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BFH 04.09.2019 - I R 11/17
BFH 04.09.2019 - I R 11/17 - Kein Zwischenurteil bei fehlender Entscheidungserheblichkeit
Normen
§ 99 Abs 2 FGO, § 8a Abs 2 KStG 2002, Art 3 Abs 1 GG, KStG VZ 2008
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 26. Januar 2017, Az: 4 K 4106/16, Zwischenurteil
Leitsatz
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NV: Über eine nicht entscheidungserhebliche Rechtsfrage darf das FG nicht durch Zwischenurteil entscheiden .
Tenor
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Auf die Revision der Klägerin wird das Zwischenurteil des Finanzgerichts Berlin Brandenburg vom 26.01.2017 - 4 K 4106/16 aufgehoben.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.
Tatbestand
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I.
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Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine nach luxemburgischem Recht gegründete Gesellschaft mbH. Gesellschafter sind die A Ltd. zu 25 %, die B S.à.r.l. zu 25 % und die C Ltd. zu 50 %, die weder verbundene Unternehmen noch nahestehende Personen i.S. des § 1 des Gesetzes über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen (Außensteuergesetz) sind. Gesellschaftszweck der Klägerin ist es, ein zum Preis von ... € angeschafftes inländisches Grundstück langfristig zu halten und zu verwalten. Der Kaufpreis für das Grundstück wurde im Wesentlichen durch Fremdkapital finanziert. Zur Absicherung des Darlehens gewährte die Klägerin dem Hauptdarlehensgeber, der D Bank Ltd. mit Sitz in Irland (D) zahlreiche Sicherheiten, u.a. eine Grundschuld über das Grundstück, die Sicherungsabtretung der eingehenden Mieten, die Verpfändung von Bankkonten sowie die Verpfändung von Versicherungsansprüchen. Zusätzlich wurden die Gesellschaftsanteile der Klägerin an die Bank verpfändet.
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Die Klägerin erwirtschaftete im Jahr 2008 (Streitjahr) einen Verlust in Höhe von rund ... €; darin enthalten war ein Zinsaufwand in Höhe von rund ... €, das EBITDA der Klägerin betrug rund ... €. Aufgrund der Anwendung des § 4h des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) i.V.m. § 8a des Körperschaftsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (KStG) ergab sich für das Streitjahr ein Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von rund ... €. Nach Berücksichtigung von Verlustvorträgen betrug das zu versteuernde Einkommen rund ... €.
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Die Klägerin reichte ihre Körperschaftsteuererklärung 2008 im Dezember 2009 bei dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) ein. Sie berücksichtigte darin zwar § 4h EStG i.V.m. § 8a KStG, machte aber deutlich, dass ihrer Auffassung nach die sog. Zinsschranke nicht anwendbar sei.
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Am 10.01.2011 erließ das FA für das Streitjahr Bescheide über Körperschaftsteuer und die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2008, in denen es davon ausging, dass die Verpfändung der Gesellschaftsanteile der Klägerin an D als schädlicher Rückgriff i.S. von § 8a Abs. 2 Variante 3 KStG auf die Gesellschafterin der Klägerin, die C Ltd., anzusehen sei.
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Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin dagegen Klage vor dem Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg, welches das Verfahren zunächst mit Beschluss vom 19.12.2013 - 4 K 12163/11 bis zum Abschluss des beim erkennenden Senat anhängigen Verfahrens mit dem Az. I R 2/13 zum Ruhen brachte. Das FA erließ am 02.04.2014 aufgrund geänderten Verlustvortrags aus 2007 für das Streitjahr geänderte Bescheide, die Gegenstand des Verfahrens wurden. Nach Ergehen des Senatsurteils vom 12.08.2015 - I R 2/13 (BFH/NV 2016, 47) nahm das FG das Verfahren unter dem jetzigen Az. 4 K 4106/16 wieder auf und entschied durch Zwischenurteil, das FA sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Verpfändung der Gesellschaftsanteile der Klägerin an D als schädlicher Rückgriff i.S. von § 8a Abs. 2 Variante 3 KStG auf die C Ltd. anzusehen sei (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2017, 859).
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Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, welche diese auf die Verletzung von Bundesrecht stützt.
