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BFH 08.01.2013 - V B 23/12
BFH 08.01.2013 - V B 23/12 - Zum Ende der Verfahrensruhe
Normen
§ 91 Abs 2 FGO, § 96 Abs 2 FGO, § 115 Abs 2 FGO, § 119 Nr 4 FGO, § 155 FGO, Art 103 Abs 1 GG, § 249 Abs 2 ZPO
Vorinstanz
vorgehend FG Münster, 20. Dezember 2011, Az: 5 K 3401/07 U, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Gerichtliche Handlungen, die während des Ruhens des Verfahrens vorgenommen werden, sind unwirksam .
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2. NV: Ist in einem Beschluss über das Ruhen des Verfahrens als Endzeitpunkt des Ruhens ein bestimmtes Ereignis bezeichnet, so endet das Ruhen sobald dieses Ereignis eintritt .
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) klagte vor dem Finanzgericht (FG) wegen Umsatzsteuer 2002. Mit Beschluss vom 5. Oktober 2011 ordnete das FG durch den Berichterstatter des zuständigen Senats im finanzgerichtlichen Verfahren im Einverständnis beider Beteiligter das Ruhen des Verfahrens "... bis zum Ergehen einer die Instanz abschließenden Entscheidung des Bundesfinanzhofes in den Verfahren V R 35/10 und V R 36/10" an.
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Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied über das Verfahren V R 36/10 am 7. Juli 2011 (BFHE 234, 542, BStBl II 2012, 77) und über das Verfahren V R 35/10 am 10. November 2011 (juris). Das Urteil V R 36/10 wurde am 2. November 2011 und das Urteil V R 35/10 am 28. März 2012 veröffentlicht. Mit Schreiben vom 17. November 2011 setzte der Berichterstatter des FG die Beteiligten über die Entscheidung des BFH im Verfahren V R 36/10 in Kenntnis und teilte mit, dass beabsichtigt sei, die Sache am 20. Dezember 2011 mündlich zu verhandeln. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 20. Dezember 2011 erfolgte ebenfalls unter dem 17. November 2011.
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Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin teilten daraufhin mit, dass ihrer Ansicht nach das Verfahren noch ruhe, weil der BFH noch nicht über das Verfahren V R 35/10 entschieden habe. Außerdem beantragten sie, den Termin zu verlegen, weil der alleinige Sachbearbeiter am selben Tag einen Termin am Amtsgericht … wahrzunehmen habe.
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Der Vorsitzende des Senats forderte die Prozessbevollmächtigten erfolglos auf, die Verhinderung auch der anderen Sozietätsmitglieder sowie des ebenfalls bevollmächtigten Steuerberaters X glaubhaft zu machen.
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Mit Verfügung vom 23. November 2011 teilte der Berichterstatter des FG den Beteiligten mit, dass beabsichtigt sei, über die Wiederaufnahme des Verfahrens durch Beschluss zu entscheiden und gab Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 9. Dezember 2011. Am 12. Dezember 2011 erließ das FG durch den Berichterstatter den Beschluss mit folgendem Wortlaut:
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"Es wird festgestellt, dass das Verfahren durch die Ladung vom 17. November 2011 zur mündlichen Verhandlung am 20.12.2011 wieder aufgenommen worden ist."
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Gegen diesen Beschluss erhob die Klägerin Beschwerde; das Verfahren wird beim BFH unter dem Aktenzeichen V B 119/11 geführt.
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Das FG führte die mündliche Verhandlung am 20. Dezember 2011 durch und wies die Klage ab. Ausweislich der Sitzungsniederschrift war für die Klägerin niemand erschienen.
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Mit der vorliegenden Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) geltend.
