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BSG 10.11.2011 - B 8 SO 12/11 B
BSG 10.11.2011 - B 8 SO 12/11 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - keine Umdeutung eines unzulässigen Rechtsmittels in zulässiges Rechtsmittel <hier: Berufung in Nichtzulassungsbeschwerde> - keine Zulassung der Berufung außerhalb des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Normen
§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 143 SGG, § 158 S 1 SGG, § 67 SGG, § 43 SGB 10, Art 19 Abs 4 GG
Vorinstanz
vorgehend SG Köln, 24. September 2010, Az: S 27 SO 210/09, Urteil
vorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 28. Januar 2011, Az: L 12 SO 577/10, Beschluss
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. Januar 2011 wird zurückgewiesen.
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Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
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I. Im Streit ist die Erstattung von Krankheitskosten in Höhe von 295,70 Euro.
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Die hierauf gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) Köln abgewiesen (Urteil vom 24.9.2010, zugestellt am 9.10.2010) und im Hinblick auf den Streitwert in der Rechtsmittelbelehrung ausgeführt, dass das Urteil nur dann mit der Berufung angefochten werden könne, wenn sie nachträglich durch Beschluss des Landessozialgerichts (LSG) auf eine Nichtzulassungsbeschwerde hin zugelassen werde.
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Hiergegen hat der Kläger am 29.10.2010 "Berufung" eingelegt und folgende Anträge gestellt:
"1. Das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 24.09.2010 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Krankheitskosten in Höhe von 295,70 EUR zu erstatten.3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Hilfsweise wird die Zulassung der Revision beantragt."
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Nach Ablauf der für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde geltenden Monatsfrist hat das LSG den Kläger darauf hingewiesen, dass die Berufung nicht zulässig sei, weil der Streitwert von 750 Euro nicht erreicht werde. Der Kläger hat im Hinblick hierauf darum gebeten, die Berufung als Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung zu behandeln. Das LSG hat die Berufung des Klägers sodann als unzulässig verworfen (Beschluss vom 28.1.2011) und zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Berufung sei mangels Erreichens des Berufungsstreitwerts unzulässig gewesen. Die Berufung entsprechend der Bitte des Klägers als Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zu behandeln setze eine Umdeutung voraus, die angesichts der unterschiedlichen Zielrichtungen der Rechtsmittel nicht möglich sei. Die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde sei im Übrigen zum Zeitpunkt des Eingangs der klägerischen Bitte bereits abgelaufen gewesen.
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Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde. Er macht geltend, die Entscheidung des LSG verstoße gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens und das LSG habe seine Fürsorgepflicht verletzt. Es hätte ihn ohne Benachteiligung des Prozessgegners noch vor Ablauf der Monatsfrist darauf hinweisen können und müssen, dass eine Berufung unzulässig sei. Im Übrigen sei die Umdeutung des Rechtsmittels eines nicht rechtskundig Vertretenen grundsätzlich möglich. Einer Umdeutung habe es schließlich schon deswegen nicht bedurft, weil er in seiner Berufungsschrift hilfsweise beantragt habe, die Revision zuzulassen. Insoweit handele es sich bei diesem hilfsweise gestellten Antrag lediglich um eine falsche Bezeichnung des Rechtsmittels. Ganz offensichtlich habe er mit dem Hilfsantrag die Zulassung des möglichen Rechtsmittels beantragt; dies sei die Zulassung der Berufung gewesen. Insoweit sei die Begründung in der angefochtenen Entscheidung nicht tragfähig, wonach die Beschwerde auf Zulassung der Revision nicht fristgerecht erhoben worden sei. Ohne den Verfahrensmangel hätte die Möglichkeit bestanden, dass das LSG zu einer günstigeren Entscheidung hätte gelangen können. Denn er habe eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die Zulassung der Berufung hätte zur Klärung dieser Rechtsfrage ermöglicht werden müssen.
