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BVerfG 24.11.2021 - 2 BvR 1319/20
BVerfG 24.11.2021 - 2 BvR 1319/20 - Nichtannahme einer Verfassungsbeschwerde ohne weitere Begründung (§ 93d Abs 1 S 3 BVerfGG) - begründete Selbstablehnung eines Verfassungsrichters - langjährige freundschaftliche Beziehung zu Verfahrensbeteiligten als Ablehnungsgrund
Normen
§ 19 Abs 1 BVerfGG, § 19 Abs 3 BVerfGG, § 93a Abs 2 BVerfGG, § 93d Abs 1 S 3 BVerfGG
Vorinstanz
vorgehend OLG Dresden, 27. Mai 2020, Az: 17 W 363/20, Beschluss
Tenor
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Die Selbstablehnung des Richters Huber wird für begründet erklärt.
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
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I.
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1. Die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden (nachfolgend: das Oberlandesgericht) vom 27. Mai 2020 betrifft eine Gebührenanforderung durch das Amtsgericht Dresden - Grundbuchamt - im Zusammenhang mit der Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit. Das Oberlandesgericht hat den Gebührenansatz des Grundbuchamts bestätigt. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG sowie von Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 14 GG. Der Gebührenansatz sei unzutreffend, denn der zugrundeliegende Geschäftswert sei zu hoch angesetzt worden.
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2. Mit Vermerk vom 3. September 2021 hat Richter Huber unter der Überschrift "Befangenheitsanzeige gemäß § 19 Abs. 3 BVerfGG" angezeigt, dass er mit dem Geschäftsführer der Beschwerdeführerin "seit über 20 Jahren freundschaftlich verbunden" sei. Die Besorgnis der Befangenheit könne daher nicht ausgeschlossen werden.
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Die Beschwerdeführerin hatte Gelegenheit zur Stellungnahme. Sie hat mitgeteilt, den Ausführungen in der Befangenheitsanzeige werde nicht entgegengetreten. Es sei eine Entscheidung über die Besorgnis der Befangenheit zu treffen.
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II.
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Die Selbstablehnung des Richters Huber ist begründet (unter 1.). Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (unter 2.).
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1. Bei der Erklärung von Richter Huber handelt es sich um eine Selbstablehnung (unter a)), über die durch die Kammer eine Entscheidung zu treffen ist (unter b)). Die Besorgnis der Befangenheit besteht (unter c)).
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a) Bei der dienstlichen Äußerung des Richters Huber handelt es sich um eine Erklärung im Sinne des § 19 Abs. 3 BVerfGG. Diese Regelung setzt nicht voraus, dass der Richter sich selbst für befangen hält. Es genügt, dass er Umstände anzeigt, die Anlass geben, eine Entscheidung über die Besorgnis der Befangenheit zu treffen (vgl. BVerfGE 88, 1 3>; 88, 17 22>; 98, 134 137>; 101, 46 50>; 109, 130 131 f.>). So liegt der Fall hier. Richter Huber lehnt sich zwar nicht ausdrücklich selbst als befangen ab. Er teilt aber unter Verweis auf § 19 Abs. 3 BVerfGG einen Sachverhalt mit, der die Besorgnis der Befangenheit begründen kann.
