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BFH 12.12.2017 - VIII R 6/14
BFH 12.12.2017 - VIII R 6/14 - Rechtmäßigkeit eines Unsicherheitsabschlags von den geltend gemachten Betriebsausgaben und Vorsteuerbeträgen
Normen
§ 146 Abs 1 AO, § 146 Abs 5 AO, § 162 Abs 2 AO, § 4 Abs 3 EStG 1990, § 4 Abs 3 EStG 1997, § 169 Abs 2 AO, § 171 Abs 4 AO, § 22 UStG 1993, § 63 Abs 2 UStDV 1993, § 197 Abs 2 AO, § 125 Abs 1 AO
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 29. November 2011, Az: 5 K 5244/09, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Wird ein Antrag auf Aufschub des Prüfungsbeginns gestellt, aber nicht bis zu einem konkreten Zeitpunkt befristet, weil ein Rechtsbehelfsverfahren betrieben wird, das die Prüfungsanordnung betrifft, endet die Festsetzungsfrist zwei Jahre nach Wegfall des geltend gemachten Hinderungsgrundes für die Durchführung der Prüfung.
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2. NV: Die ordnungsgemäße Aufzeichnung der Betriebsausgaben in einer Überschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG setzt im Rahmen der allgemeinen Aufzeichnungspflicht gemäß § 146 Abs. 1 und Abs. 5 AO nur voraus, dass die Höhe der Betriebsausgaben durch Belege nachgewiesen wird; eine förmliche Aufzeichnungspflicht besteht hingegen nicht. Nur bei Vorlage geordneter und vollständiger Belege verdient eine Einnahmenüberschussrechnung jedoch Vertrauen und kann die Vermutung der Richtigkeit für sich in Anspruch nehmen.
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3. NV: Ein pauschaler Unsicherheitsabschlag für steuermindernde Umstände ist eine griffweise Schätzung der Besteuerungsgrundlagen, die in einem vernünftigen Verhältnis zu den erklärten oder nicht erklärten Einnahmen stehen muss. Es bedarf zu ihrer Rechtmäßigkeit einer ausreichenden Begründungstiefe des FG-Urteils, aus der erkennbar ist, dass und warum diese Schätzungsmethode im entschiedenen Einzelfall notwendig ist und dass sie auch im Hinblick auf die Angemessenheit des Schätzungsergebnisses allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen entspricht.
Tenor
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Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. November 2011 5 K 5244/09 aufgehoben.
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Die Sache wird an das Finanzgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens übertragen.
Tatbestand
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I.
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Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war in den Streitjahren (1995 bis 1997) u.a. als Steuerberater in einer Einzelkanzlei tätig. Er ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren anzuwendenden Fassungen --EStG--) und führte zusätzlich auf elektronischem Wege freiwillig Bücher. Im Rahmen der Umsatzbesteuerung unterlag er der Ist-Besteuerung. Er erzielte Vermietungseinkünfte aus einer umsatzsteuerpflichtig vermieteten Immobilie und aus nicht umsatzsteuerpflichtig vermieteten Immobilien.
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Die Einkommensteuererklärungen der Streitjahre reichte der Kläger im Januar 1997 (für 1995), im Mai 1998 (für 1996) und im Mai 1999 (für 1997) beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) ein. Die Umsatzsteuererklärung für 1995 reichte der Kläger am 14. Januar 1997, die Umsatzsteuererklärung für 1996 Ende April 1998 und die Umsatzsteuererklärung 1997 im Mai 1999 beim FA ein. Zudem gab der Kläger in den Streitjahren monatliche Umsatzsteuervoranmeldungen ab. Die Veranlagung erfolgte zunächst erklärungsgemäß.
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Es erging eine Prüfungsanordnung vom 15. September 1999, die die Einkommen- und Umsatzsteuer der Streitjahre umfasste. Der am 4. Oktober 1999 zu Beginn der Prüfung erschienene Betriebsprüfer verließ nach Aushändigung eines Einspruchsschreibens gegen die Prüfungsanordnung das Büro des Klägers, der zudem die Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Prüfungsanordnung beantragte. Das gegen die Prüfungsanordnung geführte Einspruchs- und Klageverfahren sowie die gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) erhobene Nichtzulassungsbeschwerde blieben erfolglos (s. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. Mai 2003 IV B 206/01, BFH/NV 2003, 1394).
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Der Außenprüfer schlug daraufhin dem Kläger mit Schreiben vom 2. September 2003 und vom 14. Oktober 2003 Termine zur Fortsetzung der Prüfung vor und forderte diesen auf, ihm Einsicht in die Unterlagen zu gewähren. Er erschien an dem von ihm vorgeschlagenen Termin am 4. November 2003 und nochmals am 5. November 2003 in den Büroräumen des Klägers, der dort aber für ihn nicht zu sprechen war und ihm auch keine Unterlagen aushändigte.
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Am 13. November 2003 beantragte der Kläger beim FA abermals die Aufhebung der Prüfungsanordnung vom 15. September 1999 mit der Begründung, die Prüfung habe nicht wirksam begonnen und es sei daher Festsetzungsverjährung eingetreten. Dies lehnte das FA am 18. März 2004 ab. Dem Kläger wurde als Termin zur Fortsetzung der Prüfung der 30. März 2004 mitgeteilt. An diesem Termin traf der Betriebsprüfer den Kläger in dessen Büroräumen wiederum nicht an. Unterlagen standen ebenfalls nicht bereit. Eine Angestellte des Klägers nahm eine schriftliche Einladung des Prüfers zur Schlussbesprechung am 27. April 2004 entgegen, zu der der Kläger nicht erschien.
