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BFH 10.05.2016 - IX R 4/15
BFH 10.05.2016 - IX R 4/15 - Bindungswirkung der Feststellungen im Grundlagenbescheid - Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens - Berichtigung wegen einer offenbaren Unrichtigkeit
Normen
§ 129 S 1 AO, § 175 Abs 1 S 1 Nr 1 AO, § 179 Abs 1 AO, § 180 Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst a AO, § 182 Abs 1 AO, § 3 Nr 40 EStG 2002, § 23 EStG 2002, EStG VZ 2007
Vorinstanz
vorgehend FG Düsseldorf, 18. September 2014, Az: 16 K 2801/11 E, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Enthält ein Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen keine Feststellungen zur Anwendbarkeit des Halbeinkünfteverfahrens, entfaltet er insoweit auch keine Bindungswirkung für die Einkommensteuerfestsetzung .
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2. NV: Die Entscheidung über die Anwendung oder Nichtanwendung des Halbeinkünfteverfahrens im Folgebescheid setzt eine rechtliche Würdigung voraus die eine Berichtigung nach § 129 AO wegen einer offenbaren Unrichtigkeit ausschließt .
Tenor
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Auf die Revision der Kläger werden das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 18. September 2014 16 K 2801/11 E und die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 22. Juli 2011 aufgehoben.
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Die Einkommensteuer wird unter Abänderung des Einkommensteuerbescheids des Beklagten vom 24. August 2012 auf den Betrag festgesetzt, der sich bei einer Berücksichtigung von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften aus Grundstücken in Höhe von 1.045.896 € ergibt.
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Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
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Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
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I. Streitig ist, ob hinsichtlich gesondert und einheitlich festgestellter Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ein bestandskräftiger Einkommensteuerbescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geändert oder nach § 129 AO berichtigt werden kann.
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Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden im Streitjahr 2007 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In ihrer am 27. Februar 2009 eingereichten Einkommensteuererklärung erklärten die Kläger auf der Rückseite der Anlage SO in den Zeilen 58 und 59 ("Anteile an Einkünften --einschließlich des steuerfreien Teils der Einkünfte, für die das Halbeinkünfteverfahren gilt--") unter der Kennziffer 55.134 einen Betrag von 2.095.500 €. In der Zeile 60, Kennziffer 55.136 ("In Zeile 59 enthaltene Einkünfte, für die das Halbeinkünfteverfahren gilt") war kein Eintrag enthalten. Die "Beteiligungen an privaten Veräußerungsgeschäften 2007" waren in einer gesonderten Anlage zur Einkommensteuererklärung wie folgt erläutert:
- 3
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X-Straße
…
558.707 €
Y-Stadt
…
1.536.793 €
Summe
2.095.500 €
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In Bezug auf die übrigen Einkünfte des Klägers aus privaten Veräußerungsgeschäften waren die Angaben in den Zeilen 41 bis 50 der Anlage SO in einer insgesamt drei Seiten umfassenden "Ergänzungsliste zur Anlage SO" näher erläutert. Dabei wurden detaillierte Angaben zu den einzelnen Beträgen, die "dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen" und die "nicht dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen" gemacht.
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Mit Einkommensteuerbescheid 2007 vom 4. September 2009 wurde vom FA die Einkommensteuer auf 0 € festgesetzt. Die Einkünfte des Klägers aus privaten Veräußerungsgeschäften wurden mit 1.047.934 € angesetzt. Ursache für diesen --unstreitig fehlerhaften-- Ansatz war der Umstand, dass der in Kennziffer 55.134 eingetragene Betrag von 2.095.500 € durch den Bearbeiter irrtümlich auch unter der Kennziffer 55.136 ("In Zeile 59 enthaltene Einkünfte, für die das Halbeinkünfteverfahren gilt") erfasst wurde. Die Einkommensteuerveranlagung der Kläger war dabei nicht nur vom zuständigen Sachbearbeiter, sondern auch von der Qualitätssicherungsstelle des FA überprüft worden.
