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BFH 07.05.2013 - VIII R 17/09
BFH 07.05.2013 - VIII R 17/09 - (Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis für Klage gegen Nullbescheid bei Ausschluss der Anrechnung von Abzugssteuer - Zurückweisung der Revision nach § 126 Abs. 4 FGO bei unzulässiger anstelle unbegründeter Klage)
Normen
§ 36 Abs 2 Nr 2 EStG 1990, § 40 Abs 2 FGO, § 126 Abs 4 FGO
Vorinstanz
vorgehend FG Köln, 26. Juni 2007, Az: 8 K 898/07, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Die Anfechtung eines Nullbescheids ist unzulässig, wenn eine Änderung der Steuerfestsetzung keinerlei Auswirkung auf die Anrechnung der Kapitalertragsteuer nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG haben kann, da der Anspruch auf Erstattung der Kapitalertragsteuer bereits durch Erfüllung erloschen ist.
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2. NV: Die Kapitalertragsteuer ist auf die Steuerschuld desjenigen anzurechnen, auf dessen Rechnung die Vorauszahlung nach dem Willen der Bank bewirkt worden ist.
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3. NV: Mit der antragsgemäßen Verrechnung und Erstattung der Kapitalertragsteuer an einen Dritten leistet das FA mit befreiender Wirkung gegenüber dem anspruchsberechtigten Gläubiger der Erstattung.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wird mit ihrem Ehemann zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Dieser war in den Streitjahren Gesellschafter und Geschäftsführer einer zwischenzeitlich liquidierten GmbH, deren Geschäftsgegenstand die Betreuung von Bauprojekten war. Daneben betrieb er als Einzelgewerbebetrieb ein Bauunternehmen.
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Der Ehemann der Klägerin legte im Jahr 1993 bei der A Bank im eigenen Namen Festgeld in Höhe von … DM an, für das ihm Zinserträge in Höhe von … DM gutgeschrieben wurden. Er tätigte zudem Termingeldanlagen auf einem auf seinen Namen geführten Konto bei der B, aus denen er im Jahr 1993 Kapitalerträge in Höhe von … DM und im Jahr 1994 Kapitalerträge in Höhe von … DM erzielte. Die Kreditinstitute gaben in den Bescheinigungen über die einbehaltene Zinsabschlagsteuer als Gläubiger der Erträge den Ehemann der Klägerin an. Dieser erklärte die Kapitalerträge in seinen Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1993 und 1994 zunächst nicht. Er erfasste die Festgeldanlage und die Kapitalerträge als Betriebsvermögen in den Bilanzen der GmbH, die die Kapitalerträge unter Anrechnung der von den Banken auf seinen Namen einbehaltenen Kapitalertragsteuer versteuerte.
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Im Jahr 1998 beantragte der Ehemann der Klägerin im eigenen Namen die Erstattung der von der A Bank und der B einbehaltenen Kapitalertragsteuer in Höhe von … DM (1993) und in Höhe von … DM (1994). Diese habe nicht der GmbH, sondern ihm zugestanden, da er der Gläubiger der Kapitalerträge gewesen sei. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte dies in den für die Streitjahre erlassenen Abrechnungsbescheiden ab. Die Voraussetzungen für eine Erstattung seien nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht erfüllt, da die mit dem Steuerabzug belasteten Beträge bei den Veranlagungen der Klägerin und ihres Ehemannes nicht als Einkünfte erfasst worden seien. Die hiergegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) Köln (Az.: 2 K 3780/01) bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den vorliegenden Rechtsstreit ausgesetzt.
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Der Ehemann der Klägerin reichte im Jahr 2005 für die Streitjahre jeweils eine Anlage KSO beim FA ein und beantragte, die Einkünfte aus Kapitalvermögen unter Berücksichtigung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer für die Jahre 1993 und 1994 erneut zu veranlagen. Für das Jahr 1993 erklärte er Kapitalerträge in Höhe von … DM und für das Jahr 1994 Kapitalerträge in Höhe von … DM nach, wobei er in jeweils gleicher Höhe Kreditzinsen als Werbungskosten geltend machte, so dass sich keine Auswirkung auf die Höhe der Steuerfestsetzung ergab.
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Das FA lehnte den Antrag ab und erklärte die auf 0 € lautenden Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre für endgültig. Die dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das FG mit seinem Urteil vom 26. Juni 2007 8 K 898/07 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1194) ab.
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Über das Vermögen des Ehemannes der Klägerin wurde am … 2008 durch das Amtsgericht … das Insolvenzverfahren eröffnet (Az.: …). Der Insolvenzverwalter (Kläger und Revisionskläger) hat mit Schreiben vom 6. März 2009 den Rechtsstreit aufgenommen.