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Der Prüfer fertigte nach Aktenlage unter dem 6. Mai 2004 einen Bericht über die Außenprüfung für die Streitjahre. Er traf die Feststellung, dass er bis zuletzt keine Einsicht in Belege und Buchführungsunterlagen habe nehmen können, da der Kläger die Mitwirkung verweigert habe. Für die Einkommensteuer in den Streitjahren nahm der Prüfer u.a. von den Betriebsausgaben der Kanzlei einen griffweisen Abschlag in Höhe von 10 % der geltend gemachten Aufwendungen vor. Zudem korrigierte er die Entnahmen für das auch privat genutzte Fahrzeug im Betriebsvermögen des Klägers. Bei der Umsatzsteuer korrigierte er ebenfalls die Besteuerung des Privatanteils für das auch privat genutzte betriebliche Kfz. Im Wesentlichen versagte er dem Kläger in allen Streitjahren mangels vorgelegter Belege in voller Höhe den in den Voranmeldungen und Steuererklärungen geltend gemachten Vorsteuerabzug aus der Kanzlei- und der steuerpflichtigen Vermietungstätigkeit. Das FA schloss sich dieser Würdigung an. Es erließ unter dem 22. Juni 2004 entsprechend geänderte Bescheide zur Einkommen- und Umsatzsteuer für alle Streitjahre.
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Während des sich anschließenden Einspruchsverfahrens gegen die Steuerfestsetzungen wurde die zwischenzeitlich vom Kläger erhobene (weitere) Klage auf Aufhebung der Prüfungsanordnung durch ein Urteil des FG vom 23. Oktober 2007 5 K 3179/04 B als unzulässig abgewiesen. Die nachfolgend unter dem Aktenzeichen VIII B 4/08 beim BFH eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde mit Beschluss vom 4. Dezember 2008 als unbegründet zurückgewiesen.
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Das FA erließ während des Einspruchsverfahrens zu Gunsten des Klägers geänderte Bescheide vom 9. März 2009. Dabei hielt es in den geänderten Einkommensteuerbescheiden an der griffweisen 10 %-igen Kürzung der geltend gemachten Betriebsausgaben fest. Den Ansatz der Entnahme für die Privatfahrten mit dem betrieblichen Kfz erhöhte das FA in den geänderten Einkommen- und Umsatzsteuerbescheiden nach einem Verböserungshinweis. In den geänderten Umsatzsteuerbescheiden für die Streitjahre ließ das FA den Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten der steuerpflichtig vermieteten Immobilie und aus der Kanzleitätigkeit des Klägers teilweise zu. Im Übrigen wies es die Einsprüche als unbegründet zurück.
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Im anschließenden Klageverfahren vor dem FG machte der Kläger geltend, die Änderungsbescheide der Streitjahre seien wegen des Eintritts der Festsetzungsverjährung aufzuheben, die unmittelbar nach der Außenprüfung ergangenen Bescheide vom 22. Juni 2004 seien nichtig. Seien die Bescheide wirksam, sei er erklärungsgemäß zu veranlagen.
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Während des Klageverfahrens übersandte der Kläger nach einem rechtlichen Hinweis des FG seine Eingangs- und Ausgangsrechnungen der Streitjahre. Zudem reichte er beim FG Buchungsunterlagen mit einer chronologischen Auflistung der Geschäftsvorfälle und die Bestände der Vorsteuerkonten ein. Es handelte sich um 26 Aktenordner mit Belegen und einen Ordner mit Kontoauszügen.
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Das FA erließ nach Durchsicht der Unterlagen des Klägers während des Klageverfahrens unter dem 1. Oktober 2010 geänderte Umsatz- und Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre. Diesen liegt noch eine griffweise Kürzung der Betriebsausgaben und der Vorsteuerbeträge in Höhe von 1 % zugrunde. Zudem hielt das FA an der Korrektur des Privatanteils für das betriebliche Fahrzeug fest. Es erklärte die Hauptsache für erledigt und beantragte, dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Der Kläger gab jedoch keine Erledigungserklärung ab.
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Das FG gab der Klage teilweise statt. Es gewährte dem Kläger für das Streitjahr 1996 die begehrte Absetzung für Abnutzung (AfA) nach dem Fördergebietsgesetz für dessen Vermietungsobjekte. Im Übrigen wies es die Klage ab. Die Entscheidung ist nicht veröffentlicht.
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Nach dem Inhalt der Akten erging unter dem 2. Januar 2012 --kurz vor Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde-- ein geänderter Bescheid zur Einkommensteuer für das Streitjahr 1996. In diesem gewährte das FA dem Kläger infolge der Entscheidung des FG die streitige Fördergebiets-AfA.
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Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Bundesrechts.
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Die nach der Außenprüfung ergangenen Änderungsbescheide vom 22. Juni 2004 seien nichtig gewesen. Dies habe zur Konsequenz, dass mangels einer Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 4 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) bei Erlass der Änderungsbescheide vom 9. März 2009 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen sei.
