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BFH 21.01.2015 - X R 16/12
BFH 21.01.2015 - X R 16/12 - Ordnungsgemäße Zustellung mit Zustellungsurkunde - Rechtserheblichkeit einer neuen Tatsache - Wegfall einer Betriebsaufspaltung durch Übertragung der Beteiligung unter Nießbrauchsvorbehalt - Bescheidänderung aufgrund fehlender Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen
Normen
§ 173 Abs 1 Nr 1 AO, § 100 BGB, § 176 Abs 2 ZPO, § 178 Abs 1 Nr 2 ZPO, § 180 ZPO, § 182 Abs 1 S 2 ZPO, § 418 ZPO
Vorinstanz
vorgehend FG Münster, 16. Juni 2011, Az: 3 K 3521/08 E, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Die Beweiskraft der Zustellungsurkunde erstreckt sich nicht nur auf das Einlegen des Schriftstücks in den zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung, sondern auch darauf, dass der Zusteller unter der ihm angegebenen Anschrift weder den Adressaten persönlich noch eine zur Entgegennahme einer Ersatzzustellung in Betracht kommende Person angetroffen hat (Anschluss an BFH-Beschluss vom 4. Juli 2008 IV R 78/05, BFH/NV 2008, 1860) .
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2. NV: Der Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen erfordert den vollen Gegenbeweis, d.h. den Beweis der Unrichtigkeit der Zustellungsurkunde in der Weise, dass ihre Beweiswirkung vollständig entkräftet wird. Es sind Umstände darzulegen, die ein Fehlverhalten des Zustellers bei der Zustellung und damit eine Falschbeurkundung in der Zustellungsurkunde zu belegen geeignet sind (vgl. BFH-Beschluss vom 4. Juli 2008 IV R 78/05, BFH/NV 2008, 1860) .
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3. NV: Eine Änderung nach § 173 Abs. 1 AO scheidet aus, wenn die Unkenntnis der später bekanntgewordenen Tatsache für die ursprüngliche Veranlagung nicht ursächlich (rechtserheblich) gewesen ist, weil die Finanzbehörde auch bei rechtzeitiger Kenntnis der Tatsache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keiner anderen Steuer gelangt wäre .
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4. NV: Wie die Finanzbehörde bei Kenntnis bestimmter Tatsachen und Beweismittel einen Sachverhalt in seinem ursprünglichen Bescheid gewürdigt hätte, ist im Einzelfall aufgrund des Gesetzes, wie es nach der damaligen Rechtsprechung ausgelegt wurde, und den die Finanzbehörden bindenden Verwaltungsanweisungen zu beurteilen, die im Zeitpunkt des Erlasses des ursprünglichen Steuerbescheids durch die Finanzbehörde gegolten haben .
Tenor
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Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 16. Juni 2011 3 K 3521/08 E wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
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A. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden im Streitjahr 2002 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
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Der Kläger war Alleininhaber einer Einzelfirma. Das Vermögen der Firma bestand im Wesentlichen aus Grundbesitz und Anteilen an der G-GmbH, deren alleiniger Anteilseigner wiederum der Kläger war. Die Einzelfirma des Klägers überließ der GmbH den Grundbesitz für deren betriebliche Zwecke.
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Mit notarieller Vereinbarung vom 30. Dezember 2002 übertrug der Kläger seinem Sohn seine GmbH-Beteiligung und das Einzelunternehmen mit allen Aktiva und Passiva im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Bezüglich des Einzelunternehmens behielt sich der Kläger auf Lebenszeit das unentgeltliche Nießbrauchsrecht "an dem übertragenen Einzelunternehmen, insbesondere am Grundbesitz" vor. Das Nießbrauchsrecht bezog sich auch auf die GmbH-Anteile. Für den Fall, dass der Sohn den Gesellschaftsanteil bzw. das Einzelunternehmen und den Grundbesitz ohne schriftliche Zustimmung des Klägers ganz oder teilweise veräußern oder belasten sollte, stand dem Kläger ein Rücktrittsrecht zu. Der beurkundende Notar wies ausdrücklich darauf hin, dass es zur Aufdeckung stiller Reserven komme, wenn die Finanzverwaltung die Betriebsaufspaltung aufgrund des Vertrags nicht mehr anerkennen würde.
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Der Steuererklärung für das Jahr 2002 war die Bilanz des Einzelunternehmens beigefügt, in deren Anhang es unter der Überschrift "Rechtliche Verhältnisse" u.a. hieß: "Mit Vertrag vom 30.12.2002 ... hat Herr <Kläger> die Einzelfirma ... an seinen Sohn, Herrn ..., unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen, und zwar mit Wirkung zum 31.12.2002/ 01.01.2003." Die Kläger wiesen weder auf den Vorbehaltsnießbrauch hin noch übersandten sie den Vertrag. Einen Aufgabegewinn erklärten sie nicht. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte die Einkommensteuer 2002 mit Bescheid vom 27. April 2004 erklärungsgemäß fest. Die Veranlagung erfolgte --abgesehen von den maschinellen Vorläufigkeiten-- endgültig.
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Am 12. April 2005 übersandten die Kläger den vom FA angeforderten Übertragungsvertrag vom 30. Dezember 2002. Mit Schreiben vom 13. April 2005 äußerte das FA die Auffassung, die Veranlagung 2002 sei nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) zu ändern und der Betriebsaufgabegewinn aufgrund der Übertragung steuerlich zu erfassen. In einem Aktenvermerk vom 14. Juni 2005 wurde festgehalten, ein Betriebsaufgabegewinn sei nicht zu besteuern.
