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BFH 11.07.2017 - IX R 41/15
BFH 11.07.2017 - IX R 41/15 - Bekanntgabe eines Verwaltungsakts im Ausland - Übermittlung mittels einfachen Briefs - Zugangsvermutung - Gegenstand des Klageverfahrens - Nichtigkeit von Schätzungsbescheiden - Auslegung von Verfahrenshandlungen
Normen
§ 90 Abs 2 AO, § 110 AO, § 122 Abs 2 Nr 2 AO, § 125 Abs 1 AO, § 41 Abs 1 FGO, § 68 S 1 FGO, § 133 BGB
Vorinstanz
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 9. September 2014, Az: 12 K 121/14, Urteil
nachgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 13. März 2020, Az: 12 K 239/17, Beschluss
Leitsatz
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1. NV: Bestreitet der Steuerpflichtige den Zugang des Bescheids innerhalb des gesetzlich vermuteten Zeitraums, muss er substantiiert Tatsachen vortragen, die schlüssig auf einen späteren Zugang hindeuten und deshalb Zweifel am Zugang zum gesetzlich vermuteten Zeitpunkt begründen. Dies gilt auch im Falle der Übermittlung eines Steuerbescheids im Ausland .
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2. NV: Im Geschäftsleben stehende Steuerpflichtige müssen auch bei längerem Auslandsaufenthalt grundsätzlich dafür Sorge tragen, dass ihnen fristauslösende Schriftstücke unter Ausschluss Dritter rechtzeitig zugehen können .
Tenor
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Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 9. September 2014 12 K 121/14 aufgehoben.
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Die Sache wird an das Niedersächsische Finanzgericht zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.
Tatbestand
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I.
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Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war in den Streitjahren 2009 bis 2011 mit seinen inländischen Einkünften in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) beschränkt steuerpflichtig. Er erzielte in den Streitjahren gewerbliche Einkünfte aus zwei inländischen Schiffsbeteiligungen sowie Einkünfte aus der Vermietung einer in Deutschland belegenen Wohnung.
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Nachdem der Kläger für das Streitjahr 2009 keine Steuererklärung abgegeben hatte, setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) zunächst mit Bescheiden vom 14. Juli 2011 die Einkommensteuer für dieses Jahr aufgrund einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen auf 0 € fest und stellte den verbleibenden Verlustvortrag zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2009 in Höhe von 38.078 € fest. Wegen geänderter Feststellungen hinsichtlich der Beteiligungseinkünfte erließ das FA am 21. Mai 2013 geänderte Einkommensteuer- und Feststellungsbescheide für 2009, in denen es die Einkommensteuer weiterhin auf 0 € festsetzte, jedoch den verbleibenden Verlustvortrag zum 31. Dezember 2009 auf 33.505 € minderte. Ebenfalls mit Bescheiden vom 21. Mai 2013 setzte das FA im Wege der Schätzung die Einkommensteuer für 2010 auf 6.794 € und für 2011 auf 2.172 € fest und stellte den verbleibenden Verlustvortrag zum 31. Dezember 2010 auf 0 € fest. Zugleich setzte das FA einen Verspätungszuschlag für 2010 in Höhe von 330 € und für 2011 in Höhe von 85 € fest. Sämtliche Bescheide waren an den Kläger unter seiner Meldeadresse in der Tschechischen Republik adressiert und wurden am 21. Mai 2013 mittels einfachen Briefs zur Post gegeben. Am 13. August 2013 legte der Kläger per E-Mail beim FA gegen die "Steuerbescheide für die Jahre 2009, 2010 und 2011" Einspruch ein. Zur Begründung trug er vor, dass er aufgrund eines langfristigen Auslandsaufenthalts in Russland in den Jahren 2009 bis 2013 die Erklärungen nicht fristgerecht habe abgeben können und ihn die Schreiben des FA erst jetzt erreicht hätten. Zugleich bat er um eine Fristverlängerung zur Nachreichung der Steuererklärungen. In den Streitjahren habe er in beiden Einkunftsarten lediglich Verluste erzielt. Auf den Hinweis des FA, dass die Einspruchsfrist versäumt worden sei und wegen Verschuldens seitens des Klägers eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht komme, reagierte der Kläger nicht.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 3. Februar 2014 verwarf das FA die Einsprüche gegen die Einkommensteuerbescheide 2009 bis 2011 mangels Wahrung der Einspruchsfrist als unzulässig. Den Einspruchsbescheid übermittelte das FA am selben Tag mittels einfachen Briefs an die tschechische Anschrift des Klägers.