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Das FG habe die griffweise Kürzung des Betriebsausgabenabzugs gemäß § 162 AO in den zuletzt ergangenen Änderungsbescheiden zu Unrecht als rechtmäßig angesehen. Er habe ordnungsgemäße Gewinnermittlungen, zutreffende Steuererklärungen und zutreffende Voranmeldungen für die Streitjahre eingereicht. Im finanzgerichtlichen Verfahren seien sämtliche Belege zu Eingangs- und Ausgangsrechnungen, sowie Bankbelege, Kassenunterlagen, alle Mietkonten und Lohnunterlagen chronologisch geordnet vorgelegt worden. Dem FG seien für die Vorsteuerbeträge auch die freiwillig geführten Bestandskonten sowie sämtliche Datenerfassungsprotokolle und Buchungsjournale übermittelt worden. Aus diesen sei ersichtlich, bei welchen Zahlungsvorgängen Vorsteuer gezogen worden sei. Auch die Summenziehungen seien aus den Buchungsjournalen zu ersehen, weil diese maßgebend für die Erstellung der monatlichen Umsatzsteuer-Voranmeldung gewesen seien. Er habe seine Mitwirkungs-, Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten erfüllt.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
das angefochtene FG-Urteil vom 29. November 2011, die geänderten Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre 1995 und 1997 vom 1. Oktober 2010, den geänderten Einkommensteuerbescheid 1996 vom 2. Januar 2012 sowie die geänderten Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre, jeweils vom 1. Oktober 2010, samt der zuvor ergangenen Bescheide vom 9. März 2009 und vom 22. Juni 2004 und die Einspruchsentscheidungen vom 17. August 2009 aufzuheben,
hilfsweise,
die Steuerfestsetzungen für die Streitjahre in der Weise zu ändern, dass er erklärungsgemäß veranlagt wird.
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Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision ist begründet.
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Das FG hat zum Hauptantrag des Klägers zwar zu Recht entschieden, dass die angefochtenen Bescheide für die Streitjahre nicht wegen eines Eintritts der Festsetzungsverjährung aufzuheben sind (s. unten II.3.). Die Vorentscheidung ist aber hinsichtlich des Hilfsantrags rechtsfehlerhaft, soweit das FG die vom FA im Schätzungswege vorgenommene griffweise Kürzung der Betriebsausgaben und des Vorsteuerabzugs um 1 % als rechtmäßig angesehen hat (s. unten II.4.). Die Sache ist nicht spruchreif (s. unter II.5.). Der Senat hebt die Vorentscheidung auf und verweist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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1. Die Revision führt wegen der Einkommensteuer für das Streitjahr 1996 aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung.
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Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens war gemäß § 68 Satz 1 FGO der im Klageverfahren geänderte Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1996 vom 1. Oktober 2010 geworden. An dessen Stelle trat während der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde der zu Gunsten des Klägers geänderte Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1996 vom 2. Januar 2012. Dieser wurde aufgrund entsprechender Anwendung des § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens (ständige Rechtsprechung, s. z.B. BFH-Beschluss vom 8. Mai 2012 III B 2/11, BFH/NV 2012, 1305) und ist nach dessen Fortsetzung als Revisionsverfahren Gegenstand dieses Verfahrens. Damit liegt dem FG-Urteil für das Streitjahr 1996 wegen Einkommensteuer ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde, so dass es insoweit keinen Bestand haben kann (ständige Rechtsprechung, s. z.B. BFH-Urteil vom 15. Mai 2013 VI R 28/12, BFHE 241, 200, BStBl II 2013, 737).
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Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen bilden unverändert die Grundlage für die Entscheidung des Senats (BFH-Urteil vom 23. Januar 2003 IV R 71/00, BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43). Durch den Änderungsbescheid zur Einkommensteuer vom 2. Januar 2012 für das Streitjahr 1996 ist keine Verböserung eingetreten. Es haben sich auch hinsichtlich der weiteren im Streit stehenden Punkte keine Änderungen ergeben. Die Beteiligten haben hinsichtlich des geänderten Bescheids keine weitergehenden Anträge gestellt.
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Da auch wegen der Einkommensteuer für das Streitjahr 1996 die Revision hinsichtlich des hilfsweisen Änderungsbegehrens aus den unten dargelegten Erwägungen begründet ist, wird die Sache auch insoweit gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO an das FG zurückverwiesen (s. z.B. BFH-Urteil vom 22. Januar 2013 IX R 25/11, BFH/NV 2013, 1387).
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2. Die Revision ist im Übrigen zulässig. Der Kläger verfolgt trotz unterschiedlich formulierter Anträge vor dem FG und in der Revision dasselbe Klagebegehren. Es liegt daher keine unzulässige Klageänderung (vgl. § 123 Abs. 1 FGO) vor.
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a) Der Senat legt das Klagebegehren des Klägers vor dem FG anhand der Klageschrift aus. Hierzu ist der Senat befugt (BFH-Urteil vom 23. Februar 2012 IV R 32/09, BFH/NV 2012, 1479). Die Auslegung ergibt, dass der Kläger erklärungsgemäß veranlagt werden will. Um dieses Ziel zu erreichen, hat der Kläger sich einerseits darauf gestützt, dass sämtliche Änderungsbescheide, die nach Abschluss der Außenprüfung ergangen sind, aufgrund zuvor eingetretener Festsetzungsverjährung aufzuheben sind. Für den Fall, dass die Bescheide nicht aufzuheben sind, greift er hilfsweise die Schätzung des FA in den zuletzt ergangenen Steuerfestsetzungen mit einem Änderungsbegehren an.