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Am 28. Dezember 2009 und am 9. September 2010 wurde der Einkommensteuerbescheid aus nicht streitigen Gründen geändert. Die Berücksichtigung der streitigen Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften mit dem Halbeinkünfteverfahren blieb bestehen.
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Das FA A-Stadt hatte unter der Steuer-Nr. … betreffend die "Grundbesitzgesellschaft B-Straße" mit Feststellungsbescheid vom 22. Januar 2009 die auf den Kläger entfallenen Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 1.536.793,50 € mitgeteilt. Das FA Z-Stadt stellte unter der Steuer-Nr. … betreffend die "C u. D Grundstücksgemeinschaft" die Einkünfte mit Feststellungsbescheid vom 12. April 2010 fest. Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften wurden für den Kläger mit 558.707 € festgestellt. Hinweise oder Feststellungen zur Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens enthielten beide Feststellungsbescheide nicht.
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Am 16. März 2011 erließ das FA einen auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO gestützten Änderungsbescheid, in dem es die Einkünfte des Klägers aus privaten Veräußerungsgeschäften nur unter der Kennziffer 55.134 mit 2.095.684 € und damit ohne Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens ansetzte. Der von den Klägern gegen den Änderungsbescheid eingelegte Einspruch blieb mit Einspruchsentscheidung vom 22. Juli 2011 ohne Erfolg.
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Das Finanzgericht (FG) wies die von den Klägern erhobene Klage als unbegründet ab. Das FA habe zu Recht auf der Grundlage von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO am 16. März 2011 einen geänderten Einkommensteuerbescheid erlassen und die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften ohne Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens angesetzt. Denn in den jeweiligen Feststellungsbescheiden sei mit Bindungswirkung für die Einkommensteuerbescheide konkludent negativ festgestellt worden, dass diese Einkünfte nicht dem Halbeinkünfteverfahren unterlägen. Es spreche einiges dafür, das Halbeinkünfteverfahren auf der Grundlage der "Nettomethode" bereits auf der Ebene der Gesellschaft/Gemeinschaft zu berücksichtigen. Soweit nach der "Bruttomethode" Anteile i.S. des § 3 Nr. 40 EStG lediglich "nachrichtlich" vom Feststellungsfinanzamt dem Festsetzungsfinanzamt gemeldet werden und bei Letzterem die Entscheidung über die Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens getroffen werde, sei dem nicht zu folgen. Vielmehr sei die "modifizierte Bruttomethode" vorzuziehen, wonach dem Halbeinkünfteverfahren unterfallende Anteile vom Feststellungsfinanzamt als andere Besteuerungsgrundlagen mit Bindungswirkung für das Festsetzungsfinanzamt festgestellt werden. Daher folge hier bereits aus den Feststellungsbescheiden, dass hinsichtlich der streitigen Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften die Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens ausgeschlossen gewesen sei. Darüber hinaus habe aber auch die Befugnis des FA bestanden, den Fehler, der bei Erlass des erstmaligen Einkommensteuerbescheids unterlaufen sei, wegen einer offenbaren Unrichtigkeit nach § 129 Satz 1 AO zu berichtigen. Die zusätzliche Erfassung des nur in der Kennziffer 55.134 eingetragenen Betrags von 2.095.500 € auch unter der Kennziffer 55.136 habe nicht auf einem die Berichtigung ausschließenden Tatsachen- oder Rechtsirrtum, sondern auf einem rein mechanischen Versehen beruht. Spuren einer Willensbildung des Bearbeiters seien hierzu nicht ersichtlich. Vielmehr verdeutliche gerade der zeitliche Ablauf der Veranlagung, dass bei der Dateneingabe ein rein mechanisches Versehen vorgelegen habe.