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Im Rahmen einer Außenprüfung für die Jahre 2002 bis 2004 stellte der Betriebsprüfer fest, die Übertragung vom 30. Dezember 2002 sei als Betriebsaufgabe zu bewerten und die aufgedeckten stillen Reserven seien nach § 16 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes der Besteuerung zu unterwerfen. In diesem Zusammenhang bat der Betriebsprüfer den Kläger mit Schreiben vom 2. Mai 2007 um Mitteilung, ob nach dem Übertragungsvertrag die Verbindlichkeiten gegenüber der Bank, den Lieferanten und der GmbH ebenfalls übergegangen seien, sowie um Vorlage der entsprechenden Zustimmungserklärungen der Gläubiger. Der Kläger legte hierzu eine Stellungnahme des beurkundenden Notars vor. Zustimmungserklärungen der Gläubiger wurden weder in Beantwortung des Schreibens vom 2. Mai 2007 noch später eingereicht.
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Entsprechend den Feststellungen der Außenprüfung erließ das FA am 22. Februar 2008 einen geänderten Einkommensteuerbescheid 2002, in dem es einen von der Betriebsprüfung ermittelten Aufgabegewinn in Höhe von 854.594 € erfasste.
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Den Einspruch hiergegen wies das FA zurück. Zur Begründung führte es aus, dass entgegen der Auffassung der Kläger eine neue Tatsache vorliege, die zu einer Änderung der Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO berechtige. Erstmals mit Vorlage des Vertragstextes am 12. April 2005 sei bekannt geworden, dass sich der Kläger bei der Übertragung des Einzelunternehmens auf seinen Sohn den Nießbrauch vorbehalten habe. Die Kläger könnten sich nicht auf einen Ermittlungsfehler des FA berufen, weil sie den Sachverhalt nicht in vollem Umfang offengelegt hätten.
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt. Es urteilte, der angefochtene Bescheid und die Einspruchsentscheidung seien rechtswidrig, soweit das FA einen Aufgabegewinn von mehr als 500.000 € angesetzt habe. Das FA sei aber berechtigt gewesen, den Steuerbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern. Im Streitfall seien zu einer höheren Steuer führende Tatsachen nachträglich bekannt geworden, weil dem FA erst durch die Einreichung des Übertragungsvertrags am 12. Mai 2005 --richtig: 12. April 2005-- und damit nach der endgültigen Veranlagung am 27. August 2004 bekannt geworden sei, dass das Unternehmen unter Nießbrauchsvorbehalt übertragen worden sei.
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Auch liege kein Ermittlungsfehler des FA vor, weil die Kläger mit dem Hinweis auf den Übertragungsvertrag in der Gewinnermittlung für das Jahr 2002 nicht alle steuerlich relevanten Sachverhaltsdetails offengelegt hätten.
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Zu Recht sei das FA auch davon ausgegangen, dass der Kläger mit der Übertragung vom 30. Dezember 2002 seinen im Wege einer Betriebsaufspaltung geführten Einzelbetrieb aufgegeben habe. Mit der Übertragung der Anteile an der GmbH und des Betriebsgrundstücks auf seinen Sohn unter Vorbehalt des Nießbrauchs sei die für die Betriebsaufspaltung notwendige personelle Verflechtung zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen gelöst worden. Wegen des Nießbrauchs könne der Sohn des Klägers insbesondere nicht die Geschäfte des täglichen Lebens in Bezug auf den Grundbesitz beherrschen. Zudem sei die Verfügungsbefugnis über den Grundbesitz wesentlich eingeschränkt.
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Aufgrund der Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des FG hat der erkennende Senat die Revision mit Beschluss vom 20. Juni 2012 X B 106/11 zugelassen. Der Beschluss wurde den Klägern laut Zustellungsurkunde am 2. Juli 2012 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 3. August 2012, beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen am 6. August 2012, beantragten die Kläger, die Frist zur Begründung der zugelassenen Revision um einen Monat, mithin bis zum 3. September 2012, zu verlängern. Mit Schreiben vom 7. August 2012, den Klägern zugestellt am 9. August 2012, wies der damalige Vorsitzende des erkennenden Senats unter Hinweis auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Kläger darauf hin, ihr Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist sei verspätet eingegangen.
