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BVerfG 17.03.2014 - 1 BvR 2695/13
BVerfG 17.03.2014 - 1 BvR 2695/13 - Stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung von Art 6 Abs 2 S 1 GG durch Entziehung des Sorgerechts trotz fehlender Eignung dieser Maßnahme dazu, die Gefährdung des Kindeswohls zu beenden - bei fehlender Möglichkeit zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung auch keine Sorgerechtsentziehung "auf Vorrat" - Gegenstandswertfestsetzung
Normen
Art 6 Abs 2 S 1 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 1631b BGB, § 1666 Abs 1 BGB, § 1666 Abs 3 Nr 6 BGB
Vorinstanz
vorgehend KG Berlin, 16. August 2013, Az: 18 UF 112/13, Beschluss
vorgehend AG Pankow-Weißensee, 23. April 2013, Az: 25 F 4010/12, Beschluss
Tenor
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1. Die Beschlüsse des Amtsgerichts Pankow/Weißensee vom 23. April 2013 - 25 F 4010/12 - und des Kammergerichts vom 16. August 2013 - 18 UF 112/13 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Die Beschlüsse werden aufgehoben.
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2. Das Land Berlin hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
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3. Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.
Gründe
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Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, der Gesundheitssorge und des Rechts zur Beantragung von Hilfen zur Erziehung für seinen 2004 geborenen Sohn. Bis heute lebt er mit diesem Kind in einem gemeinsamen Haushalt. Die Kindesmutter starb als das Kind anderthalb Jahre alt war.
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I.
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1. a) Nach der Einschulung im August 2010 entwickelte das Kind sehr gewalttätige Wutausbrüche, bei denen es mehrere Erwachsene verletzte. Die Beschulung wurde aufgrund anhaltender Schwierigkeiten zunächst reduziert und Anfang 2011 eingestellt.
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Ab Oktober 2010 fand eine ambulante Psychotherapie statt, dort wurden eine emotionale Störung des Kindesalters, eine Störung des Sozialverhaltens und eine Selbstwertproblematik diagnostiziert. Seit Ende 2010 ist das Kind außerdem in psychiatrischer Behandlung, dort wurde eine phobische Störung mit Wutanfällen diagnostiziert, das Kind erhält Psychopharmaka.
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Im Juni und Juli 2011 wurde das Kind in einer Kinder- und Jugendpsychiatrischen Klinik teilstationär behandelt, dort diagnostizierte man eine emotionale Störung mit Trennungsangst im Kindesalter und eine Anpassungsstörung mit gemischter Störung von Gefühlen und Sozialverhalten. Die Ärzte beobachteten eine auffällige Irritierbarkeit durch Veränderungen im häuslichen oder tagesklinischen Umfeld, die zu impulsiven Durchbrüchen und Weglaufen führte. Dem Beschwerdeführer falle es schwer, dem Kind Strukturen und Regeln, Halt und Orientierung zu vermitteln. Nach Abschluss der Behandlung empfahl die Klinik den Wechsel in ein Schulprojekt sowie eine weitere ambulante Psychotherapie und die Fortsetzung der Familienhilfe; auch eine gemeinsame Unterbringung von Vater und Sohn in einem Familienprojekt sei denkbar.
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Im Anschluss an die tagesklinische Behandlung wechselte das Kind ab August 2011 in ein teilstationäres, pädagogisch-psychologisch betreutes Schulprojekt. Die Einrichtung beendete die Hilfe im März 2012, weil sich die Situation nicht verbesserte und das Kind sich selbst und andere gefährdete. Die Einrichtung berichtete, dem Kind gehe es schlecht. Der Beschwerdeführer löse Verlassensängste aus, verunsichere das Kind und böte keine klare Orientierung. Das Kind dominiere den Beschwerdeführer und fühle sich als dessen Verbündeter im Kampf gegen eine diffuse Bedrohung. Es erlebe sich durch seine Wutausbrüche, die es auch gezielt einsetze, als mächtig; Dauer und Intensität der Ausbrüche nähmen zu. Der Beschwerdeführer sei außerstande, seine Beziehung zum Kind zu bearbeiten oder die kindlichen Bedürfnisse empathisch zu empfinden; er neige dazu, die Verantwortung für die Erziehung abzugeben.
