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BFH 05.07.2012 - VI R 50/10
BFH 05.07.2012 - VI R 50/10 - Kosten für Telefongespräche eines Soldaten der Marine während des Einsatzes auf einem Schiff
Normen
§ 9 Abs 1 S 1 EStG 2002, § 12 Nr 1 S 2 EStG 2002, § 4 Abs 4 EStG 2002
Vorinstanz
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 2. September 2009, Az: 7 K 2/07, Urteil
Leitsatz
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Während einer Auswärtstätigkeit von mindestens einer Woche entstandene Telefongebühren können als Werbungskosten abzugsfähig sein.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Soldat der Marine. Er ist auf einer Fregatte eingesetzt. Während eines Einsatzes auf hoher See und während des Aufenthalts in ausländischen Häfen entstanden ihm Kosten in Höhe von 252 € für 15 jeweils an den Wochenenden geführte Telefonate mit Angehörigen und seiner Lebensgefährtin.
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In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2004 machte er diese Aufwendungen als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erkannte diese Aufwendungen nicht an.
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Das FG gab der Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 706 veröffentlichten Gründen statt. Die während einer Dienstreise entstandenen Telefonkosten eines Soldaten seien bei über einwöchiger Abwesenheit als Werbungskosten abzugsfähig. Grundsätzlich seien Telefonate mit Angehörigen dem Bereich der privaten Lebensführung zuzuordnen. Dies gelte allerdings dann nicht, wenn derartige Telefonate während einer beruflich bedingten Auswärtstätigkeit stattfänden. Im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung seien nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Telefonkosten für ein wöchentliches --typisiert: fünfzehnminütiges-- Telefonat anstelle einer durchgeführten Familienheimfahrt als Werbungskosten abziehbar. Diese Rechtsprechung fuße auf dem Gedanken, die private Veranlassung werde durch die beruflich bedingte Abwesenheit überlagert. Eine solche Wertung lasse sich generell auf alle Formen der Auswärtstätigkeit übertragen.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
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Das FA beantragt,
das Urteil des FG vom 2. September 2009 7 K 2/07 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die während der Auswärtstätigkeit des Klägers entstandenen Aufwendungen für Telefonate mit seinen Angehörigen und seiner Lebensgefährtin im Ergebnis zu Recht als Werbungskosten anerkannt.
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1. Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) und liegen nach ständiger Rechtsprechung des BFH vor, wenn zwischen den Aufwendungen und den Einnahmen ein objektiver Zusammenhang besteht.
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a) Ob Aufwendungen der beruflichen Sphäre oder der Lebensführung i.S. von § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG zuzurechnen sind, entscheidet sich unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls, ohne dass dabei allerdings schon ein abstrakter Kausalzusammenhang im Sinne einer conditio sine qua non die einkommensteuerrechtliche Zuordnung der Aufwendungen zur Erwerbssphäre rechtfertigt. Aufwendungen sind vielmehr nur dann als durch eine Einkunftsart veranlasst anzusehen, wenn sie hierzu in einem steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Maßgebend dafür, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist zum einen die wertende Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen auslösenden Moments und zum anderen die Zuweisung dieses maßgebenden Besteuerungsgrundes zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre (BFH-Urteil vom 6. Mai 2010 VI R 25/09, BFHE 229, 297, BStBl II 2010, 851, m.w.N.). Ein Werbungskostenabzug kommt jedoch grundsätzlich dann nicht in Betracht, wenn die Aufwendungen zwar den Beruf fördern, daneben aber auch der Lebensführung dienen, es sei denn, dass der den Beruf fördernde Teil der Aufwendungen sich nach objektiven Maßstäben zutreffend und in leicht nachprüfbarer Weise abgrenzen lässt und nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21. September 2009 GrS 1/06, BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672).
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b) Neben den Aufwendungen z.B. für Wohnung, Verpflegung und Bekleidung sind insbesondere auch die Aufwendungen für Telefonate privaten Inhalts etwa mit Angehörigen und Freunden typische unter § 12 Nr. 1 EStG zu subsumierende Lebensführungskosten. Derartige Aufwendungen sind, wenn sie nach den Vorschriften über das steuerliche Existenzminimum als Sonderausgaben oder als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind, grundsätzlich dem Anwendungsbereich des § 4 Abs. 4 und des § 9 EStG entzogen, um eine doppelte Berücksichtigung zu vermeiden (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672).
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c) Zum traditionellen Bestand des deutschen Einkommensteuerrechts gehört es aber auch, Kosten, die untrennbar sowohl privat als auch beruflich veranlasst sind, der steuerrechtlich erheblichen Berufssphäre zuzuordnen, wenn die Aufwendungen so stark durch die berufliche/betriebliche Situation geprägt sind, dass der private Veranlassungsbeitrag bei wertender Betrachtung unbedeutend ist.
