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BSG 03.03.2022 - B 4 AS 321/21 B
BSG 03.03.2022 - B 4 AS 321/21 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren - Willkürverbot
Normen
§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 3 Abs 1 GG
Vorinstanz
vorgehend SG Berlin, 31. Januar 2017, Az: S 102 AS 26149/13, Urteil
vorgehend Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 18. Mai 2021, Az: L 19 AS 291/20 WA, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Mai 2021 wird als unzulässig verworfen.
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Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
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Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil weder der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) noch ein Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) in der erforderlichen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG, § 169 SGG).
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1. Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine konkrete Rechtsfrage klar formuliert wird. Weiter muss ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit im jeweiligen Rechtsstreit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufgezeigt werden (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
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Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Kläger hat folgende Frage formuliert:
"Kann ein Vermittlungsangebot Grundlage für eine Leistungsminderung gem. § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II sein, wenn damit lediglich die Vermittlung an einen Dienstleister verbunden ist, der im Wege der Arbeitnehmerüberlassung den Leistungsbezieher möglicherweise an einen Entleiher weitervermittelt und das Vermittlungsangebot keine Angaben dazu enthält, an welchen Entleiher der Leistungsbezieher unter welchen Bedingungen (insbesondere Arbeitszeit, Arbeitsort und Arbeitsentgelt) verliehen werden soll?
oder anders:
Stellt eine Arbeitnehmerüberlassung überhaupt eine 'Arbeit' im Sinne des § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II dar?
oder noch anders:
Ist die Vermittlung in eine bloße Arbeitnehmerüberlassung stets zu unbestimmt, um eine Leistungsminderung gem. § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II zu begründen?"
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Soweit der Kläger damit die Frage aufwirft, ob auch die Tätigkeit für einen Entleiher Arbeit im Sinne des § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II sein kann, hat er die Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dargelegt. Er verweist selbst auf das Urteil des BSG vom 8.11.2001 (B 11 AL 31/01 R - SozR 3-4300 § 144 Nr 7), in dem dieses entschieden hat, dass auch ein Stellenangebot bei einem Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen eine Beschäftigung iS des § 144 Abs 1 Nr 2 SGB III aF sein und dessen Nichtannahme eine Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung zur Folge haben kann (aaO, RdNr 15). Das BSG hat dort ausgeführt, dass sich dem Gesetz nicht entnehmen lasse, dass ein Arbeitgeber, der als Verleiher einem Dritten Leiharbeitnehmer zur Arbeitsleistung überlassen will (§ 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz), kein Arbeitgeber iS des § 144 Abs 1 Nr 2 SGB III aF sei. Der Kläger legt nicht dar, weshalb sich hieraus nicht schon ergibt, dass auch das Tatbestandsmerkmal "Arbeit" in § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II durch eine Tätigkeit bei einem Verleiher im Sinne des Arbeitnehmerüberlassungsrechts erfüllt ist, zumal § 31 Abs 1 SGB II sein Vorbild gerade in der entsprechenden Sperrzeitvorschrift hat (seit dem 1.4.2012 § 159 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB III; vgl entspr Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, § 159 RdNr 23, Stand August 2020). Da mit dem Begriff "Arbeit" in § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II insbesondere ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis iS des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV gemeint ist (Hahn in Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Aufl 2021, § 31 RdNr 27; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, § 31 RdNr 92, Stand März 2018), hätte es zudem der Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BSG bedurft, wonach ein Beschäftigungsverhältnis im sozialversicherungsrechtlichen Sinne (§ 7 SGB IV) auch zwischen Arbeitnehmer und Verleiher bestehen kann (BSG vom 4.6.2019 - B 12 R 12/18 R - juris RdNr 15; siehe zur Arbeitgebereigenschaft des Verleiherbetriebes auch BVerwG vom 13.12.2001 - 5 C 26/01 - BVerwGE 115, 312 [315] = Buchholz 436.61 § 11 SchwbG Nr 1 = juris RdNr 13).
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Soweit der Kläger die Frage aufwirft, ob ein Vermittlungsangebot für eine Tätigkeit bei einem Verleiher stets zu unbestimmt sei, handelt es sich der Sache nach nicht um eine abstrakte Rechtsfrage, sondern um eine Subsumtionsfrage, also die Frage, ob die vom BSG für Arbeitsgelegenheiten (BSG vom 16.12.2008 - B 4 AS 60/07 R - BSGE 102, 201 = SozR 4-4200 § 16 Nr 4, RdNr 30 ff) aufgezeigten Maßstäbe, deren Anwendung auch auf Angebote für sozialversicherungspflichtige Beschäftigung der Kläger postuliert, im konkreten Fall erfüllt worden sind. Dies betrifft aber nur die Rechtsanwendung im konkreten Fall, wirft aber keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Nur ungeklärte Rechtsfragen, nicht aber der Wunsch nach einer höchstrichterlichen Überprüfung des in einem Einzelfall von der Vorinstanz gefundenen Subsumtionsergebnisses vermögen die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache zu begründen (BSG vom 30.10.2019 - B 6 KA 22/19 B - juris RdNr 10; BSG vom 10.11.2021 - B 1 KR 5/21 B - juris RdNr 25).
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2. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der § 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund stützt, muss zu seiner Bezeichnung (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; vgl bereits BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 16 mwN). Darüber hinaus ist aufzuzeigen, dass und warum die Entscheidung - ausgehend von der Rechtsansicht des LSG - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht (stRspr; vgl bereits BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36).