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b) Nach dem Scheitern des Schulprojektes wurde im April 2012 auf Veranlassung des Jugendamts das beschwerdegegenständliche Hauptsacheverfahren zur Entziehung von Teilbereichen des Sorgerechts vor dem Amtsgericht eingeleitet.
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Ab Mai 2012 fand eine Einzelbeschulung von einer Schulstunde täglich statt, bei der das Kind unkonzentriert, wenig motiviert und trotzig erlebt wurde.
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Das Amtsgericht holte ein psychologisches Sachverständigengutachten ein, das im Oktober 2012 vorgelegt wurde. Die Sachverständige empfahl eine stationäre Hilfe für das Kind. Wegen der engen Bindung des Kindes an den Beschwerdeführer solle das Kind vorzugsweise gemeinsam mit dem Vater in einer Eltern-Kind-Einrichtung aufgenommen werden. Sollte der Beschwerdeführer eine solche Hilfe nicht annehmen, solle eine "stationäre Pflege" allein für das Kind erfolgen.
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In einer mündlichen Verhandlung im November 2012 erklärte der Beschwerdeführer, er bemühe sich um eine teilstationäre (tagesklinische) Behandlung des Kindes in einer Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters. Das Jugendamt stellte in Aussicht, bei Vorliegen einer positiven Prognose der Tagesklinik könne eine "Clearingstelle" Vater und Kind für maximal drei Monate aufnehmen, danach komme ein Wechsel von Vater und Sohn in ein Familienwohnprojekt in Betracht.
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Der Beschwerdeführer begab sich im Januar 2013 mit dem Sohn wie vereinbart in psychologische/psychiatrische Behandlung, die aber bereits nach drei Wochen wegen Verhaltenseskalationen des Kindes mit Fremd- und Eigengefährdung sowie massiver Sachbeschädigung abgebrochen wurde. Die Ärzte empfahlen eine Unterbringung in einer stationären Eltern-Kind-Einrichtung oder eine Unterbringung des Kindes "unter geschlossenen Bedingungen im Jugendhilfebereich", wobei eine gemeinsame Unterbringung von Beschwerdeführer und Kind befürwortet wurde.
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Das Jugendamt und der Beschwerdeführer suchten nach einer geeigneten Einrichtung. Mitte März 2013 stellte sich heraus, dass bis Anfang 2014 keine Plätze für eine gemeinsame Unterbringung des Beschwerdeführers mit dem Kind zur Verfügung standen. Ende März 2013 teilte das Jugendamt mit, auch eine Aufnahme des Kindes allein in einer Jugendhilfeeinrichtung sei aufgrund der Verhaltensweisen des Kindes und seines Auftretens derzeit "nicht vorstellbar". Es gebe keine geschlossenen Jugendhilfeeinrichtungen für Kinder unter 10 Jahren. Ein Verbleib im Haushalt des Beschwerdeführers sei aber auch nicht möglich, weil es kein Angebot für eine Beschulung gebe und eine Gefährdung bestehe. Eine "intensive psychologisch/psychiatrische Untersuchung zu den Ursachen" des kindlichen Verhaltens inklusive der Einflussnahme durch den Beschwerdeführer beziehungsweise eine umgehende "stationäre Diagnostik in einer geschlossenen psychiatrischen Kinderklinik" sei erforderlich; ansonsten könne es kein adäquates stationäres Jungendhilfeangebot für das Kind geben. Sollte der Beschwerdeführer damit nicht einverstanden sein, müsse das Sorgerecht insoweit entzogen werden.
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Der Beschwerdeführer stellte währenddessen seinen Sohn ab Februar 2013 einem weiteren Kinder- und Jugendpsychiater vor. Er legte außerdem eine Stellungnahme der langjährigen Kinder- und Jugendpsychiaterin und Psychotherapeutin des Kindes vor, die von einer isolierten Unterbringung des Kindes abriet, weil eine Trennung das Kind psychisch sehr stark belasten würde.