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Die Klägerin beantragt, das Zwischenurteil des FG Berlin-Brandenburg vom 26.01.2017 - 4 K 4106/16 aufzuheben, den Körperschaftsteuerbescheid für 2008 vom 02.04.2014 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Körperschaftsteuer in Höhe von 0 € festgesetzt wird und den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2008 vom 02.04.2014 mit der Maßgabe abzuändern, dass für das Jahr 2008 ein Verlust von ... € berücksichtigt wird.
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Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, weil das FG in verfahrensrechtswidriger Weise durch Zwischenurteil nach § 99 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu Lasten der Klägerin über die streitgegenständliche Rechtsfrage nach der Reichweite des § 8a Abs. 2 Variante 3 KStG entschieden hat, ohne sich aber mit der vorrangigen Frage auseinanderzusetzen, ob der Wortlaut des § 8a Abs. 2 Variante 3 KStG eine einschränkende Auslegung zulässt und eine solche aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten sein könnte oder ob die Norm in dem Fall, dass sie nicht einschränkend ausgelegt werden kann, überhaupt den Vorgaben der Verfassung entspricht. In einer solchen Verfahrenskonstellation, in welcher nicht feststeht, ob die entschiedene Rechtsfrage überhaupt entscheidungserheblich ist, ist es dem Senat verwehrt, in der Sache über die Revision gegen das Zwischenurteil zu erkennen.
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1. Nach § 8a Abs. 2 Variante 3 KStG ist § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b EStG nur anzuwenden, wenn die Vergütungen für Fremdkapital an einen Dritten, der auf den zu mehr als einem Viertel am Grund- oder Stammkapital beteiligten Anteilseigner oder eine diesem nahe stehende Person zurückgreifen kann, nicht mehr als 10 % der die Zinserträge übersteigenden Zinsaufwendungen der Körperschaft i.S. des § 4h Abs. 3 EStG betragen und die Körperschaft dies nachweist. Die Vorinstanz hat dazu durch Zwischenurteil (§ 99 Abs. 2 FGO) entschieden, dass die Verpfändung der Gesellschaftsanteile der Klägerin an D als schädlicher Rückgriff i.S. von § 8a Abs. 2 Variante 3 KStG auf die Gesellschafterin der Klägerin, die C Ltd., anzusehen sei, weil der Normwortlaut die bloße Rückgriffsmöglichkeit ("zurückgreifen kann") genügen lasse und der Pfandgläubiger das Recht habe, sich aus dem Pfande zu befriedigen, was der Verpfänder dulden müsse (§§ 1204, 1273 des Bürgerlichen Gesetzbuchs).
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2. Eine teleologische Reduktion des § 8a Abs. 2 Variante 3 KStG hat die Vorinstanz insoweit zwar implizit abgelehnt, sie hat aber bereits keine Ausführungen dazu gemacht, ob der Normwortlaut einer Reduktion generell entgegensteht. Auch mit der Frage, ob § 4h EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 und § 8a KStG mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) vereinbar ist oder ob unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten und angesichts des Vorlagebeschlusses des Senats vom 14.10.2015 - I R 20/15 (BFHE 252, 44, BStBl II 2017, 1240, Az. des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- 2 BvL 1/16, zu § 4h EStG 2002 i.d.F. des Gesetzes zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen --Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung-- vom 16.07.2009, BGBl I 2009, 1959, BStBl I 2009, 782 i.V.m. § 8 Abs. 1 und § 8a KStG 2002 i.d.F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14.08.2007, BGBl I 2007, 1912, BStBl I 2007, 630) sowie der von ihm gerade zu § 8a Abs. 2 Variante 3 KStG geäußerten verfassungsrechtlichen Zweifel (Senatsbeschluss vom 13.03.2012 - I B 111/11, BFHE 236, 501, BStBl II 2012, 611) eine Reduktion der Norm geboten sein könnte, hat sich das FG nicht auseinandergesetzt.
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3. Dafür, dass das FG den Normwortlaut jedenfalls nicht als eindeutig und einer Reduktion generell entgegenstehend betrachtet, spricht der Umstand, dass das FG dahinstehen ließ, ob für § 8a Abs. 2 KStG (abstrakt) ein enger oder weiter Rückgriffsbegriff gilt. Hinzu kommt, dass sich das FG mit der Verfassungsmäßigkeit des § 8a Abs. 2 Variante 3 KStG nicht auseinandergesetzt hat, was aber angesichts der Erwägungen des Senats in den Beschlüssen in BFHE 252, 44, BStBl II 2017, 1240 sowie in BFHE 236, 501, BStBl II 2012, 611 nahe gelegen hätte. Das FG hat auch nicht geprüft, ob eine Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO analog in Betracht kommt.
