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BVerfG 02.06.2015 - 2 BvE 5/12, 2 BvE 3/13
BVerfG 02.06.2015 - 2 BvE 5/12, 2 BvE 3/13 - Einstellung zweier Organstreitverfahren nach Verzicht des Antragstellers auf sein Bundestagsmandat und Antragsrücknahme
Normen
§§ 63ff BVerfGG, § 63 BVerfGG, § 46 Abs 1 S 1 Nr 4 BWahlG
Gründe
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A.
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Der Antragsteller macht mit seiner Organklage Auskunfts-, Informations- und Beratungsrechte gegenüber der Bundesregierung und dem Deutschen Bundestag im Zusammenhang mit der Beteiligung des Parlaments an der Bewältigung der Krise der europäischen Währungsunion sowie die Unvollständigkeit von in diesem Zusammenhang stehenden Gesetzentwürfen geltend. Er war bis zum 31. März 2015 Mitglied des 18. Deutschen Bundestages.
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I.
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1. Im Zuge der seit 2010 andauernden Krise der europäischen Währungsunion gewährten die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes in einem ersten Schritt Griechenland koordinierte bilaterale Finanzhilfen und schufen anschließend einen sogenannten "Rettungsschirm", dessen Kern zunächst eine privatrechtlich organisierte Zweckgesellschaft war, die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF; vgl. hierzu BVerfGE 129, 124). Ab Ende 2010 strebten die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes sodann einen dauerhaften Mechanismus zur Krisenbewältigung an, der später in der Form des Europäischen Stabilitätsmechanismus verwirklicht wurde. Parallel dazu wurde von den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes sowie den meisten übrigen Mitgliedstaaten der Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (im Folgenden: SKS-Vertrag) geschlossen. Der ESM-Vertrag ist am 27. September 2012 in Kraft getreten (BGBl II S. 1086). Der auch als Fiskalvertrag bezeichnete SKS-Vertrag wurde am 2. März 2012 unterzeichnet (BGBl II S. 1006) und trat am 1. Januar 2013 in Kraft (BGBl II S. 162).
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a) Die Unterrichtung des Deutschen Bundestages durch die Bundesregierung während der Vertragsverhandlungen zum ESM-Vertrag war Gegenstand des Urteils des Zweiten Senats vom 19. Juni 2012 (BVerfGE 131, 152). Zu den einzelnen Verhandlungsschritten und dem Umfang der Unterrichtung wird insoweit auf den Sachbericht dieser Entscheidung Bezug genommen (vgl. BVerfGE 131, 152 154 ff.>).
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b) Unmittelbar nach der Verkündung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Juni 2012 forderte der Antragsteller den Bundesminister der Finanzen auf, entsprechend dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts umfassend Auskunft über vorhandene Unterlagen und Informationen im Zusammenhang mit dem ESM-Vertrag zu erteilen, soweit diese dem Bundestag noch nicht vorgelegt worden seien. Der Bundesminister der Finanzen ließ daraufhin mitteilen, dass es über die bereits erteilten Informationen und vorgelegten Dokumente hinaus keine weiteren Informationen oder Unterlagen gebe, die dem Bundestag vorgelegt werden könnten oder vorzulegen wären.
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2. Zur Regelung der finanziellen Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland am Europäischen Stabilitätsmechanismus sowie zur Sicherstellung der haushaltspolitischen Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages wurde von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP zunächst am 20. März 2012 (BTDrucks 17/9048) und später von der Bundesregierung am 23. April 2012 (BTDrucks 17/9371) ein textidentischer Entwurf für ein Gesetz zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM-Finanzierungsgesetz - ESMFinG) in den Bundestag eingebracht. Beide Entwürfe enthielten zu dem mit "Beteiligungsrechte" überschriebenen § 3 des Entwurfs nur eine Leerstelle ("1> <…>"). In der Begründung hieß es dazu, dass die Ausgestaltung der Beteiligungsrechte im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens erfolgen werde. Die Lücke wurde im Zuge der Beratungen in den Ausschüssen geschlossen und der vervollständigte Entwurf am 27. Juni 2012 an das Plenum des Bundestages verwiesen, um dort am 29. Juni 2012 beraten zu werden. Das Bemühen des Antragstellers, beim Präsidenten des Deutschen Bundestages eine Vertagung der Beratungen zu erreichen, um eine hinreichende Beteiligung aller nicht den Fachausschüssen angehörenden Mitglieder des Bundestages zu ermöglichen, blieb erfolglos. Der Entwurf wurde vom Deutschen Bundestag am 29. Juni 2012 in zweiter und dritter Lesung beschlossen. Das ESM-Finanzierungsgesetz ist am 19. September 2012 in Kraft getreten (BGBl I S. 1918).
