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BVerfG 22.12.2020 - 1 BvR 2740/20
BVerfG 22.12.2020 - 1 BvR 2740/20 - Erfolgreicher Eilantrag in einer äußerungsrechtlichen Eilsache: Verletzung des Anspruchs auf prozessuale Waffengleichheit durch Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne vorherige Anhörung des Unterlassungsverpflichteten - hier: unterbliebene Anhörung der Gegenseite zu richterlichem Hinweis (§ 139 ZPO) zur Nachbesserung des Antrags sowie zu den Erfolgsaussichten
Normen
Art 3 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 103 Abs 1 GG, § 32 Abs 1 BVerfGG, § 935 ZPO, § 937 Abs 2 ZPO
Vorinstanz
vorgehend LG Berlin, 27. Oktober 2020, Az: 27 O 374/20, Beschluss
nachgehend BVerfG, 6. Dezember 2021, Az: 1 BvR 2740/20, Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren
Tenor
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1. Der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 27. Oktober 2020 - 27 O 374/20 - verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht auf prozessuale Waffengleichheit gemäß Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes. Seine Wirksamkeit wird bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache oder bis zu einer erneuten Entscheidung des Landgerichts, längstens jedoch für die Dauer von sechs Monaten ausgesetzt.
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2. Das Land Berlin hat der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen im Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erstatten.
Gründe
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I.
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Die Verfassungsbeschwerde und der damit verbundene Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung richten sich gegen eine einstweilige Verfügung, die die Pressekammer des Landgerichts Berlin ohne Anhörung der Beschwerdeführerin erlassen hat.
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1. Das zugrundeliegende Verfahren betrifft die Zulässigkeit einer Berichterstattung der Beschwerdeführerin über das gegen den Antragsteller des Ausgangsverfahrens geführte Ermittlungsverfahren und die Anklageerhebung wegen der Verbreitung kinderpornographischer Schriften und des Besitzes kinder- und jugendpornographischer Schriften. Die zuständige Staatsanwaltschaft erhob Ende August 2020 nach Abschluss der Ermittlungen, in denen sich der Antragsteller des Ausgangsverfahrens über seinen damaligen Verteidiger zur Sache eingelassen hatte, Anklage. Das zuständige Amtsgericht veröffentlichte daraufhin am 4. September 2020 eine Presseerklärung, wonach gegen den namentlich genannten ehemaligen Profifußballer "wegen Verbreitung kinderpornographischer Schriften in 29 Fällen und Besitzes kinderpornographischer und jugendpornographischer Schriften in einem weiteren Fall" eine Anklage eingegangen sei. Gegen die Veröffentlichung dieser Presseerklärung wandte sich der Antragsteller des Ausgangsverfahrens mit einem Eilantrag an das zuständige Verwaltungsgericht, das den begehrten Unterlassungsantrag abwies. Zur Begründung seines Beschlusses vom 14. September 2020 führte es aus, der Antragsteller sei seit Einleitung des Ermittlungsverfahrens namentlich bekannt gewesen. Zudem habe die Staatsanwaltschaft einen hinreichenden Tatverdacht bejaht, da sie sich auf sichergestellte Bilddateien, die Aussage einer Zeugin und nicht zuletzt auf die geständige Einlassung des Antragstellers stützen könne.
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2. Die Beschwerdeführerin stützt ihre angegriffene Berichterstattung vom 15. September 2020 auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts und zitiert dabei in Auszügen aus dem Beschluss. Auf dem Titelblatt hieß es neben einem Bildnis des Antragstellers:
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"Kinderporno-Anklage gegen Ex-Nationalspieler
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[…]s Geständnis"
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Auf Seite 3 der Ausgabe vom 15. September 2020 berichtete die Beschwerdeführerin unter anderem:
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"Kinder- und Jugendporno-Dateien entdeckt - Ex-Nationalspieler legt Geständnis ab
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Bei den Ermittlern brach […] sein Schweigen
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Er hat gestanden. […] hat die Kinderpornografie-Vorwürfe eingeräumt. […]
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Pikant: In der Urteilsbegründung des Verwaltungsgerichts wird erwähnt, dass […] längst ein Geständnis abgelegt hat!