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Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass der Kläger vor dem FG ausdrücklich nur die Abänderung der angefochtenen Bescheide beantragt hatte. Auch das FG ist von diesem haupt- und hilfsweisen Klagebegehren ausgegangen. Es hat zunächst die Aufhebung sämtlicher nach der Außenprüfung ergangener Bescheide wegen Festsetzungsverjährung abgehandelt und anschließend das Änderungsbegehren geprüft.
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b) Die beantragte Aufhebung der Bescheide in der Weise, dass die nach Abgabe der Steuererklärungen ursprünglich ergangenen Bescheide wiederaufleben sollen, umfasst angesichts des Klägervortrags gleichermaßen ein Aufhebungs- und hilfsweise ein Änderungsbegehren, wie es in dem vom Senat im Tatbestand formulierten "sinngemäßen" Antrag zum Ausdruck kommt.
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3. Das FG hat zu dem auf Aufhebung der Bescheide gerichteten Hauptantrag des Klägers zu Recht entschieden, die zum Verfahrensgegenstand gewordenen Bescheide der Streitjahre vom 1. Oktober 2010 seien nicht aufzuheben.
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a) Wären die nach Abschluss der Außenprüfung unter dem 22. Juni 2004 ergangenen Änderungsbescheide --wie der Kläger meint-- erst nach Eintritt der Festsetzungsverjährung ergangen, hätte dies auch die Rechtswidrigkeit sämtlicher während des sich anschließenden Einspruchsverfahrens gemäß § 365 Abs. 3 AO ergangenen und der gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Verfahrensgegenstand des FG-Verfahrens gewordenen Änderungsbescheide vom 1. Oktober 2010 zur Folge. Denn eine Ablaufhemmung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gemäß § 171 Abs. 3a AO setzt voraus, dass der angefochtene Bescheid --hier ursprünglich die Bescheide vom 22. Juni 2004-- vor Ablauf der Festsetzungsfrist ergangen ist (s. z.B. BFH-Urteil vom 29. Juni 2011 IX R 38/10, BFHE 233, 326, BStBl II 2011, 963, Rz 11). Dies war jedoch der Fall.
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b) Der Senat geht mit den Beteiligten und dem FG davon aus, dass die Festsetzungsverjährung für die Streitjahre aufgrund des Zeitpunkts der abgegebenen Steuererklärungen mit Ablauf der Jahre 1997 bis 1999 gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO begonnen hat.
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c) Der Ablauf der vierjährigen Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 AO war gemäß § 171 Abs. 4 AO bei Erlass der Änderungsbescheide vom 22. Juni 2004 gehemmt.
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aa) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der Außenprüfung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO drei Monate verstrichen sind (§ 171 Abs. 4 AO). Die Festsetzungsfrist endet gemäß § 171 Abs. 4 Satz 3 AO spätestens, wenn seit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Schlussbesprechung stattgefunden hat, oder, wenn sie unterblieben ist, seit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die letzten Ermittlungen im Rahmen der Außenprüfung stattgefunden haben, die in § 169 Abs. 2 AO genannten Fristen verstrichen sind; eine Ablaufhemmung nach anderen Vorschriften bleibt unberührt.
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bb) Nach der Rechtsprechung des BFH ist ein Antrag auf Hinausschieben des Beginns der Außenprüfung gemäß § 197 Abs. 2 AO i.V.m. § 171 Abs. 4 Satz 1 2. Alternative AO auch darin zu sehen, dass der Steuerpflichtige --wie hier der Kläger-- eine ihm gegenüber ergangene Prüfungsanordnung anficht und zugleich beantragt, deren Vollziehung auszusetzen (BFH-Urteil vom 25. Januar 1989 X R 158/87, BFHE 156, 18, BStBl II 1989, 483). Dies gilt jedoch nur, wenn der Verwaltungsakt, mit dem der Prüfungsbeginn festgesetzt wurde, rechtmäßig war (BFH-Entscheidungen vom 10. April 2003 IV R 30/01, BFHE 202, 206, BStBl II 2003, 827; vom 15. Mai 2007 I B 10/07, BFH/NV 2007, 1624). Letzteres ist für die gegenüber dem Kläger für die Streitjahre ergangene Prüfungsanordnung vom 15. September 1999 der Fall. Auf der Grundlage des rechtskräftigen klageabweisenden Urteils des FG vom 28. September 2001 3 K 3024/01 (nachgehend BFH-Beschluss in BFH/NV 2003, 1394) sind die Beteiligten und der Senat gemäß § 110 Abs. 1 FGO daran gebunden, dass die Prüfungsanordnung rechtmäßig ist. Soweit der Kläger in der Revision nochmals Umstände vorträgt, nach denen diese rechtswidrig gewesen sein soll, ist der Vortrag unerheblich.