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Mit der hiergegen am 3. April 2014 erhobenen Klage vertrat der Kläger die Auffassung, der Einspruch sei fristgerecht eingelegt worden. Sein Einspruch habe sich gegen sämtliche die Streitjahre betreffenden Steuerbescheide des FA gerichtet. Das FA habe es insoweit versäumt, sein Einspruchsschreiben entsprechend auszulegen. Zur Begründung seines Antrags in der Sache legte der Kläger für die Streitjahre Einkommensteuererklärungen sowie Erklärungen zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags für beschränkt Steuerpflichtige vor. Die Schätzungsbescheide seien nichtig, da das FA sich nicht an den Vorjahren orientiert, sondern willkürlich und bewusst zu seinem Nachteil geschätzt habe.
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Im Laufe des Klageverfahrens trug der Kläger weiter vor, er habe im Jahr 2008 in Russland eine Firma gegründet und dort eine Wohnung angemietet, die fortan sein neuer Wohnsitz und Lebensmittelpunkt gewesen sei. Sein Haus in der Tschechischen Republik habe er weitgehend geräumt sowie Klingel- und Briefkastenschilder entfernt. Anfang August 2013 sei er in die Tschechische Republik zurückgekehrt. Am 10. August 2013 habe er einen Stapel Post auf der Treppe vor der Haustüre gefunden, darunter auch die drei Briefe des FA mit den Schätzungsbescheiden 2009 bis 2011 vom 21. Mai 2013. Es sei ihm nicht bekannt, wer die Post entgegen genommen, aufbewahrt und auf die Treppe gelegt habe, da er in der Tschechischen Republik ohne persönliche Bezüge gelebt habe, beim Briefträger aber persönlich bekannt sei. Den Einkommensteuerbescheid vom 14. Juli 2011 habe er nicht erhalten. Er habe das FA aber bereits lange vor Erlass der Schätzungsbescheide mehrfach darüber informiert, dass er inzwischen in Russland lebe. Jedenfalls habe das FA ihm zu Unrecht eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verwehrt. Er habe keine Vorkehrungen treffen können, dass ihn die Bescheide innerhalb der Einspruchsfrist in Russland erreichen. Dort habe er lange Zeit ohne Postzustellungsmöglichkeit gelebt und sei beruflich unterwegs gewesen. In der Tschechischen Republik seien Postnachsendeaufträge nach Russland nicht möglich; der übliche Postlauf betrage zudem sechs Wochen. Er habe in der Tschechischen Republik auch niemanden beauftragen können, seine Post in Empfang zu nehmen.
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Mit während des Klageverfahrens ergangenem Änderungsbescheid vom 11. Juli 2014 setzte das FA die Einkommensteuer 2011 wegen eines geänderten Verlustrücktrags aus 2012 auf 970 € herab.
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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage durch Urteil vom 9. September 2014 als unbegründet ab. Soweit sich die Klage gegen die Festsetzung der Verspätungszuschläge zur Einkommensteuer 2010 und 2011 gerichtet hat, erachtete sie das FG bereits als unzulässig. Im Übrigen sei die Klage aber unbegründet. Nach der Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) gälten die Bescheide zur Festsetzung der Einkommensteuer 2009 bis 2011 sowie zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum 31. Dezember 2009 und 2010 vom 21. Mai 2013 am 21. Juni 2013 als bekannt gegeben. Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, dass ihm die Bescheide erst nach Ablauf des Monatszeitraums zugegangen seien. Für den Zugang reiche es aus, dass die Schriftstücke so in den Machtbereich des Empfängers gelangt seien, dass normalerweise deren Kenntnisnahme möglich ist und nach den Gepflogenheiten des Verkehrs erwartet werden könne. Diese Voraussetzungen lägen hier vor. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass er von 2008 bis Anfang August 2013 an seiner Anschrift in der Tschechischen Republik keinen Wohnsitz gehabt habe.