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Wörtlich heißt es: 'Das in der Anklageschrift vom 27. August 2020 wiedergegebene Ermittlungsergebnis beruhte u.a. auf der geständigen Einlassung des Antragstellers, der Aussage einer Zeugin sowie sichergestellten Bilddateien.'
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Und weiter: 'Denn - wie oben ausgeführt - liegt bereits ein Mindestbestand an Beweistatsachen, namentlich die geständige Einlassung des Antragstellers vor.'"
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3. Wegen dieser Berichterstattung ließ der Antragsteller des Ausgangsverfahrens die Beschwerdeführerin am 21. September 2020 mit einem zwanzigseitigen anwaltlichen Schriftsatz abmahnen. Diese reagierte auf das Abmahnschreiben nicht.
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4. Mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2020 beantragte der Antragsteller des Ausgangsverfahrens sodann beim Landgericht Berlin den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Beschwerdeführerin. Der Antragsschriftsatz umfasste 42 Seiten und enthielt über das Abmahnschreiben hinausgehenden Vortrag, darunter zu der Frage, ob vorliegend, wie von der Beschwerdeführerin geschrieben, von einer "geständigen Einlassung" oder einem "Geständnis" des Antragstellers die Rede sein könne, wenn sich lediglich der damalige Verteidiger für den Antragsteller im Ermittlungsverfahren eingelassen habe, sowie zur Problematik eines vermeintlichen Verstoßes gegen § 353d StGB durch die Beschwerdeführerin. Dem Antrag beigefügt war ferner eine eidesstattliche Versicherung des aktuellen Verteidigers des Antragstellers, wonach sich in der gesamten Strafakte keine persönliche Einlassung des Antragstellers selbst befinde, sowie ein Kurzgutachten eines weiteren Rechtsanwalts zur Frage, ob die vom damaligen Verteidiger abgegebenen Erklärungen rechtlich zutreffend als "geständige Einlassung" oder "Geständnis" des Antragstellers gewürdigt werden könnten.
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Allein dem Antragsteller des Ausgangsverfahrens erteilte das Landgericht Berlin am 8. Oktober 2020 den rechtlichen Hinweis, dass wohl ein hinreichendes Mindestmaß vorliege, um über den Vorwurf gegen den Antragsteller berichten zu dürfen. Der mögliche Mangel, dass die Erklärung seines Verteidigers als geständige Einlassung des Antragstellers selbst gewertet worden sei, lasse die äußerungsrechtliche Heranziehung als Beweisanzeichen nicht entfallen. Es komme aber eine eingeschränkte Unterlassungsverpflichtung in Betracht, weil der Sachverhalt unvollständig wiedergegeben sei und beim Leser das schiefe Bild entstehen lasse, dass der Antragsteller eine eigene Erklärung abgegeben habe, deren Verwertbarkeit unbestritten feststehe. Dem Antragsteller räumte die Pressekammer des Landgerichts Berlin Gelegenheit zur Stellungnahme binnen Wochenfrist ein. Mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2020 modifizierte der Antragsteller seinen Antrag entsprechend.
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5. Ohne vorherige Anhörung der Beschwerdeführerin erließ das Landgericht am 27. Oktober 2020 die angegriffene einstweilige Verfügung, die es der Beschwerdeführerin untersagt, über das "Geständnis" des Antragstellers zu berichten, ohne darauf hinzuweisen, dass der Antragsteller selbst kein Geständnis abgelegt habe, vielmehr lediglich eine Einlassung seines Verteidigers gegenüber der Staatsanwaltschaft vorliege, deren Verwertbarkeit zum jetzigen Zeitpunkt nicht feststehe. Eine inhaltliche Begründung der einstweiligen Verfügung enthält der Beschluss nicht.
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Nach der Zustellung der einstweiligen Verfügung legte die Beschwerdeführerin Widerspruch ein und stellte Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung. Über die Anträge ist bislang noch nicht entschieden.