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Das Amtsgericht forderte den Beschwerdeführer auf, zu erklären, ob er die Genehmigung einer geschlossenen Unterbringung des Kindes nach § 1631b BGB beantragen wolle. Dies lehnte der Beschwerdeführer am 11. April 2013 ab.
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Mit angegriffenem Beschluss vom 23. April 2013 entzog das Amtsgericht Pankow/Weißensee dem Beschwerdeführer daraufhin das Recht zur Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitssorge und Beantragung von Erziehungshilfen und übertrug es auf das Jugendamt Mitte von Berlin als Pfleger. Das Kindeswohl sei bei einem Verbleib im Haushalt des Beschwerdeführers gefährdet, eine kindeswohlentsprechende Entwicklung sei dort nicht gewährleistet. Die Voraussetzungen des § 1666 BGB lägen, wie das Amtsgericht näher darlegt, nach dem ausführlichen und überzeugenden Sachverständigengutachten vor. Die Situation des Kindes könne nur noch außerhalb des bestehenden Familiensystems verbessert werden, erforderlich sei eine stationäre Unterbringung allein des Kindes in einer stark strukturierten und begrenzenden Maßnahme, voraussichtlich unter geschlossenen Bedingungen. Zwar sei der Beschwerdeführer kooperativ und derzeit stehe noch keine geeignete Einrichtung zur Verfügung. Allerdings sei das Verhalten des Beschwerdeführers in der Vergangenheit oft schwankend gewesen, er habe seine Zustimmung zu einer Unterbringung häufig zurückgezogen und starke Vorbehalte gegen eine Trennung des Kindes von ihm geäußert. Durch den Sorgerechtsentzug solle eine zuverlässige und zeitnahe Umsetzung von Hilfen ermöglicht werden, sobald eine Einrichtung gefunden sei.
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Das Jugendamt beließ das Kind anschließend im Haushalt des Beschwerdeführers.
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c) Im Beschwerdeverfahren legte der Beschwerdeführer eine fachärztliche Stellungnahme des Kinderarztes, Kinder- und Jugendpsychiaters und Psychologen vor, der das Kind seit einigen Wochen behandelte, seine Diagnosen abgeschlossen hatte und keine Indikation für einen stationären Klinikaufenthalt sah. Im Juli 2013 teilte der Beschwerdeführer dem Kammergericht mit, das Jugendamt habe bisher darauf verzichtet, eine Unterbringung einzuleiten; es habe das Kind lediglich dem Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienst vorgestellt.
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Das Kammergericht bestätigte die teilweise Entziehung des Sorgerechts mit angegriffenem Beschluss vom 16. August 2013. Es nimmt Bezug auf die nach seiner Einschätzung zutreffenden Ausführungen der angefochtenen Entscheidung und ergänzt diese. Durch die Entziehung des Sorgerechts werde erreicht, dass Maßnahmen zur Besserung der Lage des Kindes konsequent verfolgt werden könnten. Inzwischen lasse die Herausnahme größere Vorteile erwarten als ein Verbleib im väterlichen Haushalt, auch wenn dies für das Kind und den Vater schwierig werde. Nachdem eine gemeinsame Unterbringung von Vater und Kind derzeit augenscheinlich nicht erreicht werden könne, müsse eine Lösung gefunden werden, die das Kammergericht vor allem in einer geschlossenen psychiatrischen Unterbringung sieht. In einer psychiatrischen Einrichtung könnten durch die ärztliche Betreuung auch psychiatrische Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Die Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung sei jedoch nicht wegen einer psychiatrischen Erkrankung indiziert, sondern weil eine ausreichend konsequente Betreuung des Kindes unter Umständen nur in einer solchen Einrichtung verfolgt werden könne. Hier gehe es nicht um eine schlichte psychiatrische Klinikunterbringung, sondern um einen Sonderfall. Die Entscheidung im Einzelnen sei dem Sorgeberechtigten zu überlassen. Dass das Jugendamt bisher darauf verzichte, das Kind in eine geschlossene psychiatrische Abteilung einzuweisen, ändere nichts daran, dass der Beschwerdeführer mit der Erziehung überfordert sei. Es sei nicht Ergebnis der Ermittlungen, dass die Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung durchgesetzt werden müsse, sondern nur, dass dies eine wichtige Option sei. Es sei Sache des nunmehr bestellten Pflegers, die weitere Unterbringung des Kindes zu regeln.