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b) Nach § 19 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 1 BVerfGG ist über die Befangenheit von Richter Huber eine Entscheidung zu treffen. Die 2. Kammer des Zweiten Senats ist nach § 19 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 1 Halbsatz 1 BVerfGG für diese Entscheidung im Rahmen der Prüfung der Annahme der Verfassungsbeschwerde gemäß § 93b Satz 1 in Verbindung mit § 93a BVerfGG zuständig (§ 93d Abs. 2 Satz 1 BVerfGG). Sie entscheidet unter Ausschluss desjenigen, der den Sachverhalt angezeigt hat. An die Stelle von Richter Huber tritt Richterin Langenfeld, die der Zweite Senat für das Geschäftsjahr 2021 durch Beschluss vom 8. Dezember 2020 als Vertreterin eines verhinderten ordentlichen Kammermitglieds gemäß § 15a Abs. 1 und 2 BVerfGG bestimmt hat (vgl. BVerfGK 11, 232 233>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Oktober 2011 - 2 BvR 1010/10, 2 BvR 1219/10 -, juris, Rn. 16; ebenso Heusch, in: Burkiczak/Dollinger/ Schorkopf, BVerfGG, 2015, § 19 Rn. 36; Kliegel, in: Barczak, BVerfGG, 2018, § 19 Rn. 15; Lenz/Hansel, BVerfGG, 3. Aufl. 2020, § 19 Rn. 29).
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c) Hinsichtlich des Richters Huber besteht die Besorgnis der Befangenheit.
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aa) Die Besorgnis der Befangenheit eines Richters des Bundesverfassungsgerichts nach § 19 BVerfGG setzt voraus, dass ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Zweifel an seiner Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich parteilich oder befangen ist oder ob er sich selbst für befangen hält. Entscheidend ist allein, ob bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass besteht, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (vgl. BVerfGE 88, 17 22 f.>; 99, 51 56>; 101, 46 50 f.>; 102, 192 194 f.>; 142, 302 307 Rn. 18>; 154, 312 316 Rn. 13>). Zwar ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts über jene innere Unabhängigkeit und Distanz verfügen, die sie befähigen, in Unvoreingenommenheit und Objektivität zu entscheiden. Bei den Vorschriften über die Besorgnis der Befangenheit geht es aber auch darum, bereits den bösen Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit zu vermeiden (vgl. BVerfGE 108, 122 129>).
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bb) Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die langjährige freundschaftliche Verbundenheit stellt eine solche persönliche Nähebeziehung dar, die geeignet ist, den Eindruck einer Voreingenommenheit zu begründen. Freundschaftliche Verbindungen dieser Art gehen regelmäßig mit dem Entstehen von ausgeprägter Sympathie und weitreichender Unterstützungsbereitschaft einher. Jedenfalls ein Außenstehender kann daher begründet daran zweifeln, ob ein Richter in dieser Situation seine Entscheidung ausschließlich an den maßgeblichen rechtlichen Regeln ausrichtet und ob er auch einen danach verbleibenden Beurteilungsspielraum nicht sympathiebezogen ausfüllt. Insbesondere könnte die Befürchtung entstehen, der Richter werde auch ohne sachliche Argumente zu Gunsten des langjährig freundschaftlich Verbundenen entscheiden.
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Weil die Art und Intensität einer bilateralen persönlichen Verbindung einer Beurteilung durch Dritte nur begrenzt zugänglich ist, ergibt sich die Besorgnis der Befangenheit hier daraus, dass Richter Huber und der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin - Letzterer dadurch, dass die Beschwerdeführerin der Anzeige von Richter Huber nicht entgegengetreten ist - ihr Verhältnis zueinander selbst als langjährige freundschaftliche Verbundenheit charakterisieren. Zudem bewertet Richter Huber die persönliche Nähebeziehung jedenfalls so, dass sie ihm Anlass gegeben hat, den Sachverhalt nach § 19 Abs. 3 BVerfGG anzuzeigen. Diese Selbsteinschätzung führt hier dazu, dass auch Dritte - insbesondere die gegebenenfalls nach § 94 BVerfGG am Verfassungsbeschwerdeverfahren zu Beteiligenden (vgl. BVerfGE 20, 9 14>) - an der Unvoreingenommenheit des Richters zweifeln müssen.
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d) Richter Huber ist damit von der Mitwirkung an der Entscheidung ausgeschlossen. Auch für die Entscheidung in der Sache ist die Kammer damit an seiner statt mit Richterin Langenfeld besetzt.
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2. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, da die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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