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BAG 15.03.2011 - 10 AZB 49/10
BAG 15.03.2011 - 10 AZB 49/10 - Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen - Rechtsstreitigkeit zwischen einem Leiharbeitnehmer und einem Entleiher
Normen
§ 2 Abs 1 Nr 3 Buchst a ArbGG, § 2 Abs 1 Nr 3 Buchst d ArbGG, AÜG, § 15 Abs 2 AGG, § 7 Abs 1 AGG, § 6 Abs 2 S 2 AGG
Vorinstanz
vorgehend ArbG Duisburg, 29. Juli 2010, Az: 2 Ca 1163/10, Beschluss
vorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 14. Oktober 2010, Az: 15 Ta 588/10, Beschluss
Leitsatz
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Für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen einem Leiharbeitnehmer und einem Entleiher aus dem Leiharbeitsverhältnis oder aus unerlaubten Handlungen, soweit sie mit dem Leiharbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen, ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und d ArbGG der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet.
Tenor
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1. Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 14. Oktober 2010 - 15 Ta 588/10 - wird zurückgewiesen.
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2. Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsbeschwerde zu tragen.
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3. Der Streitwert wird auf 11.550,00 Euro festgesetzt.
Gründe
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I. Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2, § 7 Abs. 1 AGG und vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen.
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Der Kläger war im Zeitraum von 2006 bis einschließlich Februar 2010 im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung durch seine Vertragsarbeitgeberin als Schweißer für die Beklagte tätig. Der Kläger behauptet, im Betrieb der Beklagten durch seine dortigen Vorgesetzten wegen seiner ethnischen Herkunft benachteiligt worden zu sein. Die Beklagte rügt die Zulässigkeit des vom Kläger beschrittenen Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen. Zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher bestehe kein Arbeitsverhältnis. Arbeitgeber des Klägers iSv. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG sei allein der Verleiher. Zuständig seien deshalb die ordentlichen Gerichte.
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Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet ist. Durch Beschluss der Vorsitzenden hat das Landesarbeitsgericht die sofortige Beschwerde der Beklagten zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.
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II. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet ist.
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1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist der angefochtene Beschluss nicht unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ergangen. Nach § 78 Satz 3 ArbGG entscheidet über die sofortige Beschwerde das Landesarbeitsgericht ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter.
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2. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und d ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis sowie aus unerlaubten Handlungen, soweit diese mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen. Eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit liegt vor. Der Kläger ist Arbeitnehmer iSv. § 5 Abs. 1 ArbGG. Für den geltend gemachten Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG ist die Beklagte auch Arbeitgeberin iSv. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG.
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a) Für den Begriff des Arbeitgebers gibt es keine gesetzliche Definition; er lässt sich mittelbar aber aus dem Begriff des Arbeitnehmers ableiten. Arbeitgeber ist danach derjenige, der mindestens einen Arbeitnehmer oder eine arbeitnehmerähnliche Person iSv. § 5 ArbGG beschäftigt (BAG 21. Januar 1999 - 2 AZR 648/97 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 90, 353; ErfK/Koch 11. Aufl. § 2 ArbGG Rn. 14).
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b) Bei einer legalen Arbeitnehmerüberlassung ist der Verleiher Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers. Mit diesem schließt der Leiharbeitnehmer seinen Arbeitsvertrag. Mit dem Entleiher besteht bei einer Tätigkeit im Rahmen legaler Arbeitnehmerüberlassung kein Arbeitsverhältnis; dieses gilt nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG nur dann zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer als zustande gekommen, wenn der Vertrag zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer nach § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam ist.
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Der Leiharbeitnehmer wird aber in die Betriebsorganisation des Entleihers eingegliedert. Dieser übt das Direktionsrecht aus und entscheidet über die Zuweisung des konkreten Arbeitsplatzes und die Art und Weise der Erbringung der Arbeitsleistungen (vgl. BAG 23. September 2010 - 8 AZR 567/09 - Rn. 42, 44, DB 2011, 246). Der Leiharbeitnehmer ist verpflichtet, die ihm aus dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher obliegende Arbeitspflicht gegenüber dem Entleiher zu erbringen. Tatsächlich entstehen somit auch zum Entleiher rechtliche Beziehungen mit arbeitsrechtlichem Charakter.
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c) Dieser gespaltenen Arbeitgeberstellung trägt der Gesetzgeber Rechnung. Nach § 13 AÜG kann der Leiharbeitnehmer von seinem Entleiher Auskunft über die im Betrieb des Entleihers geltenden Arbeitsbedingungen verlangen. Nach § 14 Abs. 2 Satz 3 AÜG kann er gegenüber dem Entleiher die dort aufgeführten Rechte aus dem Betriebsverfassungsgesetz geltend machen, nach § 7 Satz 2 BetrVG sind Leiharbeitnehmer bei einem Einsatz von mehr als drei Monaten im Betrieb des Entleihers wahlberechtigt. Soweit der Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligung gemäß den §§ 6 ff. AGG in Rede steht, gilt nach § 6 Abs. 2 Satz 2 AGG auch der Entleiher als Arbeitgeber. Dies trifft gerade auch für den streitgegenständlichen Entschädigungsanspruch des § 15 AGG zu.
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d) § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG begründet eine umfassende Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen für individualrechtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis (BAG 23. Februar 1979 - 1 AZR 172/78 - zu I der Gründe, BAGE 31, 318). Ziel des Arbeitsgerichtsgesetzes ist es, alle bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten, die in greifbarer Beziehung zu einem Arbeitsverhältnis stehen, auch prozessual im Rahmen der Arbeitssachen zu erfassen (BAG 23. August 2001 - 5 AZB 11/01 - zu II 1 der Gründe, BAGE 99, 1).
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Das gilt in gleicher Weise für Streitigkeiten zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher, die ihren Ursprung in der Arbeitnehmerüberlassung haben. Werden dem Entleiher wesentliche Arbeitgeberfunktionen vom Verleiher übertragen, so muss dieser gespaltenen Arbeitgeberstellung bei der Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen Rechnung getragen werden. Ergeben sich bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen einem Leiharbeitnehmer und einem Entleiher aus dem Leiharbeitsverhältnis, ist nach Sinn und Zweck der Zuständigkeitsnorm des § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet (hM: GMP/Matthes/Schlewing ArbGG 7. Aufl. § 2 Rn. 52; Schwab/Weth/Walker ArbGG 3. Aufl. § 2 Rn. 85; GK-ArbGG/Schütz Stand Dezember 2010 § 2 Rn. 72b; LAG Hamburg 24. Oktober 2007 - 4 Ta 11/07 - für einen Auskunftsanspruch nach § 13 AÜG; LAG Hamm 4. August 2003 - 2 Ta 739/02 - EzAÜG BGB § 611 Haftung Nr. 11, für einen Schadensersatzanspruch des Entleihers; aA ErfK/Koch § 2 ArbGG Rn. 16). Ebenso sind die Arbeitsgerichte zuständig bei unerlaubten Handlungen zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher, soweit sie mit dem Leiharbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen, § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. d ArbGG.
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e) Die Klage auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2, § 7 Abs. 1 AGG hat ihren Ursprung in der Überlassung des Klägers an die Beklagte, nach § 6 Abs. 2 Satz 2 AGG gilt diese insoweit als Arbeitgeberin. Soweit eine unerlaubte Handlung in Betracht kommt, steht diese im Zusammenhang mit dem Leiharbeitsverhältnis. Für den Anspruch ist deshalb der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.
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Mikosch
W. Reinfelder
Mestwerdt
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