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2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Er hält die Maßnahme für unverhältnismäßig. Zum einen sei das Sorgerecht entzogen worden, nachdem der Beschwerdeführer sich geweigert hatte, die Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie zu beantragen, die das Jugendamt zur weiteren Diagnose geplant hatte. Es sei aber nicht ersichtlich, weshalb zur weiteren Diagnose eine geschlossene Unterbringung erforderlich sei - auch das Jugendamt habe sich später an den Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienst gewendet, statt eine stationäre Unterbringung einzuleiten. Es sei unverhältnismäßig, das Sorgerecht zu entziehen, weil die Eltern eine nicht gebotene Maßnahme unterließen. Zum anderen hätten zum Zeitpunkt der Sorgerechtsentziehung keine geeigneten Mittel zur Verfügung gestanden, um die Kindeswohlgefährdung zu beenden. Bis Anfang 2014 gebe es keine Plätze in einer Eltern-Kind-Einrichtung, die nach Ansicht aller Fachleute die beste Lösung wäre. Die alleinige Unterbringung in einer geschlossenen Kinder- und Jugendhilfemaßnahme sei frühestens ab dem 10. Lebensjahr, mithin ab August 2014 möglich. Eine Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie sei zur weiteren Diagnose nicht erforderlich. Eine psychiatrische Unterbringung des Kindes allein sei außerdem mit gewichtigen Nachteilen verbunden, die die Fachgerichte nicht ausreichend einbezogen hätten. Soweit das Kammergericht von einem "Sonderfall" der geschlossenen Unterbringung spreche, böten weder § 1666 BGB noch § 1631b BGB eine geeignete gesetzliche Grundlage. Soweit das Kammergericht ausführe, die geschlossene Psychiatrie sei "nur eine Option", gehe es ohne eigene Ermittlungen über die vom Jugendamt benannten Betreuungsalternativen hinaus. Gegen den ausdrücklichen Willen des Beschwerdeführers hätte auch nicht das Jugendamt zum Vormund bestellt werden dürfen, die Auswahl eines Berufsvormundes wäre insoweit ein milderes Mittel gewesen.
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Das Jugendamt leitete weiterhin keine Fremdunterbringung, insbesondere keine stationäre psychiatrische Diagnostik ein. Das Kind, das nach wie vor im väterlichen Haushalt lebt, besucht seit August 2013 mit Unterstützung von Schulhelfern die Regelschule. Die ambulante Psychotherapie wird fortgesetzt.
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3. Dem Senat von Berlin, der Verfahrensbeiständin des Kindes aus dem fachgerichtlichen Verfahren sowie dem Jugendamt Mitte von Berlin als Ergänzungspfleger des Kindes wurde Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Die Akten des fachgerichtlichen Verfahrens lagen dem Bundesverfassungsgericht vor.
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II.
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Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt.
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Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Elterngrundrechts des Beschwerdeführers geboten, § 93a Abs. 2 Buchstabe b) BVerfGG. Zu dieser Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine teilweise Entziehung des Sorgerechts durch das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt sind und sich die Verfassungsbeschwerde anhand dieser Maßstäbe als offensichtlich begründet erweist, § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG.
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1. Die Entscheidung des Kammergerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Elternrecht aus Art. 6 Absatz 2 Satz 1 GG.
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a) Die Entscheidung betrifft das Elternrecht des Beschwerdeführers. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Der Schutz des Elternrechts erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts (vgl. BVerfGE 84, 168 180>; 107, 150 173>). Die angegriffene Entscheidung des Kammergerichts hält die Entziehung wesentlicher Bestandteile des Sorgerechts durch das Amtsgericht aufrecht und greift darum mit hoher Intensität in das Elterngrundrecht des Beschwerdeführers ein. Dass das Jugendamt den Sohn des Beschwerdeführers bisher in dessen Haushalt belassen hat, ändert daran nichts. Zum einen ist der Beschwerdeführer bereits durch die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, der Gesundheitssorge und des Rechts zur Beantragung von Hilfen zur Erziehung an sich erheblich belastet, weil ihn dies in der Ausübung seines Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG auch dann merklich einschränkt, wenn das Kind weiterhin bei ihm lebt. Zum anderen muss der Beschwerdeführer jederzeit mit der tatsächlichen Herausnahme des Sohnes aus seinem Haushalt rechnen, weil das Jugendamt diese ohne weitere Mitwirkung des Familiengerichts in Ausübung des ihm übertragenen Aufenthaltsbestimmungsrechts herbeiführen kann.
