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BFH 27.12.2021 - X S 35/21
BFH 27.12.2021 - X S 35/21 - Streitwert für die Anfechtung einer Aufforderung des FA, die Steuererklärung in elektronischer Form zu übermitteln
Normen
§ 52 Abs 1 GKG, § 52 Abs 2 GKG, § 52 Abs 3 GKG, § 63 Abs 2 S 2 GKG
Vorinstanz
vorgehend BFH, 28. Oktober 2020, Az: X R 36/19, Urteil
Leitsatz
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NV: Für ein Verfahren, in dem es um die Rechtmäßigkeit einer Aufforderung des FA geht, die Steuererklärung in elektronischer Form zu übermitteln, ist jedenfalls dann der Auffangstreitwert --und nicht der für die Anschaffung eines Computers erforderliche Betrag-- anzusetzen, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Kläger nicht über einen Computer verfügen.
Tenor
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Der Streitwert für das Revisionsverfahren X R 36/19 wird auf 5.000 € festgesetzt.
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Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Tatbestand
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I.
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Die Antragsteller führten unter dem Aktenzeichen X R 36/19 ein Revisionsverfahren wegen der gegen sie ergangenen Aufforderung zur Übermittlung der Einkommensteuererklärung 2017 in elektronischer Form. Die Revision hatte Erfolg. Der Senat hob das angefochtene vorinstanzliche Urteil des Thüringer Finanzgerichts (FG) auf, stellte fest, dass die entsprechende Aufforderung des Antragsgegners (Finanzamt --FA--) rechtswidrig sei, und legte die Kosten des gesamten Verfahrens dem FA auf (Urteil vom 28.10.2020 - X R 36/19, BFHE 271, 199, BStBl II 2021, 841).
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Das FG legte seinem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17.08.2021 einen Streitwert von 1.500 € zugrunde und setzte die vom FA an die Antragsteller zu zahlenden Kosten auf 448,04 € fest. Während des anschließenden Erinnerungsverfahrens begründete das FG den von ihm für zutreffend gehaltenen Streitwert damit, dass dieser den Kosten für die Anschaffung eines Computers mit einem Anti-Viren-Programm sowie der anteiligen Kosten einer Internetverbindung und eines Computerkurses entspreche. Es regte allerdings an, beim Bundesfinanzhof (BFH) eine Streitwertfestsetzung zu beantragen.
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Die Antragsteller tragen vor, ihnen seien in dem Verfahren Rechtsberatungskosten in Höhe von 17.814,30 € entstanden. Die festgesetzte Steuer habe sich auf 29.604,41 € belaufen. Die Sache sei nicht nur von grundsätzlicher Bedeutung gewesen, sondern betreffe jeden Veranlagungszeitraum erneut und könne auch Auswirkungen auf das Zwangsmittel-, Vollstreckungs- und Steuerstrafrecht haben. Deshalb sei weder der vom FG geschätzte Streitwert noch der gesetzliche Auffangstreitwert von 5.000 € sachgerecht. Vielmehr sei von dem Jahressteuerbetrag (ca. 30.000 €) auszugehen und dieser Wert im Hinblick auf die zahlreichen künftigen Veranlagungszeiträume, in denen dieselbe Rechtsfrage von Bedeutung sei, zu vervielfachen. Anschließend sei der Streitwert noch um einen Zuschlag wegen der mittelbaren Auswirkungen auf das Zwangsmittel-, Vollstreckungs- und Steuerstrafrecht zu erhöhen.
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Mit dem vom FG angesetzten Streitwert sei keine qualifizierte anwaltliche Vertretung zu erlangen. Aus dem Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit folge, dass auch die Kosten für die Einschaltung spezialisierter Anwälte erstattungsfähig sein müssten.
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Die Antragsteller haben keinen konkreten Antrag gestellt.
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Das FA hat sich zu dem Antrag nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
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II.
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Der Antrag ist zulässig und teilweise begründet.
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1. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis gegeben.
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Gemäß § 63 Abs. 2 Satz 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) wird der Streitwert in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit nur dann förmlich festgesetzt, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse dies beantragt oder das Gericht dies für angemessen hält. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzt der Antrag eines Beteiligten auf förmliche Festsetzung des Streitwerts ein Rechtsschutzbedürfnis voraus. Daran fehlt es, wenn der Streitwert eindeutig aus dem gestellten Sachantrag und der bisherigen BFH-Rechtsprechung ermittelt werden kann. Demgegenüber besteht ein Rechtsschutzbedürfnis, wenn die Höhe des Streitwerts nicht nur auf der Grundlage eines einfachen Rechenvorgangs ermittelt werden kann und zwischen den Beteiligten umstritten ist, oder Fälle der vorliegenden Art in der Rechtsprechung noch nicht entschieden sind (zum Ganzen Senatsbeschluss vom 18.01.2017 - X S 22/16, BFH/NV 2017, 615, Rz 11 ff., m.w.N.).
