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BFH 14.11.2017 - IX B 66/17
BFH 14.11.2017 - IX B 66/17 - Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör: Ausschlussfrist zur Bezeichnung des Klagebegehrens
Normen
§ 65 Abs 1 FGO, § 65 Abs 2 FGO, § 96 Abs 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, Art 103 Abs 1 GG, § 133 BGB
Vorinstanz
vorgehend FG Nürnberg, 4. April 2017, Az: 1 K 1200/16, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Lässt sich im Auslegungsweg das Klagebegehren nicht hinreichend genau bestimmen, kann ein auf eine versäumte Ausschlussfrist i.S. des § 65 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 FGO gestütztes Prozessurteil ergehen .
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2. NV: Eine hinreichende Bestimmung des Klagebegehrens kann erfolgen, indem die angefochtenen Bescheide bezeichnet und die Einspruchsentscheidung beigefügt werden, wenn sich die konkreten Streitpunkte aus der Einspruchsentscheidung entnehmen lassen .
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3. NV: Im Fall einer Ausschlussfrist nach § 65 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 FGO ist auf die innerhalb der Ausschlussfrist dem FG mitgeteilte Begründung abzustellen .
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 4. April 2017 1 K 1200/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Gründe
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Die Beschwerde ist nicht begründet. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend gemachten Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen nicht vor.
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1. Nach ständiger Rechtsprechung stellt es einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dar, wenn über eine zulässige Klage nicht zur Sache, sondern durch Prozessurteil entschieden wird (vgl. u.a. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Januar 2015 I B 45/14, BFH/NV 2015, 696, unter II.1., und vom 29. September 2015 I B 37/14, BFH/NV 2016, 415, jeweils m.w.N.). Im Streitfall hat das Finanzgericht (FG) die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen und insoweit auch den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) nicht verletzt. Denn der Gegenstand des Klagebegehrens war vom Kläger innerhalb der Ausschlussfrist nach § 65 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 FGO nicht hinreichend bezeichnet worden, so dass ein Prozessurteil ergehen konnte.
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a) Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO muss die Klage den Kläger, den Beklagten, den Gegenstand des Klagebegehrens, bei Anfechtungsklagen auch den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf bezeichnen. Entspricht die Klage diesen Anforderungen nicht, hat der Vorsitzende oder der Berichterstatter den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern (§ 65 Abs. 2 Satz 1 FGO). Er kann dem Kläger für die Ergänzung eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen, wenn es an einem der in § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO genannten Erfordernisse fehlt (§ 65 Abs. 2 Satz 2 FGO).
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Wie weit das Klagebegehren im Einzelnen zu substantiieren ist, hängt von den Umständen des Falles ab, insbesondere von dem Inhalt des angefochtenen Verwaltungsakts, der Steuerart und der Klageart. Entscheidend ist, ob das Gericht durch die Angaben des Klägers in die Lage versetzt wird zu erkennen, worin die den Kläger betreffende Rechtsverletzung nach dessen Ansicht liegt. Als prozessuale Willenserklärung ist die Klageschrift in gleicher Weise wie Willenserklärungen i.S. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) analog § 133 BGB auszulegen. Dabei sind zur Bestimmung des Gegenstands des Klagebegehrens alle dem FG und dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt) bekannten und vernünftigerweise erkennbaren Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art zu berücksichtigen. Insoweit hat das FG hinsichtlich des Mussinhalts einer Klage insbesondere auf den Inhalt der Klageschrift und die hierin bezeichneten Bescheide und Einspruchsentscheidungen zurückzugreifen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 26. März 2014 III B 133/13, BFH/NV 2014, 894, unter II.1.b, und in BFH/NV 2016, 415, unter II.1.c).
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b) Wird dem Kläger zur Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens zu Unrecht oder nicht wirksam eine Ausschlussfrist nach § 65 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 FGO gesetzt oder bezeichnet er im Falle rechtmäßiger Ausschlussfristsetzung das Klagebegehren durch weitere, fristgerecht erfolgte Darlegungen, dann führt die unterbliebene Berücksichtigung des weiteren Klagevorbringens und die Abweisung der Klage als unzulässig zu einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2014, 894, unter II.1., und vom 17. November 2003 XI B 213/01, BFH/NV 2004, 514, unter II.2.).
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c) Bei Anwendung dieser Grundsätze hat das FG im Streitfall zu Recht ein Prozessurteil erlassen.
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Weder dem Klageschriftsatz vom 21. August 2016 noch der als Anlage zur Klage eingereichten Einspruchsentscheidung noch den ergänzend eingereichten weiteren Schreiben konnte das FG ein konkretes Klagebegehren entnehmen. Der Kläger hatte sich danach zwar gegen die Festsetzung der Einkünfte aus Land- und Fortwirtschaft gewandt. Es lässt sich seinem Vorbringen aber selbst durch Auslegung und Heranziehung der beigefügten Schriftstücke und der Steuerakten weder eine konkrete (betragsmäßige) Beschwer entnehmen noch welche Besteuerungsgrundlagen er konkret in welchem Umfang in Streit stellt. Denn hinsichtlich der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft war der Kläger seinen Angaben entsprechend veranlagt worden.
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Zwar kann eine hinreichende Bestimmung des Klagebegehrens auch erfolgen, indem die angefochtenen Bescheide bezeichnet und die Einspruchsentscheidung beigefügt wird (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2004, 514, unter II.2.b; in BFH/NV 2014, 894, unter II.1.b und c, und in BFH/NV 2016, 415, unter II.2.). Dies gilt allerdings nicht, wenn, wie im Streitfall, der Kläger in Übereinstimmung mit seinen bisherigen Angaben veranlagt worden ist und sich die konkreten Streitpunkte, die Gegenstand des Klageverfahrens sein könnten, aus der Einspruchsentscheidung nicht entnehmen lassen.
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Das Vorbringen des Klägers in seinem Schriftsatz vom 8. März 2017 und in der mündlichen Verhandlung vom 4. April 2017 kann nicht zur Bestimmung seines Klagebegehrens herangezogen werden. Denn im Fall einer Ausschlussfrist nach § 65 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 FGO ist auf die innerhalb der Ausschlussfrist dem FG mitgeteilte Begründung abzustellen (vgl. BFH-Beschluss vom 18. Juni 2013 III B 83/12, BFH/NV 2013, 1596, unter II.1.b; Gräber/Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 65 Rz 71).
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2. Das FG hat auch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht abgelehnt. Denn der Kläger hatte innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses, das ursächlich für die Nichteinhaltung der Ausschlussfrist war (§ 56 Abs. 2 FGO), keinen Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt.
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3. Die vom FG gesetzte Ausschlussfrist war auch nicht unangemessen kurz. Das FG hatte den Kläger mit Fristsetzung vom 1. Dezember 2016 aufgefordert, bis zum 10. Januar 2017 das Klagebegehren zu bezeichnen. Das Schreiben wurde dem Kläger am 3. Dezember 2016 zugestellt. Dem Kläger standen damit mehr als fünf Wochen zur Beantwortung zur Verfügung, was selbst unter Berücksichtigung der Feiertage um den Jahreswechsel nicht zu kurz bemessen ist (zur Fristdauer vgl. Gräber/Herbert, a.a.O., § 65 Rz 60 f., m.w.N.).
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4. Von einer weiter gehenden Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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