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Mit ihrer Revision bringen die Kläger vor: Die Entscheidung über die Anwendung des § 3 Nr. 40 EStG erfolge nicht im Verfahren der gesonderten und einheitlichen Feststellung, sondern auf der Ebene des Steuerpflichtigen. Die gesonderte und einheitliche Feststellung beziehe sich nur auf die gemeinschaftlich verwirklichten Tatbestandsmerkmale. Im Grundlagenbescheid sei daher allenfalls nachrichtlich auf § 3 Nr. 40 EStG einzugehen. Denn bei der Anwendung handele es sich lediglich um einen Rechenschritt auf Ebene des Gesellschafters, der sich zwingend aus der Rechtsform des Gesellschafters und damit dessen persönlichen Voraussetzungen ergebe. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 129 Satz 1 AO mangels Offensichtlichkeit nicht vor. Ein Rechtsanwendungsfehler könne vielmehr nicht ausgeschlossen werden. Dies zeige bereits die Tatsache, dass die Veranlagung durch die Qualitätssicherungsstelle des FA geprüft worden sei.
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Am 27. Oktober 2011 und am 24. August 2012 sind aus jeweils nicht streitigen Gründen Änderungsbescheide zur Einkommensteuer 2007 erlassen worden. Im Änderungsbescheid vom 27. Oktober 2011 wurde der Wertansatz des Beteiligungsergebnisses der "C u. D Grundstücksgemeinschaft" von 558.707 € auf 555.000 € korrigiert.
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Die Kläger beantragen,
das Urteil des FG Düsseldorf vom 18. September 2014 16 K 2801/11 E und die Einspruchsentscheidung vom 22. Juli 2011 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2007 vom 24. August 2012 dahingehend zu ändern, dass die Beteiligungseinkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 2.091.793 € dem Halbeinkünfteverfahren unterworfen werden.
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Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Das FA hält die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO und nach § 129 Satz 1 AO für erfüllt. Der Fehler im Einkommensteuerbescheid beruhe auf einer unrichtigen Umsetzung der Verfügung des Feststellungsbescheids und nicht auf einer fehlerhaften rechtlichen Würdigung im Einkommensteuerbescheid selbst. Es werde im Feststellungsbescheid konkludent negativ festgestellt, dass die Einkünfte aus § 23 EStG im Streitfall nicht dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen. Die Feststellung "Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG" habe von allen Beteiligten bei zutreffender Auslegung nur so verstanden werden können, dass damit Einkünfte gemeint seien, die nicht dem Halbeinkünfteverfahren unterfielen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Das Urteil ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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Entgegen der Auffassung des FG konnte der Einkommensteuerbescheid vom 16. März 2011 weder nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändert (dazu unter 1.) noch nach § 129 Satz 1 AO (dazu unter 2.) berichtigt werden.
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1. Die Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 16. März 2011 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO war nicht möglich.
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a) Gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist ein Steuerbescheid zu ändern, soweit ein Grundlagenbescheid i.S. von § 171 Abs. 10 AO, dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, geändert wird. Zu den Grundlagenbescheiden zählen gemäß § 171 Abs. 10 Satz 1, § 179 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 AO auch die Feststellungsbescheide nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO. Die Bindungswirkung gemäß § 182 Abs. 1 Satz 1 AO verpflichtet das für den Erlass eines Folgebescheids zuständige Finanzamt, den Grundlagenbescheid umzusetzen (vgl. u.a. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. Januar 2009 X R 18/08, BFH/NV 2009, 1075, unter II.1., und vom 18. Juli 2012 X R 28/10, BFHE 238, 484, BStBl II 2013, 444, unter II.1.). Denn Zweck des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist es, die Festsetzung der zutreffenden Steuer im Folgebescheid sicherzustellen, wobei der materiellen Richtigkeit des Folgebescheids der Vorrang vor der Bestandskraft eines bereits früher ergangenen Folgebescheids eingeräumt wird (vgl. BFH-Urteile vom 14. April 1988 IV R 219/85, BFHE 153, 285, BStBl II 1998, 711, unter 1.a; vom 17. Februar 1993 II R 15/91, BFH/NV 1994, 1, unter II.2.; vom 4. September 1996 XI R 50/96, BFHE 181, 388, BStBl II 1997, 261; in BFH/NV 2009, 1075, unter II.1.).
