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BSG 08.09.2010 - B 14 AS 96/10 B
BSG 08.09.2010 - B 14 AS 96/10 B - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - Nichtzulassungsbeschwerde - Versäumung der Begründungsfrist - Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten
Normen
§ 160a Abs 2 S 1 SGG, § 67 Abs 1 SGG, § 73 Abs 6 S 6 SGG, § 85 Abs 2 ZPO
Vorinstanz
vorgehend SG Oldenburg (Oldenburg), 7. Juni 2007, Az: S 46 AS 703/06
vorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, 18. Mai 2010, Az: L 13 AS 159/07, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 18. Mai 2010 wird als unzulässig verworfen.
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Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
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I. Der Kläger begehrt von der Beklagten weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1.1.2005 bis zum 30.9.2005. In der Sache ist zwischen den Beteiligten streitig, ob Geldbeträge als Einkommen zu berücksichtigen sind, die ihm seine Mutter in dieser Zeit gewährt hatte. Die Klage gegen die Bescheide der Beklagten vom 9.6.2005 und 13.2.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.4.2006, gerichtet auf Leistungen vom 1.1.2005 bis zum 30.9.2005 ohne Anrechnung von Einkommen, hatte Erfolg (Urteil des Sozialgerichts <SG> Oldenburg vom 7.6.2007). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen nach teilweiser Erledigung des Rechtsstreits durch ein angenommenes (Teil)Anerkenntnis der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 18.5.2010). Nur im Hinblick auf den Zeitraum vom 1.1.2005 bis zum 30.4.2005 sei die Klage zulässig, denn nur über diesen Zeitraum habe die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden entschieden. Soweit die Klage zulässig sei, sei sie aber unbegründet. Der Senat habe sich nicht davon überzeugen können, dass die zugeflossenen Geldleistungen lediglich darlehensweise erfolgt seien.
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem - seiner Bevollmächtigten am 10.6.2010 zugestellten - Urteil hat der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigte am 12.7.2010 (einem Montag) Beschwerde beim Bundessozialgericht (BSG) eingelegt. Mit Schreiben vom 17.8.2010 hat die Berichterstatterin darauf hingewiesen, dass die Beschwerde nicht innerhalb der Frist des § 160a Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) begründet worden sei. Daraufhin hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 24.8.2010, der am selben Tag bei Gericht eingegangen ist, die Beschwerde begründet und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung des Antrages auf Wiedereinsetzung hat sie, gestützt auf eine "eidesstattliche Versicherung" der Mitarbeiterin M L, ausgeführt, das Fristversäumnis beruhe auf einem Kanzleiversehen. Die bearbeitende Kanzleimitarbeiterin habe trotz erfolgter Einzelanweisung versäumt, die Frist zur Begründung der Beschwerde für den 12.8.2010 in den Fristenkalender einzutragen. In der Sache trägt die Prozessbevollmächtigte vor, das Urteil des LSG sei "so nicht hinnehmbar" und wendet sich dabei vornehmlich gegen die Würdigung des Sachverhalts durch das LSG.
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II. Die Beschwerde ist unzulässig.
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Nach § 160a Abs 2 Satz 1 SGG ist die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Vorliegend ist eine Begründung jedoch nicht innerhalb der am 10.8.2010 abgelaufenen Frist erfolgt, sondern erst am 24.8.2010. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist deshalb in entsprechender Anwendung des § 169 SGG durch Beschluss ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen.
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Eine - auch für die Begründungsfrist mögliche - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 67 SGG (vgl dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 9. Aufl 2008, § 160a RdNr 11) kommt nicht in Betracht. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung liegen nicht vor, denn der Kläger war nicht iS des § 67 Abs 1 SGG "ohne Verschulden" gehindert, die Nichtzulassungsbeschwerde fristgerecht zu begründen.