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Mit ihrer Revision rügen die Kläger eine Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das FG habe seine Pflicht zur Sachaufklärung verletzt, da es die beantragte Beweiserhebung nicht durchgeführt habe. Diese hätte ergeben, dass die beiden Festgeldkonten in den Jahren 1993 und 1994 zum notwendigen Betriebsvermögen des Einzelgewerbebetriebes des Ehemannes der Klägerin gehörten. Es wäre zudem nachgewiesen worden, dass ein Veranlassungszusammenhang zwischen den Zinsen aus den Festgeldkonten und der wesentlichen Beteiligung des Ehemannes der Klägerin an der GmbH bestanden habe. Der Ehemann der Klägerin habe bei der Geldanlage mit Einkunftserzielungsabsicht gehandelt, denn Verluste seien nicht entstanden. Die Kapitalerträge seien danach der Einkommensteuerfestsetzung für die Streitjahre zugrunde zu legen. Sie seien in gleicher Höhe als Werbungskosten anzusetzen, da der Ehemann der Klägerin die von ihm erzielten Kapitalerträge in voller Höhe als Darlehenszinsen an die GmbH weitergeleitet habe.
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Die Kläger beantragen,
die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1993 und 1994, zuletzt geändert durch die Bescheide vom 26. Oktober 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. Februar 2007, unter Aufhebung des Urteils des FG Köln vom 26. Juni 2007 (Az.: 8 K 898/07) dahingehend zu ändern, dass für das Jahr 1993 zusätzliche Kapitalerträge in Höhe von … DM und in derselben Höhe Betriebsausgaben oder Werbungskosten und für das Jahr 1994 zusätzliche Kapitalerträge in Höhe von … DM und in derselben Höhe Betriebsausgaben oder Werbungskosten angesetzt werden.
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Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet.
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1. Das Urteil des FG verletzt zwar Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), soweit es die Klage als unbegründet, statt als unzulässig abgewiesen hat. Es hat aber Bestand, weil der Urteilstenor richtig ist. Die Revision ist deshalb nach § 126 Abs. 4 FGO mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Klage unzulässig ist (Senatsurteil vom 12. September 1985 VIII R 371/83, BFHE 146, 99, BStBl II 1986, 537; Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Dezember 2012 VII R 69/11, BFH/NV 2013, 739; vom 10. Januar 2007 I R 75/05, BFH/NV 2007, 1506). Die Frage, ob die von den Klägern gerügten Verfahrensfehler vorliegen, kann danach offenbleiben, da das Urteil nicht auf diesen beruhen kann.
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2. Die Klage ist unzulässig, da die Kläger nicht geltend gemacht haben, durch die angefochtenen Bescheide in ihren Rechten verletzt zu sein (§ 40 Abs. 2 FGO).
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a) Die Beschwer durch einen Steuerbescheid ergibt sich grundsätzlich aus der Steuerfestsetzung. Die Einkommensteuer für die Streitjahre 1993 und 1994 wurde auf 0 € festgesetzt. Eine auf 0 € lautende Steuerfestsetzung belastet den Steuerpflichtigen regelmäßig nicht. Deshalb ist eine Anfechtungsklage gegen einen sog. Nullbescheid im Allgemeinen unzulässig (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 15. April 2010 V R 11/09, BFH/NV 2010, 1830, m.w.N.).
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b) Dieser Grundsatz erfährt jedoch eine Ausnahme, wenn die zu niedrige Steuerfestsetzung sich in bindender Weise auf einem anderen rechtlichen Gebiet ungünstig auswirkt, weil der Regelungsgehalt des Steuerbescheids ausnahmsweise über die bloße Steuerfestsetzung hinausreicht (BFH-Urteil vom 17. Juni 2009 VI R 46/07, BFHE 226, 53, BStBl II 2010, 72). Dieser Maßstab ist auch bei sog. Null-Festsetzungen anzuwenden (vgl. Senatsbeschluss vom 1. August 2008 VIII B 154/07, juris).
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Eine solche inhaltliche Verknüpfung zwischen Steuerfestsetzungs- und Steuererhebungsverfahren stellt die Regelung des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG her. Danach wird auf die Einkommensteuer die durch Steuerabzug erhobene Einkommensteuer angerechnet, soweit sie auf die bei der Veranlagung erfassten Einkünfte entfällt und nicht die Erstattung beantragt oder durchgeführt worden ist. Der BFH hat aus diesem Grunde die Anfechtung des Einkommensteuerbescheids mit dem Ziel der Anrechnung der Abzugssteuer als zulässig angesehen (Senatsurteil vom 19. Juli 1994 VIII R 58/92, BFHE 176, 317, BStBl II 1995, 362; vgl. auch BFH-Urteile vom 8. November 1985 VI R 238/80, BFHE 145, 198, BStBl II 1986, 186, und vom 13. November 1987 VI R 4/84, BFH/NV 1988, 566).
