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BSG 11.11.2021 - B 14 AS 323/20 B
BSG 11.11.2021 - B 14 AS 323/20 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Recht auf den gesetzlichen Richter - vorschriftsmäßige Besetzung des Senats - Übertragung der Berufung auf den Berichterstatter - fehlender Übertragungsbeschluss - Heilung durch rügelose Einlassung
Normen
§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 33 Abs 1 S 1 SGG, § 153 Abs 5 SGG, § 153 Abs 1 SGG, § 142 Abs 1 SGG, § 134 SGG, § 202 S 1 SGG, § 295 ZPO, Art 101 Abs 1 S 2 GG
Vorinstanz
vorgehend SG Berlin, 27. September 2018, Az: S 65 AS 14170/16, Gerichtsbescheid
vorgehend Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 11. August 2020, Az: L 10 AS 1834/18, Urteil
Tenor
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Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in die Fristen zur Einlegung und zur Begründung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. August 2020 - L 10 AS 1834/18 - gewährt.
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Auf die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. August 2020 - L 10 AS 1834/18 - aufgehoben.
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Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
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I. Mit Urteil vom 11.8.2020 - L 10 AS 1834/18 - hat das LSG nach mündlicher Verhandlung durch die Berichterstatterin und zwei ehrenamtliche Richter die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Die Berufung richtete sich gegen einen Gerichtsbescheid des SG, das die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Meldeaufforderung und auf Aufhebung einer Leistungsminderung nach dem SGB II über insgesamt 121,20 Euro abgewiesen hat. Das LSG hat die Beteiligten zu einer beabsichtigten Übertragung nach § 153 Abs 5 SGG zwar angehört. Der Erlass eines Übertragungsbeschlusses ist aber versehentlich unterblieben. Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG rügt der Kläger ua die Besetzung des Gerichts als verfahrensfehlerhaft; es fehle an dem notwendigen Beschluss des LSG, durch den die Berufung auf die Berichterstatterin und die ehrenamtlichen Richter übertragen worden sei.
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II. Dem Kläger wird von Amts wegen Wiedereinsetzung in die Beschwerde- und Beschwerdebegründungsfrist gewährt (§ 67 Abs 2 Satz 4 SGG) wegen der fristgerechten Stellung eines PKH-Antrags durch ihn und der fristgerechten Beschwerdeeinlegung und -begründung seines Prozessbevollmächtigten nach der Bewilligung der PKH durch den Senat.
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Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist zulässig und im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und Zurückverweisung der Sache begründet (§ 160a Abs 5 SGG).
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Das Urteil des LSG vom 11.8.2020 beruht auf einem von dem Kläger hinreichend bezeichneten (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Das LSG hat den Anspruch des Klägers auf den gesetzlichen Richter (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) verletzt, weil die Berichterstatterin zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entschieden hat, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen.
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Gesetzlicher Richter für die Entscheidung von Verfahren vor dem LSG ist grundsätzlich ein Senat in der Besetzung mit einem Vorsitzenden, zwei weiteren Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern (§ 33 Abs 1 Satz 1 SGG). Hiervon macht § 153 Abs 5 SGG (eingefügt durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008 - BGBl I 444) eine Ausnahme. Danach kann das LSG in den Fällen einer Entscheidung des SG durch Gerichtsbescheid (§ 105 SGG) die Berufung durch Beschluss der berufsrichterlichen Mitglieder des Senats dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet. Das erfordert einen schriftlich abzufassenden, der Geschäftsstelle zu übergebenden (§ 153 Abs 1 iVm § 142 Abs 1 und § 134 SGG) und den Beteiligten zuzustellenden Beschluss, woran es vorliegend nach dem Akteninhalt fehlt. Dies ist nicht durch rügelose Einlassung (§ 202 SGG iVm § 295 ZPO) heilbar (vgl BSG vom 14.2.2018 - B 14 AS 423/16 B - und BSG vom 14.2.2018 - B 14 AS 426/16 B - jeweils RdNr 6; zuletzt BSG vom 3.9.2020 - B 14 AS 357/19 B - RdNr 5).
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Das BSG macht gemäß § 160a Abs 5 SGG von seinem Ermessen Gebrauch, bereits mit dem vorliegenden Beschluss das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Soweit der Kläger meint, einer Zurückverweisung bedürfe es nicht, wenn das BSG von der Zulässigkeit der Berufung ausgehe, ändert dies am Vorliegen des absoluten Revisionsgrunds nichts, der grundsätzlich einer weitergehenden Entscheidung im Revisionsverfahren entgegensteht (vgl nur BSG vom 13.5.1998 - B 6 KA 31/97 R - BSGE 82, 150, 156 = SozR 3-1500 § 60 Nr 4 S 19, juris RdNr 34; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 170 RdNr 5a mwN). Im Übrigen sind nach der Rechtsprechung des BSG die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Meldeaufforderung und auf Aufhebung des Minderungsbescheids auf eine Geldleistung gerichtet und überstieg der Wert des Beschwerdegegenstands danach nicht den Betrag von 750 Euro (§ 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG; hierzu nur BSG vom 18.2.2019 - B 14 AS 44/18 B - RdNr 4 f mwN).
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Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten.
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