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Mit Schreiben vom 20. August 2012 beantragten die Kläger, die Fristverlängerung zu gewähren, da der Antrag wegen einer nicht ordnungsgemäßen Zustellung noch vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist gestellt worden sei. Hilfsweise beantragten sie, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
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Zur Begründung tragen die Kläger vor, der Beschluss über die Zulassung der Revision sei ihnen am 2. Juli 2012 nicht wirksam zugestellt worden, sondern erst am 3. Juli 2012 tatsächlich zugegangen (Entnahme des Beschlusses aus dem Briefkasten des Prozessbevollmächtigten). Ausweislich der Zustellungsurkunde sei der Beschluss in den zu den Büroräumen ihres Prozessbevollmächtigten gehörenden Briefkasten eingelegt worden, obwohl das Büro von 7:00 Uhr bis zumindest 18:00 Uhr besetzt und dank der offenen Türen auch jederzeit betretbar gewesen sei. Am 2. Juli 2012 habe die Geschäftsführerin das Büro erst um 19:00 Uhr verlassen. Der Beschluss sei lt. Aussage des zuständigen Postzustellers auch nicht außerhalb der üblichen Bürozeiten, sondern zwischen 8:30 Uhr und 10:00 Uhr zugestellt worden. Selbstverständlich verfüge das Büro über eine Klingel. Diese könne nicht nur am Empfang, sondern in allen Räumen des Büros von jedem Mitarbeiter gehört werden. Zum Beweis bieten die Kläger alle namentlich benannten Mitarbeiter ihres Prozessbevollmächtigten als Zeugen an. Zudem legen sie Versicherungen an Eides statt einer Geschäftsführerin ihres Prozessbevollmächtigten sowie zweier Mitarbeiter der zur Prozessbevollmächtigten bestellten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vor. Die Geschäftsführerin erklärt, am Hauseingang der Büroräume gebe es eine Klingel für die Büroräume der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Wochentags werde die Haustüre schon früh aufgeschlossen und bleibe bis abends geöffnet. Auch die Büroeingangstüre sei offen, sobald und solange Mitarbeiter vor Ort seien. Am 2. Juli 2012 sei sie, die Geschäftsführerin, gegen 8:30 Uhr in das Büro gekommen und bis 19:00 Uhr anwesend gewesen. Um 18:00 Uhr habe sie die Büroeingangstüre abgeschlossen und um 19:00 Uhr dann das Büro durch eine Nebentüre zum Parkhaus verlassen. Von einem Zustellungsversuch eines Postboten an diesem Tag habe sie nichts bemerkt. Einer der Mitarbeiter des Prozessbevollmächtigten der Kläger trägt vor, er habe am 2. Juli 2012 seine Arbeit um 7:00 Uhr begonnen, die Büroeingangstüre aufgeschlossen und entriegelt, sodass die Türe jederzeit offen gewesen sei. Die für die Post zuständige Mitarbeiterin (Empfangsdame) des Prozessbevollmächtigten der Kläger erläutert, sie entleere um 9:00 Uhr das Postfach ihres Arbeitgebers. Auf dem Rückweg entnehme sie dem Briefkasten die Post, öffne dann alle Briefsendungen und versehe sie mit dem Eingangsstempel des Tages. Am Morgen des 3. Juli 2012 habe sie im Briefkasten einen gelben Umschlag vorgefunden, der als Absender den BFH ausgewiesen habe. Sie habe auf dem Umschlag den Eingangsstempel 3. Juli 2012 aufgebracht und die Sendung in das Posteingangsbuch eingetragen. Dann habe sie die Sendung der Geschäftsführerin der Prozessbevollmächtigten der Kläger ausgehändigt. Die Mitarbeiterin erklärt weiter, sie könne ausschließen, dass während ihrer Arbeitszeit am 2. Juli 2012 bis 13:00 Uhr der Postbote eine Zustellung in den Büroräumen des Prozessbevollmächtigten der Kläger versucht habe.
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Die Kläger verweisen zudem auf die Zustellung des Schreibens des Vorsitzenden des erkennenden Senats. Auch dieses sei in den Briefkasten eingeworfen worden, obwohl das Büro wie jeden Tag besetzt gewesen sei. Die Empfangsdame ihres Prozessbevollmächtigten habe den Brief gegen 9:15 Uhr dem Briefkasten entnommen. Als Zeugen, dass das Büro ihres Prozessbevollmächtigten an diesem Tag seit 7:30 Uhr besetzt gewesen sei, bieten die Kläger wiederum alle namentlich benannten Mitarbeiter ihres Prozessbevollmächtigten an.
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Ihren Hilfsantrag (Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) begründen die Kläger damit, sie seien ohne eigenes oder ihnen zuzurechnendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten an der Einhaltung der Revisionsbegründungsfrist gehindert gewesen.
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Mit Schreiben vom 30. August 2012 hat der Vorsitzende des erkennenden Senats die Frist zur Begründung der Revision --vorbehaltlich der Rechtsauffassung des Senats zur Zulässigkeit der Revision-- bis zum 3. September 2012 verlängert. Innerhalb dieser Frist tragen die Kläger zur Begründung ihrer Revision vor, das FG, das eine Änderungsbefugnis nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO bejaht habe, verkenne den Umfang der gesetzlichen Ermittlungspflicht des FA.
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Zwar sei dem FA der Vorbehaltsnießbrauch des Klägers an der im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf den Sohn übertragenen Einzelfirma erst nachträglich bekannt geworden und die Kläger hätten ihre Mitwirkungspflicht insoweit verletzt, als sie den Sachverhalt zwar wahrheitsgemäß, aber nicht vollständig unter Mitteilung aller Bedingungen des Übergabevertrags geschildert hätten. Jedoch habe das FA seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung dadurch verletzt, dass er trotz eines offenkundig nicht vollständig und eindeutig mitgeteilten Sachverhalts keine Nachfragen zu den Details der vorweggenommen Erbfolge gestellt habe. Trotz der Verletzung der Mitwirkungspflicht der Kläger habe eine Ermittlungspflicht des FA bestanden. Nach der Rechtsprechung des BFH (z.B. Senatsbeschluss vom 8. November 2011 X B 55/11, BFH/NV 2012, 169) müsse das FA jedenfalls offenkundigen Zweifelsfragen und Unklarheiten, die sich ohne weiteres aufdrängen, nachgehen und diese möglichst klären. Eine solche offenkundige Unklarheit liege im Streitfall in dem zwar wohlbekannten, inhaltlich jedoch kaum zu fassenden Begriff der "vorweggenommenen Erbfolge". Dessen Kern sei sicherlich die schenkweise Übertragung von Vermögen auf zukünftige gesetzliche Erben; alles andere sei jedoch so offen und in der Praxis vielfältig, dass der Begriff per se nicht geeignet sei, Klarheit zu vermitteln.