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Ein Verschulden liegt vor, wenn der Beteiligte hinsichtlich der Wahrung der Frist diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden im Hinblick auf die Fristwahrung geboten ist und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war (vgl nur BSG SozR 4-1500 § 67 Nr 7 RdNr 14; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 67 RdNr 3, jeweils mwN). Dabei ist das Verschulden eines Bevollmächtigten dem vertretenen Beteiligten gemäß § 73 Abs 6 Satz 6 SGG iVm § 85 Abs 2 ZPO stets wie eigenes Verschulden zuzurechnen. Für ein Verschulden von Hilfspersonen des Bevollmächtigten gilt dasselbe dann, wenn dieses vom Bevollmächtigten selbst zu vertreten, also als dessen eigenes Verschulden anzusehen ist (vgl BSG aaO). Kein Verschulden des Prozessbevollmächtigten liegt dagegen vor, wenn er darlegen kann, dass ein Büroversehen vorliegt und er alle Vorkehrungen getroffen hat, die nach vernünftigem Ermessen die Nichtbeachtung von Fristen auszuschließen geeignet sind, und dass er durch regelmäßige Belehrung und Überwachung seiner Bürokräfte für die Einhaltung seiner Anordnungen Sorge getragen hat.
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Dabei darf ein Rechtsanwalt grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt. Beinhaltet die Einzelanweisung aber nicht die unmissverständliche Anordnung, diesen Vorgang sogleich auszuführen, müssen ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass die mündliche Einzelanweisung in Vergessenheit gerät und dadurch die Fristeintragung unterbleibt. In einem solchen Fall bedeutet das Fehlen jeder Sicherung einen entscheidenden Organisationsmangel (vgl BGH Beschluss vom 5.11.2002 - VI ZR 399/01 - VersR 2003, 1459, vom 4.11.2003 - VI ZB 50/03 - NJW 2004, 688 und vom 15.11.2007 - IX ZB 219/06 - NJW 2008, 526).
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Nach diesen Grundsätzen trifft die Prozessbevollmächtigte des Klägers vorliegend ein dem Kläger zuzurechnendes Organisationsverschulden, weil die Nichteinhaltung der Frist darauf beruht, dass sie es versäumt hat, durch eine zweckmäßige Büroorganisation, insbesondere hinsichtlich der Fristen- und Terminüberwachung und der Erledigungs- und Ausgangskontrolle, ausreichende Vorkehrungen zur Vermeidung von Fristversäumnissen zu treffen. Sie hat zwar vorgetragen, der Mitarbeiterin nach Zugang des Urteils eine Einzelanweisung hinsichtlich der Eintragung der Begründungsfrist für die Nichtzulassungsbeschwerde und der Eintragung einer Vorfrist von 3 Tagen erteilt zu haben. Unabhängig davon, dass sie selbst dabei diese Frist offenbar unzutreffend mit dem 12.8.2010 berechnet hat, hat sie nicht glaubhaft gemacht, dass eine unmissverständliche Anordnung erfolgt ist, diese Frist sogleich in den Fristenkalender einzutragen. Mit der Bezugnahme auf die Erklärung der Kanzleiangestellten ist lediglich vorgetragen, dass eine Eintragung der Begründungsfrist am Tag der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde erfolgen sollte, die entsprechende mündliche Anweisung auf Grund des hohen Arbeitsaufkommens an diesem Tag (dem 12.7.2010) aber versehentlich in Vergessenheit geraten ist. Weitergehender Vortrag dazu, welche organisatorischen Vorkehrungen gegen das Vergessen einer lediglich mündlichen Anweisung im Falle etwa von Arbeitsüberlastung getroffen worden sind, ist mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht worden. Damit ist ein Organisationsverschulden der Prozessbevollmächtigten zu vermuten und der Antrag zurückzuweisen.
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Es konnte dahinstehen, ob die Beschwerde sich auch deshalb als unzulässig erweist, weil der Vortrag des Klägers schon nicht erkennen lässt, auf welche Zulassungsgründe des § 160 Abs 2 SGG im Einzelnen er seine Beschwerde stützt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
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