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensfehlers, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) ausreichend bezeichnet ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
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Das LSG hat aber das von dem Kläger eingelegte Rechtsmittel zu Recht als Berufung und nicht als Nichtzulassungsbeschwerde behandelt. Zwar ist das Begehren eines anwaltlich nicht vertretenen Beteiligten im Licht des Art 19 Abs 4 Grundgesetz (GG) so auszulegen, dass damit der Weg zum erkennbar verfolgten Ziel möglichst in der richtigen, zulässigen Weise beschritten werden kann (BSG, Beschluss vom 25.5.2009 - B 8 SO 5/09 R). Die von dem Kläger selbst eingelegte Berufung ist aber einer Auslegung als Nichtzulassungsbeschwerde nicht zugänglich. Dies ergibt sich zum einen aus dem von ihm gewählten Wortlaut "Berufung", aber auch aus seinen Anträgen, die nicht das Ziel hatten, die Berufung erst zuzulassen, sondern das Urteil des SG aufzuheben und die Beklagte zu einer Leistung zu verurteilen. Auch der von ihm gestellte Antrag, hilfsweise die Revision zuzulassen, spricht nicht für die von dem Kläger nunmehr vorgenommene Auslegung. Schon die Tatsache, dass dies nicht der Hauptantrag, sondern der Hilfsantrag war, zeigt im Gegenteil, dass Berufung eingelegt und nur für den Fall ihrer Zurückweisung (durch Urteil) die Möglichkeit eingeräumt werden sollte, die Entscheidung des LSG im Rahmen einer Revisionsinstanz überprüfen zu lassen. Umso mehr gilt dies, berücksichtigt man, dass der Kläger selbst promovierter Jurist ist und nicht in Unkenntnis das Rechtsmittel falsch bezeichnet hat. Dies zeigt schließlich auch sein eigenes an das LSG gerichtetes Schreiben, in dem er darum bittet, seine Berufung nunmehr als Nichtzulassungsbeschwerde zu behandeln. Er behauptet also gerade nicht, er habe lediglich die falsche Bezeichnung für sein Rechtsmittel gewählt. Eine Umdeutung der von dem Kläger eingelegten Berufung in das Rechtsmittel einer Nichtzulassungsbeschwerde scheidet nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) aus. Dies gilt - entgegen der Auffassung des Klägers - auch dann, wenn der Rechtsmittelführer nicht rechtskundig vertreten ist, weil das Rechtsmittel der Berufung und das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde eine unterschiedliche Zielrichtung haben (BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 1 RdNr 12 f).
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Soweit der Kläger dem LSG einen Verstoß gegen die Fürsorgepflicht und damit einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens vorwirft, konnte ein solcher keinen Einfluss auf die Entscheidung des LSG haben, die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Ist das Rechtsmittel der Berufung - wie hier - mehrere Tage vor Ablauf der Monatsfrist - die Frist endete am 9.11.2010 - eingegangen und im Hinblick auf die korrekte Rechtsmittelbelehrung des SG ohne weiteres erkennbar, dass das falsche Rechtsmittel eingelegt worden ist, erfordert das Gebot eines fairen Verfahrens (prozessuale Fürsorgepflicht) und des effektiven Rechtsschutzes zwar, dass der Kläger unverzüglich hierauf hingewiesen wird, um die drohende Fristversäumnis zu vermeiden (vgl allgemein zur prozessualen Fürsorgepflicht und den daraus sich ergebenden Konsequenzen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Keller in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 67 RdNr 4a f mwN). Der Kläger hätte es bei einem entsprechenden Hinweis dann in der Hand gehabt, innerhalb der Rechtsmittelfrist den Antrag entsprechend "umzustellen", dh, die Berufung zurückzunehmen und eine Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen. Dies hat allerdings nicht zur Folge, dass eine andere Entscheidung über die Berufung möglich gewesen wäre. Solange die Berufung aufrechterhalten bleibt, war sie angesichts des nicht erreichten Berufungsstreitwertes von 750 Euro zu verwerfen. Das Berufungsgericht ist außerhalb des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens nicht befugt, über die Zulassung der Berufung zu entscheiden (BSG SozR 3-1500 § 158 Nr 1 S 5), sodass es entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ankommt.
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Ein etwaiger Verstoß gegen die prozessuale Fürsorgepflicht hätte allerdings zur Folge, dass bei Fristversäumnis bezogen auf das richtige Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde ggf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wäre. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde führt aber nur zur Durchführung eines (gesonderten) Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens. Dass die Bitte des Klägers, sein Rechtsmittel als Nichtzulassungsbeschwerde zu behandeln, nicht nur als ein (nach Ablauf der Beschwerdefrist) eingelegter Antrag auf Zulassung der Berufung auszulegen ist, über den noch in einem gesonderten Verfahren entschieden werden muss, und damit die Rücknahme der Berufung verbunden ist, sodass das LSG in diesem Verfahren überhaupt nicht mehr über die Berufung hätte entscheiden dürfen, ist vom Kläger nicht gerügt. Eine Rüge hätte ohnedies nur zur isolierten Aufhebung der Entscheidung des LSG führen können.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
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