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cc) Wird ein Antrag auf Aufschub des Prüfungsbeginns ohne zeitliche Vorgaben gestellt, endet die Festsetzungsfrist zwei Jahre nach Wegfall des geltend gemachten Hinderungsgrundes für die Durchführung der Prüfung (BFH-Urteil vom 1. Februar 2012 I R 18/11, BFHE 236, 195, BStBl II 2012, 400; zur Zweijahresfrist s.a. BFH-Urteil vom 17. März 2010 IV R 54/07, BFHE 229, 20, BStBl II 2011, 7). Dies gilt auch, wenn --wie im Streitfall-- ein Rechtsbehelfsverfahren betrieben wird, das die Prüfungsanordnung oder Prüfungsmaßnahmen betrifft, die mit der gegen den Steuerpflichtigen gerichteten Außenprüfung in hinreichendem sachlichen Zusammenhang stehen (BFH-Urteile in BFHE 236, 195, BStBl II 2012, 400, Rz 19; vom 19. Mai 2016 X R 14/15, BFHE 254, 193, BStBl II 2017, 97, Rz 28).
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dd) Auf dieser Grundlage hat das FG im Ergebnis zu Recht entschieden, dass eine Ablaufhemmung für die Streitjahre gemäß § 171 Abs. 4 Satz 1 AO eingetreten ist.
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Wegen der vom Kläger beantragten AdV der rechtmäßigen Prüfungsanordnung gemäß § 171 Abs. 4 2. Alternative AO musste zur Wahrung der Ablaufhemmung innerhalb von zwei Jahren nach Wegfall des Hinderungsgrundes und Kenntnisnahme der Finanzverwaltung --hier dem Ergehen des BFH-Beschlusses in BFH/NV 2003, 1394-- mit Prüfungshandlungen begonnen werden. Dies war der Fall. Denn jedenfalls liegen nach außen erkennbare Prüfungshandlungen (s. zum Begriff BFH-Urteil vom 26. April 2017 I R 76/15, BFHE 258, 210, BStBl II 2017, 1159, Rz 22) innerhalb der Zweijahresfrist darin, dass der Kläger mit Schreiben vom 2. September 2003 und vom 14. Oktober 2003 aufgefordert wurde, dem Prüfer Einsicht in die Buchführungsunterlagen zu gewähren. Zudem hat der Prüfer die aus den Akten erkennbaren Besteuerungsgrundlagen aufbereitet, den Kläger zur weiteren Aufklärung zu einer Schlussbesprechung am 27. April 2004 eingeladen und den Prüfungsbericht vom 6. Mai 2004 gefertigt.
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ee) Die Änderungsbescheide vom 22. Juni 2004 sind entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht nichtig. Somit kann dahinstehen, ob für den Fall der Nichtigkeit dieser Bescheide --wie der Kläger meint-- auf der Grundlage des BFH-Urteils vom 15. März 2007 II R 5/04 (BFHE 215, 540, BStBl II 2007, 472) der Erlass der Änderungsbescheide vom 9. März 2009 im Einspruchsverfahren erst nach Eintritt der Festsetzungsverjährung erfolgt sein könnte.
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Verlässt eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 AO --im Streitfall der 10-%ige Unsicherheitsabschlag von sämtlichen Betriebsausgaben des Klägers der Streitjahre in den Änderungsbescheiden vom 22. Juni 2004-- den durch die Umstände des Einzelfalls gezogenen Schätzungsrahmen, ist sie --lediglich-- rechtswidrig. Nichtigkeit ist selbst bei groben Schätzungsfehlern, die auf der Verkennung der tatsächlichen Gegebenheiten oder der wirtschaftlichen Zusammenhänge beruhen, regelmäßig nicht anzunehmen.
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Ausnahmsweise kann eine fehlerhafte Schätzung die Nichtigkeit des auf ihr beruhenden Verwaltungsakts zur Folge haben, wenn sich das FA nicht an den wahrscheinlichen Besteuerungsgrundlagen orientiert, sondern bewusst zum Nachteil des Steuerpflichtigen geschätzt hat (ständige Rechtsprechung, s. zum Ganzen BFH-Urteil vom 15. Juli 2014 X R 42/12, BFH/NV 2015, 145). Willkürmaßnahmen, die mit den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Verwaltung schlechterdings nicht zu vereinbaren sind, können ebenfalls einen besonders schweren Fehler i.S. von § 125 Abs. 1 AO darstellen. Willkürlich und damit nichtig i.S. von § 125 Abs. 1 AO ist ein Schätzungsbescheid nicht nur bei subjektiver Willkür des handelnden Bediensteten. Auch wenn das Schätzungsergebnis trotz vorhandener Möglichkeiten, den Sachverhalt aufzuklären und Schätzungsgrundlagen zu ermitteln, krass von den tatsächlichen Gegebenheiten abweicht und in keiner Weise erkennbar ist, dass überhaupt und ggf. welche Schätzungserwägungen angestellt wurden (s. BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 145, m.w.N.), kann eine Nichtigkeit vorliegen.