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Sie macht geltend, es liege ein absoluter Revisionsgrund i.S. des § 119 Nr. 4 FGO vor, weil sie, die Klägerin, nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen sei. Der Termin zur mündlichen Verhandlung sei durchgeführt worden, obwohl keine ordnungsgemäße Ladung erfolgt sei. Die Ladung sei nicht ordnungsgemäß gewesen, weil sie während des Ruhens des Verfahrens nicht habe ergehen dürfen. Die bloße Terminsladung vom 17. November 2011 ersetze nicht den erforderlichen Beschluss über die Wiederaufnahme des Verfahrens. Selbst wenn der Beschluss vom 12. Dezember 2011 eine wirksame Wiederaufnahme darstelle, habe dieser keine Rückwirkung entfaltet. Das FG hätte deshalb unter Einhaltung der zweiwöchigen Ladungsfrist des § 91 FGO eine erneute Ladung ausbringen müssen.
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Neben dem absoluten Revisionsgrund i.S. des § 119 Nr. 4 FGO liege durch die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör auch der des § 119 Nr. 3 FGO vor.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde ist unbegründet.
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Es liegen keine Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) vor. Das FG hat ohne Rechtsverstoß durch Urteil nach mündlicher Verhandlung entschieden.
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1. In der Durchführung einer mündlichen Verhandlung ohne ordnungsgemäße Ladung ist die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) zu sehen (BFH-Beschlüsse vom 29. April 2002 VII B 143/01, BFH/NV 2002, 1124, unter II.3.; vom 30. Juli 2001 VII B 78/01, BFHE 195, 530, BStBl II 2001, 681, unter II.1.c). Nach der gemäß § 155 FGO im FG-Prozess sinngemäß anzuwendenden Vorschrift des § 249 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) sind die während der Unterbrechung oder Aussetzung in Ansehung der Hauptsache vorgenommenen Prozesshandlungen gegenüber den Prozessbeteiligten ohne Wirkung. Dieser Grundsatz gilt auch für die Prozesshandlungen und Entscheidungen des Gerichts mit Außenwirkung (vgl. BFH-Urteil vom 27. September 1990 I R 143/87, BFHE 162, 208, BStBl II 1991, 101, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 6. Dezember 2005 XI B 116/04, BFH/NV 2006, 951; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., vor § 74 Rz 4, jeweils m.w.N.). Gleiches gilt für Gerichtsverhandlungen während des Ruhens des Verfahrens.
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a) Die Ladung am 17. November 2011, in der auf § 91 Abs. 2 FGO hingewiesen worden ist, wonach beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, war aber nicht unwirksam, weil zu diesem Zeitpunkt das Verfahren nicht mehr ruhte. Ist in einem Beschluss über die Anordnung des Ruhens des Verfahrens --wie vorliegend im Beschluss vom 5. Oktober 2011-- als Endzeitpunkt des Ruhens ein bestimmtes Ereignis bezeichnet, so endet das Ruhen und der Beschluss verliert seine Wirkung, sobald dieses Ereignis eintritt (BFH-Beschluss vom 9. August 2007 III B 187/06, BFH/NV 2007, 2310; zur zeitlichen Begrenzung siehe auch Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 251 Rz 4; Hüßtege in Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 33. Aufl., § 251 Rz 5, 6).
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b) Das war vorliegend der Fall. Das Ruhen war "bis zum Ergehen einer die Instanz abschließenden Entscheidung des Bundesfinanzhofes in den Verfahren V R 35/10 und V R 36/10" angeordnet. Das Verfahren V R 36/10 wurde am 7. Juli 2011 und das Verfahren V R 35/10 am 10. November 2011 jeweils durch Urteil entschieden. Die "die Instanz abschließende Entscheidung" war damit in beiden Fällen vor der Ladung vom 17. November 2011 erfolgt. Das FG hat in seinem Beschluss, mit dem es das Ruhen des Verfahrens angeordnet hat, im Hinblick auf das Ende des Ruhens des Verfahrens nicht auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung abgestellt. Im Übrigen ist das Urteil V R 36/10 am 2. November 2011 und damit auch noch vor der Ladung vom 17. November 2011 veröffentlicht worden. Dass das dieselbe Rechtsfrage betreffende Urteil V R 35/10 erst am 28. März 2012 veröffentlicht wurde, steht dem Ende der Verfahrensruhe nicht entgegen.
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2. Aus den unter II.1. dargelegten Gründen liegt auch der von der Klägerin als Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend gemachte absolute Revisionsgrund i.S. des § 119 Nr. 4 FGO nicht vor.
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