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Dem Steuerpflichtigen obliege die Verpflichtung, dem FA mitzuteilen, "Ob" etwas passiert und "Was" passiert sei. Erfülle der Steuerpflichtige diese Anforderung nicht, habe das FA in der Regel keine Möglichkeit, eigene Ermittlungen einzuleiten und es entspreche nicht dem Grundsatz von Treu und Glauben, dass dem Steuerpflichtigen ein Vorteil aus dieser Pflichtverletzung erwachse. Anders verhalte es sich jedoch bei der Frauge, "Wie" etwas passiert sei. Diese Frage könne oftmals nur durch die Vorlage des Vertragswerks beantwortet werden und der Steuerpflichtige als Laie könne in der Regel gar nicht abschätzen, welche juristischen Detailregelungen von steuerlicher Relevanz seien und welche nicht. Er müsste dann alle vertraglichen Unterlagen zu allen steuerlich relevanten Vorgängen dem FA vorlegen; dies sei weder dem Steuerpflichtigen noch dem FA zuzumuten, das dann mit einer Flut von Unterlagen konfrontiert würde. Dies zeige sich nicht zuletzt an § 97 AO, wonach die Finanzbehörde die Vorlage von Unterlagen verlangen könne, jedoch in der Regel erst dann, wenn der Vorlagepflichtige eine Auskunft nicht erteilt habe, die Auskunft unzureichend sei oder Bedenken gegen ihre Richtigkeit bestünden.
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Selbst wenn man die unaufgeforderte Vorlage des Vertrags über die vorweggenommene Erbfolge als zumutbar ansehen würde (das FG habe hierzu keine Feststellungen getroffen) und so beide Beteiligten gegen ihre Pflichten verstoßen hätten, wäre bei der Abwägung zu berücksichtigen, dass zwischen der Teilerfüllung der Mitwirkungspflichten durch den Kläger und der Verletzung der Ermittlungspflicht durch das FA ein Kausalzusammenhang bestehe. Ließe man in diesem Fall die Regel der Rechtsprechung greifen, wonach der Steuerpflichtige bei beidseitigem Pflichtverstoß die Verantwortung trage und der Steuerbescheid deshalb geändert werden könne, würde dies die rechtsstaatliche Pflicht des FA zur Ermittlung des Sachverhalts ins Leere laufen lassen.
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Eine Änderung des Einkommensteuerbescheides 2002 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sei zudem jedenfalls im Jahr 2008 wegen des Verbots des widersprüchlichen Verhaltens nicht mehr zulässig gewesen. Das FA habe im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Jahres 2003 den Überlassungsvertrag angefordert, im Schreiben vom 13. April 2005 die Auffassung vertreten, 2002 sei ein Aufgabegewinn zu erfassen sowie der Einkommensteuerbescheid nach § 173 AO zu ändern, und gleichwohl in den Einkommensteuerbescheiden der Jahre 2003 und 2004 die Einkünfte des Klägers aus dem Nießbrauch am Einzelunternehmen erklärungsgemäß als gewerbliche Einkünfte und nicht als Vermietungseinkünfte erfasst.
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Die Kläger beantragen,
das FG-Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer 2002 ohne Berücksichtigung eines Aufgabegewinns des Klägers betreffend die Einzelfirma festzusetzen.
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Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Es habe den Einkommensteuerbescheid 2002 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ändern können. Aus dem Jahresabschluss des Klägers sei nur hervorgegangen, dass er die Einzelfirma unentgeltlich an seinen Sohn im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen habe. Die Kläger hätten auch den notariellen Übertragungsvertrag nicht mit der Steuererklärung eingereicht. Das FA müsse eindeutigen Steuererklärungen und vorgelegten Jahresabschlüssen nicht mit Misstrauen begegnen. Es könne regelmäßig von deren Richtigkeit und Vollständigkeit ausgehen, ohne besondere Ermittlungen anstellen zu müssen, zumal wenn sie --wie auch im Streitfall-- unter Mitwirkung eines steuerlichen Beraters gefertigt worden seien. Von diesem sei zu erwarten, dass er die denkbare steuerliche Relevanz der Übertragung kenne, so dass die möglicherweise bedeutsamen Tatsachen en detail dem FA zur Kenntnis und Entscheidung hätten unterbreitet werden müssen. Die Kläger könnten sich nicht auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufen, weil sie die ihnen obliegenden Mitwirkungs- und Erklärungspflichten nicht in zumutbarem Umfang erfüllt hätten. Im Streitfall sei für das FA aus dem eingereichten Jahresabschluss 2002 lediglich erkennbar gewesen, dass der Kläger seine Einzelfirma unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf den Sohn übertragen habe.
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Zudem gehe die Argumentation der Kläger ins Leere, eine Änderung der Steuerbescheide sei auch deshalb ausgeschlossen, weil sie das FA mit Schreiben vom 13. April 2005 angekündigt, aber erst nach Abschluss der Außenprüfung im Jahr 2007 vorgenommen habe. Eine bloße Untätigkeit des FA reiche für eine Verwirkung des Steueranspruchs nicht aus. Eine Änderung sei vielmehr innerhalb der Festsetzungsfrist möglich gewesen und diese sei erst am 31. Dezember 2008 abgelaufen.
Entscheidungsgründe
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B. Die Revision ist zulässig. Insbesondere wurde sie fristgemäß begründet (vgl. unten I.). Sie ist jedoch unbegründet und deshalb nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen. Zu Recht hat das FG erkannt, dass das FA berechtigt war, den ursprünglichen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2002 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern (vgl. unten II.).
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I. Die Kläger haben die Frist zur Begründung der Revision nicht versäumt.
