr gewählten Partner im gesetzlich vorgesehenen Rahmen zu bestimmen, verdient Achtung. Freilich hat der Kläger als Katholik durch den Vertragsschluss mit der Beklagten in die Einschränkung seines Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens eingewilligt. Wenn er an der Erfüllung seiner religiösen Pflicht aus Gründen, die den innersten Bezirk des Privatlebens betreffen, gescheitert ist, so geschah dies jedoch nicht aus einer ablehnenden oder auch nur gleichgültigen Haltung heraus. Der Kläger stellt die mit seiner Religionszugehörigkeit verbundenen ethischen Pflichten nicht in Abrede und hat sich zu keinem Zeitpunkt gegen die kirchliche Sittenlehre ausgesprochen oder ihre Geltung oder Zweckmäßigkeit in Zweifel gezogen. Im Gegenteil versucht er, den ihm nach kanonischem Recht verbliebenen Weg zur kirchenrechtlichen Legalisierung seiner Ehe zu beschreiten. Seine Leistung und sein Einsatz für die ihm anvertrauten Patienten, für seine Mitarbeiter und für sie selbst werden von der Beklagten anerkannt. Störungen des Leistungsaustauschs bestehen nicht. Irgendwelche auch nur leichten Irritationen bei Mitarbeitern oder Patienten wegen des Kündigungssachverhalts sind nicht erkennbar.
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Angesichts dessen ist die ausgesprochene Kündigung sozial nicht gerechtfertigt.
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III. Die Kosten der Revision fallen der Beklagten nach § 97 Abs. 1 ZPO zur Last.
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