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Voraussetzung für eine Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist, dass ein Grundlagenbescheid mit Bindungswirkung für den Folgebescheid erlassen, aufgehoben oder geändert wird. Im Umfang der in § 182 Abs. 1 AO festgelegten Bindungswirkung muss es entweder zu einer erstmaligen Regelung oder zu einer inhaltlichen Veränderung des bisherigen Regelungszustandes kommen (BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 1075, unter II.2.). Die Bindung an den Feststellungsbescheid schließt es aus, über einen Sachverhalt, über den im Feststellungsverfahren entschieden worden ist, im Folgeverfahren in einem damit unvereinbaren Sinne anders zu entscheiden (BFH-Urteil vom 18. April 2012 X R 34/10, BFHE 237, 135, BStBl II 2012, 647, unter II.1.; vgl. auch Klein/Ratschow, AO, 12. Aufl., § 182 Rz 8).
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Enthält ein Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung keine Feststellungen, so entfaltet der Bescheid auch keine Bindungswirkung für den oder die Folgebescheide. Die Bindungswirkung eines Feststellungsbescheids bestimmt sich nach seinen Verfügungssätzen. Maßgeblich ist, in welchem Umfang und mit welchem Inhalt die Behörde Besteuerungsgrundlagen in den Tenor der Verwaltungsakte aufgenommen hat (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH-Urteile vom 22. August 2007 X R 39/02, BFHE 218, 503, BStBl II 2008, 4; vom 8. November 2005 VIII R 11/02, BFHE 211, 277, BStBl II 2006, 253, unter II.2.a aa; in BFHE 238, 484, BStBl II 2013, 444, unter II.2.a, m.w.N.; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 182 AO Rz 39; Klein/Ratschow, AO, 12. Aufl., § 182 Rz 5).
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Für die hiernach erforderliche Abgrenzung zwischen den bindenden Verfügungssätzen und deren (bloßer) Begründung bedarf es der Auslegung des Feststellungsbescheids. Hierbei ist entsprechend § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs darauf abzustellen, wie ein verständiger Empfänger nach den ihm bekannten Umständen den Bescheid unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil in BFHE 238, 484, BStBl II 2013, 444, unter II.2.a, m.w.N.). Zur Auslegung des Verwaltungsakts ist auch das Revisionsgericht befugt, wenn die tatsächlichen Feststellungen des FG ausreichen (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH-Urteile in BFHE 218, 503, BStBl II 2008, 4, unter II.1.b bb aaa, und vom 10. Mai 2012 IV R 34/09, BFHE 239, 485, BStBl II 2013, 471, unter II.2.b aa, jeweils m.w.N.).
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b) Nach diesen Auslegungsmaßstäben konnte den Feststellungsbescheiden vom 22. Januar 2009 und vom 12. April 2010 nach den tatsächlichen Feststellungen des FG lediglich der Inhalt entnommen werden, dass der dort genannte Betrag sich auf die Einkünfte des Klägers aus privaten Veräußerungsgeschäften vor Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens bezogen hat. Denn in den streitigen Feststellungsbescheiden werden lediglich "Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG" festgestellt. Ob und in welchem Umfang die festgestellten Einkünfte auf § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 EStG und damit dem Halbeinkünfteverfahren unterfallen, lässt sich den Feststellungsbescheiden nicht entnehmen und ist damit von der Bindungswirkung nicht umfasst. Hat das FA daher --wie hier-- in einem bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid gegenüber den Klägern zu Unrecht das Halbeinkünfteverfahren angewandt, so kann dieser Fehler nicht im Wege der (Folge-)Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO berichtigt werden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 218, 503, BStBl II 2008, 4).
