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BVerfG 12.06.2023 - 1 BvR 847/23
BVerfG 12.06.2023 - 1 BvR 847/23 - Nichtannahmebeschluss: Erfolglose Verfassungsbeschwerde in einer sozialrechtlichen Angelegenheit (Höhe einer Erwerbsminderungsrente; Anwendbarkeit des § 253a SGB VI <RIS: SGB 6> idF vom 28.11.2018 auf eine Bestandsrente) - unzureichende Auseinandersetzung der Beschwerdebegründung mit der Zulässigkeit von Stichtagsregelungen sowie mit angegriffener Entscheidung des BSG
Normen
Art 3 Abs 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 253a Abs 2 SGB 6 vom 28.11.2018
Vorinstanz
vorgehend BSG, 10. November 2022, Az: B 5 R 29/21 R, Urteil
vorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 13. März 2020, Az: L 14 R 883/19, Urteil
vorgehend SG Duisburg, 22. Oktober 2019, Az: S 53 R 507/18, Gerichtsbescheid
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil kein zwingender Annahmegrund nach § 93a BVerfGG vorliegt und auch sonst kein Grund für ihre Annahme ersichtlich ist.
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1. Der Beschwerdeführer bezieht seit 2004 eine Rente wegen Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI). Der Rentenberechnung lag gemäß dem bei Rentenbeginn geltenden Recht eine Zurechnungszeit ab dem Eintritt der Erwerbsminderung bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres des Beschwerdeführers zugrunde. Dieser beantragte im Jahr 2019 eine Neuberechnung der Rente unter Verlängerung der Zurechnungszeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres und acht Monaten gemäß § 253a Abs. 2 SGB VI in der ab 1. Januar 2019 durch das RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz vom 28. November 2018 (BGBl I S. 2016) geltenden Fassung. Der Antrag blieb ohne Erfolg.
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2. Soweit sich der Beschwerdeführer mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen den angegriffenen Bescheid, den Widerspruchsbescheid sowie die Entscheidungen des Sozialgerichts und des Landessozialgerichts wendet, sind diese Entscheidungen durch die nachfolgende erneute Sachentscheidung des Bundessozialgerichts prozessual überholt, so dass es bei fehlender Darlegung einer fortbestehenden eigenständigen Beschwer bereits an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehlt (vgl. BVerfGK 7, 312 316>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 28. Oktober 2020 - 1 BvR 2134/19 -, Rn. 1).
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3. Die Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des Bundessozialgerichts ist unzulässig, weil der Beschwerdeführer die Möglichkeit eines Verstoßes des angegriffenen Urteils des Bundessozialgerichts und der mittelbar angegriffenen Vorschrift des § 253a Abs. 2 SGB VI in der ab 1. Januar 2019 geltenden Fassung nicht entsprechend den aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG folgenden Anforderungen dargelegt hat.
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a) Die Begründung der Verfassungsbeschwerde muss sich danach mit dem zugrundeliegenden einfachen Recht sowie mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des Sachverhalts auseinandersetzen und hinreichend substantiiert darlegen, dass eine Grundrechtsverletzung möglich erscheint (vgl. BVerfGE 89, 155 171>). Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit ihr und ihrer Begründung. Dabei ist auch darzulegen, inwieweit das jeweils bezeichnete Grundrecht verletzt sein und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidieren soll (vgl. BVerfGE 99, 84 87>; 108, 370 386 f.>). Soweit das Bundesverfassungsgericht für bestimmte Fragen bereits verfassungsrechtliche Maßstäbe entwickelt hat, muss anhand dieser Maßstäbe dargelegt werden, inwieweit Grundrechte durch die angegriffenen Maßnahmen verletzt werden (vgl. BVerfGE 99, 84 87>; 140, 229 232 Rn. 9>).
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b) Ausgehend hiervon legt der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz in Art. 3 Abs. 1 GG nicht substantiiert dar. Der Beschwerdeführer setzt sich nicht ausreichend mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Stichtagsregelungen und Übergangsregelungen insbesondere im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung auseinander. Dem Gesetzgeber ist es danach durch Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt (vgl. BVerfGE 87, 1 43>; 117, 272 301>). Dies gilt auch bei der Einführung von neuen Vorschriften, die einzelne Personengruppen begünstigen und wegen des Stichtages andere von der Begünstigung ausnehmen (vgl. BVerfGE 87, 1 47>; 122, 151 178 f.>). Die verfassungsrechtliche Prüfung von Stichtags- und Übergangsvorschriften beschränkt sich grundsätzlich darauf, ob der Gesetzgeber den ihm zukommenden Spielraum in sachgerechter Weise genutzt hat, ob er die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und die gefundene Lösung im Hinblick auf den Sachverhalt und das System der Gesamtregelung als sachlich vertretbar oder als willkürlich erscheint (vgl. BVerfGE 87, 1 47>; 122, 151 179>). Inwieweit die angegriffene gesetzliche Regelung einer Prüfung anhand dieser Maßstäbe Stand hält, wird nicht dargelegt.
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c) Darüber hinaus setzt sich der Beschwerdeführer bei der Frage der sachlichen Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung nicht ausreichend mit der sorgfältigen Begründung des angegriffenen Urteils des Bundessozialgerichts auseinander. Dieses hat im Hinblick auf die regelmäßig lange Dauer von Rentenleistungen und unter genauer Darlegung angestellter Erwägungen im Gesetzgebungsverfahren insbesondere auf das sogenannte "Rentenbeginn-Prinzip" hingewiesen, das in § 300 Abs. 3 in Verbindung mit § 306 Abs. 1 SGB VI zum Ausdruck kommt. Nach diesem Prinzip werden Rechtsänderungen im Grundsatz nur für neu bewilligte Renten angewendet und nicht auf bereits laufende Renten übertragen. Daneben hat das Bundessozialgericht auch auf den erheblichen Finanzbedarf bei einer Einbeziehung auch der Bestandsrenten abgestellt. Der Beschwerdeführer ist dem im Kern nicht entgegengetreten und hat nicht substantiiert dargelegt, dass es sich dabei nicht um ausreichende sachliche Kriterien für die angegriffene Regelung handele, so dass die Entscheidung des Gesetzgebers als willkürlich anzusehen wäre. Soweit das Bundessozialgericht zusätzlich auch auf den bei Einbeziehung der Bestandsrenten entstehenden Verwaltungsaufwand verweist, ist bei der Prüfung des Gleichheitssatzes nicht ausschlaggebend, dass dieser Grund im Gesetzgebungsverfahren nicht erwogen beziehungsweise dokumentiert worden ist (vgl. BVerfGE 132, 72 95 Rn. 51>;133, 1 14 Rn. 46> m.w.N.).
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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