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4. Die von der Vorinstanz gewählte Vorgehensweise ist unter den Gegebenheiten des Streitfalls nicht statthaft. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass es auf die zu Lasten der Klägerin getroffene Entscheidung über die in Rede stehende Rechtsfrage nur dann entscheidungserheblich ankäme, wenn § 4h EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 und § 8a KStG insgesamt bzw. § 8a Abs. 2 Variante 3 KStG im Besonderen verfassungskonform wären. Ob eine Rechtsfrage entscheidungserheblich i.S. des § 99 Abs. 2 FGO ist, beurteilt sich nach dem Streitgegenstand. Demgemäß sind nur solche Streitfragen entscheidungserheblich und kommt nur dann ein Zwischenurteil zu solchen Vorfragen in Betracht, wenn über die Streitfrage mit Sicherheit auch in einem Endurteil zu entscheiden wäre (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs vom 04.02.1999 - IV R 54/97, BFHE 187, 418, BStBl II 2000, 139; vom 01.03.2001 - IV R 90/99, BFH/NV 2001, 904; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 99 FGO Rz 26). So liegt der Streitfall indessen nicht, denn dem angefochtenen Zwischenurteil lässt sich insoweit nicht entnehmen, ob das FG von der Vereinbarkeit von § 4h EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 und § 8a KStG im Allgemeinen bzw. § 8a Abs. 2 Variante 3 KStG im Besonderen mit Art. 3 Abs. 1 GG ausgeht. Nur soweit das aber der Fall wäre, käme es auf die Beantwortung der "einfach-rechtlichen" Rechtsfrage zur Auslegung von § 8a Abs. 2 Variante 3 KStG an. Ansonsten wäre sie im vorstehenden Sinne nicht entscheidungserheblich und das FG kann dann über sie nicht vorgreiflich vermittels eines Zwischenurteils entscheiden (vgl. bereits Senatsurteil vom 28.10.2015 - I R 41/14, BFH/NV 2016, 570; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 99 FGO Rz 8; Lange, a.a.O., § 99 FGO Rz 27; für den Streitfall ebenso Brühl, GmbH-Rundschau 2017, 773, 775; Neu, EFG 2017, 861).
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5. Die fehlende Entscheidungserheblichkeit und die hiernach unstatthafte Entscheidung durch das Zwischenurteil sind im Rahmen des Revisionsverfahrens vom Senat von Gerichts wegen durch Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zu berücksichtigen (Senatsurteil in BFH/NV 2016, 570). Auf die nach wie vor streitgegenständliche Rechtsfrage nach der Auslegung des § 8a Abs. 2 Variante 3 KStG kommt es dann nicht an.
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6. Mit der Aufhebung des Zwischenurteils befindet sich das Klageverfahren wieder in dem Stadium, das vor Erlass des Zwischenurteils bestanden hat, ohne dass es einer förmlichen Zurückverweisung bedarf (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2016, 570). Das FG wird nunmehr zunächst darüber zu befinden haben, ob es § 8a Abs. 2 Variante 3 KStG überhaupt für einer teleologischen Reduktion zugänglich erachtet. Sollte dies der Fall sein und sollte das FG eine Reduktion aus verfassungsrechtlichen Gründen für geboten erachten, so hätte es der Klage stattzugeben, weil § 8a Abs. 2 Variante 3 KStG dann tatbestandlich nicht erfüllt wäre. Geht das FG hingegen davon aus, dass § 8a Abs. 2 Variante 3 KStG wegen seines eindeutigen Wortlauts keiner Reduktion zugänglich ist, so hätte es zu prüfen, ob die Vorschrift den Vorgaben der Verfassung entspricht. Dabei hätte sich das FG mit den Erwägungen des Senats in den Beschlüssen in BFHE 252, 44, BStBl II 2017, 1240 und in BFHE 236, 501, BStBl II 2012, 611 auseinanderzusetzen und darüber zu befinden, ob in entsprechender Anwendung des § 74 FGO eine Aussetzung des Verfahrens bis zum Ergehen der Entscheidung des BVerfG im Verfahren 2 BvL 1/16 in Betracht kommt.
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7. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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