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b) Der Eingriff ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt, weil er unverhältnismäßig ist.
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aa) Allerdings dient die Sorgerechtsentziehung einem verfassungsrechtlich legitimen Zweck, weil damit eine nachhaltige Gefährdung des Kindes in seinem körperlichen, geistigen und seelischen Wohl abgewendet werden soll (vgl. BVerfGE 60, 79 91>). Das Kammergericht ist in verfassungsrechtlich tragfähiger Weise davon ausgegangen, dass das Kindeswohl im Haushalt des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung in einem Ausmaß gefährdet war, das eine Trennung des Kindes von seinen Eltern rechtfertigen kann.
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bb) Die Entscheidung des Kammergerichts genügt jedoch nicht den weiteren Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Dafür müssten sich die Entziehung des Sorgerechts und die damit bezweckte Fremdunterbringung zur Beseitigung der festgestellten Gefahr eignen und es dürften keine milderen Mittel erkennbar sein, mit denen der Gefahr genauso wirksam begegnet werden könnte (vgl. BVerfGK 19, 295 303>).
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Diese Anforderungen sind nicht erfüllt. Die teilweise Übertragung des Sorgerechts zielt darauf, die Fremdunterbringung des Kindes zu ermöglichen. Zwar war eine Fremdunterbringung des Kindes zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung generell geeignet, dessen Lage zu verbessern (1). Durch die Übertragung des Sorgerechts auf das Jugendamt kann die angestrebte Fremdunterbringung des Kindes hier jedoch nicht erreicht werden, so dass die Entziehung des Sorgerechts ungeeignet ist, die Kindeswohlgefahr abzuwenden (2).
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(1) Keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen gegen die Annahme des Kammergerichts, dass eine Fremdunterbringung generell geeignet ist, die dem Kind beim Verbleib im Haushalt des Beschwerdeführers drohenden Gefahren abzuwenden.
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An der Eignung der Sorgerechtsentziehung fehlt es allerdings, wenn diese und die dadurch vorbereitete Trennung des Kindes von den Eltern mit anderweitigen Beeinträchtigungen des Kindeswohls einhergehen, welche durch die Beseitigung der festgestellten Gefahr nicht aufgewogen werden (vgl. BVerfGK 19, 295 303>; BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2011 - XII ZB 247/11 -, juris, Rn. 29). Insoweit ist die Entscheidung des Kammergerichts jedoch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Obwohl hier alle Beteiligten in der Einschätzung übereinstimmten, dass das Kind durch die Trennung vom Beschwerdeführer stark belastet würde, ist das Kammergericht angesichts der erheblichen Gefährdung des Kindes und der Hilflosigkeit des Vaters gegenüber seinem Kind im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nachvollziehbar davon ausgegangen, dass eine Herausnahme größere Vorteile erwarten lasse als der Verbleib des Kindes im Haushalt des Beschwerdeführers.
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(2) Jedoch kann die Übertragung des Sorgerechts auf das Jugendamt erkennbar nicht dazu beitragen, die angestrebte Fremdunterbringung des Kindes herbeizuführen, sodass die Entscheidung des Kammergerichts im Ergebnis nicht geeignet war, die Gefahr abzuwenden, die dem Kind beim Verbleib im väterlichen Haushalt drohte. Das Kammergericht konnte weder darauf vertrauen, dass das Jugendamt von sich aus die Fremdunterbringung herbeiführen würde (a). Noch konnte es mit der Möglichkeit gerichtlicher Durchsetzung einer Fremdunterbringung rechnen (b).
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(a) Weil abzusehen war, dass das Jugendamt als Ergänzungspfleger in nächster Zeit keine Fremdunterbringung des Kindes herbeiführen würde, durfte sich das Kammergericht hier nicht mit der Feststellung zufrieden geben, die weitere Unterbringung des Kindes zu regeln, sei Sache des nunmehr bestellten Ergänzungspflegers.