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Diese rechtlichen Maßstäbe hat das FG bei seiner Prüfung der Nichtigkeit beachtet. Seine tatsächlichen Feststellungen tragen die Würdigung, dass keine willkürliche Schätzung zu Lasten des Klägers vorlag. Die vollständige Streichung des Vorsteuerabzugs und die griffweise 10 %-ige Kürzung der Aufwendungen stellten aufgrund der verweigerten Mitwirkung des Klägers keine objektiv willkürliche Schätzung der Besteuerungsgrundlagen dar. Die Erwägungen des Prüfers bzw. des FA konnte der Kläger anhand des Berichts über die Außenprüfung vom 6. Mai 2004 auch erkennen, ebenso sämtliche Feststellungen zu den übrigen Besteuerungsgrundlagen. Gemäß § 118 Abs. 2 FGO hat das FG für den Senat auch bindend festgestellt, dass keine willkürliche Schätzung bewusst zu Lasten des Klägers erfolgte und keine Umstände vorlagen, die die Schätzung als Verstoß gegen eine ordnungsgemäße Verwaltung erscheinen lassen. Das FG hat insbesondere festgestellt, es seien keine Umstände erkennbar, die objektiv für Befangenheit des beauftragten Prüfers sprächen.
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Der Verweis des Klägers auf das BFH-Urteil vom 28. September 2011 VIII R 8/09 (BFHE 235, 298, BStBl II 2012, 395) und sein Vorbringen, die Prüfungsanordnung vom 15. September 1999 sei aus denselben Gründen nichtig, was auf die Änderungsbescheide vom 22. Juni 2004 ausstrahle, ist unerheblich. Es steht --wie dargelegt-- gemäß § 110 Abs. 1 FGO bindend fest, dass die Prüfungsanordnung rechtmäßig war.
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d) Die im Einspruchsverfahren gegen die Änderungsbescheide vom 22. Juni 2004 ergangenen Änderungsbescheide vom 9. März 2009 und die im Klageverfahren erlassenen Bescheide vom 1. Oktober 2010 sind ebenfalls vor Eintritt der Festsetzungsverjährung ergangen. Die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 4 AO endete mit der Unanfechtbarkeit der aufgrund der Außenprüfung ergangenen Steuerbescheide; der Erlass der im Rechtsbehelfsverfahren wegen desselben Steueranspruchs ergangenen Änderungsbescheide konnte auf § 171 Abs. 3a AO gestützt werden (s.a. Banniza in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 171 AO Rz 124).
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4. Die Revision ist jedoch hinsichtlich des hilfsweise erhobenen Änderungsbegehrens begründet. Das FG hat die Klage insoweit rechtsfehlerhaft als unbegründet abgewiesen.
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a) Es hat auf der Grundlage seiner Feststellungen zu Unrecht bejaht, dass das FA in den Änderungsbescheiden vom 1. Oktober 2010 zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen befugt war.
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aa) Der Kläger hat auf der Grundlage der Feststellungen des FG keine Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 5 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i.V.m. § 63 Abs. 2 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) im Hinblick auf die geltend gemachten Vorsteuerbeträge und Betriebsausgaben verletzt.
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aaa) Gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 AO ist zu schätzen, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen, die er zu führen hat, nicht nach § 158 AO der Besteuerung zugrunde gelegt werden können.
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bbb) Das FG hat feststellt, der Kläger habe für die Streitjahre Umsatzsteuer-Voranmeldungen und -Erklärungen abgegeben und zur Prüfung der geltend gemachten Vorsteuerbeträge und Betriebsausgaben mit Vorsteuerabzug alle Belege und Summenziehungen (die "Bestände der Vorsteuerbeträge") im Klageverfahren vorgelegt. Auf dieser Grundlage hat das FG zu diesem Zeitpunkt eine Schätzungsbefugnis des FA im Hinblick auf die geltend gemachten Vorsteuerbeträge zu Unrecht bejaht.
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Eine umsatzsteuerrechtliche Verpflichtung zur Aufzeichnung von Entgelten für Eingangsleistungen für den Kläger ergibt sich zwar gemäß § 22 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5 UStG. Nach diesen Vorschriften hatte der Kläger im Rahmen der Ist-Besteuerung gemäß § 20 UStG --was er nicht in Abrede stellt-- u.a. die Entgelte für steuerpflichtige Lieferungen und sonstige Leistungen, die an ihn für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, sowie die auf die Entgelte und Teilentgelte entfallenden Steuerbeträge aufzuzeichnen. Gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 oder Abs. 5 UStDV sind diese Entgelte sowie Vorsteuerbeträge am Schluss jedes Voranmeldungszeitraums zusammenzurechnen.
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Die gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 5 UStG i.V.m. § 63 Abs. 2 UStDV erforderlichen Aufzeichnungen der Entgelte für Eingangsleistungen sind auch für die Aufzeichnungen der Betriebsausgaben zu beachten. Es handelt sich zwar nicht um Aufzeichnungen "nach anderen Gesetzen als den Steuergesetzen" i.S. des § 140 AO. Die umsatzsteuerrechtliche Aufzeichnungsverpflichtung wirkt aber auch im Rahmen der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG (BFH-Urteile vom 2. März 1982 VIII R 225/80, BFHE 136, 28, BStBl II 1984, 504; vom 26. Februar 2004 XI R 25/02, BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599; BFH-Beschlüsse vom 16. Februar 2006 X B 57/05, BFH/NV 2006, 940; vom 12. Juli 2017 X B 16/17, BFHE 257, 523).
