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BFH 11.12.2013 - VII B 94/13
BFH 11.12.2013 - VII B 94/13 - Erlass von Säumniszuschlägen zur Energiesteuer - Erteilung eines Abbuchungsauftrags gegenüber der Zollverwaltung - Fehlende Angabe zur Lastschriftteilnehmernummer - Keine grundsätzliche Bedeutung
Normen
§ 227 AO, § 5 AO, § 240 AO, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, Art 3 Abs 1 GG, Art 14 GG, § 115 Abs 2 Nr 2 FGO, § 39 Abs 3 EnergieStG
Vorinstanz
vorgehend FG Hamburg, 30. November 2012, Az: 4 K 70/12, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Die Frage, ob ein Steuerschuldner durch die Erteilung eines Abbuchungsauftrags für Lastschriften alles Erforderliche getan hat, um im Zeitpunkt der Fälligkeit einer Steuerforderung einen pünktlichen Forderungseinzug sicherzustellen, ist nicht grundsätzlich bedeutsam, denn ihre Beantwortung hängt von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine fristgerechte Begleichung der Steuerschuld im Wege des Lastschriftverfahrens nur dann möglich ist, wenn das zu belastende Konto eine ausreichende Deckung aufweist oder ein Kredit in Anspruch genommen werden kann .
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2. NV: Zieht das HZA die nach § 39 Abs. 3 EnergieStG geschuldeten Vorauszahlungen ein, ohne dass es hierzu einer Angabe der Lastschriftteilnehmernummer bedurft hätte, und versäumt es der Steuerschuldner auf der für den Zeitraum der Vorauszahlungen eingereichten Steueranmeldung diese Nummer anzugeben, ist es nicht willkürlich, sondern nachvollziehbar, wenn nicht naheliegend, wenn das FG in der Unterlassung der Mitteilung der Lastschriftnummer lediglich einen leichten Verstoß gegen die dem Steuerschuldner obliegenden Sorgfaltspflichten annimmt .
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) ist als Lieferer von Erdgas verpflichtet, nach § 39 Abs. 3 des Energiesteuergesetzes monatliche Vorauszahlungen auf ihre Steuerschuld zu leisten. Hierzu hat sie einen Abbuchungsauftrag für Lastschriften erteilt, der vom Beklagten und Beschwerdeführer (Hauptzollamt --HZA--) durch Mitteilung einer Lastschriftteilnehmernummer bestätigt wurde. In der Mitteilung wird u.a. darauf hingewiesen, dass in der Steueranmeldung die erteilte Lastschriftteilnehmernummer anzugeben sei, wenn ein Einzug der Steuerbeträge gewünscht werde. Eine Nichtangabe habe die Bedeutung, dass der Teilnehmer im konkreten Fall nicht am Lastschriftverfahren teilnehmen wolle. Im Folgenden zog das HZA die Vorauszahlungen der Klägerin im Lastschriftverfahren ein, ohne dass es dafür jeweils die Angabe der Lastschriftteilnehmernummer bedurfte. In dem entsprechenden Feld der dem HZA übersandten Energiesteueranmeldung für den Zeitraum 2010, für den das HZA bereits laufend Vorauszahlungen vom Konto der Klägerin eingezogen hatte, versäumte es die Klägerin, die Lastschriftteilnehmernummer einzutragen. Nachdem in ihrer Finanzbuchhaltung das Versäumnis bemerkt worden war, setzte sie sich mit dem HZA in Verbindung und veranlasste die Überweisung des Abschlussbetrags, der am 4. Juli 2011 gutgeschrieben wurde. Am 6. Juli 2011 stellte die Konzernmutter der Klägerin mit der Begründung, die Angabe der Lastschriftteilnehmernummer sei in der Steueranmeldung versehentlich vergessen worden, den Antrag auf Erlass der Säumniszuschläge für die verspätete Zahlung. Den Einspruch gegen den Abrechnungsbescheid über die geltend gemachten Säumniszuschläge wies das HZA als unbegründet zurück.
