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BSG 21.07.2011 - B 4 AS 34/11 B
BSG 21.07.2011 - B 4 AS 34/11 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache - Aufhebung des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung für die Vergangenheit - Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse - Vorliegen höchstrichterlicher Rechtsprechung - erneute Klärungsbedürftigkeit - Darlegung
Normen
§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 330 Abs 3 S 1 SGB 3, § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 10
Vorinstanz
vorgehend SG Potsdam, 29. September 2009, Az: S 28 AS 3317/07, Urteil
vorgehend Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 26. Januar 2011, Az: L 25 AS 1843/09, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. Januar 2011 wird als unzulässig verworfen.
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Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
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I. Im Streit ist die (teilweise) Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II sowie die Rückforderung überzahlter Leistungen vom 1.9.2006 bis 28.2.2007.
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Der Beklagte bewilligte der Klägerin (auch) für den Zeitraum vom 1.9.2006 bis 28.2.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II iHv 738,42 Euro monatlich (Bescheid vom 2.8.2006). Sie unterrichtete ihn Ende August und im September 2006 mehrfach darüber, dass sie ab 11.9.2006 als Bauzeichnerin sozialversicherungsfrei beschäftigt sein werde und das monatliche Entgelt iHv 400 Euro (brutto = netto) jeweils zum Monatsende überwiesen werde. Der Beklagte erbrachte die bewilligten Leistungen weiterhin in voller Höhe. Erst nach Eingang eines Antrags der Klägerin auf SGB II-Leistungen für die Zeit ab März 2007 erließ er nach deren Anhörung die streitigen Bescheide vom 11.5.2007 idF des Widerspruchsbescheids vom 14.9.2007, mit denen er die Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 1.9.2006 bis 28.2.2007 aufhob und deren Erstattung verlangte.
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Das LSG hat das klageabweisende Urteil des SG bestätigt (Urteil des SG vom 29.9.2009; Urteil des LSG vom 26.1.2011). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, es bestünden keine Bedenken gegen die nach § 40 Abs 1 Satz 2 SGB II vorgesehene entsprechende Anwendung des § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III. Zwar führe dies im Ergebnis dazu, dass ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung anders als in den Fallgestaltungen, in denen § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X originär anzuwenden sei, selbst in atypischen Fällen für die Vergangenheit ohne Ausübung von Ermessen aufzuheben sei. Daraus folge jedoch nicht, dass § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III nicht oder nur modifiziert angewendet werden dürfe. Die Anordnung einer gebundenen Entscheidung sei selbst für atypische Fallkonstellationen, in denen die Behörde die in Rede stehende Überzahlung mindestens mitverschuldet habe, rechtlich nicht zu beanstanden (Hinweis auf BSG Urteil vom 5.6.2003 - B 11 AL 70/02 R; BSG Urteil vom 28.11.2007 - B 11a/7a AL 14/07 R). Eventuellen Unbilligkeiten könne ggf in ausreichendem Maße durch einen Erlass Rechnung getragen werden, wie dies für den Bereich des SGB II in § 44 SGB II ausdrücklich vorgesehen sei.