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Es ist angesichts der abgegebenen Voranmeldungen und der im Klageverfahren vorgelegten Belegsammlung aber aus den Feststellungen des FG nicht erkennbar, warum der Kläger den Verpflichtungen zur Aufzeichnung und Summenziehung der Vorsteuerbeträge/Betriebsausgaben nicht genügt haben soll. Hierzu hätte das FG im Klageverfahren anhand der vorgelegten Belegordner und sonstigen Unterlagen konkrete Feststellungen treffen müssen. Abgesehen vom Eingreifen einer etwaigen Präklusion (z.B. nach § 79b Abs. 3 FGO) ist einer gerichtlichen Entscheidung derjenige Sach- und Streitstand zugrunde zu legen, wie er sich am Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht darstellt (s. BFH-Urteil vom 20. September 2016 X R 36/15, BFH/NV 2017, 593, Rz 14 und 18).
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ccc) Gleiches gilt für die vom FG angenommene Schätzungsbefugnis des FA hinsichtlich der ertragsteuerlichen Betriebsausgaben des Klägers, aus denen kein Vorsteuerabzug beansprucht wurde (z.B. Lohnaufwand). Das FG bejaht insoweit zu Unrecht einen Verstoß des Klägers gegen eine umsatz- und ertragsteuerliche Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht für Summenziehungen. Die vom FG herangezogene Verpflichtung des Klägers zur Summenziehung gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 5 UStG i.V.m. § 63 Abs. 2 UStDV besteht nämlich nur für Entgelte und Steuerbeträge, aus denen der Vorsteuerabzug begehrt wird (s.a. § 22 Abs. 3 Satz 1 UStG; Heuermann in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 22 Rz 115).
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ddd) Eine Schätzungsbefugnis aufgrund einer missachteten Verpflichtung des Klägers zur Summenziehung bei den Betriebsausgaben kann schließlich auch nicht auf §§ 146 Abs. 1 und 5, 147 Abs. 1 AO gestützt werden.
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Nach der Regelung des § 146 Abs. 1 AO sind die für die jeweilige Gewinnermittlungsart erforderlichen Aufzeichnungen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Gemäß § 146 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 AO müssen die Aufzeichnungen so geführt werden, dass sie dem konkreten Besteuerungszweck entsprechen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 940; vgl. auch allgemein: § 145 Abs. 2 AO). Eine ordnungsgemäße Überschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG setzt hiernach aber nur voraus, dass die Höhe der Betriebsausgaben --wie im Streitfall-- durch Belege nachgewiesen wird; eine förmliche Aufzeichnungspflicht besteht hingegen nicht (BFH-Urteil vom 15. April 1999 IV R 68/98, BFHE 188, 291, BStBl II 1999, 481; BFH-Beschlüsse vom 7. Februar 2008 X B 189/07, juris; vom 31. Juli 2009 VIII B 28/09, BFH/NV 2009, 1967).
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bb) Auch fehlt es an Feststellungen des FG, die dessen Würdigung tragen, dass eine Schätzungsbefugnis des FA gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 AO bestand. Das FG hat nicht festgestellt, dass der Kläger über seine Angaben zu den Betriebsausgaben und Vorsteuerbeträgen keine ausreichende Aufklärung zu geben vermochte oder die weitere Auskunft verweigert hat.
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aaa) Eine Schätzungsbefugnis nach dieser Vorschrift hängt nicht vom Bestehen einer gesetzlichen (förmlichen) Aufzeichnungspflicht ab, sondern besteht, wenn das FA die Besteuerungsgrundlagen aus den Angaben des Steuerpflichtigen nicht ermitteln kann (BFH-Beschluss in BFH/NV 2009, 1967).
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bbb) Für steuermindernde Tatsachen muss ein Steuerpflichtiger aufgrund der ihn treffenden Feststellungslast im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG seine Betriebsausgaben so festhalten, dass das FA diese auf Richtigkeit und Vollständigkeit überprüfen kann (BFH-Beschluss vom 7. Februar 2008 X B 189/07, juris; Segebrecht/Gunsenheimer, Die Einnahmenüberschussrechnung nach § 4(3) EStG, 13. Aufl., Rz 131). In der Regel ist notwendige Voraussetzung für den Schluss, dass die in der Gewinnermittlung geltend gemachten Aufwendungen durch den Betrieb veranlasst sind, sämtliche Belege aufzubewahren und anhand der Aufzeichnungen die Möglichkeit zu schaffen, diese nachzuweisen (BFH-Urteil in BFHE 188, 291, BStBl II 1999, 481). Denn nur bei Vorlage geordneter und vollständiger Belege verdient eine Einnahmenüberschussrechnung Vertrauen und kann die Vermutung der Richtigkeit für sich in Anspruch nehmen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 188, 291, BStBl II 1999, 481; in BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599, m.w.N.).
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ccc) Das FG hat aber keine Feststellungen getroffen, aus denen sich ableiten lässt, dass die geltend gemachten Betriebsausgaben anhand der geordneten Belegsammlung für das FA nicht nachvollziehbar waren. Es hat allein auf den Umfang der Belege und die Unzumutbarkeit jeglicher Überprüfung der Belegsammlung verwiesen. Das FG als Tatsachengericht hat den Sachverhalt aber so festzustellen, wie er sich am Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht darstellt (s. BFH-Urteil in BFH/NV 2017, 593, Rz 14 und 18). Um dem zu genügen, hätte es als Grundlage seiner Würdigung, die Vorsteuerbeträge und Betriebsausgaben seien anhand der Belegsammlung nicht nachvollziehbar, zumindest stichprobenartig aus der Belegsammlung heraus darlegen müssen, dass die Betriebsausgaben und Vorsteuerbeträge in der Gewinnermittlung unzutreffend angesetzt waren und dass eine Ermittlung der zutreffenden Beträge unzumutbar war.