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Der Kläger rügt als Verfahrensmangel eine Verletzung seines Rechts auf ein faires Verfahren nach Art 2 Abs 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG) - dies der Sache nach aber schon nur hilfsweise für den hier nicht gegebenen Fall, dass der Senat die Auffassung vertritt, dass eine Vermittlung in eine Arbeitnehmerüberlassung nie Grundlage für eine Leistungsminderung nach § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II sein könne. Dass diese Frage grundsätzlich zu entscheiden sei, hat der Kläger jedoch - wie ausgeführt - nicht aufgezeigt. Schon dies steht der hinreichenden Bezeichnung eines Verfahrensmangels entgegen.
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Aber auch inhaltlich wird die Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren nicht aufgezeigt. Der Kläger rügt insoweit, dass das LSG eine "erkennbar eindeutig zu beantwortende Rechtsfrage" zu seinen Lasten ignoriert und sowohl die "Tragfähigkeit" des Vermittlungsangebotes als auch die Rechtmäßigkeit der dem Vermittlungsangebot beigefügten Rechtsfolgenbelehrung gar nicht oder jedenfalls nicht zutreffend geprüft habe.
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Damit ist ein Verfahrensmangel nicht hinreichend bezeichnet. Aus Art 2 Abs 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG) folgt zwar ein Recht auf ein faires Verfahren. An diesem Recht sind - wie der Kläger selbst ausführt - aber nur solche Umstände zu messen, die von den speziellen Gewährleistungen des Grundgesetzes nicht erfasst werden (BVerfG vom 9.1.1991 - 1 BvR 207/87 - BVerfGE 83, 182 [194] mwN; BVerfG vom 5.11.2003 - 2 BvR 1243/03 - BVerfGE 109, 13 [34]; BVerfG [Kammer] vom 15.10.2009 - 2 BvR 2438/08 - BVerfGK 16, 299 [301]).
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Soweit der Kläger rügt, dass das LSG eine materiell falsche Entscheidung getroffen habe, macht er der Sache nach eine Verletzung des Art 3 Abs 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot geltend. Das Willkürverbot ist nur verletzt, wenn die Rechtsanwendung oder das Verfahren unter keinem denkbaren Aspekt mehr rechtlich vertretbar sind und sich daher der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruht (BVerfG vom 7.4.1992 - 1 BvR 1772/91 - BVerfGE 86, 59 [62 f]; BVerfG [Kammer] vom 29.5.2019 - 2 BvR 2630/18 - juris RdNr 19), wobei es darauf ankommt, ob die Entscheidung im Ergebnis objektiv nicht vertretbar ist (BSG vom 6.8.2021 - B 11 SF 9/21 S - juris RdNr 5 mwN; BSG vom 27.9.2021 - B 11 SF 12/21 S - juris RdNr 5). Soweit sich der Willkürvorwurf nicht gegen die Anwendung von Verfahrensvorschriften, sondern gegen die Anwendung von Vorschriften des materiellen Rechts richtet, wird nicht die Verletzung einer dem Verfahren dienenden Regelung geltend gemacht, so dass dann auch die Verletzung des Willkürverbots keinen Verfahrensmangel begründen kann (vgl BSG vom 12.12.2018 - B 6 KA 23/18 B - juris RdNr 31; BSG vom 7.10.2021 - B 1 KR 23/21 B - juris RdNr 5; BSG vom 4.1.2022 - B 1 KR 20/21 B - juris RdNr 12). Dass die Zulassung der Revision nicht auf eine fehlerhafte Anwendung des materiellen Rechts im Einzelfall gestützt werden kann (vgl BSG vom 16.2.2021 - B 13 R 205/19 B - juris RdNr 8; BSG vom 19.10.2021 - B 4 AS 244/21 B - juris RdNr 4; BSG vom 10.11.2021 - B 1 KR 5/21 B - juris RdNr 8), darf nicht erfolgreich dadurch unterlaufen werden, diese Behauptung in die Rüge eines Verfahrensmangels einzukleiden.
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Soweit der Kläger der Sache nach eine unzureichende Begründung durch das LSG rügt, macht er eine Verletzung von § 128 Abs 1 Satz 2, § 136 Abs 1 Nr 6 SGG geltend. Über die dortigen Anforderungen hinausgehende Begründungserfordernisse ergeben sich auch nicht aus dem Recht auf ein faires Verfahren. Eine Entscheidung ist nicht schon dann nicht mit Gründen versehen, wenn das Gericht sich unter Beschränkung auf den Gegenstand der Entscheidung kurz gefasst und nicht jeden Gesichtspunkt, der möglicherweise hätte erwähnt werden können, behandelt hat oder wenn seine Ausführungen zu den rechtlichen Voraussetzungen oder zum tatsächlichen Geschehen falsch, oberflächlich oder wenig überzeugend sind (BSG vom 4.9.2018 - B 12 KR 16/17 R - juris RdNr 25). Selbst fehlerhafte Gründe sind dem vollständigen Fehlen von Gründen vielmehr erst dann gleichzusetzen, wenn sie rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder aus sonstigen Gründen derart unbrauchbar sind, dass die angeführten Gründe unter keinem Gesichtspunkt geeignet sind, den Urteilstenor zu tragen (BSG vom 4.9.2018 - B 12 KR 16/17 R - juris RdNr 25). Dem Vorbringen des Klägers lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen hier vorliegen. Sein Vortrag, welche Elemente in der Begründung des LSG aus seiner Sicht nicht ausreichend sind, betrifft erneut lediglich die Richtigkeit der Entscheidung im Einzelfall. Dass das LSG Vortrag des Klägers in den Entscheidungsgründen nicht hinreichend berücksichtigt und hierdurch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) verletzt habe (vgl zu den Anforderungen BSG vom 21.12.2021 - B 11 AL 61/21 B - juris RdNr 4 mwN), behauptet der Kläger nicht.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG.
Meßling Söhngen Burkiczak
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