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Das FA hatte die festgestellten Einkünfte zunächst zutreffend in der Kennziffer 55.134 im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung mit Einkommensteuerbescheid vom 4. September 2009 erfasst. Anschließend hat das FA mit der weiteren Erfassung der Einkünfte unter der Kennziffer 55.136 das Halbeinkünfteverfahren angewandt. Dadurch hat das FA eine rechtliche Wertung im Folgebescheid getroffen, die von der Bindungswirkung der beiden Feststellungsbescheide vom 22. Januar 2009 und vom 12. April 2010 nicht umfasst wird.
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Die Auslegung der beiden Feststellungsbescheide vom 22. Januar 2009 und vom 12. April 2010 auf der Grundlage der Feststellungen des FG ergibt, dass das FA im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung lediglich verpflichtet war, auf der Grundlage der Bindungswirkung der Feststellungsbescheide unter der Kennziffer 55.134 "Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG" und damit einen Betrag in Höhe von 2.091.793 € zu übernehmen. Dieser Verpflichtung war das FA aber bereits mit der Übernahme des Werts von 2.095.500 € in die Veranlagung im Einkommensteuerbescheid vom 4. September 2009 (größtenteils) nachgekommen. Weder aus den beiden Feststellungsbescheiden noch den dazu ergangenen Mitteilungen konnte das Festsetzungsfinanzamt den Schluss ziehen, das Feststellungsfinanzamt habe zur Frage der Anwendung oder Nichtanwendung des Halbeinkünfteverfahrens eine (verbindliche) Regelung getroffen. Eine Verpflichtung zur Erfassung oder Nichterfassung eines Betrags unter der Kennziffer 55.136 war in den beiden Feststellungsbescheiden daher nicht enthalten. Der --unstreitig fehlerhafte-- Ansatz der Einkünfte im Rahmen der Kennziffer 55.136 und der darauffolgende Ansatz der Einkünfte nur zur Hälfte stellt somit allein eine rechtliche Würdigung im Folgebescheid dar, die mit dem Inhalt der Grundlagenbescheide nicht in Widerspruch steht und daher auch nicht nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändert werden kann. Die Änderung im angefochtenen Einkommensteuerbescheid vom 16. März 2011 beruht daher nicht --wie es für eine Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO erforderlich wäre-- auf einer unrichtigen oder unterlassenen Umsetzung einer von der Behandlung im Einkommensteuerbescheid abweichenden Regelung zum Halbeinkünfteverfahren, sondern auf einer fehlerhaften rechtlichen Würdigung im Einkommensteuerbescheid selbst.
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c) Der Senat lässt offen, ob auf der Grundlage des Wortlauts des § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a bis j EStG in der im Streitjahr 2007 geltenden Fassung die hälftige Steuerbefreiung bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen auch bereits im Rahmen der Einkünfteermittlung und damit auf Ebene des Feststellungsbescheids berücksichtigt werden kann und dann auch für den Folgebescheid Bindungswirkung entfaltet ("Netto-Feststellung", vgl. Engel, Der Betrieb 2003, 1811, 1815; Intemann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 3 Nr. 40 EStG Rz 48, m.w.N.; a.A. Blümich/Erhard, § 3 Nr. 40 EStG Rz 5; Scholten/Griemla/Kinalzik, Finanz-Rundschau --FR-- 2010, 259, 264; Griemla, FR 2005, 719, 729; Ministerium für Finanzen und Bundesangelegenheiten des Saarlandes, Verfügung vom 28. Juni 2005 B/2-3-108/2005-S 2120, juris; offen Söhn in HHSp, § 180 AO Rz 229a). Denn nach den tatsächlichen Feststellungen des FG waren im Feststellungsverfahren nur "Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG" festgestellt und damit keinerlei Angaben zur Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens gemacht worden. Daher kann im hier anhängigen Verfahren auch keine Aussage dazu getroffen werden, ob derartige Feststellungen dort zu Recht erfolgt (oder ggf. in einem Ergänzungsbescheid nach § 179 Abs. 3 AO nachzuholen wären) und für den Folgebescheid bindend sind. Der Senat setzt sich daher auch nicht in Widerspruch zu der Entscheidung des BFH in BFHE 238, 484, BStBl II 2013, 444. Denn diese betraf den Fall, dass im Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen bindende Angaben zu den dem Halbeinkünfteverfahren unterfallenden Einkünften vorhanden waren. Dies ist nach den Feststellungen des FG hier aber nicht der Fall.