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6. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde und dem damit verbundenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung rügt die Beschwerdeführerin die erneute Verletzung ihres Anspruchs auf prozessuale Waffengleichheit durch die Pressekammer des Landgerichts Berlin in einem äußerungsrechtlichen einstweiligen Verfügungsverfahren.
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7. Dem Begünstigten der einstweiligen Verfügung wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
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II.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.
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1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei gelten, selbst wenn eine Verfassungsbeschwerde in der Sache Aussicht auf Erfolg hat, für den Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der insoweit grundsätzlich maßgeblichen Folgenabwägung strenge Maßstäbe (vgl. BVerfGE 71, 158 161>; 88, 185 186>; 91, 252 257 f.>; 111, 147 152 f.>; stRspr).
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Die Anforderungen, die sich aus der prozessualen Waffengleichheit in äußerungsrechtlichen einstweiligen Verfügungsverfahren ergeben, sind eingehend verfassungsgerichtlich klargestellt (vgl. die Beschlüsse der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2018 - 1 BvR 1783/17 - und - 1 BvR 2421/17 -; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. Juni 2020 - 1 BvR 1246/20 - und - ein Verfahren der Pressekammer des Landgerichts Berlin betreffend - Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 17. Juni 2020 - 1 BvR 1380/20 -).
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Angesichts dessen führt die vom Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Entscheidung nach § 32 Abs. 1 BVerfGG vorzunehmende Folgenabwägung (vgl. BVerfGE 71, 158 161>; 88, 185 186>; 91, 252 257 f.>; stRspr) zu dem Ergebnis, dass die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe überwiegen. Denn die Verfassungsbeschwerde ist hinsichtlich der gerügten Verletzung der prozessualen Waffengleichheit im einstweiligen Verfügungsverfahren offensichtlich zulässig und begründet.
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2. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig (vgl. näher BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2018 - 1 BvR 1783/17 -, Rn. 10; Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. Juni 2020 - 1 BvR 1246/20 -, Rn. 12, und vom 17. Juni 2020 - 1 BvR 1380/20 -, Rn. 12). Die Beschwerdeführerin macht eine Rechtsverletzung unmittelbar durch die Handhabung des Prozessrechts im Verfahren über den Erlass einer äußerungsrechtlichen einstweiligen Verfügung geltend. Sie wendet sich dabei gegen ein bewusstes Übergehen ihrer prozessualen Rechte. Insbesondere mit dem Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung kann eine Missachtung von Verfahrensrechten als solche nicht geltend gemacht werden (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. Juni 2020 - 1 BvR 1246/20 -, Rn. 12, und vom 17. Juni 2020 - 1 BvR 1380/20 -, Rn. 12), weil er von den Erfolgsaussichten in der Sache abhängt. Auch sonst gibt es keinen Rechtsbehelf, mit dem eine Verletzung der prozessualen Waffengleichheit eigens als solche vor den Fachgerichten geltend gemacht werden könnte. Die Verfassungsbeschwerde kann daher ausnahmsweise unmittelbar gegen die einstweilige Verfügung erhoben werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2018 - 1 BvR 1783/17 -, Rn. 10; Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. Juni 2020 - 1 BvR 1246/20 -, Rn. 12, und vom 17. Juni 2020 - 1 BvR 1380/20 -, Rn. 12). Da die Rechtsbeeinträchtigung durch die Verfügung in Gestalt eines weiterhin vollstreckbaren Unterlassungstitels fortdauert, muss die Beschwerdeführerin hierzu kein besonders gewichtiges Feststellungsinteresse geltend machen (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. Juni 2020 - 1 BvR 1246/20 -, Rn. 13, und vom 17. Juni 2020 - 1 BvR 1380/20 -, Rn. 12).
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3. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht auf prozessuale Waffengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.
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a) Die hier maßgeblichen Rechtsfragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (vgl. die Beschlüsse der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2018 - 1 BvR 1783/17 -, Rn. 14 ff., und - 1 BvR 2421/17 -, Rn. 25 ff. sowie BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. Juni 2020 - 1 BvR 1246/20 -, Rn. 15 ff., und vom 17. Juni 2020 - 1 BvR 1380/20 -, Rn. 14).
