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BSG 21.09.2023 - B 3 P 8/23 B
BSG 21.09.2023 - B 3 P 8/23 B
Tenor
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Auf die Beschwerde der Klägerin wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 6. März 2023 aufgehoben.
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Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
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I. Im Streit steht die Zuerkennung einer weiteren Verzögerungszahlung nach § 18 Abs 3b SGB XI. Das SG hat die Beklagte zu einer Verzögerungszahlung verurteilt und die weitergehende Klage abgewiesen. Das LSG hat die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin zurückgewiesen: Ihr stehe kein Anspruch auf weitere als die ihr berechtigt zugesprochenen Zahlungen zu.
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Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision durch das LSG und macht Verfahrensmängel geltend.
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II. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision ist zulässig, denn sie hat einen Verstoß gegen das grundrechtsgleiche Recht auf den gesetzlichen Richter nach Art 101 Abs 1 Satz 2 GG hinreichend bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
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Die Beschwerde ist insoweit auch begründet, als sie sich auf die Selbstentscheidung des LSG-Senats über das in der mündlichen Verhandlung gestellte Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen den Senat bezieht. Jedenfalls dieser gerügte Verfahrensmangel liegt vor. Das LSG war bei seinem auf die mündliche Verhandlung vom 6.3.2023 ergangenen Urteil nicht vorschriftsmäßig besetzt (§ 547 Nr 1 ZPO iVm § 202 Satz 1 SGG). Denn an diesem Urteil haben Richterinnen und Richter mitgewirkt, die der Bevollmächtigte der Klägerin zuvor in der mündlichen Verhandlung zwar erfolglos abgelehnt hatte, deren Mitwirkung am Urteil aber gleichwohl das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt hat. Die Verwerfung des die Richterinnen und Richter des LSG-Senats betreffenden Ablehnungsgesuchs als unzulässig unter Mitwirkung aller abgelehnten Richterinnen und Richter hat Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt (vgl zu den Maßstäben letztens BVerfG vom 21.11.2018 - 1 BvR 436/17 - juris RdNr 19; BVerfG vom 5.5.2021 - 1 BvR 526/19 - juris RdNr 24 f), weshalb der Senat an die Verwerfung vorliegend entgegen § 557 Abs 2 ZPO iVm § 202 Satz 1 SGG nicht gebunden ist (vgl nur BSG vom 2.11.2007 - B 1 KR 72/07 B - SozR 4-1100 Art 101 Nr 3 RdNr 5; BSG vom 21.9.2017 - B 13 R 230/17 B - juris RdNr 12).
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Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung verkündete nach geheimer Beratung und Wiederaufruf der Sache der LSG-Senat zunächst ua die Entscheidung, dass der Antrag, die Richter des Senats wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, verworfen werde. Gründe hierfür sind nach dem Protokoll, dass der Antrag unzulässig sei. Er differenziere nicht nach den Senatsmitgliedern und sei offensichtlich in der Absicht gestellt, das Verfahren zu verzögern. Anschließend verkündete der Senat das angegriffene Urteil.
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Ob aber vorliegend eine Differenzierung nach den Senatsmitgliedern für die Zulässigkeit des offenkundig in der mündlichen Verhandlung vom Bevollmächtigten der Klägerin gestellten Ablehnungsgesuchs erforderlich gewesen ist, hängt maßgeblich von der Begründung des Ablehnungsgesuchs ab. Das Ablehnungsgesuch, über das der LSG-Senat ausweislich des Protokolls entschieden hat, und seine Begründung sind indes, anders als die Entscheidung über dieses Gesuch, nicht protokolliert worden. Auch der Verfahrensakte und dem Urteil ist hierzu nichts zu entnehmen. Dem erkennenden Senat ist hierdurch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde die Möglichkeit der Prüfung verwehrt, ob durch die als Verfahrensmangel gerügte Selbstentscheidung der abgelehnten Richterinnen und Richter über das Ablehnungsgesuch die verfassungsrechtlichen Grenzen einer zulässigen Selbstentscheidung gewahrt worden sind.
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Ausgehend von der Beschwerdebegründung und ausweislich des Protokolls könnte eine Ablehnung der Richterbank insgesamt ("alle in der mündlichen Verhandlung anwesenden Richter") hier deshalb zulässig gewesen sein, weil Ablehnungsgrund die zuvor in der mündlichen Verhandlung ergangenen Entscheidungen des gesamten LSG-Senats über ein vor der Verhandlung gestelltes Ablehnungsgesuch gegen namentlich benannte berufsrichterliche Mitglieder des LSG-Senats und über ein in der mündlichen Verhandlung gestelltes Ablehnungsgesuch gegen dessen Vorsitzenden gewesen sein dürften, mit denen diese als unzulässig verworfen worden sind; beide Ablehnungsgesuche wie deren Verwerfung sind der Verfahrensakte und dem Protokoll zu entnehmen. Über ein zulässiges Ablehnungsgesuch hätte aber grundsätzlich nicht durch eine Selbstentscheidung der abgelehnten Richterinnen und Richter entschieden werden dürfen.
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Letztlich kann und muss dies vorliegend offen bleiben, weil die Protokollierung des Ablehnungsgesuchs gegen den LSG-Senat und seiner Begründung unterblieben ist. Die Einhaltung oder Überschreitung der verfassungsrechtlichen Grenzen der zulässigen Selbstentscheidung über ein Ablehnungsgesuch lassen sich deshalb vorliegend durch das BSG nicht prüfen, was nicht zulasten der rechtsschutzsuchenden und einen Verfahrensmangel rügenden Klägerin gehen darf. Durch seine den Rechtsschutz erschwerende Verfahrensweise hat das LSG vorliegend entgegen den Anforderungen des Art 19 Abs 4 GG die Überprüfung seiner Entscheidung über das Ablehnungsgesuch auf Beachtung der für diese geltenden rechtlichen Grenzen im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BSG verhindert. Damit hat es zugleich die Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Rechts auf den gesetzlichen Richter nach Art 101 Abs 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt (vgl BSG vom 29.8.2019 - B 14 AS 67/19 B - juris RdNr 5 mwN).
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Danach war das LSG bei seiner Entscheidung durch Urteil über die Berufung der Klägerin nicht vorschriftsmäßig besetzt. Denn eine grundlegende Verkennung von Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG führt ebenso wie Willkür bei der Behandlung von Ablehnungsgesuchen zur nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts mit den abgelehnten Richtern und damit zum Vorliegen eines absoluten Revisionsgrunds (§ 547 Nr 1 ZPO iVm § 202 Satz 1 SGG), bei dem eine Entscheidung stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen ist. Dieser die angefochtene Entscheidung des LSG insgesamt betreffende absolute Revisionsgrund führt zur Aufhebung und Zurückverweisung (§ 160a Abs 5 SGG). Die Verweisung an einen anderen Senat des LSG (§ 563 Abs 1 Satz 2 ZPO iVm § 202 Satz 1 SGG) ist nicht geboten.
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Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.
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