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Auch der gegen die Ablehnung des Erlassantrags eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Auf die daraufhin erhobene Klage hob das Finanzgericht (FG) den Ablehnungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung auf und verpflichtete das HZA zum Erlass der Säumniszuschläge in Höhe von … €. Im Streitfall sei von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen, so dass nur ein Erlass der Säumniszuschläge als ermessensgerechte Entscheidung in Betracht komme. Die Voraussetzungen der in der AO-DV Zoll zu § 227 der Abgabenordnung enthaltenen Billigkeitsrichtlinie seien bis auf die Frage der Verschuldensschwere erfüllt. Im Streitfall habe die Klägerin ihre steuerlichen Pflichten vor ihrer Säumnis stets erfüllt. Einer Mahnung habe es nicht bedurft, weil die Klägerin ihre Säumnis selbst entdeckt und unverzüglich für eine Zahlung des ausstehenden Betrags gesorgt habe. Bei der Ausübung seines Ermessens sei das HZA von einem unzutreffenden Inhalt des Merkmals des leichten Verstoßes gegen Sorgfaltspflichten ausgegangen. Es habe verkannt, dass auch ein nur leichter Pflichtverstoß nur im Fall eines Verschuldens vorliegen könne. Damit habe es den Umstand des Verschuldens zum Ausschlussmerkmal gegen das Vorliegen eines nicht nur leichten Pflichtverstoßes gemacht.
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Ein leichter Sorgfaltsverstoß der Klägerin liege darin, dass sie nicht erkannt habe, dass in der Steueranmeldung --anders als bei den Steuervoranmeldungen-- die Angabe der Lastschriftteilnehmernummer erforderlich sei. Zu berücksichtigen sei, dass die Klägerin alles Erforderliche getan habe, um jederzeit die Steuerschulden rechtzeitig zu begleichen, und dass die Vorauszahlungen trotz der Nichtangabe der Lastschriftteilnehmernummer eingezogen worden seien. Zudem habe das HZA die Mitteilung unklar formuliert. Unbeachtlich sei die arbeitsteilige Organisation der Arbeitsabläufe, die der Klägerin nicht sorgfaltspflichterhöhend zum Vorwurf gemacht werden könne. Da aufgrund der Gesamtbetrachtung des vorliegenden Falls kaum noch Fälle denkbar seien, in denen ein Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten noch leichter wiege als im Streitfall, habe die Klägerin aufgrund der Verwaltungspraxis einen Anspruch auf Erlass der Säumniszuschläge.
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Mit seiner Beschwerde macht das HZA die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und eine unvertretbare Auslegung der Verwaltungsvorschriften geltend, die zur Willkürlichkeit des Urteils des FG führe (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO). In der Zollverwaltung komme ausschließlich das nicht von einem späteren Widerruf der Zahlung bedrohte Abbuchungsauftragsverfahren zur Anwendung. Im Streitfall habe die von der Bedeutung der Lastschriftteilnehmernummer in Kenntnis gesetzte Klägerin durch Nichtangabe dieser Nummer eindeutig dokumentiert, für diese Zahlung nicht am Abbuchungsauftragsverfahren teilnehmen zu wollen. Bei der Abgabe der Steueranmeldung sei der Klägerin nicht nur ein leichter Fehler unterlaufen, sondern sie müsse sich ein Organisations- und Überwachungsverschulden entgegenhalten lassen. Dies habe das FG verkannt, das seine eigenen Ermessenserwägungen an die Stelle der Erwägungen des HZA gesetzt habe. Unberücksichtigt habe das FG den Umstand gelassen, dass Säumniszuschläge auch einen Ausgleich des Zinsgewinns darstellten. Zudem habe das FG die einzelnen Verschuldensanteile (Eigen- und Fremdverschulden) und die konkreten Sorgfaltspflichtverstöße ungeprüft gelassen. Der für die Konzernmutter tätige Sachbearbeiter könne nicht besser gestellt werden als ein Dritter, dessen Verschulden dem Steuerpflichtigen grundsätzlich zuzurechnen sei. Offensichtlich seien die mit der Steueranmeldung beauftragten Mitarbeiter im Konzern unzureichend informiert und überwacht worden. Unter Berücksichtigung des Akteninhalts sei die Entscheidung des FG, dem der Unterschied zwischen einer Einzugsermächtigung und des Abbuchungsauftragsverfahrens unbekannt sei, objektiv willkürlich. Im Ergebnis fordere das FG einen das Eigentumsrecht verletzenden Zugriff auf das Konto der Klägerin. Hinsichtlich der Vorauszahlungen habe die Klägerin die Inanspruchnahme des Abbuchungsauftragsverfahrens jeweils mit gesondertem Schreiben --allerdings ohne Angabe der Lastschriftteilnehmernummer-- formlos beantragt. Schließlich komme der Frage grundsätzliche Bedeutung zu, ob ein Beteiligter allein mit der Erteilung eines Abbuchungsauftrags gegenüber der Zollverwaltung alles Erforderliche für eine pünktliche Forderungseinziehung veranlasst habe.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde ist unbegründet, denn die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