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1. Gibt der BFH der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision statt, ist diese innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision schriftlich zu begründen. Die Frist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden (§ 120 Abs. 2 FGO).
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2. Der Zulassungsbeschluss vom 20. Juni 2012 X B 106/11 ist am 2. Juli 2012 nicht wirksam zugestellt worden. Die Voraussetzungen einer Ersatzzustellung nach § 53 Abs. 2 FGO i.V.m. § 180 der Zivilprozessordnung (ZPO) lagen im Streitfall nicht vor.
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a) Wird der Post ein Zustellungsauftrag erteilt, erfolgt gemäß § 176 Abs. 2 ZPO die Ausführung der Zustellung nach den §§ 177 bis 181 ZPO. Wird die Person, der zugestellt werden soll --hier einem gesetzlichen Vertreter des Prozessbevollmächtigten (§ 170 ZPO)--, in dem Geschäftsraum nicht angetroffen, kann das Schriftstück nach § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO in Geschäftsräumen einer dort beschäftigten Person zugestellt werden. Ist die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht ausführbar, kann nach § 180 ZPO das Schriftstück in einen zu dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt (§ 180 Satz 2 ZPO). Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung (§ 180 Satz 3 ZPO).
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b) Im Streitfall hat der Postbedienstete zwar nach den Angaben in der Zustellungsurkunde das zuzustellende Schriftstück zu übergeben versucht und --weil die Übergabe in den Geschäftsräumen nicht möglich war (so jedenfalls der Eintrag in der Zustellungsurkunde)-- am 2. Juli 2012 in den zu diesen gehörenden Briefkasten eingelegt. Zudem erbringt die Zustellungsurkunde gemäß § 418 ZPO i.V.m. § 182 Abs. 1 Satz 2 ZPO als öffentliche Urkunde den vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen. Die Beweiskraft erstreckt sich nicht nur auf das Einlegen des Schriftstücks in den zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung, sondern insbesondere auch darauf, dass der Postbedienstete unter der ihm angegebenen Anschrift weder den Adressaten persönlich noch eine zur Entgegennahme einer Ersatzzustellung in Betracht kommende Person angetroffen hat (BFH-Beschluss vom 4. Juli 2008 IV R 78/05, BFH/NV 2008, 1860). Ein Gegenbeweis kann nach § 418 Abs. 2 ZPO nur durch den Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen geführt werden. Derjenige, der sich auf die Unwirksamkeit der Ersatzzustellung beruft, muss den Nachweis eines anderen als des beurkundeten Geschehensablaufs erbringen, der ein Fehlverhalten des Zustellers und eine Falschbeurkundung in der Zustellungsurkunde belegt (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 1860, m.w.N.).
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c) Dieser Nachweis ist den Klägern gelungen. Sie haben substantiiert die Umstände dargelegt, die gegen die Richtigkeit des Inhalts der Zustellungsurkunde sprechen und die ein Fehlverhalten des Postzustellers bei der Zustellung und damit eine Falschbeurkundung in der Zustellungsurkunde zu belegen geeignet sind. Von der Richtigkeit dieser Angaben ist der erkennende Senat überzeugt.
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Die Kläger haben vorgetragen und dies mit Versicherungen an Eides statt der Geschäftsführerin und zweier Mitarbeiter ihres Prozessbevollmächtigten belegt, dass die Steuerberatungskanzlei am 2. Juli 2012 zwischen 7:00 Uhr und 19:00 Uhr durchgehend besetzt gewesen sei. Zwischen 7:00 Uhr und 18:00 Uhr sei die Büroeingangstüre entsperrt (die Haustüre sei wegen der Arztpraxen im selben Gebäude permanent offen) und während dieser Zeit habe folglich das Büro von jedermann, also auch von dem Postzusteller, ungehindert betreten werden können. Die Kläger haben weiter dargelegt, die Büroeingangstüre sei mit einer Klingel verbunden, damit das Büro von niemand unbemerkt betreten werden könne. Wegen der Klingel könne das Öffnen der Eingangstüre im ganzen Büro gehört werden, auch wenn der Empfang neben der Eingangstüre ausnahmsweise nicht besetzt sei. Ein kurzfristiges, eventuell in Vergessenheit geratenes Verlassen des Empfangs (so wie in dem dem Beschluss in BFH/NV 2008, 1860 zugrunde liegenden Streitfall denkbar), konnte somit nicht zur Folge haben, dass der Postzusteller in den Geschäftsräumen des Prozessbevollmächtigten der Kläger niemand angetroffen hat. Zudem haben die Kläger vorgetragen, der Postzusteller sei nach dessen eigener Aussage am 2. Juli 2012 --wie stets-- zwischen 8:30 Uhr und 10:00 Uhr am Objekt vorbeigekommen, in dem der Prozessbevollmächtigte der Kläger seine Büroräume hat. Eine Übergabe des Zulassungsbeschlusses außerhalb der Geschäftszeiten des Prozessbevollmächtigten ist somit auch nicht denkbar.
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Nach alledem ist der Zulassungsbeschluss am 2. Juli 2012 nicht wirksam zugestellt worden und der Antrag der Kläger auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist ist vor deren Ablauf beim BFH eingegangen.
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II. Das FA war berechtigt, den ursprünglichen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2002 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern und den Gewinn aus der Aufgabe des Einzelunternehmens, der im Revisionsverfahren weder dem Grunde noch der Höhe nach streitig ist, zu erfassen.
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1. Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide zu ändern, soweit Tatsachen nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen.