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aa) Der Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit ist Ausprägung der Rechtsstaatlichkeit und des allgemeinen Gleichheitssatzes im Zivilprozess und sichert verfassungsrechtlich die Gleichwertigkeit der prozessualen Stellung der Parteien vor Gericht. Es muss den Prozessparteien im Rahmen der Verfahrensordnung gleichermaßen die Möglichkeit eingeräumt werden, alles für die gerichtliche Entscheidung Erhebliche vorzutragen und alle zur Abwehr des gegnerischen Angriffs erforderlichen prozessualen Verteidigungsmittel selbständig geltend zu machen. Die prozessuale Waffengleichheit steht dabei im Zusammenhang mit dem Gehörsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 1 GG, der eine besondere Ausprägung der Waffengleichheit ist. Als prozessuales Urrecht (vgl. BVerfGE 70, 180 188>) gebietet dieser, in einem gerichtlichen Verfahren der Gegenseite grundsätzlich vor einer Entscheidung Gehör und damit die Gelegenheit zu gewähren, auf eine bevorstehende gerichtliche Entscheidung Einfluss zu nehmen (vgl. BVerfGE 9, 89 96 f.>; 57, 346 359>). Entbehrlich ist eine vorherige Anhörung nur in Ausnahmefällen. Voraussetzung der Verweisung auf eine nachträgliche Anhörung ist, dass sonst der Zweck des einstweiligen Verfügungsverfahrens vereitelt würde (vgl. näher BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2018 - 1 BvR 1783/17 -, Rn. 14 bis 16).
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bb) Von der Frage der Anhörung und Einbeziehung der Gegenseite zu unterscheiden ist die Frage, in welchen Fällen über den Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann. Für die Beurteilung, wann ein dringender Fall im Sinne des § 937 Abs. 2 ZPO vorliegt und damit auf eine mündliche Verhandlung verzichtet werden kann, haben die Fachgerichte einen weiten Wertungsrahmen. Die Annahme einer Dringlichkeit setzt freilich sowohl seitens des Antragstellers als auch seitens des Gerichts eine entsprechend zügige Verfahrensführung voraus (vgl. näher BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2018 - 1 BvR 1783/17 -, Rn. 19 f.).
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cc) Über eine einstweilige Verfügung wird in äußerungsrechtlichen Angelegenheiten gleichwohl angesichts der Eilbedürftigkeit nicht selten zunächst ohne mündliche Verhandlung entschieden werden müssen. Der Verzicht auf eine mündliche Verhandlung berechtigt ein Gericht jedoch nicht dazu, die Gegenseite bis zur Entscheidung über den Verfügungsantrag generell aus dem Verfahren herauszuhalten (vgl. näher BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2018 - 1 BvR 1783/17 -, Rn. 21 bis 24). Eine stattgebende Entscheidung über den Verfügungsantrag kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Gegenseite die Möglichkeit hatte, auf das mit dem Antrag geltend gemachte Vorbringen zu erwidern.
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Dabei ist von Verfassung wegen nichts dagegen zu erinnern, wenn das Gericht in solchen Eilverfahren auch die Möglichkeiten einbezieht, die es der Gegenseite vorprozessual erlauben, sich zu dem Verfügungsantrag zu äußern, wenn sichergestellt ist, dass solche Äußerungen vollständig dem Gericht vorliegen. Hierfür kann auf die Möglichkeit zur Erwiderung gegenüber einer dem Verfügungsverfahren vorangehenden Abmahnung abgestellt werden. Dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit genügen die Erwiderungsmöglichkeiten auf eine Abmahnung allerdings nur dann, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ vorliegen: der Verfügungsantrag muss im Anschluss an die Abmahnung unverzüglich nach Ablauf einer angemessenen Frist für die begehrte Unterlassungserklärung bei Gericht eingereicht werden; die abgemahnte Äußerung sowie die Begründung für die begehrte Unterlassung muss mit dem bei Gericht geltend gemachten Unterlassungsbegehren identisch sein; der Antragsteller muss ein etwaiges Zurückweisungsschreiben des Antragsgegners zusammen mit seiner Antragsschrift bei Gericht einreichen. Demgegenüber ist dem Antragsgegner Gehör zu gewähren, wenn er nicht in der gehörigen Form abgemahnt wurde oder der Antrag vor Gericht in anderer Weise als in der Abmahnung oder mit ergänzendem Vortrag begründet wird.