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Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO sei ihm wegen schuldhafter Fristversäumung nicht zu gewähren. Der Kläger hätte Vorkehrungen treffen müssen, dass er trotz seines Aufenthalts in Russland von fristauslösenden Zustellungen des FA rechtzeitig Kenntnis erhält. Der Einkommensteueränderungsbescheid für 2011 vom 11. Juli 2014 sei nicht Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Wegen der eingetretenen Bestandskraft sei eine inhaltliche Überprüfung der Schätzungsbescheide ausgeschlossen, auch soweit der Kläger die Nichtigkeit der Bescheide geltend mache.
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Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen (§ 68 Satz 1, § 76 Abs. 1 und Abs. 2, § 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) und materiellen Rechts (§ 90 Abs. 2, § 122 Abs. 2 AO). Das FG habe in Bezug auf die Einkommensteuerfestsetzung für 2011 nicht über den gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens gewordenen Bescheid vom 11. Juli 2014, sondern über den rechtlich nicht mehr existenten Bescheid vom 21. Mai 2013 entschieden. Hierin liege ein wesentlicher Verfahrensfehler. Darüber hinaus habe das FG den Vortrag des Klägers zu dem tatsächlichen (späteren) Zugang der Steuerbescheide zu Unrecht als unsubstantiiert zurückgewiesen. Das FG habe insoweit sowohl gegen seine Pflicht zur Sachaufklärung als auch gegen gesetzliche Regelungen zur Verteilung der Beweislast verstoßen. Angesichts seines Vorbringens hätte das FG die Umstände des Zugangs aufklären und sich inhaltlich mit seinem Vortrag auseinander setzen müssen. § 90 Abs. 2 AO sei auf rein verfahrensrechtliche Umstände wie die wirksame Bekanntgabe eines Verwaltungsakts nicht anwendbar. Nach der klaren Beweislastregel des § 122 Abs. 2 AO habe das FA den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Zudem sei das Beweisverlangen des FG auch deshalb fehlerhaft, weil es von ihm einen objektiv unmöglichen Negativbeweis des Nichtvorliegens eines Wohnsitzes in der Tschechischen Republik gefordert habe. Selbst wenn ein rechtzeitiger Zugang der Bescheide unterstellt würde, hätte ihm jedenfalls Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist gewährt werden müssen. Ebenfalls rechtsfehlerhaft habe das FG schließlich angenommen, dass wegen eingetretener Bestandskraft auch eine Prüfung der Schätzungsbescheide im Hinblick auf ihre Nichtigkeit ausscheide. Ein solches Nichtigkeitsfeststellungsbegehren habe sich eindeutig aus der Klagebegründung ergeben.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung vom 3. Februar 2014 aufzuheben sowie die Einkommensteuer für 2009, 2010 und 2011 jeweils entsprechend den eingereichten Einkommensteuererklärungen neu festzusetzen und den verbleibenden Verlustvortrag zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2009 und zum 31. Dezember 2010 unter Berücksichtigung der erklärten Verluste aus Vermietung und Verpachtung neu festzustellen sowie die Verspätungszuschläge zur Einkommensteuer 2010 und 2011 aufzuheben.
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Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Die Vorentscheidung ist hinsichtlich der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 2011 bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben (dazu unter 1.). Das FG ist zwar für alle Streitjahre in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass der Einspruch des Klägers gegen die angefochtenen Steuerbescheide vom 21. Mai 2013 verspätet (dazu unter 2. und 3.) und ihm aufgrund schuldhafter Versäumung der Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren war (dazu unter 4.). Das FG hat aber zu Unrecht nicht geprüft, ob die Schätzungsbescheide nichtig sind (dazu unter 5.). Darüber hinaus hat das FG nicht erkannt, dass sich der Einspruch des Klägers auch gegen die festgesetzten Verspätungszuschläge zur Einkommensteuer 2010 und 2011 richtete (dazu unter 6.).
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1. Die Vorentscheidung ist hinsichtlich der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 2011 bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Das FG hat insoweit über den nicht mehr wirksamen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 vom 21. Mai 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Februar 2014 entschieden und nicht über den erst während des Klageverfahrens ergangenen und --entgegen der Auffassung des FG-- gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Verfahrens gewordenen Änderungsbescheid vom 11. Juli 2014.