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2. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Nießbrauchsvorbehalt (Tatsache i.S. des § 173 AO) nachträglich, d.h. nach der abschließenden Veranlagung der Einkommensteuer für 2002 bekannt geworden ist. Diese Tatsache führt auch zu einer höheren Steuer (vgl. z.B. Urteil des Niedersächsischen FG vom 20. Juni 2007 2 K 562/05, Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1584; die gegen diese Entscheidung eingelegte, vom FG zugelassene Revision wurde zurückgenommen). Gegen diese rechtliche Bewertung erheben die Kläger im Revisionsverfahren auch keine Einwände.
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3. Die Tatsache ist auch rechtserheblich.
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a) Seit dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 23. November 1987 GrS 1/86 (BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180) vertritt die höchstrichterliche Finanzrechtsprechung die Auffassung, dass ein Steuerbescheid wegen nachträglich bekanntgewordener Tatsachen oder Beweismittel zugunsten des Steuerpflichtigen nur aufgehoben oder geändert werden darf, wenn das FA bei ursprünglicher Kenntnis der Tatsachen oder Beweismittel mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anders entschieden hätte (BFH-Beschluss in BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180, unter C.II. am Anfang). Eine Änderung nach § 173 Abs. 1 AO scheidet hingegen aus, wenn die Unkenntnis der später bekanntgewordenen Tatsache für die ursprüngliche Veranlagung nicht ursächlich (rechtserheblich) gewesen ist, weil das FA auch bei rechtzeitiger Kenntnis der Tatsache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keiner anderen Steuer gelangt wäre (BFH-Beschluss in BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180, unter C.II.2.b).
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b) Maßgebend für die Frage nach der Rechtserheblichkeit einer neuen Tatsache ist grundsätzlich der Zeitpunkt, in dem die Willensbildung des FA über die Steuerfestsetzung abgeschlossen wird, d.h. im Normalfall der Zeitpunkt der abschließenden Zeichnung des Eingabewertbogens (bei EDV-mäßiger Abwicklung der Steuerfestsetzung) oder der Verfügung zum Steuerbescheid (z.B. BFH-Urteil vom 22. April 2010 VI R 40/08, BFHE 229, 57, BStBl II 2010, 951).
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c) Wie das FA bei Kenntnis bestimmter Tatsachen und Beweismittel einen Sachverhalt in seinem ursprünglichen Bescheid gewürdigt hätte, ist im Einzelfall aufgrund des Gesetzes, wie es nach der damaligen Rechtsprechung ausgelegt wurde, und den die FA bindenden Verwaltungsanweisungen zu beurteilen, die im Zeitpunkt des Erlasses des ursprünglichen Steuerbescheids durch das FA gegolten haben (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 15. März 2007 III R 57/06, BFH/NV 2007, 1461; vom 15. Dezember 1999 XI R 22/99, BFH/NV 2000, 818; in BFHE 229, 57, BStBl II 2010, 951, und vom 27. Januar 2011 III R 90/07, BFHE 232, 485, BStBl II 2011, 543). Das mutmaßliche Verhalten des einzelnen Sachbearbeiters und seine individuellen Rechtskenntnisse sind hingegen für die Frage, ob die Veränderung im Tatsächlichen oder in der rechtlichen Beurteilung liegt, aus gleichheitsrechtlichen Erwägungen ohne Bedeutung. Subjektive Fehler des einzelnen Bearbeiters und damit des FA, wie sie sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht denkbar sein mögen, sind für die Beurteilung der Rechtserheblichkeit einer nachträglich bekanntgewordenen Tatsache unbeachtlich (vgl. BFH-Urteil in BFHE 229, 57, BStBl II 2010, 951).
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d) Eine Betriebsaufspaltung setzt nach ständiger Rechtsprechung des BFH voraus, dass das vermietende Besitzunternehmen mit dem mietenden Betriebsunternehmen sachlich und personell verflochten ist (vgl. z.B. Urteile vom 21. Januar 1999 IV R 96/96, BFHE 187, 570, BStBl II 2002, 771, m.w.N.; vom 12. Oktober 1988 X R 5/86, BFHE 154, 566, BStBl II 1989, 152). Eine personelle Verflechtung ist gegeben, wenn eine Person oder Personengruppe beide Unternehmen in der Weise beherrscht, dass sie in der Lage ist, in beiden Unternehmen einen einheitlichen Geschäfts- und Betätigungswillen durchzusetzen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 187, 570, BStBl II 2002, 771; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63). Eine Betriebsaufspaltung ist bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen auch dann gegeben, wenn der Vermieter nicht Eigentümer des vermieteten Wirtschaftsguts ist, sondern wenn es ihm (nur) zur Nutzung überlassen worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 24. August 1989 IV R 135/86, BFHE 158, 245, BStBl II 1989, 1014, m.w.N.).
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Eine Betriebsaufspaltung endet, wenn sowohl das Besitzunternehmen als auch die GmbH-Anteile am Betriebsunternehmen unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs auf einen Dritten übertragen werden.
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Spätestens seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 9. November 1998 II ZR 213/97 (Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1999, 571) war geklärt, dass die Kompetenz des Gesellschafters, bei Beschlüssen, welche die Grundlagen der Gesellschaft betreffen, selber abzustimmen, ihm durch die Einräumung eines Nießbrauchs an seinem Gesellschaftsanteil nicht genommen wird. Der Nießbraucher an den Gesellschaftsanteilen erhält zwar ein dingliches Nutzungsrecht, wird aber nicht Gesellschafter. Inhalt seines Nutzungsrechts sind vor allem die Früchte der Mitgliedschaft (§ 100 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Die Kompetenz des Gesellschafters, bei Beschlüssen, welche die Grundlagen der Gesellschaft betreffen, selber abzustimmen, wird ihm durch die Einräumung eines Nießbrauchs an seinem Anteil nicht genommen.
