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BSG 25.10.2012 - B 9 SB 18/12 B
BSG 25.10.2012 - B 9 SB 18/12 B - (Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - Untersuchungsmaxime - ergänzende Befragung eines nach § 109 SGG angehörten Sachverständigen - Beweisantrag - Zurückverweisung)
Normen
§ 103 SGG, § 109 Abs 1 S 1 SGG, § 118 Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160a Abs 5 SGG, § 411 Abs 3 ZPO
Vorinstanz
vorgehend SG Köln, 17. Februar 2009, Az: S 24 SB 66/07, Urteil
vorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 6. Oktober 2011, Az: L 6 SB 76/09, Urteil
nachgehend BSG, 28. September 2015, Az: B 9 SB 41/15 B, Beschluss
Tenor
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Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. Oktober 2011 aufgehoben.
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Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Gründe
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Mit Urteil vom 6.10.2011 hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) einen Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mehr als 20 für die Zeit ab November 2006 verneint. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger beim Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde eingelegt. Er macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie Verfahrensmängel geltend (vgl § 160 Abs 2 Nr 1 und 3 SGG).
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Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig. Es ist zumindest ein Zulassungsgrund ordnungsgemäß dargetan worden (§ 160a Abs 2 S 3 SGG).
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Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie hier - darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels zunächst die diesen (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl dazu BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34, 36). Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
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Der Kläger rügt vor allem, das LSG habe zu Unrecht den in der mündlichen Berufungsverhandlung vom 6.10.2011 gestellten Antrag, die Sachverständigen Dr. G., Dr. Be., Dr. T., Dr. V., Dr. K. und Dr. Bu. zur Ausübung seines Fragerechts persönlich zu hören, rechtswidrig zurückgewiesen. Diese Anhörung habe sich - wie in der Sitzungsniederschrift des LSG angegeben - auf die Beweisfragen in der Beweisanordnung des Berichterstatters vom 29.3.2010 und auf den Inhalt sämtlicher klägerseitiger Schriftsätze im gerichtlichen Verfahren beziehen sollen. Dieser Antrag betrifft zum einen das Recht der Beteiligten, dem Sachverständigen nach § 116 S 2 SGG, § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die sie zur Aufklärung der Sache für dienlich erachten (vgl dazu BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 1 RdNr 7), und zum anderen die Befugnis des Gerichts, gemäß § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 411 Abs 3 ZPO das Erscheinen des Sachverständigen anzuordnen, damit er das schriftliche Gutachten erläutere. Auf ein entsprechendes Tätigwerden des Gerichts kann sich auch der Beweisantrag eines Beteiligten richten (vgl BSG SozR 1750 § 411 Nr 2 S 2).
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Der Senat lässt es offen, ob der Kläger einen Verstoß gegen § 116 S 2, § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO den gesetzlichen Anforderungen entsprechend gerügt hat, jedenfalls genügt die auf § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 411 Abs 3 ZPO gestützte Rüge den Begründungserfordernissen. Da die Anordnung des Erscheinens eines Sachverständigen der Aufklärung des Sachverhalts dient, sind insoweit grundsätzlich die für Sachaufklärungsrügen (§ 103 SGG) gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG geltenden Voraussetzungen zu erfüllen (vgl BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 1 RdNr 11).
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Soweit es die unterlassene Anhörung der Sachverständigen Dr. G., Dr. Be., Dr. T., Dr. V. und Dr. K. betrifft, ist es zweifelhaft, ob der Kläger einen entsprechenden Verfahrensfehler des LSG hinreichend bezeichnet hat. Da der betreffende Antrag nicht selbst die vom Kläger als klärungsbedürftig angesehenen Punkte enthält, hätte dieser näher darlegen müssen, inwiefern die von diesen Sachverständigen erstatteten Gutachten für das LSG erkennbare Unklarheiten oder Mängel aufweisen und damit keine ausreichende Grundlage für die Feststellung des Sachverhalts bilden. Die pauschale Bezugnahme auf vorinstanzliche Schriftsätze reicht dazu nicht aus.
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Anders verhält es sich mit der Rüge, das LSG habe den nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen Dr. Bu. nicht ergänzend angehört. Zwar schließt es § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG aus, eine Nichtzulassungsbeschwerde auf eine Verletzung des § 109 SGG zu stützen. Darum handelt es sich hier jedoch nicht. § 411 Abs 3 ZPO gilt nicht nur für Gutachten, die von Amts wegen eingeholt worden sind, sondern erfasst gleichermaßen Gutachten, die auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG in Auftrag gegeben werden (vgl dazu BSG SozR 3-1750 § 411 Nr 1 S 5; BSG SozR 4-1750 § 411 Nr 3 RdNr 7). Dementsprechend kann ein Beteiligter auf eine Ergänzung bzw Klarstellung eines nach § 109 SGG erstatteten Gutachtens auch mit einem auf §§ 103, 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 411 Abs 3 ZPO gestützten Beweisantrag hinwirken. Davon hat der Kläger nach seinem Vorbringen hier Gebrauch gemacht.