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Wird der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt, wird der neue Verwaltungsakt nur dann nicht nach § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens, wenn der ursprüngliche Bescheid nicht mit dem außergerichtlichen Rechtsbehelf angefochten worden ist und daher die Klage mangels Vorliegens aller notwendigen Sachentscheidungsvoraussetzungen als unzulässig zu verwerfen ist (vgl. § 44 Abs. 1 FGO). Erfolglos geblieben i.S. des § 44 Abs. 1 FGO ist ein außergerichtlicher Rechtsbehelf aber auch, wenn er wegen Versäumung der Einspruchsfrist als unzulässig verworfen wurde (grundlegend Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. Juli 1984 VII R 122/80, BFHE 141, 470, BStBl II 1984, 791). Die fristgerechte Einlegung des Einspruchs ist zwar bei der Sachentscheidung des FG als materiell-rechtliche Vorfrage zu prüfen, weil die gegen einen bestandskräftigen Verwaltungsakt erhobene Klage --ohne weitere Sachprüfung-- unbegründet ist (BFH-Urteil in BFHE 141, 470, BStBl II 1984, 791; vgl. auch Gräber/Levedag, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 44 Rz 22, 30). Dies schließt es aber nicht aus, dass der nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung ergangene Änderungsbescheid Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens wird (BFH-Urteil in BFHE 141, 470, BStBl II 1984, 791).
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In der Entscheidung des FG über den nicht mehr wirksamen Einkommensteuerbescheid für 2011 vom 21. Mai 2013 liegt ein Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens (BFH-Urteile vom 19. Mai 2010 I R 62/09, BFHE 230, 18, und vom 23. Oktober 2013 I R 21/11, juris). Das FG-Urteil kann danach keinen Bestand haben, soweit es die Steuerfestsetzung für 2011 betrifft, und ist daher aufzuheben. Eine Richtigstellung in der Rechtsmittelentscheidung scheidet vorliegend deshalb aus, weil das FG bewusst über den früheren Bescheid entschieden hat (im Umkehrschluss zu BFH-Beschluss vom 7. August 2008 I B 161/07, BFH/NV 2008, 2053, sowie zu BFH-Urteilen in BFHE 230, 18; vom 16. Mai 2013 IV R 15/10, BFHE 241, 323, BStBl II 2013, 858, und vom 23. Oktober 2013 I R 21/11, juris).
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2. Das FG ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass der Einspruch des Klägers vom 13. August 2013 gegen die angefochtenen Einkommensteuer- und Feststellungsbescheide vom 21. Mai 2013 verspätet war.
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a) Nach § 355 Abs. 1 Satz 1 AO ist Einspruch gegen einen Steuerbescheid innerhalb eines Monats nach dessen Bekanntgabe einzulegen. Geschieht dies nicht, ist der Einspruch unzulässig. Der Bekanntgabezeitpunkt bestimmt sich bei der Übermittlung eines Verwaltungsakts im Ausland nach § 122 Abs. 2 Nr. 2 AO. Danach gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der mittels einfachen Briefs durch die Post übermittelt wird, bei einer Übermittlung im Ausland einen Monat nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.
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b) Bestreitet der Steuerpflichtige im Falle der Übermittlung eines Verwaltungsakts im Inland nicht den Zugang überhaupt, sondern den Erhalt des Bescheids innerhalb des insoweit maßgeblichen Zeitraums des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO, hat er substantiiert Tatsachen vorzutragen, die schlüssig auf einen späteren Zugang hindeuten und deshalb Zweifel an der Zugangsvermutung begründen (BFH-Urteil vom 9. Dezember 1999 III R 37/97, BFHE 190, 292, BStBl II 2000, 175; BFH-Beschluss vom 18. April 2013 X B 47/12, BFH/NV 2013, 1218). Das Erfordernis eines substantiierten Tatsachenvortrags darf allerdings nicht dazu führen, dass die Regelung über die objektive Beweislast, die nach dem Gesetz die Finanzverwaltungsbehörde trifft, zu Lasten des Steuerpflichtigen umgekehrt wird (BFH-Urteil vom 3. Mai 2001 III R 56/98, BFH/NV 2001, 1365; BFH-Beschluss vom 20. Oktober 2011 V B 17/11, BFH/NV 2012, 165).