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(aa) Die (teilweise) Entziehung und Übertragung des Sorgerechts ist zur Beseitigung der Gefahr für ein Kind grundsätzlich nur dann geeignet, wenn der Ergänzungspfleger oder Vormund mithilfe der übertragenen Teilbereiche des Sorgerechts konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Situation des Kindes einleiten, das heißt den als gefährlich definierten Zustand beenden oder wenigstens zu dessen Beendigung beitragen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 1986 - IVb ZB 87/85 -, juris, Rn. 17 ff.; BayObLG, Beschluss vom 8. Dezember 1994 - 1Z BR 147/94 -, juris, Rn. 15 ff.). Hält das Familiengericht eine Fremdunterbringung für geeignet, die Situation des Kindes zu verbessern, und bestellt es das Jugendamt für Teilbereiche des Sorgerechts zum Ergänzungspfleger, kann es zwar üblicherweise darauf vertrauen, das Jugendamt werde zeitnah zu einem entsprechenden Gebrauch des Sorgerechts bereit und in der Lage sein. Eine genauere Eignungsprüfung ist jedoch dann veranlasst, wenn deutlich erkennbar ist, dass das Jugendamt derzeit keine Maßnahmen zur Beseitigung der Kindeswohlgefahr ergreift - sei es, weil keine Handlungsmöglichkeit besteht, sei es, weil das Jugendamt denkbare Maßnahmen nicht für angezeigt hält (vgl. BayObLG, Beschluss vom 8. Dezember 1994 - 1Z BR 147/94 -, juris, Rn. 16 f.).
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(bb) Angesichts der konkreten Umstände konnte das Kammergericht hier nicht darauf vertrauen, dass das Jugendamt mithilfe der ihm übertragenen Teile des Sorgerechts von sich aus zeitnah eine zur Beseitigung der Kindeswohlgefahr geeignete Fremdunterbringung des Kindes herbeiführen würde.
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Ende März 2013 hatte das Jugendamt dem Amtsgericht mitgeteilt, dass eine Aufnahme des Kindes in einer Jugendhilfeeinrichtung aufgrund seiner Verhaltensweisen und seines Auftretens derzeit "nicht vorstellbar" sei. Auch die Familientagesklinik sehe bei dem Kind den dringenden Bedarf einer stark strukturierten und begrenzenden Maßnahme, die derzeit nur unter geschlossenen Bedingungen im Jugendhilfebereich vorstellbar erscheine. Es gebe aber keine geschlossenen Jugendhilfeeinrichtungen für Kinder unter 10 Jahren. Eine gemeinsame Unterbringung des Beschwerdeführers mit seinem Sohn sei mangels zeitnahen Angebotes nicht möglich.
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Auch die Unterbringung des Kindes in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung durch das Jugendamt konnte nicht erwartet werden. Das Kammergericht hat die Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung als "wichtige Option" angesehen, weil eine ausreichend konsequente Betreuung des Kindes unter Umständen nur in einer solchen Einrichtung verfolgt werden könne. Jedoch konnte das Kammergericht nicht damit rechnen, dass das Jugendamt als Ergänzungspfleger das Kind mit dem Ziel einer längerfristigen Betreuung in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung unterbringen würde. Das Jugendamt hatte eine solche Unterbringung in den fast vier Monaten, die seit der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, der Gesundheitssorge und des Rechts zur Beantragung von Hilfen zur Erziehung vergangen waren, nicht eingeleitet. Ohnehin hatte das Jugendamt im amtsgerichtlichen Verfahren lediglich erklärt, es strebe die geschlossene Unterbringung zu diagnostischen Zwecken an, so dass von vornherein nicht davon auszugehen war, es werde die Betreuung in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung als Maßnahme der Fremdunterbringung an sich verfolgen.