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Zwar ist diese Entscheidung zu Personengesellschaften ergangen. Auch in Bezug auf GmbH-Anteile entspricht es aber der herrschenden Meinung sowohl in der Instanzrechtsprechung (Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 16. Januar 1992 6 U 963/91, NJW 1992, 2163) als auch in der Literatur (z.B. Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl. 2012, § 15 Rz 102; Seibt in Scholz, GmbHG, 11. Aufl. 2012, § 15 Rz 217; Reichert/Weller in Münchner Kommentar zum GmbHG, 2010, § 15 Rz 338, jeweils m.w.N.), dass die Stimmrechte im Fall der Einräumung eines Nießbrauchs grundsätzlich beim Gesellschafter bleiben.
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Da eine Betriebsaufspaltung voraussetzt, dass eine Person oder Personengruppe sowohl das Besitz- als auch das Betriebsunternehmen beherrscht (vgl. oben), kann keine Betriebsaufspaltung vorliegen, wenn zwar der/die Eigentümer des Besitzunternehmens und der/die Inhaber der GmbH-Anteile am Betriebsunternehmen identisch sind, jedoch am Besitzunternehmen und an den GmbH-Anteilen ein Nießbrauchsrecht zugunsten einer Person oder Personengruppe bestellt ist. Diese beherrscht zwar aufgrund des Nießbrauchs das Besitzunternehmen, nicht aber die GmbH, weil die Stimmrechte daran nicht ihm, sondern dem Gesellschafter der GmbH zustehen. Werden bei Vorliegen einer Betriebsaufspaltung sowohl das als Einzelunternehmen geführte Besitz- als auch die in der Rechtsform der GmbH betriebene Betriebsgesellschaft unter Nießbrauchsvorbehalt übertragen, entfällt die personelle Verflechtung zwischen Besitzunternehmen und Betriebsgesellschaft. Dies war bei Bestellung des Nießbrauchs geklärt, auch wenn der BFH dies im Zeitpunkt des Erlasses des ursprünglichen Einkommensteuerbescheids der Kläger für die Übertragung eines Besitz- und Betriebsunternehmens unter Nießbrauchsvorbehalt nicht ausdrücklich entschieden hatte.
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e) Im Streitfall hätte das FA nach alledem bei Kenntnis des Nießbrauchsvorbehalts unter Berücksichtigung der Rechtslage und der höchstrichterlichen Rechtsprechung der Besteuerung der Kläger im Streitjahr einen Aufgabegewinn zugrunde legen müssen, da ein Nießbrauch an GmbH-Anteilen nicht bewirkt, dass der Nießbraucher stimmberechtigt wird. Darauf kommt es bei der Frage der Beherrschung einer GmbH entscheidend an, weil eine GmbH (abgesehen vom Fall der faktischen Beherrschung) durch die Ausübung der Stimmrechte beherrscht wird. Ab der Betriebsübergabe hat der die sachliche Beherrschung bewirkende Kläger die Betriebskapitalgesellschaft nicht mehr beherrscht.
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4. Die Änderung des Einkommensteuerbescheids ist auch nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen.
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a) Einer Änderung einer bestandskräftigen Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO steht dann der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen, wenn dem FA die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Allerdings muss der Steuerpflichtige dann seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt haben. Haben sowohl der Steuerpflichtige als auch das FA es versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel den Steuerpflichtigen die Verantwortung, mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 20. April 2004 IX R 39/01, BFHE 206, 105, BStBl II 2004, 1072).
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b) Im Streitfall haben die Kläger ihre Mitwirkungs- und Erklärungspflicht verletzt. Sie haben zwar bei der Abgabe ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2002 erklärt, das Einzelunternehmen des Klägers sei im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf den Sohn übertragen worden. Sie haben jedoch --was für die einkommensteuerrechtliche Würdigung entscheidend gewesen wäre-- den vereinbarten Nießbrauchsvorbehalt nicht mitgeteilt.
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Die Kläger tragen vor, dass die Unbestimmtheit des Rechtsbegriffs der vorweggenommenen Erbfolge dem FA hätte bekannt sein müssen und eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass daneben noch Versorgungselemente (Rente, Wohnrecht, Nießbrauch) vereinbart worden seien. So diese Annahme zutreffend ist --und der Senat teilt diese Auffassung--, hätte es aber den steuerlich beratenen Klägern oblegen, die mit der vorweggenommenen Erbfolge verbundenen Versorgungselemente zu erklären. Sie haben dem FA nicht nur Details eines steuerlich relevanten Sachverhalts nicht offenbart, sondern den Nießbrauchsvorbehalt nicht erklärt, der die Beendigung der Betriebsaufspaltung zur Folge hatte. Die Ermittlungspflicht des FA kann nicht weiter gehen als die Erklärungspflichten der Steuerpflichtigen, die den steuerpflichtigen Sachverhalten doch so viel näher stehen und diese viel besser kennen als die Finanzbehörden. Die Verletzung der Ermittlungspflicht des FA ist im Streitfall als nachrangig im Hinblick auf die von den Klägern verletzte Mitwirkungs-/Erklärungspflicht einzustufen.