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Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Es stelle sich die Frage, ob der von dem Beklagten herangezogene § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X iVm § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III auch für sog atypische Fälle anzuwenden sei, wenn die Ursache der Überzahlung im Verhalten der Behörde liege. Es sei zu klären, ob der Beklagte überzahlte Sozialleistungen auch dann noch zurückfordern dürfe, wenn er in Kenntnis der Rechtswidrigkeit des Bescheids diese zuvor an sie gezahlt habe und sie auf die Rechtmäßigkeit des Bewilligungsbescheides habe vertrauen dürfen. Sie habe ihre Mitteilungspflichten erfüllt. Zwischen der Einreichung der Unterlagen und der festgestellten Überzahlung lägen mehr als fünf Monate. Es müsse ein Korrektiv zwischen dem mitwirkenden Leistungsempfänger und dem untätigen Leistungsträger gefunden werden. Insofern könne berücksichtigt werden, dass der Leistungsträger nach den internen Dienstanweisungen gehalten sei, über Veränderungsmitteilungen innerhalb von vier Wochen zu entscheiden. Das Berufungsurteil leide zudem an einem Verfahrensmangel, weil die Entscheidung eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes aus Art 3 GG darstelle. Das LSG setze in seiner Entscheidung die Leistungsempfänger, die ihren Pflichten zur Anzeige von Änderungen in den Verhältnissen nachkämen mit denjenigen gleich, die ihre Pflichten nicht erfüllten. Dies bedeute einen Wertungswiderspruch, weil ein unterschiedliches Verhalten im Ergebnis gleich bewertet werde. Das LSG habe sich mit den von ihr zitierten Entscheidungen des SG Stuttgart vom 13.3.2008 und des SG Dortmund vom 16.9.2009 auseinander setzen müssen, nach denen die Gerichte - anders als in den vom LSG zitierten Entscheidungen des BSG vom 5.6.2003 und 28.11.2007 - in vergleichbaren Fallgestaltungen zugunsten der Kläger entschieden hätten.
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II. Die Beschwerde ist nicht zulässig, weil die als Zulassungsgrund geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt und auch ein Verfahrensmangel nicht ausreichend bezeichnet worden ist.
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Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache lässt sich nur darlegen, indem die Beschwerdeführer ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich ist (Klärungsbedürftigkeit) oder durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 stRspr; BVerfG NJW 1999, 304; vgl auch: BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Es muss deshalb dargestellt werden, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und gegebenenfalls des Schrifttums nicht ohne weiteres zu beantworten ist und der Schritt angegeben werden, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtslage im Allgemeininteresse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).
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Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Zwar lässt sich dem Vorbringen der Klägerin als klärungsbedürftig die Rechtsfrage entnehmen, ob der Ausschluss des Ermessens auch bei Fehlern des SGB II-Trägers und verzögerter Reaktion auf ordnungsgemäße Mitteilungen durch Leistungsberechtigte, also in sog atypischen Fällen, angemessen ist. Die Klägerin hat jedoch nicht ausreichend dargetan, warum diese Frage trotz ständiger Rechtsprechung des BSG zur fehlenden Berücksichtigungsfähigkeit des Mitverschuldens eines Leistungsträgers (BSG Urteil vom 28.11.2007 - B 11a/7a AL 14/07 R - SozR 4-1500 § 128 Nr 7; BSG Urteil vom 27.1.2009 - B 7/7a AL 30/07 R; BSG Beschluss vom 19.8.2009 - B 11 AL 116/09 B) weiter klärungsbedürftig geblieben ist. Eine Rechtsfrage ist in aller Regel nicht mehr klärungsbedürftig, wenn sie höchstrichterlich bereits beantwortet ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 51; SozR 1500 § 160a Nr 13, 65; SozR 3-1500 § 160 Nr 8). Eine erneute Klärungsbedürftigkeit kann eintreten, wenn der Rechtsauffassung des BSG in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird oder wesentlich neue Gesichtspunkte gegen die Auffassung des BSG vorgebracht werden (BSG SozR 1500 § 160 Nr 51; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1). Insofern reicht es nicht aus, lediglich weitere sozialgerichtliche Urteile mit Entscheidungsdatum zu benennen, ohne deren Inhalt und insbesondere deren Argumente konkret darzulegen.
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Mit dem weiteren Inhalt ihrer Beschwerdebegründung (kein Korrektiv bei untätigem Leistungsträger, Bedeutung interner Dienstanweisungen, Ungleichbehandlung von pflichtgemäß und pflichtwidrig handelnden Leistungsberechtigten) setzt sich die Klägerin mit dem Urteil vorwiegend in der Art einer Berufungsbegründung auseinander. Hiermit wendet sie sich im Ergebnis gegen die Richtigkeit der Entscheidung im Einzelfall; diese Prüfung ist nicht Gegenstand des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7). Mit der geltend gemachten Ungleichbehandlung ist ein Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht bezeichnet.
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Die unzulässige Beschwerde ist daher zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1, § 169 SGG).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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