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So ordnet das Gesetz Mehraufwendungen für die Verpflegung des Steuerpflichtigen, die auch bei einer beruflichen Mitveranlassung zunächst private Lebensführungskosten darstellen und deshalb nicht abziehbare Werbungskosten sind (§ 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 EStG), bei Vorliegen einer Auswärtstätigkeit der Erwerbssphäre zu und lässt deshalb nach § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG kalendertäglich einen nach Reisedauer gestaffelten Pauschbetrag zum Werbungskostenabzug zu.
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Dies gilt gleichermaßen für im Schnittbereich von beruflicher Sphäre und privater Lebensführung liegende Mobilitätskosten. Sie werden ebenfalls als Werbungskosten oder Betriebsausgaben anerkannt. Danach gehören --hinreichend folgerichtig-- vor allem Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4, § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG) zu den im Rahmen des objektiven Nettoprinzips abzugsfähigen beruflichen Aufwendungen, obwohl solche Aufwendungen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) wegen der privaten Wahl des Wohnorts zwangsläufig auch privat mitveranlasst sind (BVerfG-Urteil vom 9. Dezember 2008 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210; a.A. noch BFH-Vorlagebeschluss vom 10. Januar 2008 VI R 17/07, BFHE 219, 358, BStBl II 2008, 234, unter B.VI.1.c bb allein berufliche Veranlassung der Wegekosten). Ähnliches gilt etwa für die Kosten beruflich veranlasster auswärtiger Übernachtungen, vor allem aber auch für die beruflich begründete doppelte Haushaltsführung (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5, Abs. 3 EStG). Auch wenn die Begründung des zweiten Haushalts am Arbeitsort im Wesentlichen beruflich veranlasst sein mag, so ist doch die Entscheidung, zusätzlich den alten Hausstand als Wohnsitz beizubehalten, aus der Sicht des Steuerpflichtigen in aller Regel der Privatsphäre zuzuordnen (BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 122, 210, und vom 4. Dezember 2002 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27).
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Gemäß dieser gesetzgeberischen Grundentscheidung lässt auch die Rechtsprechung privat veranlasste Aufwendungen wegen der Überlagerung durch berufliche Gründe zum Werbungskostenabzug zu (z.B. BFH-Urteil vom 9. März 1979 VI R 171/77, BFHE 127, 522, BStBl II 1979, 519 zu den besonderen Umständen, die die Berücksichtigung bürgerlicher Kleidung als typische Berufskleidung rechtfertigen; BFH-Urteil vom 28. März 2012 VI R 48/11, BFHE 237, 82 zu den Aufwendungen eines LKW-Fahrers für Dusche, Toilette und Reinigung der Schlafkabine; BFH-Urteil vom 18. März 1988 VI R 90/84, BFHE 153, 526, BStBl II 1988, 988 zu den Kosten für ein Ferngespräch wöchentlich bis zu einer Dauer von 15 Minuten statt einer Familienheimfahrt), obwohl die Befriedigung dieser allgemein menschlichen Bedürfnisse in erster Linie Ausfluss der Lebensführung ist.
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2. Nach diesen Grundsätzen sieht es der Senat als gerechtfertigt an, auch Aufwendungen für Telefonate privaten Inhalts, die nach einer mindestens einwöchigen Auswärtstätigkeit entstehen, als beruflich veranlassten Mehraufwand der Erwerbssphäre zuzuordnen. In einem solchen Fall werden die privaten Gründe der Kontaktaufnahme etwa mit Angehörigen oder Freunden typisierend betrachtet durch die beruflich/betrieblich veranlasste Auswärtstätigkeit überlagert. Denn bei einer Abwesenheitsdauer von mindestens einer Woche sind die notwendigen privaten Dinge --ebenso wie beispielsweise bei einer doppelten Haushaltsführung aus beruflichem/betrieblichem Anlass-- aus der Ferne nur durch über den normalen Lebensbedarf hinausgehende Mehraufwendungen für Telekommunikation zu regeln. Dieser Mehraufwand ist damit ganz überwiegend durch den beruflichen Veranlassungszusammenhang geprägt und mithin nur in ganz untergeordnetem Umfang von Momenten der privaten Lebensführung beeinflusst. Dementsprechend ist die Entscheidung des FG, die dem Kläger während seiner dienstlichen Einsätze entstandenen Telefonkosten für die 15 jeweils an den Wochenenden geführten Telefonate in Höhe von 252 € als Werbungskosten zu berücksichtigen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (§ 118 Abs. 2 FGO).
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