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Hat der Steuerpflichtige seinen Vortrag im Rahmen des ihm Möglichen substantiiert, hat das FG den Sachverhalt unter Berücksichtigung dieses Vorbringens aufzuklären und die festgestellten oder unstreitigen Umstände im Wege freier Beweiswürdigung nach § 96 Abs. 1 FGO gegeneinander abzuwägen (BFH-Beschluss vom 20. Januar 1999 IV B 28/98, BFH/NV 1999, 905; BFH-Urteil vom 27. November 2002 X R 17/01, BFH/NV 2003, 586). Der Zugang bleibt mithin Gegenstand der Sachaufklärungspflicht des FG. Lediglich für den Fall, dass trotz Sachaufklärung keine Überzeugungsbildung möglich ist ("im Zweifel"), muss auf die Beweislastregel des § 122 Abs. 2 2. Halbsatz AO zurück gegriffen werden (BFH-Urteile in BFH/NV 2001, 1365, und in BFH/NV 2003, 586).
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c) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzt der Zugang eines Verwaltungsakts nicht voraus, dass der Empfänger den Verwaltungsakt tatsächlich zur Kenntnis nimmt (z.B. BFH-Urteil vom 9. November 2005 I R 111/04, BFHE 211, 392, BStBl II 2006, 219). Es genügt, dass das Schriftstück derart in den Machtbereich des Empfängers (Inhaltsadressaten) gelangt ist, dass dieser unter Ausschluss unbefugter Dritter von dem Schriftstück Kenntnis nehmen und diese Kenntnisnahme nach den allgemeinen Gepflogenheiten von ihm erwartet werden kann (BFH-Beschluss vom 27. Februar 1998 IX B 29/96, BFH/NV 1998, 1064; BFH-Urteil in BFHE 190, 292, BStBl II 2000, 175, m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind regelmäßig erfüllt, wenn die Sendung entsprechend den postalischen Vorschriften zugestellt wurde (BFH-Urteile vom 14. August 1975 IV R 150/71, BFHE 119, 201, BStBl II 1976, 764; in BFHE 190, 292, BStBl II 2000, 175, m.w.N., und in BFHE 211, 392, BStBl II 2006, 219). Dafür reicht ein Einwurf in einen für den Adressaten bestimmten Briefkasten aus, auch wenn der Empfänger im Zeitpunkt des Einwurfs ortsabwesend ist (BFH-Urteile vom 6. März 1990 VIII R 141/85, BFH/NV 1991, 71; vom 22. August 2006 I R 24/05, BFH/NV 2007, 63). Eine wirksame Bekanntgabe erfordert nicht, dass der Empfänger am Ort der Bekanntgabe den räumlichen Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse hat (BFH-Urteil in BFH/NV 1991, 71). Im Geschäftsleben tätige Empfänger müssen grundsätzlich auch bei längerem Auslandsaufenthalt dafür Sorge tragen, dass ihnen Erklärungen während der Geschäftszeiten jederzeit zugehen können. Sie können sich daher nicht auf einen verspäteten Zugang berufen, wenn die ihn verursachenden Umstände ihrer Verantwortungs- bzw. Risikosphäre zuzurechnen sind (vgl. auch BFH-Urteile vom 4. März 1977 VI R 242/74, BFHE 121, 389, BStBl II 1977, 523, und in BFHE 190, 292, BStBl II 2000, 175).
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d) Die vorstehenden Grundsätze gelten --mit Ausnahme der für die Zugangsvermutung maßgeblichen Monatsfrist-- gleichermaßen für die Übermittlung eines Verwaltungsakts im Ausland nach § 122 Abs. 2 Nr. 2 AO (ebenso Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 122 AO Rz 62a; Müller-Franken in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 122 AO Rz 409; Koenig/ Fritsch, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 122 Rz 79; Frotscher, M. in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 122 AO Rz 134).
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3. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Entscheidung des FG, der Kläger habe mit seinem Vorbringen Zweifel am gesetzlich vermuteten Zugang der angefochtenen Bescheide innerhalb des Monatszeitraums nicht begründen können, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Diese Würdigung ist möglich und damit für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO). Sie verstößt insbesondere nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze.
