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BSG 14.08.2020 - B 9 V 25/20 B
BSG 14.08.2020 - B 9 V 25/20 B - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache - soziales Entschädigungsrecht - Gewaltopfer - tätlicher Angriff - erweiternde Auslegung durch europäisches Recht - Darlegungsanforderungen - keine Klärungsfähigkeit bei fehlender Rechtswidrigkeit des Angriffs
Normen
§ 1 Abs 1 S 1 OEG, EuOEÜbk, EuOEÜbkG, EGRL 80/2004, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 162 SGG, § 163 SGG
Vorinstanz
vorgehend SG Detmold, 15. Oktober 2019, Az: S 1 VG 35/19, Gerichtsbescheid
vorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 24. April 2020, Az: L 13 VG 54/19, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. April 2020 wird als unzulässig verworfen.
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Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
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I. Die Klägerin begehrt in der Hauptsache Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) iVm dem Bundesversorgungsgesetz wegen der Folgen eines Polizeieinsatzes in ihrer Wohnung. Das LSG hat den geltend gemachten Anspruch verneint. Die Hausdurchsuchung sei nicht rechtswidrig gewesen und damit keine Straftat zum Nachteil der Klägerin. Erst recht sei kein tätlicher Angriff iS des OEG erfolgt. Aus dem Europäischen Übereinkommen über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten vom 24.11.1983 und aus der Richtlinie 2004/80/EG des Rates der Europäischen Union (EU) vom 29.4.2004 zur Entschädigung der Opfer von Straftaten ergebe sich nichts anderes (Urteil vom 24.4.2020).
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache.
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II. Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, weil der von ihr allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht in der hierfür erforderlichen Weise dargelegt worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
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Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss daher, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl Senatsbeschluss vom 31.1.2018 - B 9 V 63/17 B - juris RdNr 6; Senatsbeschluss vom 30.11.2017 - B 9 V 35/17 B - juris RdNr 4). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht gerecht.
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Die Klägerin versäumt es bereits, den der Entscheidung des LSG zugrundeliegenden Sachverhalt darzustellen. Eine verständliche Sachverhaltsschilderung gehört zu den Mindestanforderungen einer Grundsatzrüge. Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, sich im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens die entscheidungserheblichen Tatsachen aus dem angegriffenen Urteil selbst herauszusuchen (vgl stRspr, zB Senatsbeschluss vom 14.2.2020 - B 9 V 41/19 B - juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 12.2.2018 - B 10 ÜG 12/17 B - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 29.9.2017 - B 13 R 365/15 B - juris RdNr 3). Vielmehr muss die maßgebliche Sachverhaltsdarstellung in der Beschwerdebegründung das BSG in die Lage versetzen, sich ohne Studium der Gerichts- und Verwaltungsakten allein aufgrund des Beschwerdevortrags ein Bild über den Streitgegenstand sowie seine tatsächlichen und rechtlichen Streitpunkte zu machen (stRspr, zB Senatsbeschluss vom 30.11.2017 - B 9 V 36/17 B - juris RdNr 10 mwN). Der schlichte Hinweis der Klägerin, der "Sachverhalt" werde als "bekannt unterstellt", reicht nicht aus (vgl Senatsbeschluss vom 29.5.2019 - B 9 V 15/19 B - juris RdNr 10).
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Darüber hinaus hat die Klägerin aber auch keine Rechtsfrage iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht in klarer Formulierung bezeichnet. Ihrem Beschwerdevortrag lässt sich zwar entnehmen, dass sie mit der Umsetzung und Anwendung des Begriffs der "vorsätzlichen Gewalttat" iS des Europäischen Übereinkommens vom 24.11.1983 über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Zustimmungsgesetz vom 17.7.1996, BGBl II 1120; Bekanntmachung vom 24.2.1997 über das Inkrafttreten des Übereinkommens in Deutschland am 1.3.1997, BGBl II 740) und der Richtlinie 2004/80/EG des Rates der EU vom 29.4.2004 zur Entschädigung von Opfern von Straftaten (ABl 2004 L 261 S 15) in ihrem Fall nicht einverstanden ist. Dies allein reicht jedoch nicht aus.