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3. Im Zusammenhang mit der Gewährung eines Hilfsprogramms des Europäischen Stabilitätsmechanismus für die Republik Zypern bat der Antragsteller im Februar 2013 den Bundesminister der Finanzen darum, ihm sämtliche Unterlagen zum ESM-Vertrag sowie zum SKS-Vertrag, die als travaux préparatoires im Sinne des Art. 32 Wiener Vertragsrechtskonvention (WVRK) angesehen werden könnten, zu übersenden, weil diese bei einer Vertragsauslegung im Zusammenhang mit dem Vollzug des ESM-Vertrages relevant werden könnten. Eine erneute Aufforderung im März 2013 wurde auf Veranlassung des Bundesministers der Finanzen zurückgewiesen, weil dem Deutschen Bundestag bereits zahlreiche, für parlamentarische Entscheidungen notwendige Dokumente vorgelegt worden seien, worunter sich auch die nun begehrten Unterlagen befänden. Daraufhin beantragte der Antragsteller förmlich, ihm alle Verhandlungsprotokolle zum ESM-Vertrag und SKS-Vertrag sowie alle bei der Bundesregierung vorhandenen sonstigen Dokumente bezüglich der Verhandlungen und des Abschlusses dieser Verträge zu übergeben und ihm darüber hinaus in vollem Umfang Akteneinsicht in alle sonst bei der Bundesregierung hierzu vorhandenen Dokumente zu gewähren. Mit Schreiben vom 26. April 2013 wurde dieser Antrag vom Bundesministerium der Finanzen abgelehnt.
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II.
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1. Der Antragsteller hat im Verfahren 2 BvE 5/12 mit seinen am 30. Juni 2012 eingegangenen, gegen die Bundesregierung, den Deutschen Bundestag sowie den Bundesminister der Finanzen gerichteten Anträgen die Feststellung begehrt, dass er in seinen Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG in mehrfacher Weise durch die Antragsgegner verletzt worden sei. So habe die Bundesregierung durch die Einbringung eines bewusst unvollständigen Gesetzentwurfs gegen Art. 76 Abs. 1 und Abs. 2 GG verstoßen und damit zugleich seine Rechte aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt. Ebenso habe der Deutsche Bundestag durch die Beratung der unvollständigen Gesetzentwürfe und die anschließende Beschlussfassung gegen Art. 76 Abs. 1 und Abs. 2 GG verstoßen und dadurch seine Rechte aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt. Die Bundesregierung habe seine Rechte aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG zudem dadurch verletzt, dass sie ihm Informationen vorenthalten habe, die zur sachgerechten Meinungsbildung über das Zustimmungsgesetz zum ESM-Vertrag und damit zur sachgerechten parlamentarischen Beratung und Beschlussfassung unerlässlich gewesen wären.
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2. Im Verfahren 2 BvE 3/13 hat der Antragsteller mit seinen am 21. August 2013 eingegangenen, gegen die Bundesregierung sowie den Bundesminister der Finanzen gerichteten Anträgen die Feststellung begehrt, dass diese ihn in seinen Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG dadurch verletzt hätten, dass sie sich weigerten, ihm Einsicht in sämtliche bei der Bundesregierung vorhandenen Dokumente zur Entstehungsgeschichte des ESM-Vertrages und des SKS-Vertrages, insbesondere in sämtliche Entwürfe, Änderungsanträge und Verhandlungsprotokolle zu gewähren, soweit diese nicht bereits dem Bundestag übersandt worden seien oder aus dem Internet oder anderen allgemein zugänglichen Quellen beschafft werden könnten. Gleiches gelte mit Blick auf ihre Weigerung, ihm den Organisations- und Aktenplan betreffend den ESM-Vertrag und den SKS-Vertrag sowie eine vollständige Liste aller Verhandlungsprotokolle zum ESM-Vertrag und zum SKS-Vertrag sowie aller sonst bei der Bundesregierung vorhandenen Dokumente bezüglich der Verhandlungen über diese Verträge zu übermitteln.
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3. Die Antragsgegner halten die Anträge für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet.
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4. Der Antragsteller hat am 31. März 2015 gegenüber dem Präsidenten des Deutschen Bundestages gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BWahlG den Verzicht auf sein Mandat erklärt. Mit der Bestätigung der Verzichtserklärung durch den Präsidenten des Deutschen Bundestages ist er aus dem Deutschen Bundestag ausgeschieden (§ 47 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 46 Abs. 1 Nr. 4 BWahlG).
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5. Mit Schriftsatz vom 27. April 2015 hat der Antragsteller die Rücknahme seiner Anträge erklärt.
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B.
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Die Verfahren sind einzustellen.
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Bei dem Organstreitverfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, §§ 63 ff. BVerfGG handelt es sich um ein kontradiktorisches Verfahren (vgl. BVerfGE 126, 55 67 f.>; 129, 356 375>; 134, 141 194 Rn. 160>; stRspr). Der Antragsteller hat seine Anträge zurückgenommen, nachdem er aus dem Deutschen Bundestag ausgeschieden ist. Damit ist in den beiden Verfahren auch das für den Organstreit erforderliche Rechtsschutzbedürfnis (vgl. BVerfGE 62, 1 33>; 67, 100 127>; 68, 1 77>; 119, 302 307 f.>) weggefallen. Ein öffentliches Interesse an der Fortsetzung der Verfahren besteht nicht, so dass dahinstehen kann, ob der Senat andernfalls die Verfahren trotz des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses des Antragstellers fortsetzen könnte (vgl. hierzu BVerfGE 24, 299 300>; 83, 175 181>; 87, 207 209>).
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