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a) Das FG hat seine Würdigung, wonach der Kläger im Zeitpunkt der Bekanntgabe der angefochtenen Einkommensteuer- und Feststellungsbescheide trotz seiner Tätigkeit in Russland weiterhin eine Wohnung an der tschechischen Adresse unterhielt und ihm deshalb die Bescheide dort bekannt gegeben werden konnten, auf verschiedene Indizien gestützt. Hierzu zählte insbesondere der vom Kläger unter seiner tschechischen Anschrift geführte Schriftverkehr. Zutreffend hat das FG in seine Würdigung nicht nur einbezogen, dass nach den im Klageverfahren vorgelegten Belegen zahlreiche Rechnungen und Bescheinigungen, die seine Einkünfte aus der Vermietung seiner im Inland belegenen Wohnung betreffen, an seine tschechische Anschrift adressiert waren, sondern auch, dass ihm unter dieser Adresse ein Grundsteuerbescheid aus dem Jahr 2010 wirksam bekannt gegeben werden konnte. Bei seiner Beweiswürdigung durfte das FG ferner berücksichtigen, dass der Kläger im Rahmen seines Schriftverkehrs selbst die tschechische Anschrift angegeben hatte.
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b) Soweit das FG aus diesen Beweisanzeichen im Zuge seiner Gesamtwürdigung den Schluss gezogen hat, dass der Kläger entgegen seinem Vorbringen seine Wohnung in der Tschechischen Republik nicht aufgegeben hatte und ihm unter der dortigen Adresse grundsätzlich weiterhin Postsendungen übermittelt werden konnten, hält dies einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Es ist nicht zu beanstanden, dass das FG im Rahmen seiner Gesamtwürdigung das Vorbringen des Klägers zur angeblichen Aufgabe seines Wohnsitzes in der tschechischen Republik für nicht hinreichend schlüssig gehalten hat, um die Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 2 AO zu erschüttern. Das Gleiche gilt im Hinblick auf sein Vorbringen über die Art und den Zeitpunkt des Zugangs der Bescheide. Der Vortrag des Klägers, er habe erst am 10. August 2013 die Bescheide mit einem Stapel weiterer Post auf der Treppe vor seiner Haustüre gefunden, genügt allein noch nicht, um den Zugang zum gesetzlich vermuteten Zeitpunkt substantiiert zu bestreiten. Angesichts seiner Vermietungstätigkeit in Deutschland und seiner selbständigen Geschäftstätigkeit in Russland hätte er --worauf das FG zutreffend hingewiesen hat-- näher darlegen müssen, welche Vorkehrungen er im Allgemeinen getroffen hatte, damit ihn wichtige Geschäftspost erreichen konnte. Dies gilt in besonderem Maße, als den Kläger als im Geschäftsleben stehenden Steuerpflichtigen eine gesteigerte Verpflichtung trifft, dafür Sorge zu tragen, dass ihm fristauslösende Postsendungen unter Ausschluss unberechtigter Dritter rechtzeitig zugehen können. Zudem hätte er ausführen müssen, aus welchen Gründen er selbst die tschechische Anschrift im Rahmen seines Schriftwechsels verwendet hat, wenn er doch die Wohnung aufgegeben habe und dort nicht mehr erreichbar sein wollte. Ferner hätte er darlegen können, ob und wie er die Aufgabe des Wohnsitzes gegenüber den tschechischen Behörden angezeigt hat.
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c) Die insoweit geltend gemachten Verfahrensrügen greifen nicht durch. Die vom Kläger gerügte Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO) liegt nicht vor. Eine unzulässige Überraschungsentscheidung hat das FG nicht getroffen. Es hat sich in seiner Entscheidung mit den schriftlichen und mündlichen Einlassungen des Klägers auseinandergesetzt und seine Entscheidung entsprechend der Rechtsprechung des BFH nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung getroffen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 19. Dezember 2007 IX R 30/07, BFH/NV 2008, 1300). Ferner hat es keinen bis dahin unerörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht. Das FG war unter dem Gesichtspunkt der Gewährung rechtlichen Gehörs weder gehalten, das Ergebnis seiner Gesamtwürdigung mit den Beteiligten vorab zu erörtern, noch war es verpflichtet, der tatsächlichen und rechtlichen Auffassung des Klägers zu folgen.