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Dies ist hier der Fall. Fälle der vorliegenden Art sind in der Rechtsprechung noch nicht entschieden worden; der Streitwert kann auch nicht durch einen einfachen Rechenvorgang ermittelt werden.
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2. Der Streitwert für das Verfahren X R 36/19 beträgt 5.000 €.
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a) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Betrifft der Antrag eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 Satz 1 GKG). Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5.000 € anzunehmen (§ 52 Abs. 2 GKG).
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b) § 52 Abs. 3 GKG ist vorliegend nicht anwendbar. Die Antragsteller stritten im Klage- und Revisionsverfahren mit dem FA weder über eine bezifferte Geldleistung noch über einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt. Vielmehr ging es um die Verpflichtung zur Übermittlung einer Einkommensteuererklärung in elektronischer Form. Der Wert dieser Verpflichtung lässt sich nicht unmittelbar beziffern.
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c) Maßgebend ist danach grundsätzlich die sich aus dem Antrag der Antragsteller für sie ergebende Bedeutung der Sache (§ 52 Abs. 1 GKG). Das FG hat diese Bedeutung in dem finanziellen Aufwand für die Anschaffung eines Computers samt Nebenleistungen gesehen und diesen Aufwand auf 1.500 € geschätzt.
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Dem ist nicht zu folgen. Den Antragstellern ging es in grundsätzlicher Weise darum, ihre Einkommensteuererklärung nicht in elektronischer Form an das FA übermitteln zu müssen. Die Prozessakten enthalten demgegenüber keine Anhaltspunkte dafür, dass sie bisher nicht über einen Computer verfügt oder keine Computerkenntnisse hätten. Die Kosten für die Anschaffung eines Computers und die Erlangung der entsprechenden Kenntnisse sind daher im Streitfall kein geeigneter Maßstab für die Abschätzung der Bedeutung der Sache.
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Auf der anderen Seite ist die Bedeutung der Sache auch nicht --wie die Antragsteller meinen-- in Höhe der gesamten für das Jahr 2017 festgesetzten Einkommensteuer samt Nebenleistungen (ca. 30.000 €) anzunehmen. Mit dem --vom Senat im Verfahren X R 36/19 ausgesprochenen-- Wegfall der vom FA angenommenen Pflicht, die Einkommensteuererklärung in elektronischer Form einzureichen, ist nicht etwa zugleich die Pflicht zur Einkommensteuerzahlung weggefallen. Im Gegenteil war die Höhe der für 2017 festzusetzenden Einkommensteuer zwischen den Beteiligten im Revisionsverfahren nicht streitig.
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Auch ein anderer nach Ermessen bestimmbarer Maßstab für die Bezifferung der finanziellen Bedeutung des Verfahrens für die Antragsteller i.S. des § 52 Abs. 1 GKG ist nicht ersichtlich. Insbesondere folgt ein solcher Maßstab nicht aus dem von den Antragstellern erwähnten Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit. Vielmehr sind die gesetzlichen Regelungen über die Bemessung des Streitwerts grundsätzlich typisierend und eröffnen keinen Spielraum, für eine --nach dem Vortrag der Antragsteller-- besonders qualifizierte Prozessvertretung Zuschläge anzusetzen.
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d) Da der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts somit keine genügenden Anhaltspunkte bietet, ist ein Streitwert von 5.000 € anzunehmen (Auffangstreitwert nach § 52 Abs. 2 GKG).
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Dieser Auffangstreitwert kommt auch in vergleichbaren Fallgestaltungen zur Anwendung, so beispielsweise beim Streit über das Bestehen einer Steuererklärungspflicht dem Grunde nach bei nicht streitigen Besteuerungsgrundlagen (FG Berlin, Urteil vom 15.03.1988 - VII 27/88, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1988, 504; FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 29.10.1996 - 1 K 52/96, EFG 1997, 138), über das Bestehen einer Buchführungspflicht (BFH-Beschlüsse vom 30.09.1983 - IV R 250/82, BFHE 139, 230, BStBl II 1984, 39, und vom 14.05.1985 - IV R 191/83, BFH/NV 1987, 316), über einen Antrag auf kostenfreie Zusendung amtlicher Steuererklärungsvordrucke (BFH-Beschluss vom 25.03.2003 - VII B 261/01, BFH/NV 2003, 938) oder über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gemeinnützigkeit (BFH-Beschluss vom 23.11.1983 - I E 3/83).
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e) Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist der Streitwert nicht im Hinblick auf die --der Sache nach zweifelsfrei gegebene-- Bedeutung des Verfahrens für künftige Veranlagungszeiträume zu erhöhen. Eine solche Streitwerterhöhung auf maximal das Dreifache des ursprünglichen Werts lässt § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG nur zu, wenn der Antrag offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte hat. Vorliegend geht es aber nicht um bezifferte Geldleistungen oder hierauf bezogene Verwaltungsakte (vgl. bereits oben b).
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3. Gerichtsgebühren werden mangels eines gesetzlichen Gebührentatbestands nicht erhoben.
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