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Eine solche Situation liegt aber im Streitfall nicht vor, da bei der notwendigen Gesamtbetrachtung eine Änderung der Steuerfestsetzung keinerlei Auswirkung auf die Anrechnung der Kapitalertragsteuer haben kann; denn der Anspruch auf Erstattung der von den Banken einbehaltenen Kapitalertragsteuer ist bereits erloschen, worauf der Senat die Parteien in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat.
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c) Dies gilt unabhängig davon, ob die streitigen Einkünfte aus Kapitalvermögen --wie von Klägerseite behauptet-- dem Ehemann der Klägerin oder --wie vom FA geltend gemacht-- aufgrund eines Treuhandverhältnisses von der GmbH erzielt wurden:
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aa) Sind die Kapitaleinkünfte dem Ehemann der Klägerin und nicht der GmbH zuzurechnen, wofür der Umstand spricht, dass er gegenüber den Banken als Inhaber der Konten und Gläubiger der Kapitalerträge aufgetreten ist, ist eine erneute Erstattung der Kapitalertragsteuer bereits nach dem Wortlaut des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG ausgeschlossen. Denn die Regelung setzt für die Anrechnung der durch Steuerabzug erhobenen Einkommensteuer voraus, dass die Erstattung nicht durchgeführt worden ist. Dies ist jedoch vorliegend der Fall.
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Als Gläubiger der Kapitaleinkünfte war der Ehemann der Klägerin Inhaber des Anspruchs auf Anrechnung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer auf seine Einkommensteuerschuld. Bei der Kapitalertragsteuer handelt es sich um eine Vorauszahlung auf die später festzusetzende Einkommensteuer (BFH-Urteil vom 22. November 1995 I R 114/94, BFHE 179, 296, BStBl II 1996, 531). Sie ist auf die Steuerschuld desjenigen anzurechnen, auf dessen Rechnung die Vorauszahlung bewirkt worden ist. Es kommt dabei allein auf den Willen des Zahlenden an, wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem Finanzamt gegenüber erkennbar hervorgetreten ist (BFH-Urteil vom 22. März 2011 VII R 42/10, BFHE 233, 10, BStBl II 2011, 607). Nach dem in den Bescheinigungen über die einbehaltene Kapitalertragsteuer dokumentierten Willen der Banken erfolgte die Abführung der Kapitalertragsteuer auf Rechnung des Ehemannes der Klägerin als Gläubiger der Kapitalerträge.
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Der Erstattungsanspruch des Ehemannes der Klägerin ist durch die Anrechnung der Kapitalertragsteuer auf die Steuerschuld der GmbH und die Erstattung der nicht durch die Anrechnung verbrauchten Kapitalertragsteuer erloschen. Leistungsempfänger einer Erstattung ist derjenige, demgegenüber die Finanzbehörde ihre --vermeintliche oder tatsächliche-- abgabenrechtliche Verpflichtung erfüllen will (vgl. BFH-Urteil vom 18. September 2012 VII R 53/11, BFHE 239, 292, BStBl II 2013, 270). Dies war im vorliegenden Fall der Ehemann der Klägerin. Dieser beantragte bei dem FA unter Vorlage der auf seinen Namen lautenden Bescheinigungen der Banken, dass die einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht auf seine Steuerschuld, sondern auf die der GmbH angerechnet oder an diese erstattet wird. Mit der antragsgemäßen Durchführung der Verrechnung und Erstattung wollte das FA nicht zu Gunsten der GmbH, sondern mit befreiender Wirkung gegenüber dem anspruchsberechtigten Ehemann der Klägerin leisten. Die GmbH war nicht Leistungsempfängerin, sondern lediglich die von dem Ehemann der Klägerin angegebene "Zahlstelle", sodass dessen Anspruch durch Erfüllung erloschen und eine erneute Anrechnung oder Erstattung ausgeschlossen ist.
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bb) Sollten die Einnahmen aus Kapitalvermögen hingegen der GmbH als Treugeberin zuzurechnen sein, erfolgte die vom Ehemann der Klägerin als deren Geschäftsführer beantragte Anrechnung oder Erstattung der Kapitalertragsteuer zu Recht bei der GmbH, da bei deren Körperschaftsteuerfestsetzung die Kapitaleinkünfte erfasst worden waren und ihr als Treugeberin auch das Kapitalertragsteuerguthaben zugestanden hätte.
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d) Da folglich die begehrte Änderung der Steuerfestsetzung keine Auswirkung auf die Anrechnung der Kapitalertragsteuer haben konnte, war die Klage mangels Beschwer unzulässig.
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