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Das FG hat auch nicht seine Pflicht zur Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) verletzt. Dass der Kläger möglicherweise --wie von ihm vorgetragen-- den räumlichen Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse in den Streitjahren in Russland hatte, steht einer wirksamen Bekanntgabe unter seiner tschechischen Anschrift nicht entgegen. Das FG war deshalb nicht zu weiteren Ermittlungen über den räumlichen Lebensmittelpunkt des Klägers im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Bescheide verpflichtet. Auf der insoweit maßgeblichen Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG ist auch nicht ersichtlich, dass sich ihm --ohne entsprechenden Beweisantrag des fachkundig vertretenen Klägers-- eine weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen. Die Sachaufklärungsrüge dient nicht dazu, Beweisanträge, Fragen oder Darlegungen zu ersetzen, welche eine fachkundig vertretene Partei selbst in zumutbarer Weise hätte stellen bzw. erbringen können, jedoch zu stellen unterlassen hat (BFH-Beschlüsse vom 27. April 2015 X B 47/15, BFH/NV 2015, 1356, und vom 19. September 2016 X B 159/15, BFH/NV 2017, 54). Soweit der Kläger eine weitergehende Ermittlung des FG zur Übermittlung von Schriftstücken an ihn im Allgemeinen und zum (angeblichen) verspäteten tatsächlichen Zugang der Bescheide im Besonderen verlangt, betrifft dies Vorgänge, die sich in seiner Sphäre abgespielt haben. Folglich war der Kläger gehalten, von sich aus substantiiert vorzutragen und dies mit entsprechenden Nachweisen zu belegen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2017, 54).
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d) Nach alledem ist mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass dem Kläger die mit Ablauf des 21. Mai 2013 zur Post aufgegebenen Bescheide --wie vom FG angenommen-- spätestens mit Ablauf des 21. Juni 2013 tatsächlich zugegangen sind. Mit Ablauf des 21. Juni 2013 begann die einmonatige Einspruchsfrist und hätte regulär mit Ablauf des 21. Juli 2013 geendet (§ 365 Abs. 1 AO i.V.m. § 108 Abs. 1, Abs. 3 AO i.V.m. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--). Da dieser Tag ein Sonntag war, verschob sich das Fristende nach § 108 Abs. 3 AO auf den 22. Juli 2013. Der am 13. August 2013 beim FA eingegangene Einspruch war damit verspätet.
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4. Dem FG ist auch darin zu folgen, dass dem Kläger aufgrund schuldhafter Versäumung der Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 Abs. 1 AO nicht zu gewähren war. Eine Fristversäumung ist nur dann als entschuldigt anzusehen, wenn sie durch die äußerste, den Umständen des Falles angemessene und vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhindert werden konnte (z.B. BFH-Urteil in BFHE 190, 292, BStBl II 2000, 175). Auch in Anbetracht der vorgebrachten Schwierigkeiten bei der Nachsendung von Schriftstücken nach Russland hat der Kläger nicht die für ihn angemessenen und erforderlichen Vorkehrungen für einen ordnungsgemäßen und fristgerechten Zugang von Postsendungen getroffen. Der Kläger kann insoweit nicht geltend machen, es sei ihm nicht möglich gewesen, Vorsorge zu treffen, weil er an seinem Wohnort niemanden habe beauftragen können, für ihn die in seiner Abwesenheit ausgeführten Zusendungen in Empfang zu nehmen und ihn zu unterrichten. Auf die Inanspruchnahme solcher Hilfeleistungen wäre der Kläger im Übrigen auch nicht angewiesen. So hätte er beispielsweise --wie vom FG zutreffend ausgeführt-- einen inländischen Zustellbevollmächtigten oder einen Zustellbevollmächtigten in der Tschechischen Republik oder in Russland benennen können.