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Aus dem von den Klägern angesprochenen BFH-Urteil vom 24. Juni 1960 VI 270/58 (Der Betrieb 1960, 1412) ergibt sich nichts Gegenteiliges. Es kann offenbleiben, ob ein 54 Jahre altes Urteil noch dem heutigen Stand der Rechtsprechung zu § 173 AO entspricht. Jedenfalls ist diesem Urteil nicht der Rechtssatz zu entnehmen, die Verletzung der Ermittlungspflicht des FA überwiege das Verschulden des Steuerpflichtigen in jedem Fall, wenn das FA bei Anhaltspunkten für eine Betriebsaufgabe keine weiteren Ermittlungen anstellt und der Steuerpflichtige nicht bewusst unlauter handelt. Vielmehr enthält dieses Urteil lediglich eine Abwägung zwischen dem Grad der Verletzung der Erklärungspflicht durch den Steuerpflichtigen und der Ermittlungspflicht durch das FA im konkret zu entscheidenden Streitfall (so bereits zutreffend BFH-Beschluss vom 20. Juli 2011 IV B 19/10, BFH/NV 2011, 2077).
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c) Die Möglichkeit, den Einkommensteuerbescheid 2002 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern, hat das FA auch nicht dadurch verwirkt, weil ihm der gesamte Übertragungsvertrag bereits 2005 bekannt geworden ist, es von der Änderungsmöglichkeit aber erst im Jahr 2008 Gebrauch gemacht und in der Zwischenzeit in den Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2003 und 2004 die Einkünfte des Klägers aus dem Nießbrauch am Einzelunternehmen erklärungsgemäß als gewerbliche Einkünfte und nicht als Vermietungseinkünfte erfasst hat.
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aa) Als weiterer Ausfluss des Grundsatzes von Treu und Glauben und Anwendungsfall des Verbots widersprüchlichen Tuns (venire contra factum proprium) setzt die Annahme von Verwirkung ein bestimmtes Verhalten der Finanzbehörde voraus, aufgrund dessen der Steuerpflichtige bei objektiver Betrachtung annehmen darf, die Behörde werde den Anspruch nicht oder nicht mehr geltend machen (Senatsurteil vom 7. Juli 2004 X R 24/03, BFHE 206, 292, BStBl II 2004, 975). Zum Tatbestand gehört sowohl ein Zeitmoment als auch ein Umstandsmoment (grundlegend BFH-Urteil vom 14. September 1978 IV R 89/74, BFHE 126, 130, BStBl II 1979, 121, unter 3.a). Während für das Zeitmoment bereits eine längere Untätigkeit des Anspruchsberechtigten genügen kann, setzt das Umstandsmoment ein bestimmtes Verhalten des Anspruchsberechtigten und einen hierdurch ausgelösten Vertrauenstatbestand beim Verpflichteten voraus. Das bloße Untätigbleiben der Finanzbehörde vermag einen Vertrauenstatbestand in der Regel nicht zu schaffen (BFH-Urteil vom 27. September 1988 VII R 181/85, BFHE 154, 406).
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bb) Aus der Tatsache, dass das FA im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Jahres 2003 den Überlassungsvertrag angefordert sowie im Schreiben vom 13. April 2005 die Auffassung vertreten hat, 2002 sei ein Aufgabegewinn zu erfassen und der Einkommensteuerbescheid nach § 173 AO zu ändern, aber gleichwohl in den Einkommensteuerbescheiden der Jahre 2003 und 2004 die Einkünfte des Klägers aus dem Nießbrauch am Einzelunternehmen erklärungsgemäß als gewerbliche Einkünfte und nicht als Vermietungseinkünfte gewertet sowie den Steuerbescheid 2002 nicht zeitnah geändert hat, konnten die Kläger nicht schließen, dass das FA die Steuerfestsetzung für 2002 nicht mehr ändern wird. Der interne Aktenvermerk des FA vom 14. Juni 2005, in dem festgehalten worden ist, ein Betriebsaufgabegewinn sei nicht zu besteuern, wurde den Klägern jedenfalls nicht vor Erlass des auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützten Änderungsbescheids bekannt. Die Einkommensteuer ist zudem eine Jahressteuer. Aus der Einstufung von Einkünften im einen Veranlagungszeitraum kann nicht geschlossen werden, dass dieser Einordnung auch für entsprechende Einkünfte in anderen Veranlagungszeiträumen zu folgen ist.
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cc) Die positive Anerkennung einer Verwirkung von Rechten setzt neben dem von den Klägern angesprochenen Umstands- und Zeitmoment noch Weiteres voraus. Es reicht nicht aus, dass der Verpflichtete (im Streitfall die Kläger) bei objektiver Beurteilung darauf vertrauen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Er muss vielmehr auch tatsächlich darauf vertraut und sich auf die Nichtgeltendmachung eingerichtet haben (vgl. hierzu BFH-Urteil in BFHE 126, 130, BStBl II 1979, 121, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung auch anderer oberster Bundesgerichte), und zwar so, dass die nachträglich begehrte Anspruchsbefriedigung schlechthin als unzumutbar erscheint. Bei der Beurteilung dieser Voraussetzungen ist von dem Grundsatz auszugehen, dass jeder Schuldner --auch der Steuerschuldner-- seine Verpflichtungen erfüllen muss und nur unter ganz besonderen Umständen schon vor Vollendung der Verjährung einwenden kann, eine Inanspruchnahme verstoße gegen Treu und Glauben. Hierzu haben die Kläger nichts vorgetragen und Anhaltspunkte dafür, dass sie sich auf die Nichtmehrgeltendmachung der Steuer auf den Aufgabegewinn eingerichtet, also entsprechende Vermögensdispositionen getroffen haben, sind nicht ersichtlich.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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