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b) Ferner tragen die Feststellungen des FG --selbst wenn eine Schätzungsbefugnis unterstellt würde-- nicht dessen Würdigung, dass ein griffweiser Abschlag von sämtlichen Vorsteuerbeträgen und Betriebsausgaben in Höhe von 1 % rechtmäßig ist.
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aa) Die Prüfung geschätzter Besteuerungsgrundlagen durch den BFH, welche zu den tatsächlichen Feststellungen des FG gemäß § 118 Abs. 2 FGO gehören, ist auf Rechtsfehler beschränkt. Das FG-Urteil muss erkennen lassen, auf welchen Tatsachen die Schätzung beruht und auf welchem Weg sie zustande gekommen ist. Es hat darzulegen, wie und dass es seine Überzeugung in rechtlich zulässiger und einwandfreier Weise gewonnen hat (BFH-Urteile vom 6. Februar 1991 II R 87/88, BFHE 163, 471, BStBl II 1991, 459, unter II.2.a; vom 16. September 2015 X R 43/12, BFHE 251, 37, BStBl II 2016, 48, Rz 40; vom 20. März 2017 X R 11/16, BFHE 258, 272, BStBl II 2017, 992, Rz 52). Die gewonnenen Schätzergebnisse müssen schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein. Zudem darf das FG bei der Schätzung nicht gegen anerkannte Schätzungsgrundsätze, allgemeine Erfahrungssätze oder die Denkgesetze verstoßen (BFH-Urteile vom 18. Oktober 1983 VIII R 190/82, BFHE 139, 350, BStBl II 1984, 88, m.w.N.; in BFHE 258, 272, BStBl II 2017, 992).
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bb) Ein pauschaler Unsicherheitsabschlag für steuermindernde Umstände ist eine griffweise Schätzung der Besteuerungsgrundlagen, die in einem vernünftigen Verhältnis zu den erklärten oder nicht erklärten Einnahmen stehen muss (vgl. BFH-Beschluss vom 10. Mai 2012 X B 71/11, BFH/NV 2012, 1461; zum Sicherheitszuschlag bei den Betriebseinnahmen BFH-Entscheidungen vom 26. Oktober 1994 X R 114/92, BFH/NV 1995, 373; vom 7. Februar 2017 X B 79/16, BFH/NV 2017, 774; in BFHE 258, 272, BStBl II 2017, 992, Rz 51). Die griffweise Schätzung stellt im Spektrum der verschiedenen denkbaren Schätzungsmethoden diejenige dar, die mit den größten Unsicherheiten behaftet ist und konkreten Tatsachengrundlagen vollständig oder nahezu vollständig entbehrt (BFH-Beschluss vom 28. September 2011 X B 35/11, BFH/NV 2012, 177). Es bedarf zu ihrer Rechtmäßigkeit einer ausreichenden Begründungstiefe des FG, dass und warum diese Schätzungsmethode im jeweiligen Einzelfall notwendig ist und dass sie auch im Hinblick auf die Angemessenheit des Schätzungsergebnisses allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen entspricht (BFH-Urteil in BFHE 258, 272, BStBl II 2017, 992, Rz 51, mit Anmerkung Nöcker, jurisPR-SteuerR 45/2017 Anm. 3). Auf der anderen Seite ist aber auch das Maß der Verletzung der dem Steuerpflichtigen obliegenden Mitwirkungspflichten zu berücksichtigen. Deshalb kann es gerechtfertigt sein, bei einer Pflichtverletzung des Steuerpflichtigen einen Sicherheitszuschlag oder einen Sicherheitsabschlag vorzunehmen (BFH-Urteil vom 15. April 2015 VIII R 49/12, juris, Rz 19, m.w.N.).
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cc) Der Vorentscheidung fehlt es an der erforderlichen Begründungstiefe.
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Das FA hat den pauschalen Sicherheitsabschlag von den Vorsteuerbeträgen und Betriebsausgaben in den Änderungsbescheiden vom 1. Oktober 2010 damit begründet, es sei nicht erkennbar, ob der Kläger ausschließlich privat und gemischt veranlasste Aufwendungen als Betriebsausgaben geltend gemacht habe. Diese Begründung hat das FG übernommen und nicht hinterfragt. Für die Notwendigkeit eines pauschalen Unsicherheitsabschlags und der Angemessenheit der Schätzung des FA hätte es die vorgelegten Belege aber zumindest stichprobenartig auswerten und Feststellungen treffen müssen, aus denen erkennbar ist, dass der Kläger überhaupt unter § 12 EStG fallende Aufwendungen als Betriebsausgaben gebucht hatte, und begründen müssen, warum dies einen pauschalen Abschlag in Höhe von 1 % von den geltend gemachten Vorsteuerbeträgen und Betriebsausgaben rechtfertigt.
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5. Die Sache ist nicht spruchreif.
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Der Senat kann die erforderlichen Feststellungen zu den Voraussetzungen einer Schätzungsbefugnis des FA und zur Höhe eines angemessenen Unsicherheitsabschlags nicht selbst treffen. Die Sache wird an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
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6. Der Senat entscheidet nach Verzicht der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO). Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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