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5. Das FG hat aber zu Unrecht angenommen, dass ihm eine inhaltliche Prüfung der angefochtenen Schätzungsbescheide auch hinsichtlich der vom Kläger gerügten Nichtigkeit der Bescheide verwehrt sei. Obschon der fachkundig vertretene Kläger im Rahmen des finanzgerichtlichen Verfahrens keinen ausdrücklichen Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit gestellt hat, ist auf der Grundlage seiner Klagebegründung und des dort klar zum Ausdruck gekommenen Rechtsschutzziels im Wege der rechtsschutzgewährenden Auslegung seiner Anträge davon auszugehen, dass er auch eine (zulässige) Nichtigkeitsfeststellungsklage nach § 41 Abs. 1 Alternative 1 FGO erheben wollte (vgl. auch BFH-Beschluss vom 10. September 2015 X B 134/14, BFH/NV 2016, 54, unter II.3.a cc). So hat der Kläger in der Begründung seiner Klage ausdrücklich die Nichtigkeit der Schätzungsbescheide gerügt und die Gründe hierfür im Einzelnen dargelegt. Darüber hinaus hat das FG nicht erkannt, dass zur Beseitigung des Rechtsscheins auch ein nichtiger Bescheid nach ständiger Rechtsprechung des BFH mit der Anfechtungsklage angegriffen und vom Gericht ausdrücklich aufgehoben werden kann (vgl. BFH-Urteile vom 7. August 1985 I R 309/82, BFHE 145, 7, BStBl II 1986, 42; vom 27. Februar 1997 IV R 38/96, BFH/NV 1997, 388; vom 19. August 1999 IV R 34/98, BFH/NV 2001, 409). Wären die Schätzungsbescheide als nichtig anzusehen, käme es entgegen der Auffassung des FG auf die fristgerechte Einlegung des Einspruchs nicht an.
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Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, ist sein Urteil aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Mangels ausreichender Feststellungen kann der Senat die Nichtigkeitsprüfung nicht selbst vornehmen. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass eine Schätzung zwar nicht bereits deshalb als nichtig erscheint, weil sie von den tatsächlichen Verhältnissen abweicht. Die Schätzung hat aber nach § 125 Abs. 1 AO die Nichtigkeit des auf ihr beruhenden Verwaltungsakts zur Folge, wenn sich das FA nicht an den wahrscheinlichen Besteuerungsgrundlagen orientiert, sondern bewusst und willkürlich zum Nachteil des Steuerpflichtigen schätzt (BFH-Urteil vom 15. Juli 2014 X R 42/12, BFH/NV 2015, 145). Willkürlich und damit nichtig ist ein Schätzungsbescheid nicht nur bei subjektiver Willkür des handelnden Bediensteten, sondern auch dann, wenn das Schätzungsergebnis trotz vorhandener Möglichkeiten, den Sachverhalt aufzuklären und Schätzungsgrundlagen zu ermitteln, krass von den tatsächlichen Gegebenheiten abweicht und in keiner Weise erkennbar ist, dass überhaupt und ggf. welche Schätzungserwägungen angestellt wurden (BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 145).
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6. Ebenfalls zu Unrecht hat das FG die Klage als unzulässig erachtet, soweit sie sich gegen die Festsetzung der Verspätungszuschläge zur Einkommensteuer 2010 und 2011 richtet.
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Das FG ist unzutreffend davon ausgegangen, dass der im Einspruchsverfahren nicht fachkundig vertretene Kläger allein gegen die Einkommensteuer- und Feststellungsbescheide Einspruch einlegen, nicht aber auch die festgesetzten Verspätungszuschläge zur Einkommensteuer 2010 und 2011 anfechten wollte. Die Reichweite der Einspruchseinlegung ist durch Auslegung zu ermitteln. Diese bestimmt sich nach § 133 BGB, der auch für Verfahrenshandlungen gilt (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 23. Oktober 1989 GrS 2/87, BFHE 159, 4, BStBl II 1990, 327; BFH-Urteile vom 5. Februar 1992 I R 76/91, BFHE 168, 1, BStBl II 1992, 995; vom 23. April 2003 IX R 28/00, BFH/NV 2003, 1140). Bei der Auslegung des Einspruchsschreibens vom 13. August 2013 ist daher der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Aus der Interessenlage und dem Sinngehalt dieses Einspruchsschreibens wird hinreichend deutlich, dass der Kläger sich auch gegen die Belastung durch den Verspätungszuschlag wehren wollte. Anhaltspunkte für eine Beschränkung seines Rechtsschutzbegehrens sind im Streitfall nicht gegeben. Die Würdigung des FG verletzt daher § 133 BGB und bindet den Senat nicht nach § 118 Abs. 2 FGO.
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7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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