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2. Das FG ist weiter zu Unrecht davon ausgegangen, dass der bestandskräftige Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 4. September 2009 nach § 129 AO berichtigt werden konnte.
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a) Nach § 129 AO können Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigt werden. Offenbare Unrichtigkeiten in diesem Sinne sind mechanische Versehen wie beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler. Dagegen schließen Fehler bei der Auslegung oder Nichtanwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit aus. An einer offenbaren Unrichtigkeit fehlt es daher u.a. dann, wenn Gesetzesnormen nicht oder falsch angewendet worden sind (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH-Urteile vom 7. November 2013 IV R 13/11, BFH/NV 2014, 657, unter II.1.b, und vom 16. September 2015 IX R 37/14, BFHE 250, 332, BStBl II 2015, 1040, unter II.1.).
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b) Nach den Feststellungen des FG ist die Erfassung der streitigen Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften unter der Kennziffer 55.136 ("In Zeile 59 enthaltene Einkünfte, für die das Halbeinkünfteverfahren gilt") auf alleinige Veranlassung des Sachbearbeiters des FA erfolgt. Anhaltspunkte für einen Eingabefehler in Gestalt eines Schreib- oder Rechenfehlers hat das FG nicht festgestellt. Auch Anhaltspunkte für ein Versehen der Kläger, das vom FA ohne weitere Prüfung in den Steuerbescheid übernommen worden ist, sind nach den Feststellungen des FG nicht ersichtlich. Denn hiernach ergaben sich Anhaltspunkte für eine Erfassung auf der Grundlage des Halbeinkünfteverfahrens weder aus den eingereichten Einkommensteuerformularen der Kläger noch aus den von den Klägern beigefügten Anlagen zur Einkommensteuererklärung. Der Entscheidung, die streitigen Einkünfte nicht nur unter der Kennziffer 55.134, sondern auch unter der Kennziffer 55.136 zu erfassen, liegt vielmehr allein eine willentliche Entscheidung des Sachbearbeiters des FA hinsichtlich der Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens und damit zwingend eine rechtliche Würdigung zugrunde (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 218, 503, BStBl II 2008, 4, unter II.2.). Ohne die --unstreitig unzutreffende-- Annahme der Anwendbarkeit des Halbeinkünfteverfahrens seitens des Bearbeiters lässt sich nicht erklären, dass --wie vom FG festgestellt-- der Bearbeiter unter dieser Kennziffer einen ergänzenden Eintrag vorgenommen hat.
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3. Die Sache ist spruchreif. Das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung vom 22. Juli 2011 sind aufzuheben. Die Einkommensteuer 2007 wird unter Abänderung des Einkommensteuerbescheids des FA vom 24. August 2012 auf den Betrag festgesetzt, der sich bei einer Berücksichtigung eines Ansatzes der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 2.091.793 € sowohl unter der Kennziffer 55.134 als auch der Kennziffer 55.136 und damit bei einer Berücksichtigung von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften aus Grundstücken in Höhe von 1.045.896 € ergibt. Die Berechnung der Einkommensteuer wird dem FA übertragen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Übertragung der Berechnung der festzusetzenden Steuer auf das FA beruht auf § 121 Satz 1, § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.
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