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Unabhängig davon, dass es nicht Aufgabe des Senats ist, den Beschwerdevortrag auszulegen, um für die Klägerin eine eindeutige Rechtsfrage zu formulieren, hat sie auch die Klärungsbedürftigkeit des von ihr nur grob skizzierten Problemkreises nicht dargetan. Denn die Klägerin versäumt es, sich mit der Rechtsprechung des BSG zum Begriff des "vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs" iS des § 1 Abs 1 Satz 1 OEG und hier insbesondere auch mit dem vom LSG in seiner Entscheidung zitierten Urteil des Senats vom 16.12.2014 (B 9 V 1/13 R - BSGE 118, 63 = SozR 4-3800 § 1 Nr 21) sowie der dort erwähnten weiteren Senatsrechtsprechung auseinanderzusetzen. So hat der Senat in seiner Entscheidung vom 16.12.2014 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Europäische Übereinkommen vom 24.11.1983 über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten keine erweiternde Auslegung des § 1 Abs 1 Satz 1 OEG gebietet (aaO, RdNr 31). Dass und aus welchen Gründen sich Gegenteiliges aus der Richtlinie 2004/80/EG des Europäischen Rates vom 29.4.2004 zur Entschädigung von Opfern von Straftaten ergeben soll, zeigt die Klägerin nicht auf. Die Auseinandersetzung mit höchstrichterlicher Rechtsprechung erfordert es aber darzulegen, dh näher darauf einzugehen, weshalb eine bereits ins Feld geführte Argumentation nicht zutrifft und eine weitere höchstrichterliche Klärung erforderlich erscheint (BSG Beschluss vom 3.1.2011 - B 13 R 195/10 B - juris RdNr 9 mwN). Entsprechenden substanzvollen Vortrag enthält die Beschwerdebegründung nicht. Demzufolge unterlässt die Klägerin es auch auf dieser Grundlage unter Heranziehung und Darstellung des Inhalts und der Vorgaben des von ihr benannten europäischen Rechts zu prüfen, ob sich aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 1 Abs 1 Satz 1 OEG bereits ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der skizzierten Fragestellung ergeben. Ist dies aber der Fall, gilt eine Rechtsfrage als höchstrichterlich geklärt (vgl stRspr, zB Senatsbeschluss vom 22.3.2018 - B 9 SB 78/17 B - juris RdNr 12 mwN).
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Schließlich fehlen jegliche Ausführungen zur Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit). Denn selbst wenn die Klägerin Opfer eines tätlichen Angriffs geworden wäre, setzt § 1 Abs 1 Satz 1 OEG die Rechtswidrigkeit des Angriffs voraus. Dass die Hausdurchsuchung nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) rechtswidrig gewesen ist, zeigt die Klägerin aber nicht auf.
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Der Senat war nicht verpflichtet, den Prozessbevollmächtigten der Klägerin entsprechend seiner Bitte in der Beschwerdebegründung um einen rechtlichen Hinweis, falls "das Gericht weiteren Vortrag für erforderlich" halte, vorab auf die Unzulänglichkeit des Beschwerdevortrags aufmerksam zu machen. Das Gesetz unterstellt, dass ein Rechtsanwalt in der Lage ist, die Formerfordernisse einzuhalten; gerade dies ist ein Grund für den Vertretungszwang vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG. § 106 Abs 1 SGG gilt insoweit nicht. Ein Rechtsanwalt muss in der Lage sein, ohne Hilfe durch das Gericht eine Nichtzulassungsbeschwerde ordnungsgemäß zu begründen (stRspr, zB Senatsbeschluss vom 9.1.2019 - B 9 SB 62/18 B - juris RdNr 8 mwN).
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
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Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
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