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1. Entgegen der Auffassung des HZA ist das Urteil des FG nicht willkürlich. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (neben Fällen der Divergenz) zuzulassen, wenn die Auslegung oder Anwendung des revisiblen Rechts durch das FG im Einzelfall das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Verbot objektiv willkürlicher Entscheidungen und damit zugleich das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verletzt oder auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (BFH-Beschlüsse vom 4. August 2010 X B 198/09, BFH/NV 2010, 2102; vom 11. Dezember 2007 VII B 346/06, BFH/NV 2008, 733; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 115 FGO, Rz 205, m.w.N.). Entgegen der Auffassung des HZA liegen diese Voraussetzungen im Streitfall nicht vor. Einen unzulässigen Eingriff in die von Art. 14 GG geschützte Rechtsposition der Klägerin hat das FG nicht gefordert. Es hat lediglich zu Bedenken gegeben, dass das HZA in Bezug auf die Abbuchung der Vorauszahlungen die Angabe der Lastschriftteilnehmernummer als entbehrlich erachtet hat und dass die Mitteilungen im Schreiben des HZA vom 3. September 2009 nicht mit der wünschenswerten Klarheit formuliert worden sind. Aus diesen Umständen hat es auf einen lediglich leichten Sorgfaltspflichtverstoß der Klägerin geschlossen. Diese Erwägungen sind durchaus nachvollziehbar, wenn nicht naheliegend. Allein aus der Verwendung des Begriffs Einzugsermächtigung lässt sich jedenfalls nicht schließen, dass das FG die rechtlichen Voraussetzungen einer Einzugsermächtigung und des Abbuchungsauftragsverfahrens verkannt hat. Die Unterschiede dieser Verfahren waren für das FG auch nicht entscheidungserheblich. Seinen Ausführungen lässt sich lediglich entnehmen, dass es das Verhalten des HZA deshalb als zumindest widersprüchlich, wenn nicht sogar als mitursächlich für die nicht rechtzeitige Zahlung wertete, weil das HZA auch ohne ausdrückliche Angabe der Lastschriftteilnehmernummer die Vorauszahlungen eingezogen hat, während es aufgrund der Nichtangabe dieser Nummer auf der Steueranmeldung untätig geblieben ist. Selbst wenn das FG der Annahme gewesen sein sollte, die Klägerin habe lediglich eine Einzugsermächtigung erteilt oder dem HZA sei es aufgrund des Einzugs der Vorauszahlungen --auch ohne Angabe der Lastschriftteilnehmernummer-- zumutbar und möglich gewesen, auch in Bezug auf die Steueranmeldung für 2010 den Einzug der Steuerforderung im Abbuchungsauftragsverfahren zu versuchen, wäre die auf solchen Überlegungen beruhende Entscheidung nicht rechtlich unhaltbar und willkürlich.
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2. Soweit die Beschwerde beanstandet, das FG habe den vermeintlich nicht näher bestimmten Sorgfaltspflichtverstoß der Klägerin als entschuldbar angesehen und die Grenzen der richterlichen Überprüfung von Ermessensentscheidungen verkannt, rügt sie Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall. Solche Fehler rechtfertigen für sich gesehen jedoch nicht die Zulassung der Revision (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Mai 2009 VII B 266/08, BFH/NV 2009, 1589, m.w.N.; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 24 und § 116 Rz 34, jeweils m.w.N.). Denn das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile umfassend zu gewährleisten. Zudem hat das FG den Verstoß gegen die der Klägerin obliegende Sorgfaltspflicht hinreichend bezeichnet. Zum einen hat es darauf verwiesen, dass sich diese Pflicht auf eine rechtzeitige Zahlung erstreckte. Zum anderen hat es mit den nachstehenden Ausführungen die Ursachen für den "konkreten Pflichtverstoß" näher untersucht und diesen darin erblickt, dass die Klägerin das Erfordernis der Angabe der Lastschritteilnehmernummer verkannt habe.
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3. Der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage kommt deshalb keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil ihre Beantwortung von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängt. Im Übrigen liegt es auf der Hand, dass eine pünktliche Einziehung der Forderung nur dann möglich ist, wenn das zu belastende Konto eine ausreichende Deckung aufweist oder ein Kredit in Anspruch genommen werden kann. Bereits aufgrund dieser Voraussetzung kann allein die Erteilung eines Abbuchungsauftrags nicht ausreichen, um eine pünktliche Forderungseinziehung sicherzustellen, so dass die Frage in jedem Fall negativ zu beantworten wäre. Schließlich lässt die Beschwerde außer Acht, dass es im Streitfall entscheidend auf die Auslegung des vom FG als missverständlich empfundenen Schreibens des HZA vom 3. September 2009 und auf eine eindeutige Erteilung eines Abbuchungsauftrags ankommt.
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