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Gehör ist auch zu gewähren, wenn das Gericht dem Antragsteller Hinweise nach § 139 ZPO erteilt, von denen die Gegenseite sonst nicht oder erst nach Erlass einer für sie nachteiligen Entscheidung erfährt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2018 - 1 BvR 1783/17 -, Rn. 24; siehe auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 27. Juli 2020 - 1 BvR 1379/20 -, Rn. 16). Entsprechend ist es verfassungsrechtlich geboten, den jeweiligen Gegner vor Erlass einer Entscheidung in den gleichen Kenntnisstand zu versetzen wie den Antragsteller, indem auch ihm die richterlichen Hinweise zeitnah mitgeteilt werden. Dies gilt insbesondere, wenn es bei Rechtsauskünften in Hinweisform darum geht, einen Antrag gleichsam nachzubessern oder eine Einschätzung zu den Erfolgsaussichten abzugeben (vgl. zur Identität von Abmahnung und Antrag im Verfügungsverfahren BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 27. Juli 2020 - 1 BvR 1379/20 -, Rn. 13 f.). Ein einseitiges Geheimverfahren über einen mehrwöchigen Zeitraum, in dem sich Gericht und Antragsteller über Rechtsfragen austauschen, ohne den Antragsgegner in irgendeiner Form einzubeziehen, ist mit den Verfahrensgrundsätzen des Grundgesetzes unvereinbar (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2018 - 1 BvR 1783/17 -, Rn. 24; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. Juni 2020 - 1 BvR 1246/20 -, Rn. 19).
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b) Nach diesen, der Pressekammer des Landgerichts Berlin nicht zuletzt aus dem Verfahren Az. 1 BvR 1380/20 bekannten Maßstäben verletzt der angegriffene Beschluss die Beschwerdeführerin offenkundig in ihrem grundrechtsgleichen Recht auf prozessuale Waffengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.
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Durch den Erlass der einstweiligen Verfügung ohne vorherige Anhörung der Beschwerdeführerin war vorliegend keine Gleichwertigkeit ihrer prozessualen Stellung gegenüber dem Verfahrensgegner gewährleistet. Zwar hatte der Antragsteller des Ausgangsverfahrens die Beschwerdeführerin außerprozessual abmahnen lassen; die Beschwerdeführerin hatte auf eine Erwiderung verzichtet. Bereits der Blick auf den Umfang des Vortrags hinsichtlich der Abmahnung (20 Seiten) und den Umfang des Vortrags im Antragsschriftsatz (42 Seiten nebst eidesstattlicher Versicherung und Kurzgutachten) hätte dem Gericht vor Augen führen können und müssen, dass eine Kongruenz nicht gegeben war. Die Beschwerdeführerin hätte Gelegenheit bekommen müssen, sich zu dem weiteren und ergänzten Vortrag sowie zu dem modifizierten Antrag zu äußern. Der Verzicht der Beschwerdeführerin auf eine Äußerung auf die außergerichtliche Abmahnung hin kann, wenn der bei Gericht eingereichte Vortrag nicht mehr als deckungsgleich mit dem der Abmahnung angesehen werden kann, auch nicht als Verzicht auf eine prozessual gebotene Anhörung missverstanden werden. Schon aus dem Umstand der ersichtlich fehlenden Kongruenz des Vortrags ergab sich, dass das Gericht im Sinne gleichwertiger Äußerungs- und Verteidigungsmöglichkeiten der Beschwerdeführerin - gegebenenfalls auch fernmündlich oder per E-Mail - Gelegenheit hätte geben müssen, den Vortrag des Antragstellers zumindest zur Kenntnis zu nehmen und ihrerseits zu erwidern (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 27. Juli 2020 - 1 BvR 1379/20 -, Rn. 14, wonach im lauterkeitsrechtlichen Verfügungsverfahren der Antragsgegnerseite bereits bei kleinsten Abweichungen rechtliches Gehör zu gewähren ist). Hinzu kommt, dass in den drei Wochen zwischen Eingang des Antrags am 6. Oktober 2020 und der Entscheidung des Gerichts am 27. Oktober 2020 hinreichend Zeit für eine Einbindung der Beschwerdeführerin bestanden hat.