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Der Kläger hat zur Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde einen prozessordnungsgerechten Beweisantrag bezeichnet und dargetan, warum sich das LSG hätte gedrängt fühlen müssen, diesem nachzugehen. Durch die Bezugnahme auf die gerichtliche Beweisanordnung ist ein Beweisthema iS des § 403 ZPO bezeichnet worden. Im Hinblick auf die Gegebenheiten des vorliegenden Falles musste der Kläger dem LSG nicht mitteilen, welche konkreten Punkte im Rahmen der erstrebten Anhörung des Sachverständigen Dr. Bu. geklärt werden sollten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das LSG ihm erst in der mündlichen Verhandlung eröffnet hat, dass es der für ihn günstigen Beurteilung dieses Sachverständigen nicht folgen wolle. Insofern sollte der Beweisantrag nach § 411 Abs 3 ZPO ersichtlich dazu dienen, der Kritik des LSG an dem von Dr. Bu. erstatteten Gutachten zu begegnen, also die Punkte betreffen, die das LSG insoweit als unzulänglich ansah.
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Die Beschwerde des Klägers ist auch begründet. Der ordnungsgemäß gerügte Verfahrensmangel liegt vor.
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Das LSG hätte den Sachverständigen Dr. Bu. zumindest schriftlich ergänzend befragen müssen (vgl BSG SozR 3-1750 § 411 Nr 1 S 6). Wie der Kläger zutreffend rügt, ist das LSG von medizinischen Feststellungen und Einschätzungen dieses Sachverständigen (psychiatrisches Gutachten vom 5.8.2011) abgewichen, ohne sich eindeutig dazu zu äußern, welche Kompetenz ihm insoweit zukommt und worauf eine entsprechende medizinische Sachkunde beruht (vgl dazu BSG Urteil vom 11.11.2004 - B 9 SB 1/03 R - juris RdNr 17). Das LSG ist insbesondere zu der Beurteilung gelangt, die von Dr. Bu. beim Kläger erhobenen Befunde ergäben lediglich eine leichtere psychische Störung. Zur Begründung hat es sich auf die von Dr. Bu. dokumentierten anamnestischen Angaben des Klägers bezogen und daraus gefolgert, diese belegten, dass die Antriebslage des Klägers nicht derart reduziert und die innere Einstellung nicht so durch das Leiden eingeengt sei, dass bereits eine stärker behindernde Störung anzunehmen wäre. Den von Dr. Bu. mitgeteilten psychischen Befund hat das LSG dabei ebenso unberücksichtigt gelassen wie die von diesem Sachverständigen daraus abgeleitete Annahme einer stärker behindernden Störung mit wesentlichen Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (GdB 50). Ferner ist nicht gewürdigt worden, dass in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 6.9.2011 in Auswertung des Gutachtens von Dr. Bu. immerhin auch von einer Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit des Klägers ausgegangen wird (allerdings mit einem GdB von 30).
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Auf die Beurteilungen der übrigen Sachverständigen kann sich das LSG bei seiner Einschätzung, die psychische Störung des Klägers sei für den gesamten streitigen Zeitraum ab November 2006 mit einem GdB von 20 zu bewerten, nicht ausschließlich stützen, weil deren Befunde - entgegen der Ansicht des LSG - nicht mit denen übereinstimmen, die Dr. Bu. erhoben hat, wobei sich der Zustand des Klägers im Laufe der Zeit auch geändert haben kann. Unter diesen Umständen ist eine weitere sachkundige Aufklärung des Sachverhalts geboten gewesen.
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Da es nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ausreicht, dass die vorinstanzliche Entscheidung auf einem der gerügten Verfahrensmängel beruht, braucht der Senat sich mit den weiteren vom Kläger geltend gemachten Verfahrensfehlern nicht zu befassen. Er macht im Rahmen des ihm nach § 160a Abs 5 SGG eingeräumten Ermessens von der Möglichkeit Gebrauch, auf die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil wegen des festgestellten Verfahrensmangels aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Eine Zulassung der Revision ist nicht etwa deshalb geboten, weil sich der Kläger auch auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) beruft. Einen solchen Zulassungsgrund hat der Kläger nicht hinreichend dargelegt. Es fehlt insbesondere an näheren Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit der von ihm aufgeworfenen Fragen (vgl dazu BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2).
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Das LSG wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden habe.
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