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(b) Auch die Gerichte konnten das Jugendamt nicht ohne Weiteres zur Einleitung konkreter Maßnahmen der Fremdunterbringung verpflichten. Ob die Familiengerichte im Rahmen der ihnen nach § 1837 Abs. 2 BGB obliegenden Aufsicht Möglichkeiten haben, den Ergänzungspfleger (das heißt hier das Jugendamt) zu verpflichten, in Ausübung des ihm übertragenen Rechts zur Beantragung öffentlicher Hilfen eine bestimmte Maßnahme der Jugendhilfe (§§ 27 ff. SGB VIII) - einschließlich der für die Fremdunterbringung des Kindes relevanten Heimerziehung oder sonstigen betreuten Wohnformen (§ 34 SGB VIII) - zu beantragen, erscheint ebenso ungewiss wie eine Befugnis der Familiengerichte, das Jugendamt unmittelbar in seiner Eigenschaft als für die Jugendhilfe zuständige Behörde zur Unterbringung des Kindes in einer bestimmten Einrichtung nach § 34 SGB VIII zu verpflichten. Auch die verwaltungsgerichtliche Durchsetzbarkeit einer geeigneten Fremdunterbringung des Kindes durch das Jugendamt nach § 34 SGB VIII ist hier nicht gesichert. Das Recht zur Beantragung öffentlicher Hilfen wurde hier auf eben dieses Jugendamt übertragen. Sollten Meinungsverschiedenheiten zwischen den Behördenteilen, denen das Recht zur Beantragung öffentlicher Hilfen übertragen wurde, und jenen bestehen, die für deren Gewährung zuständig sind, wären diese - weil innerhalb des Jugendamts - einer verwaltungsgerichtlichen Klärung nicht zugänglich. Dass der Beschwerdeführer in einem solchen Fall trotz Übertragung dieses Teils des Sorgerechts auf das Jugendamt aus seinem fortbestehenden Elterngrundrecht selbst berechtigt bleibt, den Anspruch auf Hilfen zur Erziehung zu beantragen und gegebenenfalls im Klagewege durchzusetzen, ist in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte bisher nicht geklärt. Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob in dieser Rechtslage eine verfassungswidrige Rechtsschutzlücke zu sehen ist, jedenfalls bietet sie keine verlässlichen Mechanismen zur Herbeiführung einer Fremdunterbringung des Kindes gegen den Standpunkt des Jugendamts, die den Beschluss des Kammergerichts rechtfertigen könnten.
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2. Auch die Entscheidung des Amtsgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG.
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Zwar ist die Annahme des Amtsgerichts, die Kindeswohlgefährdung im väterlichen Haushalt habe ein Ausmaß angenommen, das eine Trennung des Kindes vom Beschwerdeführer grundsätzlich rechtfertigen könne, verfassungsrechtlich ebenso wenig zu beanstanden wie die Einschätzung des Amtsgerichts, dass eine Fremdunterbringung des Kindes generell geeignet sei, dessen Situation zu verbessern.
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Der Sorgerechtsentzug war hier jedoch nicht geeignet, die damit bezweckte Fremdunterbringung zu erreichen. Das Amtsgericht ging selbst davon aus, "dass derzeit noch keine geeignete Einrichtung zur Verfügung steht". Durch den Sorgerechtsentzug sollte vielmehr gewährleistet werden, "dass die für [das Kind] dringend erforderliche Hilfe zeitnah und zuverlässig umgesetzt werden kann, sobald eine geeignete Einrichtung gefunden worden ist". Dies genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Entziehung des Sorgerechts nicht.
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Inwiefern ein solcher Sorgerechtsentzug "auf Vorrat" dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebot überhaupt genügen kann, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Grundsätzlich dürfte es Jugendamt und Familiengericht allerdings auch ohne vorrätige Sorgerechtsentziehung möglich sein, in sehr kurzer Zeit gemeinsam eine Sorgerechtsübertragung herbeizuführen, sobald sich eine Fremdunterbringungsmöglichkeit realistisch abzeichnet. Jedenfalls ist ein Sorgerechtsentzug auf Vorrat dann nicht zu rechtfertigen, wenn - wie hier - für das Familiengericht bereits deutlich erkennbar ist, dass die zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung erforderliche Fremdunterbringung des Kindes in näherer Zeit kaum möglich sein wird.
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3. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 366 ff.>).
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