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Erst recht hätte das Gericht der Beschwerdeführerin aufgrund des gerichtlichen Hinweises vom 8. Oktober 2020 und des vom Antragsteller daraufhin angepassten Antrags vom 22. Oktober 2020 Gelegenheit zur Stellungnahme einräumen müssen. Dass rechtliches Gehör zu gewähren ist, wenn das Gericht dem Antragsteller Hinweise nach § 139 ZPO erteilt, von denen die Gegenseite sonst nicht oder erst nach Erlass einer für sie nachteiligen Entscheidung erfährt, hatte die Kammer noch im Juni dieses Jahres in ihrem ebenfalls ein Verfahren der Berliner Pressekammer betreffenden Verfahren Az. 1 BvR 1246/20 ausgeführt (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. Juni 2020 - 1 BvR 1246/20 -, Rn. 19, mit Verweis auf den Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2018 - 1 BvR 1783/17 -, Rn. 24). Es ist verfassungsrechtlich geboten, den jeweiligen Gegner vor Erlass einer Entscheidung in den gleichen Kenntnisstand zu versetzen wie den Antragsteller, indem auch ihm die richterlichen Hinweise zeitnah mitgeteilt werden. Dies gilt insbesondere, wenn es - wie vorliegend - bei Rechtsauskünften in Hinweisform darum geht, einen Antrag gleichsam nachzubessern oder eine Einschätzung zu den Erfolgsaussichten abzugeben. Ein einseitiges Geheimverfahren über einen mehrwöchigen Zeitraum, in dem sich Gericht und Antragsteller über Rechtsfragen austauschen, ohne die Antragsgegnerin in irgendeiner Form einzubeziehen, ist mit den Verfahrensgrundsätzen des Grundgesetzes unvereinbar (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2018 - 1 BvR 1783/17 -, Rn. 24; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. Juni 2020 - 1 BvR 1246/20 -, Rn. 19).
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Die Einbeziehung der Beschwerdeführerin durch das Gericht vor Erlass der Verfügung wäre offensichtlich geboten gewesen. Eine solche Frist zur Stellungnahme hätte kurz bemessen sein können. Unzulässig ist es jedoch, wegen einer gegebenenfalls durch die Anhörung des Antragsgegners befürchteten Verzögerung oder wegen einer durch die Stellungnahme erforderlichen, arbeitsintensiven Auseinandersetzung mit dem Vortrag des Antragsgegners bereits in einem frühen Verfahrensstadium gänzlich von einer Einbeziehung der Gegenseite abzusehen und sie stattdessen bis zum Zeitpunkt der auf Widerspruch hin anberaumten mündlichen Verhandlung mit einem einseitig erstrittenen gerichtlichen Unterlassungstitel zu belasten.
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4. Angesichts des Verstoßes gegen die prozessuale Waffengleichheit kommt es auf eine Prüfung der Verletzung weiterer Grundrechte nicht an.
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5. Die Außervollzugsetzung der verfahrenswidrig zustande gekommenen Entscheidung gibt dem Landgericht Berlin Gelegenheit, bei einer neuerlichen Entscheidung beide Seiten einzubeziehen und deren Vortrag zu berücksichtigen.
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6. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung für das einstweilige Anordnungsverfahren folgt aus § 34a Abs. 3 BVerfGG. Die Erstattung ist wegen des Obsiegens des Beschwerdeführers aus Billigkeitsgründen geboten.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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